Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 10. Juni 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 9/08
(BGH: Beschluss v. 10.06.2009, Az.: AnwZ (B) 9/08)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 2. Senats des Schleswig-Holsteinischen Anwaltsgerichtshofs vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist seit 1996 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Bescheid vom 4. April 2007 nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung der Antragstellerin zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Dies wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist. Die Antragstellerin war im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung mit insgesamt vier Haftbefehlen zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts N. eingetragen. Die hierdurch begründete Vermutung hat sie nicht widerlegt. Den Aufforderungen der Antragsgegnerin, zu ihren Vermögensverhältnissen detailliert Stellung zu nehmen, ist sie nicht nachgekommen.
b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den hierauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger.
2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), ist nicht gegeben.
a) Den hierfür erforderlichen Nachweis einer Konsolidierung ihrer Vermögensverhältnisse hat die Antragstellerin nicht geführt. Zwar ist es ihr zwischenzeitlich gelungen, die der Widerrufsverfügung zu Grunde liegenden Forderungen zu tilgen und die Löschung der sie betreffenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zu bewirken. Jedoch sind im Laufe des Verfahrens immer wieder neue Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen sie bekannt geworden. So hat zuletzt das Amtsgericht N. mitgeteilt, dass das Versorgungswerk für Rechtsanwälte gegen die Antragstellerin wegen einer Gesamtforderung in Höhe von 24.852,40 € die Zwangsvollstreckung betreibt. Der Senat hat daraufhin die Antragstellerin erneut darauf hingewiesen, dass ihr der Nachweis eines nachträglichen Wegfalls des Vermögensverfalls obliegt und sie zu einer Stellungnahme zu dieser weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahme aufgefordert. Eine solche ist jedoch trotz mehrfacher Verlängerung der eingeräumten Erklärungsfrist nicht erfolgt.
Im Übrigen reicht es zum Nachweis einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse nicht aus, dass der betroffene Rechtsanwalt bezüglich einzelner bekannt gewordener Forderungen eine Schuldtilgung nachweist. Vielmehr muss er - worauf die Antragstellerin ebenfalls wiederholt hingewiesen worden ist - seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegen. Insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher der gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob und in welcher Höhe diese inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. Januar 2004 - AnwZ (B) 26/03 und vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 105/06; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 14 Rdn. 60 m.w.N.). Auch dem hat die Antragstellerin nicht entsprochen.
b) Durch den Vermögensverfall sind auch weiterhin die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Für einen Ausnahmefall im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511) ist nichts ersichtlich.
3. Der Senat konnte ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben. Er sieht keinen Anlass, den Geschäftswert niedriger als in Fällen der vorliegenden Art üblich (vgl. Dittmer in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 202 Rdn. 2) festzusetzen, und bemisst ihn daher höher als der Anwaltsgerichtshof.
Tolksdorf Ernemann Frellesen Roggenbuck Kappelhoff Martini Quaas Vorinstanz:
AGH Schleswig, Entscheidung vom 04.12.2007 - 2 AGH 4/07 -
BGH:
Beschluss v. 10.06.2009
Az: AnwZ (B) 9/08
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