Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2011
Aktenzeichen: 6 W (pat) 326/06

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2011, Az.: 6 W (pat) 326/06)

Tenor

Das Patent 10 2004 004 665 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 29. Dezember 2005 veröffentlichte Patent 10 2004 004 665 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zum Einstellen einer von einer Walze in einem Walzenstreifen auf einen benachbarten Rotationskörper ausgeübten Anpresskraft und zum Anstellen der Walze an den Rotationskörper oder zum Abstellen der Walze von dem Rotationskörper" ist am 29. März 2006 von zwei Einsprechenden mit im Wesentlichen identischen Schriftsätzen Einspruch erhoben worden. Die Einsprüche sind mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der erteilte Anspruch 1 sei unzulässig geändert, darüber hinaus seien die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1, 5 und 14 nicht neu und beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweisen die Einsprechenden auf folgende Druckschriften E1: EP 0 826 501 B1 und E2: DE 100 01 582 A1.

Die Einsprechenden beantragen, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Sie ist der Auffassung, die erteilten Ansprüche 1, 5 und 14 seien zulässig; ihre Gegenstände seien neu und beruhten auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zum Einstellen einer von einer Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) in einem Walzenstreifen (N11; N12; N21; N22; N31; N32; N41; N42; N51; N52; N61; N62) auf einen benachbarten Rotationskörper (12; 13; 14; 16; 17) ausgeübten Anpresskraft und zum Anstellen der Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) an den Rotationskörper (12; 13; 14; 16; 17) oder zum Abstellen der Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) von dem Rotationskörper (12; 13; 14; 16; 17), wobei beide Enden (18) der Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) jeweils in einem Stützlager (21) mit einer radialhubfähigen Walzenaufnahme (39) gelagert sind, wobei jedes Stützlager (21) mindestens einen auf die Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) wirkenden Aktor (22) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Stützlager (21) und jeder Aktor (22) von einer Steuereinheit einzeln und unabhängig von anderen Stützlagern (21) und Aktoren (22) gesteuert ist, wobei an unterschiedlichen Enden (18) derselben Walze (4; 6; 7; 08; 9; 11) sich in ihrem Wert unterscheidende Anpresskräfte einstellbar sind."

Der nebengeordnete Anspruch 5 lautet:

"Vorrichtung zum Einstellen einer von einer Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) in einem Walzenstreifen (N11; N12; N21; N22; N31; N32; N41; N42; N51; N52; N61; N62) auf einen benachbarten Rotationskörper (12; 13; 14; 16; 17) ausgeübten Anpresskraft und zum Anstellen der Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) an den Rotationskörper (12; 13; 14; 16; 17) oder zum Abstellen der Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) von dem Rotationskörper (12; 13; 14; 16; 17), wobei beide Enden (18) der Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) jeweils in einem Stützlager (21) mit einer radialhubfähigen Walzenaufnahme (39) gelagert sind, wobei jedes Stützlager (21) mehrere auf die Walze (4; 6; 7; 8; 9; 11) wirkende und mit einem Druckmittel druckbeaufschlagbare Aktore (22) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass jedem Stützlager (21) jeweils eine steuerbare Einrichtung zugeordnet ist, wobei die steuerbare Einrichtung mehrere Aktore (22) desselben Stützlagers (21) jeweils synchron in einer ersten Betriebsstellung jeweils mit einem ersten Druckniveau (42) und in einer zweiten Betriebsstellung jeweils mit einem zweiten Druckniveau (42) druckbeaufschlagt, wobei in beiden Betriebsstellungen das jeweils an den Aktoren (22) anstehende Druckniveau (42) jeweils zumindest für einen der Aktore (22) desselben Stützlagers (21) von Null verschieden ist, wobei die steuerbare Einrichtung durch einen Schaltvorgang zwischen der ersten Betriebsstellung und der zweiten Betriebsstellung sprunghaft wechselt."

Der nebengeordnete Anspruch 14 lautet:

"Vorrichtung zum Einstellen einer von einer Walze (4; 6; 7) in einem Walzenstreifen (N11; N12; N21) auf einen benachbarten Formzylinder (12) ausgeübten Anpresskraft und zum Anstellen der Walze (4; 6; 7) an den Formzylinder (12) oder zum Abstellen der Walze (4; 6; 7) von dem Formzylinder (12), wobei beide Enden (18) der Walze (4; 6; 7) jeweils in einem Stützlager (21) mit einer radialhubfähigen Walzenaufnahme (39) gelagert sind, wobei jedes Stützlager (21) mehrere auf die Walze (4; 6; 7) wirkende Aktore (22) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass eine Steuereinheit den Wert FN11; FN12; FN31 der Anpresskraft in einem mit dem Formzylinder (12) ausgebildeten Walzenstreifen (N11; N12; N21) dann auf einen neuen Wert FN11; FN12; FN31 einstellt, wenn eine an der Mantelfläche des Formzylinders (12) ausgebildete Öffnung eines Kanals des Formzylinders (12) und dieser Walzenstreifen (N11; N12; N21) keine gemeinsame sich überdeckende Fläche aufweisen".

Wegen der rückbezogenen Unteransprüche sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind zusätzlich noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

DE 102 44 043 A1 DE 101 13 313 A1 DE 38 25 517 A1 WO 03/0 49 946 A2 WO 02/0 74 541 A1.

II.

1.

Die fristund formgerecht erhobenen Einsprüche sind ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

2.

Die erteilten Ansprüche sind zulässig.

Die Einsprechenden sehen den Anspruch 1 als unzulässig geändert an, weil die ursprüngliche Formulierung des Anspruchs 1, wonach "jedes Stützlager mehrere auf die Walze wirkende Aktore aufweist" im erteilten Anspruch in "wobei jedes Stützlager mindestens einen auf die Walze wirkenden Aktor aufweist" geändert worden ist.

Auf Seite 23, Absatz 1 der Anmeldungsunterlagen ist ausgeführt, dass die Steuereinheit die radiale Kraft mindestens eines Aktors in dem betreffenden Walzenschloss einstellt. Aus dieser Textstelle entnimmt der Fachmann, dass somit auch eine Ausführung denkbar ist, bei welcher nur ein einziger Aktor pro Walze vorhanden ist.

Die Änderung des erteilten Anspruchs 1 ist somit zulässig, da sie aus den Anmeldungsunterlagen herleitbar ist.

Die Zulässigkeit der übrigen Ansprüche ist seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden. Sie ist auch gegeben, da sich die Merkmale der erteilten Ansprüche aus den Ursprungsunterlagen herleiten lassen.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist neu.

Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 ist von den Einsprechenden lediglich im Hinblick auf die E1 bestritten worden. Diese Druckschrift offenbart zwar eine Vorrichtung zum Einstellen einer von einer Walze in einem Walzenstreifen auf einen benachbarten Rotationskörper ausgeübten Anpresskraft und zum Anstellen der Walze an den Rotationskörper oder zum Abstellen der Walze von dem Rotationskörper, sie offenbart aber insbesondere nicht die Merkmale des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1. Denn an keiner Stelle ist ausgeführt, dass jedes Stützlager und jeder Aktor von einer Steuereinheit einzeln und unabhängig von anderen Stützlagern und Aktoren gesteuert ist, wobei an unterschiedlichen Enden derselben Walze sich in ihrem Wert unterscheidende Anpresskräfte einstellbar sind. Im Zusammenhang mit der Steuereinheit ist lediglich ausgesagt (Absatz [0042] bis [0044]), dass diese zur Einstellung bzw. Abstellung der Walzen untereinander dient. Dass dazu jedes Stützlager und jeder Aktor einzeln und unabhängig von anderen Stützlagern und Aktoren gesteuert werden kann, ist der E1 ebenso wenig zu entnehmen, wie der Umstand, dass an unterschiedlichen Enden derselben Walze sich in ihrem Wert unterscheidende Anpresskräfte einstellbar sein sollen.

Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem übrigen Stand der Technik ist nicht bestritten worden, sie ist auch gegeben, wie eine Überprüfung durch den Senat im Rahmen der Amtsermittlung ergeben hat.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist somit neu.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, sind die Merkmale des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1 nicht aus der E1 bekannt. Dies gilt auch für die E2 sowie den im Einspruchsverfahren nicht mehr aufgegriffenen, im Prüfungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik. Somit kann von dort auch weder einzeln noch in einer Zusammenschau eine Anregung zu der patentierten Lösung ausgehen.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit bestandsfähig.

c. Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 5 ist neu.

Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 5 ist von den Einsprechenden lediglich im Hinblick auf die E2 bestritten worden. Diese Druckschrift offenbart möglicherweise zwar eine Vorrichtung nach dem Oberbegriff des erteilten Anspruchs 5, sie offenbart aber insbesondere nicht die Merkmale des kennzeichnenden Teils dieses Anspruchs, wonach die steuerbare Einrichtung mehrere Aktore (22) desselben Stützlagers (21) jeweils synchron in einer ersten Betriebsstellung jeweils mit einem ersten Druckniveau (42) und in einer zweiten Betriebsstellung jeweils mit einem zweiten Druckniveau (42) druckbeaufschlagt, wobei in beiden Betriebsstellungen das jeweils an den Aktoren (22) anstehende Druckniveau (42) jeweils zumindest für einen der Aktore (22) desselben Stützlagers (21) von Null verschieden ist, wobei die steuerbare Einrichtung durch einen Schaltvorgang zwischen der ersten Betriebsstellung und der zweiten Betriebsstellung sprunghaft wechselt.

Gemäß der E2 sind dem Stützlager der Walze B zwei Aktore in Form der Hydraulikzylinders HA/B und HB/C zugeordnet (vgl. die einzige Figur und Sp. 3, Z. 17 bis 19), wobei jeder Hydraulikzylinders HA/B bzw. HB/C von einem Vier-Wege-Ventil gesteuert wird (Sp. 3, Z. 43 bis 44), so dass die Walze B bezüglich der Walzen A und C zubzw. abgestellt werden kann. Dies kann auch unabhängig voneinander geschehen (Sp. 3, Z. 44 bis 48).

Somit ist bei dieser Vorrichtung jedem Stützlager jeweils eine steuerbare Einrichtung zugeordnet, wobei die steuerbare Einrichtung mehrere Aktore je Stützlager umfasst. Die steuerbare Einrichtung kann die Aktore zwar auch gleichzeitig und damit synchron druckbeaufschlagen, allerdings ist dies nur eine der möglichen Optionen und nicht zwingend erforderlich, was aber im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 5 vorausgesetzt wird.

Auch die Merkmale, wonach die steuerbare Einrichtung die Aktore in einer ersten Betriebsstellung jeweils mit einem ersten Druckniveau und in einer zweiten Betriebsstellung jeweils mit einem zweiten Druckniveau druckbeaufschlagt, wobei in beiden Betriebsstellungen das jeweils an den Aktoren anstehende Druckniveau jeweils zumindest für einen der Aktore desselben Stützlagers von Null verschieden ist, wobei die steuerbare Einrichtung durch einen Schaltvorgang zwischen der ersten Betriebsstellung und der zweiten Betriebsstellung sprunghaft wechselt, sind der E2 nicht zu entnehmen, da dort über die Art, wie die Hydraulikzylinder mit Druck beaufschlagt werden, nichts ausgesagt ist. Es wird lediglich ausgeführt, dass die Walze B bezüglich der Walzen A und C zubzw. abgestellt werden kann, ohne detailliert anzugeben, wie dies geschehen soll. Genau dies ist aber im kennzeichnenden Teil des Anspruch 5 im Einzelnen angegeben.

Folglich ist der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 5 neu gegenüber der E2.

Die Neuheit des Gegenstandes der nebengeordneten Anspruch 5 gegenüber den übrigen Entgegenhaltungen wurde nicht bestritten, sie ist auch gegeben, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

d. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 5 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, sind die Merkmale des kennzeichnenden Teils des nebengeordneten Anspruchs 5 nicht aus der E2 bekannt. Dies gilt auch für die E1 sowie den im Einspruchsverfahren nicht mehr aufgegriffenen, im Prüfungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik. Somit kann von dort auch weder einzeln noch in einer Zusammenschau eine Anregung zu der patentierten Lösung ausgehen.

Der nebengeordnete Anspruch 5 ist somit bestandsfähig.

e.

Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 14 ist neu, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen. Dies ist seitens der Einsprechenden im Übrigen auch nicht bestritten worden.

f.

Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 14 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im nebengeordneten Anspruch 14 ist angegeben, unter welchen Bedingungen die Steuereinheit eine Änderung der Anpresskraft vornehmen soll. Dies soll immer dann geschehen, wenn eine an der Mantelfläche des Formzylinders ausgebildete Öffnung eines Kanals des Formzylinders und dieser Walzenstreifen keine gemeinsame sich überdeckende Fläche aufweisen.

Eine derartige Maßnahme ist auch nach Auffassung der Einsprechenden im nachgewiesenen Stand der Technik nicht beschrieben. Sie liegt für den Fachmann entgegen den Ausführungen der Einsprechenden mangels entsprechender Anregungen oder Hinweise aber auch nicht auf der Hand.

Der nebengeordnete Anspruch 14 ist somit ebenfalls bestandsfähig.

g. Zusammen mit den Ansprüchen 1, 5 und 14 sind auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4, 6 bis 13 und 15 bis 79 bestandsfähig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstandes betreffen.

4. Da die unterliegenden Einsprechenden ihren hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 4. März 2011 zurückgenommen haben, konnte der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden.

Lischke Guth Schneider Hildebrandt Cl






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2011
Az: 6 W (pat) 326/06


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