Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 437/09

(BPatG: Beschluss v. 20.10.2010, Az.: 35 W (pat) 437/09)

Tenor

1.

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des aus der Patentanmeldung EP 01 972 864.1 mit Anmeldetag 02. Oktober 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der schwedischen Patentanmeldung SE 0003599-8 abgezweigten und am 21. Juni 2007 eingetragenen, eine

"Vorrichtung für Feuchtigkeitsabsorption" betreffenden deutschen Gebrauchsmusters 201 22 752.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Die weiteren Schutzansprüche, für deren Wortlaut auf die Streitgebrauchsmusterschrift DE 201 22 752 U1 verwiesen wird, sind direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogen.

Die Antragstellerin hat am 4. Januar 2008 beim Deutschen Patentund Markenamt die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt.

Sie machte ihr Löschungsbegehren aus dem § 15 Abs. 1 Ziff. 3 GebrMG, im Übrigen aus § 15 Abs. 1 Ziff. 1 GebrMG geltend; nach ihrer Auffassung geht der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Gebrauchsmusters über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist, zudem sei der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht schutzfähig.

Zum Beleg des Inhalts der ursprünglichen Fassung der Anmeldung bezieht sich die Antragstellerin auf die E3 WO 02/28 742 A1 (= Veröffentlichung der aus der prioritätsbegründenden SE 0003599-8 hervorgegangenen Anmeldung PCT/SE01/02128).

Ihren Vortrag zur fehlenden Schutzfähigkeit hat sie auf folgende Druckschriften gestützt:

E1 WO99/61345A1 E2 US 2 036 909.

Mit Zwischenbescheid vom 6. Mai 2006 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamtes folgende Druckschrift in das Verfahren eingeführt:

E4 JP 0810553 A mit englischsprachiger Übersetzung und englischsprachigem Abstract Auf die mündliche Verhandlung am 12. Dezember 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamtes den Löschungsantrag zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 17. März 2009. In ihrer mit Schriftsatz vom 8. Juli 2009 eingereichten Begründung macht sie ihr Löschungsbegehren unverändert aus den Gründen unzulässiger Erweiterung und fehlender Schutzfähigkeit geltend.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2010 beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Gebrauchsmuster in vollem Umfang zu löschen.

Im Übrigen regt sie an, die Rechtsbeschwerde zu der Frage der unzulässigen Erweiterung bei wortlautgemäßer Auslegung verallgemeinernd formulierter, funktioneller Merkmale zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin tritt dem Vortrag der Antragstellerin in allen Punkten entgegen und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. In der Streitgebrauchsmusterschrift sind folgende Druckschriften angeführt: E5 US5676739A E6 SE-B-419 630 E7 JP7328371A. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Streitgebrauchsmuster hat eine Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption aus der Umgebungsluft mittels eines Trockenmittels zum Gegenstand, das bei Kontakt mit feuchter Luft in Lösung geht, wobei die gebildete (flüssige) Trockenmittelösung in einen Auffangbehälter abfließt.

Die Vorrichtung umfasst hierfür einen das Trockenmittel aufnehmenden Behälter und einen Behälter zur Aufnahme der sich bei der Feuchteabsorption bildenden Trockenmittellösung, die eine Einheit bilden.

Das Streitgebrauchsmuster betrifft das Problem, eine derartige Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption kleiner als bekannte Einrichtungen auszubilden, die einfacher gelagert und transportiert werden kann.

Zur Lösung dieses Problems wird in Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters eine Vorrichtung vorgeschlagen, die durch folgende Merkmale -in einer Gliederung in Anlehnung an den Vorschlag der Antragstellerin -definiert ist (dem tatsächlichen Wortlaut der eingetragenen Fassung geschuldete Abweichungen von dem eingereichten Gliederungsvorschlag in kursiv):

M1 Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption in einem Transportcontainer mit M2 einem Trockenmittelbehälter (1, 21) mit einer Seitenwand (5, 25 ) und einem Mittel zum Zurückhalten des Trockenmittels in dem Behälter, M3 einem Behälter (2, 22) für die Trockenmittellösung mit einer Seitenwand (14, 34) und einem Boden (13, 33), wobei M4 der Trockenmittelbehälter (1, 21) das Trockenmittel aufnehmen kann, das im Kontakt mit feuchter Luft eine Trockenmittellösung bildet, M5 die Seitenwand (5, 25) des Trockenmittelbehälters (1, 21) weist mindestens eine Luftzutrittsöffnung (6, 26) auf, M6 der Trockenmittelbehälter (1, 21) umfasst in seinem Boden mindestens eine Öffnung (4, 24), durch die die Trockenmittellösung in den Behälter (2, 22) für Trockenmittellösung fließen kann, M7 wobei der Behälter (2, 22) für Trockenmittellösung eine obere Öffnung aufweist und M8 verschiebbar so auf dem Trockenmittelbehälter (1, 21) angebracht ist, dass der Trockenmittelbehälter (1, 21) im Behälter (2 , 22) für Trockenmittellösung von einer aktiven Position in eine Transportoder Lagerungsposition verschoben werden kann, M9 in der aktiven Position gestattet die Luftzutrittsöffnung (6, 26) den Zutritt feuchter Luft aus der Umgebung zum Trockenmittelbehälter (1, 21) und M10 in der Transportoder Lagerungsposition bedeckt die Seitenwand (14, 34) des Behälters für Trockenmittellösung die Luftzutrittsöffnung (6, 26) des Trockenmittelbehälters (1, 21) vollständig.

M11 Der Trockenmittelbehälter (1, 21) kann durch einfaches Verschieben im Behälter (2, 22) für Trockenmittellösung von der Transportoder Lagerungsposition in die aktive Position überführt werden, M12 während dieser Überführung behält der Trockenmittelbehälter 81, 21) seine relative Ausrichtung gegenüber dem Behälter (2, 22) für Trockenmittellösung ständig bei.

M13 Die Unterseite des Bodens (3, 23) des Trockenmittelbehälters (1, 2 ) liegt gegenüber der Oberseite des Bodens (13, 33) des Behälters (2 , 22 ) für Trockenmittellösung.

M14 Die Vorrichtung umfasst ferner ein Mittel, um eine Trennung des verschobenen Trockenmittelbehälters (1, 21) vom Behälter (2, 22) für Trockenmittellö

sung zu verhindern.

Als zuständigen Fachmann, dessen Wissen Maßstab für das Verständnis des Streitgebrauchsmusters ist, sieht der Senat einen Diplomingenieur des ingenieurwissenschaftlichen Studiengangs Verpackungstechnik an, der wegen der Gebrauchseigenschaften und Handhabung von Trocknungsmitteln einen Ingenieur der Verfahrenstechnik oder Chemie zu Rate zieht.

Dieser Fachmann wird den Gegenstand des geltenden Schutzanspruchs 1 folgendermaßen auffassen:

Wesentliche vorrichtungstechnische Bestandteile der Vorrichtung sind der durch die Seitenwand 5/25, Mittel zum Zurückhalten des Trockenmittels (Merkmal M2) und den Boden 3/23 (Merkmal M6) definierte Trockenmittelbehälter 1/21 sowie der durch die Seitenwand 14/34, den Boden 13/33 sowie eine obere Öffnung (Merkmale M3 und M7) definierte Behälter 2/22.

Die Luftzutrittsöffnung 6/26 in der Seitenwand 5/25 des Trockenmittelbehälters besitzt eine endliche Ausdehnung, in der Ausführungsbeispielbeschreibung ist sie dementsprechend mit dem Begriff "Fenster 6" bezeichnet, vgl. Absatz [0030], Satz 5. Denn der Ausdruck "Luftzutrittsöffnung" impliziert eine weitere allseitige Erstreckung der hier vom Merkmal M5 zwingend geforderten Wand um die Öffnung herum.

Auch beim Merkmal M6 ist das Vorhandensein eines Bodens 3/23 zwingende Voraussetzung für eine Öffnung mit insoweit endlicher Ausdehnung darin, wie auch den die Ausführungsbeispiele mit Durchgangsbohrungen 4/24 -vgl. Absatz [0030], Satz 4 -zeigenden Figuren 1b/2b entnehmbar ist. Ein endseitig offenes Rohr besäße zwar eine Öffnung, aber keine anteilige, stirnseitige Bodenfläche mehr.

Die Maßnahme gemäß Merkmal M2, Mittel zum Zurückhalten des Trockenmittels in dem Behälter vorzusehen, betrifft die Luftzutrittsöffnung sowie die Öffnung im Boden, gemäß Absatz [0016], Satz 4 können diese mit einem Geflecht oder einem Gitter versehen sein, vgl. auch Absatz [0032], Sätze 5 und 6. Allerdings schweigt sich der Anspruch über die strukturellen Eigenschaften des Trockenmittels aus -in der Gebrauchsmusterschrift ist Trockenmittel in Form einer für feuchte Luft und Trockenmittellösung durchlässigen Nachfüllpatrone aus Filterpapier oder in Form loser Partikel beschrieben - vgl. Absatz [0016].

Weil der Trockenmittelbehälter das Trockenmittel aufnehmen soll, übernehmen die Seitenwand und der Boden hierfür die Rückhaltefunktion, Merkmal M4 fordert in diesem Zusammenhang lediglich die Bereitstellung eines ausreichenden Volumens im Inneren des Trockenmittelbehälters, vgl. die letzen drei Sätze im Absatz [0030].

Aus der Forderung der Merkmale M10 und M11, demnach die aktive Position allein von der Zugänglichkeit der Luftzutrittsöffnung in der Seitenwand abhängt, folgt für den Trockenmittelbehälter über das Merkmal M2 hinaus, dass dieser oberseitig im Transportzustand wie in seiner aktiven Position gegen Luftzutritt abgeschlossen ist.

Aus dem Merkmal M8 folgt für die Gestaltung der Behälter, dass die Seitenwände des Trockenmittelbehälters von den Seitenwänden des Behälters für Trockenmittellösung umgriffen werden und eine Form haben müssen, die eine relative Verschiebung der Behälter zulässt. Weil der Behälter für Trockenmittellösung nur eine obere Öffnung für die Anordnung des Trockenmittelbehälters darin besitzt, ist eine Überführung von der Transportposition in die aktive Position nur entlang der Seitenwände aus der Öffnung heraus oder hinein möglich, die insoweit einen "axialen" Verschiebeweg definieren, vgl. Absatz [0019], Satz 2 im Zusammenhang mit Absatz [0032], Satz 7.

Aus dem Merkmal M9 folgt, dass ausschließlich die Luftzutrittsöffnung den Zutritt feuchter Luft gestattet; sie muss an einer Stelle in der Seitenwand des Trockenmittelbehälters angeordnet sein, die im Transportzustand von der umgebenden Seitenwand entsprechend Merkmal M10 vollständig bedeckt ist, im aktiven Zustand hingegen freiliegt. Weil eine Überführung in diese Positionen durch relative Verschiebung der Behälter erreicht werden soll, folgt hieraus eine notwendige gegenseitige Überlappungslänge der Seitenwände in Richtung der Verschiebung sowie eine Zuordnung der Seitenwände beider Behälter auch in der aktiven Position, die einen Luftzutritt an anderen Stellen als der hierfür ausgewiesenen Öffnung verhindert.

Das eine Funktionseigenschaft betreffende Merkmal M14 ist auf Gestaltungen gerichtet, die eine Verschiebung über diese Überlappungslänge hinaus, d. h. ein Trennen der Behälter beim Verschieben verhindern können.

Bei einer dieser Forderung genügenden Gestaltung liegt die Unterseite des Bodens des Trockenmittelbehälters zwangläufig gegenüber der Oberseite des Bodens des Behälters für Trockenmittellösung, wobei aus dem Merkmal M13 auch die Ausrichtung der Vorrichtung in der Vertikalen im Betrieb folgt, vgl. Absatz [0019], Satz 3.

Aus Vorstehendem folgt für die Gestaltung der beanspruchten Vorrichtung, dass der Trockenmittelbehälter im Behälter für die Trockenmittellösung bei gegenseitiger Überdeckung der Seitenwände der Behälter verschoben werden kann. Die Seitenwand des Trockenmittelbehälters weist eine Öffnung auf, durch die allein im Betriebszustand mit relativ verschobenen Behältern das Trockenmittel beaufschlagende Luft in das Innere des Behälters zutreten kann; die entstehende Trockenmittellösung fließt durch eine im Boden des Trockenmittelbehälters vorgesehene Öffnung ab. In einem Zustand vor dem Gebrauch ist der Trockenmittelbehälter so weit in den für die Aufnahme der abfließenden Lösung vorgesehenen Behälter geschoben, das der letztere mit seiner Seitenwand die Luftzuführungsöffnung des Ersteren vollständig bedeckt ist, wodurch das Trockenmittel vor der Einwirkung feuchter Luft geschützt ist. Zur Aktivierung wird der Trockenmittelbehälter aus dem Behälter für Trockenmittellösung gezogen.

2. Der geltend gemachte Löschungsgrund unzulässiger Erweiterung (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG) ist gegenüber den geltenden Schutzansprüchen nicht gegeben.

Nach Auffassung der Antragstellerin sind die Merkmale M11 und M12 nicht in den ursprünglichen -mit der E3 veröffentlichten -Unterlagen offenbart; den Unterlagen sei weder unmittelbar noch eindeutig eine Überführung von der Transportposition in die aktive Position durch "einfaches Verschieben" entnehmbar, auch nicht die "ständige Beibehaltung der relativen Ausrichtung" während des Überführens. Selbst die Zeichnungen ließen nicht vollständig erkennen, mit Hilfe welcher Bewegungen eines oder beider Behälter das Verschieben konkret vonstatten gehen könnte. Insbesondere seien keine Mittel erkennbar, die eine Drehbewegung eines oder beider Behälter um ihre gemeinsame Längsachse verhindern und somit den Freiheitsgrad der Bewegung auf eine reine Verschiebung einschränken.

Die Begründung im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung mit Hinweis auf die Figuren und Textpassagen, demnach die für das Ausführungsbeispiel beschriebene Axialverschiebung zwangsläufig eine ständige Beibehaltung der relativen Ausrichtung bedinge, sei in Ermangelung einer Auslegung des Schutzanspruchs unzureichend.

Demnach unterstellt die Antragstellerin den Merkmalen M11 und M12 einen Bedeutungsgehalt, dass diese nicht offenbarte Maßnahmen zur Verhinderung einer Drehbewegung im ihre gemeinsame Achse fordern und eine ständige Beibehaltung der relativen Ausrichtung beim Verschieben ohne jedes Verdrehen um die Vorrichtungsachse implizieren.

Hierbei legt sie diese Merkmale allerdings aus sich selbst heraus im Widerspruch zur Offenbarung und nicht -wie geboten -anhand der Gesamtoffenbarung aus:

Denn bei der wie vorstehend ausgeführt verstandenen Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption befindet sich der Trockenmittelbehälter in der geschlossenen Transportposition in einer durch die Seitenwände und die Öffnung definierten Ausrichtung in dem Behälter für Trockenmittellösung, die die Richtung für die Überführung in die aktive Position vorbestimmt. Aus der Forderung des Merkmals M11, dass eine Überführung von der Transportposition in die aktive Position "durch einfaches Verschieben" möglich sein soll, folgt für die Gestaltung der mit ihren Seitenwänden ineinandergreifenden Behälter, dass diese zwingend jedenfalls eine reine relative Versetzungsbewegung -mit den Worten der Antragstellerin ein teleskopartiges Verschieben -entlang der durch die Seitenwände und die obere Öffnung des Behälter für Trockenmittellösung im geschlossenen Zustand vorbestimmten Richtung ermöglicht.

Die bereits in den ursprünglichen Unterlagen gemäß der E3 offenbarten zylindrischen oder parallelepipedische Formen der Behälter -vgl. dort Ansprüche 14 und 15, hier gleichlautend enthalten -lassen genau diese rein translatorische Auszugsbewegung zu; deren komplementäre Formgebung gibt die Richtung der notwendigen Auszugsbewegung vor. So wird der Übergang in die aktive Position auf der Seite 11 in Zeile 18 der E3 ausdrücklich als axiale Verschiebung charakterisiert. Die Merkmale M11 und M12 schließen folgerichtig tatsächlich nicht offenbarte transversale Bewegungen quer zur Ausrichtung genauso wie kombinierte translatorischrotatorische Bewegungen wie eine Schraubbewegung aus, soweit diese für die Überführung in die aktive Position durch die gegenseitig angepasste Gestaltung zwangsläufig vollzogen werden müssen. Eine den Forderungen der Merkmale M11 und M12 genügende Gestaltung der Behälter kann zwar neben dem Freiheitsgrad für eine Verschiebung als weiteren Freiheitsgrad der Bewegung noch eine willkürliche Rotation um die aus der Verschiebung folgenden Richtung ermöglichen -was der Fall bei kreiszylindrischen Behälterwandungen ist: Mithin wird bei einer Ausführung mit zylindrisch geformten Behältern gemäß Unteranspruch 14 der Trockenmittelbehälter seine "relative Ausrichtung" gegenüber dem Behälter für Trockenmittellösung gemäß der Forderung des Merkmals M12 auch bei einer zulässigen willkürlichen, ohne Einschränkung möglichen relativen Verdrehung beim Verschieben beibehalten. Konstruktive Maßnahmen wie angepasste Gestaltungen der Behälter indes, die ein Öffnen nur durch eine zusammengesetzte Bewegung aus einer Translation einschließlich einer einhergehenden rotatorischen Bewegungskomponente ermöglichen -wie eine Schraubbewegung, die im Übrigen tatsächlich nicht ursprünglich offenbart sind -schließt der Anspruch 1 dagegen aus.

Bei obigem, aus einer verständigen Würdigung des Offenbarten folgenden Verständnis der für ein Öffnen erforderlichen Bewegung -nämlich einer rein translatorischen Bewegung -ist die für sich offenbarte Verschiebung auch "einfach", weil keine komplexe, aus mehreren Komponenten bestehende Bewegung einzuleiten ist. Ist auch an keiner Stelle in der E3 von einem "einfachen Verschieben" die Rede, wurde hier durch die Merkmale M11 und M12 eine implizit offenbarte Aussage gleichsinnig ergänzt. Ein anderes Verständnis außerhalb dieses tautologischen Sinngehalts ist spekulativ und außerhalb des Offenbarten.

Mithin geht der Gegenstand des Schutzbegehrens in der eingetragenen Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Weil die übrigen Merkmale bereits Gegenstand des Anspruchs 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung gemäß E3 waren -was die Antragstellerin im Übrigen nicht bestritten hat, bedingen die Merkmale M11 und M12 bei dem gebotenen Verständnis zudem eine Einschränkung des in der ursprünglich eingereichten Fassung allgemeiner gehaltenen Anspruchs 1 auf die tatsächlich offenbarten Ausführungsformen, weil zwangsläufig zu kombinierende, mehrachsige Bewegungen oder andere als axiale Bewegungen aus der Öffnung des Behälters für Trockenmittellösung heraus mit dem geltenden Anspruchswortlaut ausgeschlossen sind.

Die übrigen Schutzansprüche -gleichlautend enthalten in der EP 1 328 448 B1 entsprechen den untergeordneten Ansprüchen in der ursprünglich eingereichten Fassung gemäß E3.

Mithin sind die Schutzansprüche in der geltenden, eingetragenen Fassung zulässig.

3. Der geltend gemachte Löschungsgrund mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) ist gegenüber den geltenden Schutzansprüchen nicht gegeben.

3.1 Der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik neu, was auch von der Löschungsantragstellerin nicht bestritten wird und wie im Übrigen auch die nachstehenden Ausführungen zeigen.

3.2 Die gewerblich anwendbare Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption mit den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 beruht auch einem erfinderischen Schritt.

Die E2 offenbart eine Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption mit einem Trockenmittel, das in Kontakt mit feuchter Luft eine Trockenmittellösung bildet, bei derein Transportcontainer entsprechend Merkmal M1 durch einen (unteren) Behälter ähnlich Merkmal M3 für die Aufnahme der Trockenmittellösung ("receptacle", Pos. 5 z.B. in Figur 1) mit einem im geschlossenen Zustand aufsitzendem Deckel ("cover'", Pos. 6) gebildet ist, vgl. dort Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 43 bis 52. Durch Hochziehen des Deckels wird das daran anhängende Trockenmittel ("dehydrating composition [...] suspended from the cover") der Umgebungsluft ausgesetzt, wobei die entstehende wässrige Lösung in den -insoweit entsprechend Merkmal M7 oben offenen -Behälter abtropft, vgl. Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 30 bis 39.

Die Antragstellerin sieht bei der aus E2 hervorgehenden Vorrichtung bereits das gleiche Öffnungsprinzip hinsichtlich der einachsigen Auszugsbewegung mit einhergehender Schaffung von Luftzutrittsöffnungen verwirklicht und folgert, dass bei einer anderen physikalischen Beschaffenheit des Trockenmittels wie Granulat der Fachmann zwangsläufig auf einen Behälter zur Aufnahme desselben ausweichen würde. Dem kann nicht gefolgt werden:

Für die Realisierung eines Auszugsmechanismus, der auch bei der in E2 beschriebenen Vorrichtung eine Überführung vom geschlossenem Zustand in die aktive Position durch einfaches Verschieben entsprechend Merkmal M11 -allerdings des Deckels -unter Beibehaltung der relativen Ausrichtung gegenüber dem Behälter für Trockenmittellösung entsprechend Merkmal M12 ermöglicht, sind dort federnde Arme ("spring arms 12", vgl. Seite 2, linke Spalte, Zeilen 53 bis 58) am Deckel befestigt, die innen an der Seitenwand des Behälters für Trockenmittellösung anliegen und im geöffnetem Zustand an dieser verrasten - vgl. Seite 2, linke Spalte, Zeilen 22 bis 38 - insoweit eine Trennung des Behälters für Trockenmittellösung entsprechend Merkmal M14 verhindernd. Bei diesem beschriebenen Aufbau kann auch der Behälter für Trockenmittellösung wieder entsprechend Merkmal M8 zurück in eine Transportoder Lagerungsposition verschoben werden, wenngleich die Arme der hierfür notwendigen Anbringung des Behälters für Trockenmittellösung dienen.

Dort bildet sich beim Öffnen allerdings ein umlaufender Spalt zwischen einem dort im Transportzustand den Behälter für Trockenmittellösung übergreifenden Kragen am Deckel ("depending flange", vgl. Seite 1 a. a. O.) und dem oberen Rand dieses Behälters, der den Luftzutritt gestattet; hierbei wird somit keine in einer Seitenwand vorhandene Luftzutrittsöffnung freigegeben wie von den Merkmalen M5 und M9 gefordert. Vielmehr dient der Deckel der Bedeckung der oberen Öffnung des Behälters für Trockenmittellösung, die dort (selbst) die verschließbare Luftzutrittsöffnung bildet. Die Luftzufuhr erfolgt dort durch Abheben des Deckels unabhängig von den zwischen den Armen freigelassenen Bereichen; die Seitenwände des Behälters für Trockenmittellösung bedecken diese Bereiche zwar auch dort beim Zusammenschieben, jedoch nie vollständig im Sinne eines alleinigen Abschlusses gegen Luftzutritt entsprechend Merkmal M10.

Allen in E2 beschriebenen Ausführungsformen ist die Anbringung eines Trockenmittelblocks an dem Deckel gemein, vgl. Seite 2, linke Spalte, Zeile 73 bis Zeile 6 und rechte Spalte, Zeilen 30 bis 39, sowie Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 50 bis 52. Selbst für nicht genannte, strukturelle Alternativen ("in forms other than solids", vgl. Spalte 3, linke Spalte, Zeilen 3 bis 12) soll das Trockenmittel vom Deckel getragen sein ("supported by the cover", vgl. a. a. O.) und der Umgebungsluft durch Abheben desselben ausgesetzt werden ("...exposed when opening the latter").

Somit sind dort zwar noch Mittel zum Zurückhalten des Trockenmittels entsprechend diesem Teil des Merkmal M2 vorhanden. Bei den einzelnen in den Figuren 1 bis 6 in E2 dargestellten Ausführungsformen bilden die Arme von daher jedoch keinen das Trockenmittel aufnehmenden Behälter mit hierfür ausgebildeten Seitenwänden entsprechend dem Merkmal M4 aus, zumal dort überhaupt kein Boden - als Voraussetzung für eine Öffnung darin entsprechend der Forderung des Merkmals M6 - vorhanden ist. Dies gilt gleichermaßen für die in den Figuren 5 und 6 dargestellte, dort einem Berührschutz dienende seitliche Netzummantelung des Trockenmittelblocks, vgl. Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 49 bis 72, der von daher weder eine Rückhaltefunktion (Teil des Merkmals M2) hat noch einen Boden (Teil des Merkmals M6) aufweist.

Selbst wenn der Fachmann ausgehend von E2 -wie die Antragstellerin postuliert loses Granulat bevorzugte und hierfür einen Behälter hernähme, müsste er hierfür weder die vorgeschlagene Befestigung am Deckel aufgeben noch zwangsläufig Seitenwände -anstelle der Arme -vorsehen und so auf die Seitenwand des Behälters für die Trockenmittellösung abstimmen, dass der Luftzutritt allein durch Überlappung der Seitenwände verhindert wird.

Für die beim Schutzgegenstand gegebene Funktionsintegration, bei der die Seitenwänden gleichermaßen der Realisierung des Schiebesitzes und des Verschließens darin enthaltener Öffnungen dienen, die allein den Luftzutritt ermöglichen, bietet bereits die E2 allein keine Anregung.

Die E4 offenbart eine aus zwei über ein Gewinde ("threated parts") miteinander verbundenen Behältern ("inner vessel 2", "vessel main body 5") bestehende Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption mit einem Trockenmittel ("delisquescent moisture absorbent"), wobei der obere Behälter ("inner vessel 2") mit einer umfänglichen Seitenwand (vgl. Figur 3) das Trockenmittel aufnimmt; die sich bildende Trockenmittellösung fließt durch Öffnungen 2b ("dropping hole 2b") in dessen Boden in den untereren Behälterteil ("lower reservoir 5b") des oben offenen, unteren Behälters ab, vgl. Absatz 0018 in der Übersetzung der E4. Diese dem Merkmal M1 entsprechende Vorrichtung weist von daher die Merkmale M2 bis M4, M6 und M7 sowie M13 auf.

Die Luftzutrittsöffnungen befinden sich dort indes an der Oberseite des oberen Behälters ("opening 2a as an air inlet section"), abgedeckt von einem zwar wasserdampfdurchlässigen ("moisture permeation"), jedoch wasserundurchlässigen Film ("no water permeability film 4") und einem diesen Film schützenden Deckel ("wrap lid 6") mit eigenen Luftzutrittsöffnungen ("slit shape vents 6a) -vgl. Absätze 0018 und 0019 -und somit nicht im Bereich einer vom unteren Behälter überdeckbaren Seitenwand, wie es die Merkmale M5 und M10 für den Gegenstand des Anspruchs 1 fordern. Vielmehr ist dort für die Abdeckung dieser Luftzutrittsöffungen im Lagerungszustand eine (gesonderte,) undurchlässige Aluminiumfolie ("non breathable [...] aluminium sheet") vorgeschlagen, vgl. Absatz 0031.

Durch Verdrehen entsprechend der durch die Gewindeverbindung konstruktiv vorgegebenen Schraubbewegung kann dort zwar eine in der das Gewinde tragenden Seitenwandung ("thread part 2d") des oberen Behälters vorgesehene Ausnehmung ("opening 7a") mit einer in der das Gegengewinde tragenden Seitenwandung ("thread part 5c") des unteren Behälters vorgesehenen Öffnung ("interconnecting opening 7b") zur Deckung gebracht werden, vgl. Absätze 0021 und 0028 im Zusammenhang mit Figur 3. Die beim Betrieb der Vorrichtung durch wechselseitige Überdeckung der Seitenwandungen verschlossenen Öffnungen -vgl. die Darstellung in Figur 2 -dienen jedoch allein dem Nachfüllen von Granulat ("..to fill up the [...] delisquescent desiccant", vgl. a. a. O.), wofür die Öffnungen durch die mit der vorgegebenen Schraubbewegung einhergehende Verdrehung freigegeben werden können. Die in der Seitenwand des Trockenmittelbehälters -dort dem oberen Behälter ("inner vessel 2") -vorgesehene Öffnung ermöglicht in diesem Zustand zwar auch einen Zutritt feuchter Luft, jedoch erfordert diese Lösung neben einer korrespondierenden Öffnung in der Seitenwand des unteren Behälters immer auch eine Schraubbewegung für die Überführung von der geschlossenen in die geöffnete Stellung.

Mithin weist die dort beschriebene Vorrichtung nicht die Merkmale M8 bis M12 auf. Selbst bei einer Abwandlung durch konstruktive Vorgabe einer rein translatorischen Auszugsverschiebung -anstelle einer Schraubbewegung -wofür die dort vorgeschlagene Gewindeverbindung entfallen müsste -bietet diese Druckschrift ebenfalls keine Anregung, die dort für den Luftzutritt im aktiven Zustand wesentlichen Maßnahmen aufzugeben.

Mithin zeigt der Stand der Technik "fertige" Lösungen, die bereits keinen Anlass zu Abänderungen im Sinne der Merkmalskombination des Streitgebrauchsmuster bieten. Selbst bei gegenseitiger Übernahme einzelner Merkmale gelangt der Fachmann weder zwangsläufig noch unmittelbar zu einer alle Merkmale gemäß Anspruch 1 aufweisenden Vorrichtung.

Der übrige Stand der Technik kommt nach Überprüfung des Senats nicht näher und wurde von der Antragstellerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch in der mündlichen Verhandlung zurecht nicht mehr aufgegriffen.

Der Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung ist daher rechtsbeständig.

4. Die Unteransprüche 2 bis 20 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands nach Schutzanspruch 1; sie werden von diesem getragen.

III.

In Anbetracht der Rechtsprechungspraxis, die einerseits eine am Ausführungsbeispiel orientierte Auslegung unterhalb des Anspruchswortlautes verbietet (vgl. z. B. X ZR 153/05 / "Mehrgangnabe"), andererseits gebietet, zum Offenbarungsgehalt einer Anmeldung nur das gehörig anzusehen, was den ursprünglichen Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (vgl. z. B. Xa ZR 124/07 / "Fälschungssicheres Dokument"), war bei dem komplexen Sachverhalt wie im vorliegenden Fall der Anregung auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu folgen, zumal hier die Relevanz bestimmter tatsächlicher Gesichtspunkte für die richterliche Auslegung des Schutzanspruchs erst in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht wurden und eine vollständige richterliche Bewertung des technischen Sachverhalts im Hinblick auf die behauptete unzulässige Erweiterung erst in dieser Instanz vorgenommen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 PatG und §§ 91 ff. ZPO in entsprechender Anwendung.

Müllner Sandkämper Dr. Baumgartprö






BPatG:
Beschluss v. 20.10.2010
Az: 35 W (pat) 437/09


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