Oberlandesgericht Schleswig:
Beschluss vom 26. Juni 2008
Aktenzeichen: 15 WF 92/08

(OLG Schleswig: Beschluss v. 26.06.2008, Az.: 15 WF 92/08)

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss vom 29. Februar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Erinnerungsverfahren gebührenfrei ist.

Gründe

Die Beschwerdeführerin wurde dem Antragsteller im Rahmen der ihm bewilligten ratenfreien Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 03. März 2006 als neue Prozessbevollmächtigte mit der Maßgabe beigeordnet, dass die durch den Anwaltswechsel entstehenden Mehrkosten der Staatskasse nicht zur Last fallen.

Der ehemals beigeordnete Prozessbevollmächtigte beantragte am 28. März 2006 die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 725,00 €, die am 18. Juni 2005 (gemeint wohl 2006) erfolgte; eine Auszahlung an ihn unterblieb.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Festsetzung ihrer Vergütung nach Beendigung des Verfahrens am 22. Mai 2006 ohne Absetzungen. Mit Beschluss vom 17. Juli 2006 wurde ihre Vergütung unter im Einzelnen begründeten Absetzungen, allerdings ohne Berücksichtigung der an den früheren Prozessbevollmächtigten zu zahlenden Vergütung, auf 1.110,12 € festgesetzt und am 25. Juli 2006 ausgezahlt.

Als der ehemalige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers etwa ein Jahr später, am 10. Juli 2007, an seine Vergütung erinnert hatte, wurde die Beschwerdeführerin auf die fehlerhafte Festsetzung ihrer Vergütung hingewiesen und um Erstattung von 725,00 € gebeten. Die Beschwerdeführerin hielt sich nicht für erstattungspflichtig und führte aus, sie habe das Honorar abgerechnet und erhalten, was ihr zustehe. Auch die Endabrechnung mit dem Mandanten sei bereits vor langer Zeit erfolgt. Ihre Vergütung sei seinerzeit bereits im Hinblick darauf gekürzt worden, dass der frühere Prozessbevollmächtigte bereits einen Teil der Prozesskostenhilfegebühren erhalten habe.

Die Beschwerdeführerin blieb bei ihrer Auffassung, nachdem sie darauf hingewiesen worden war, dass die Absetzungen wie aus dem Festsetzungsbeschluss ersichtlich aus anderen Gründen erfolgt seien. Die Beschwerdeführerin wies ferner darauf hin, dass der Antragsteller jetzt vermutlich nicht mehr leistungsfähig sei und sie mit ihrer Vergütung ausfallen würde. Insofern werde ihr durch den Rechenfehler der Staatskasse das Insolvenzrisiko aufgebürdet. Gleichwohl habe sie den Antragsteller aufgefordert, die verlangten 725,00 € direkt an die Staatskasse zu erstatten.

Der Antragsteller selbst machte am 17. Oktober 2007 gegenüber dem Gericht geltend, er verstehe nicht, warum er 725,00 € zahlen solle, was er auch nicht könne, und bat um Klärung.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle legte den Vorgang daraufhin der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht vor, die am 25./29. Oktober 2007 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 17. Juli 2006 Erinnerung mit dem Ziel einlegte, den Beschluss aufheben und die Kosten anderweitig auf 385,12 € festsetzen zu lassen.

Durch zwei Beschlüsse vom 31. Oktober 2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - diesem Antrag entsprochen.

Gegen den die Festsetzung vom 17. Juli 2006 aufhebenden Beschluss hat die Beschwerdeführerin €Erinnerung/Beschwerde€ eingelegt und ausgeführt, die Aufhebung verstoße gegen Treu und Glauben. Der Antragsteller habe seinerzeit Raten auf die wegen des Anwaltswechsels nicht gedeckten Anwaltskosten gezahlt. Nach Vergütung der Gebühren aus der Staatskasse sei der Grund für die Ratenzahlung entfallen; dem Antragsteller sei mitgeteilt worden, er brauche weitere Zahlungen nicht zu leisten. Mittlerweile sei der Antragsteller in der früheren Ratenhöhe nicht mehr leistungsfähig.

Nach Stellungnahme der Bezirksrevisorin ist durch den angefochtenen richterlichen Beschluss vom 29. Februar 2008 die Beschwerde der Beschwerdeführerin kostenpflichtig zurückgewiesen worden.

Die Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 10. März 2008 zugegangenen Beschluss am 20. März 2008 €weitere Beschwerde€ eingelegt, mit der sie geltend macht, das Amtsgericht habe über ihre Beschwerde nicht selbst entscheiden dürfen. Die Entscheidung gehe zudem auf ihr Vorbringen nicht ein.

Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1 2. Alt., 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Verfahren des Amtsgerichts - Familiengericht - hinsichtlich der Erinnerung der Beschwerdeführerin entspricht den §§ 56, 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 und 8 RVG. Der als Erinnerung anzusehende Rechtsbehelf ist nach einer (allerdings unbegründeten) Nichtabhilfeentscheidung der Richterin der Instanz vorgelegt worden, die die als Beschwerde bezeichnete Erinnerung zurückgewiesen hat. Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, ist ihr die Erinnerung der Bezirksrevisorin, deren Begründung sich der angefochtene Beschluss zu Eigen gemacht hat, zusammen mit dem Aufhebungsbeschluss zugestellt worden. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht vor diesem Beschluss rechtliche Hinweise gegeben.

Zu Recht hat das Amtsgericht - Familiengericht - auf die Erinnerung der Staatskasse den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 17. Juli 2006 aufgehoben.

Die Erinnerung der Staatskasse ist nicht verfristet gewesen. Dabei kommt es auf die Beantwortung der Frage nicht an, ob für die Erinnerung des § 56 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 1. Alt. RVG die Zweiwochenfrist des § 573 Abs. 1 ZPO gilt (so LAG Berlin, MDR 2006, 1438), oder ob - wofür alles spricht - die Erinnerung mangels Verweisung auf die Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG in § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG an keine Frist gebunden ist (so Thüringer OLG, RPfleger 2006, 434; Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, Rn. 6 zu § 56 RVG m. w. N.; KG, FamRZ 2004, 1805 zur BRAGO). Denn der Rechtsbehelf ist innerhalb von zwei Wochen eingelegt worden, nachdem der Beschluss vom 17. Juli 2006 der Vertreterin der Staatskasse bekannt gegeben worden war.

Dass die Vergütung aufgrund jenes Beschlusses bereits an die Beschwerdeführerin ausgezahlt worden ist, macht die Erinnerung der Staatskasse nicht unzulässig. Denn das Gesetz sieht eine solche Einschränkung nicht vor und knüpft damit an die Auszahlung der Vergütung grundsätzlich nicht das Vertrauen, das die Beschwerdeführerin für sich in Anspruch nimmt (vgl. Thüringer OLG, a. a. O.).

Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, fehlerhaft zu hoch angesetzte Vergütungen nach der Auszahlung nicht mehr gerichtlich und ggf. richterlich durch die Staatskasse nachprüfen zu lassen und überzahlte Beträge zurückzufordern (Thüringer OLG, a. a. O.). Dem berechtigten Schutzbedürfnis des beigeordneten Rechtsanwalts wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass nach herrschender Meinung ein Rückforderungsrecht der Landeskasse bei einer zu hohen Vergütungsfestsetzung entsprechend § 20 Abs. 1 GKG nach Ablauf des Kalenderjahres nach der erstmaligen Festsetzung der Vergütung nicht mehr gegeben ist (vgl. Thüringer OLG, a. a. O.; OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 199; OLG Düsseldorf, JurBüro 96, 144; OLG Frankfurt, FamRZ 91, 1462; Senat, Einzelrichterbeschluss vom 17. Juni 2004 - 15 WF 35/04 -; a. A. Hartmann, a. a. O., Rn. 3 zu § 56 RVG am Ende m. w. N.). Die Rückforderung bis zu diesem Zeitpunkt begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar selbst dann nicht, wenn sie auf einer zwischenzeitlich geänderten Rechtsprechung beruht (BVerfG, JurBüro 83, 1325).

Einem Rechtsanwalt müssen diese Rechtsauffassungen bekannt sein, so dass er sich darauf einstellen kann und muss, dass Änderungen erfolgen können. Das gilt hier umso mehr, als die Beiordnung der Beschwerdeführerin eingeschränkt erfolgt und es offensichtlich war, dass der Beschluss vom 17. Juli 2006 gleichwohl weder eine Absetzung noch einen Vorbehalt enthielt.

Im umgekehrten Fall ist es im Übrigen auch dem beigeordneten Rechtsanwalt gestattet, Nachforderungen bei irrtümlich zu niedrig beantragter Vergütung zu erheben (vgl. Hartmann, a. a. O., Rn. 33 zu § 55 RVG); dafür soll nicht einmal die Frist des § 20 Abs. 1 GKG entsprechend gelten (so das KG, a. a. O.).

Allerdings könnte die anderweitige Festsetzung und die Rückforderung überzahlter Vergütung schon vor Ablauf des auf die Festsetzung folgenden Kalenderjahres verwirkt sein, wenn über den bloßen Zeitablauf hinaus Umstände vorlägen, nach denen der Rechtsanwalt mit einer Änderung der Festsetzung und einer Rückforderung nicht mehr rechnen muss (vgl. zu dem Umstandsmoment der Verwirkung allgemein Palandt - Heinrichs, 67. Auflage, Rn. 95 zu § 242 BGB m. w. N.). Solche Umstände trägt die Beschwerdeführerin nicht vor. Sie sind auch nicht ersichtlich. Wenn die Beschwerdeführerin nach Auszahlung der beantragten Vergütung dem Antragsteller mitgeteilt hat, er brauche keine Zahlungen (mehr) zu leisten, hat sie das vor dem Hintergrund der o. a. Rechtsprechung, der Kenntnis ihrer eingeschränkten Beiordnung und der Kenntnis getan, dass der Festsetzungsbeschluss vom 17. Juli 2006 gerade keine Absetzungen zugunsten des früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers enthielt.

Die angefochtene Entscheidung ist lediglich im Kostenpunkt im Hinblick auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG dahingehend abzuändern, dass das Erinnerungsverfahren gebührenfrei ist.

Das Verfahren über die Beschwerde ist danach ebenfalls gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).






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Beschluss v. 26.06.2008
Az: 15 WF 92/08


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