Verwaltungsgericht Sigmaringen:
Urteil vom 9. Februar 2012
Aktenzeichen: 6 K 2834/11
(VG Sigmaringen: Urteil v. 09.02.2012, Az.: 6 K 2834/11)
Tenor
Der Bescheid der Bezirksärztekammer Südwürttemberg vom 20.12.2010 und der Widerspruchsbescheid der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 23.08.2011 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einer Gebührenumlage für die Kosten besonderer Einrichtungen des ärztlichen Notfalldienstes.
Der 1937 geborene Kläger war bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze von 68 Jahren als niedergelassener Allgemeinarzt tätig; mit Ablauf des 30.06.2005 schloss er seine Praxis.
Mit Schreiben vom 20.02.2005 und vom 11.08.2005 teilte der Kläger der Bezirksärztekammer Südwürttemberg sein Ausscheiden aus der kassenärztlichen Versorgung mit; er beabsichtige jedoch, in geringem Umfang eine privatärztliche Praxis weiterzuführen, deren Einnahmen noch nicht absehbar seien, 30.000 Euro pro Jahr aber nicht übersteigen würden, weshalb er um eine anteilige Festsetzung des Kammerbeitrags nachsuche. Er halte es weiterhin für seine ärztliche Pflicht, Menschen, die ihn um Rat und Hilfe bitten würden, entsprechend zu helfen, ohne dass dadurch eine kontinuierliche ärztliche Betreuung wie diejenige eines niedergelassenen Arztes durchgeführt werde. Im Juli 2005 teilte der Kläger der Bezirksärztekammer Südwürttemberg weiter mit, dass eine große Zahl von Patienten privatärztlich in seiner Behandlung verbleiben wolle. Der Kläger bat um Auskunft, ob es rechtlich möglich sei, für gesetzlich Krankenversicherte die Geltung der GOÄ abzubedingen und diejenige der Gebührenordnung für Heilpraktiker zu vereinbaren. Die Bezirksärztekammer antwortete dem Kläger daraufhin, Voraussetzung für eine entsprechende Vorgehensweise sei die Rückgabe der Approbation und die Ableistung der Heilpraktikerprüfung.
Mit (nicht bei den Akten befindlichem) Bescheid vom 19.06.2006 zog die Kreisärzteschaft B. den Kläger zur vollen Gebührenumlage für die Kosten besonderer Einrichtungen des ärztlichen Notdienstes) für das Jahr 2005 heran. Auf einen Widerspruch des Klägers teilte der Vorsitzende der Kreisärzteschaft B. dem Kläger mit Schreiben vom 06.08.2006 mit, seine Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen Notdienst sei mit Beendigung der ärztlichen Berufstätigkeit zum 30.06.2005 erloschen. Die Kreisärzteschaft empfehle die Erhebung einer anteiligen Umlage für das Jahr 2005.
Mit Bescheiden vom 20.12.2010 und vom 14.07.2011 setzte die Bezirksärztekammer Südwürttemberg für die Jahre 2009 und 2010 eine Gebührenumlage in Höhe von 316,89 bzw. 313,40 Euro für die Notfalldienst-Vermittlung durch die DRK-Rettungsleitstelle B. gegen den Kläger fest. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und der Kreisverband B. des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hätten im Januar 2007 eine vertragliche Vereinbarung über die Vermittlung der zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichteten Ärztinnen und Ärzte der Kreisärzteschaft B. durch die Leitstelle B. geschlossen. Die Kosten für die Leitstellenvermittlung seien von den hiervon betroffenen Ärztinnen und Ärzten aufzubringen. Die Anbindung an eine Rettungsleitstelle mindere den eigenen Verwaltungsaufwand der im Notfalldienst tätigen Ärztinnen und Ärzte, gleichermaßen reduzierten sich die Organisationskosten. Die KVBW trete bei der Übernahme der Vermittlungskosten in Vorleistung und erhebe die Kosten im Wege der Gebührenumlage sodann bei den betroffenen Ärztinnen und Ärzten. Die Gebührenumlage erstrecke sich nach § 8 Abs. 3 der Notfalldienstordnung der Bezirksärztekammer Südwürttemberg auch auf die privat niedergelassenen Ärzte. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebührenumlage erfasse ebenso diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die ausnahmsweise von der aktiven Teilnahme am Notfalldienst befreit seien; die grundsätzliche Pflicht zur Teilnahme am Notfalldienst bestehe fort, lediglich die aktuelle Teilnahmepflicht ruhe für die Dauer der Befristungsentscheidung. Andernfalls würden die aktiv am Notfalldienst beteiligten Ärztinnen und Ärzte unangemessen benachteiligt und gewissermaßen doppelt belastet, wenn die Befreiung von der aktiven Teilnahme auch die Befreiung von der Gebührenumlage zur Folge hätte.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 15.01.2011 und 11.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, ihm sei zum 01.07.2005 die Kassenzulassung entzogen worden. Darin komme zum Ausdruck, dass er offenkundig weder körperlich noch mental für eine kassenärztliche Tätigkeit geeignet sei. Das beziehe sich aber auch auf die Notfalldiensttätigkeit. Wenn man nunmehr von ihm eine Gebühr für den ärztlichen Notfalldienst verlange, der schließlich kassenärztliche Tätigkeiten einschließe, müsse dem Kläger auch Gelegenheit gegeben werden, diese Unkosten durch Leistung zu kompensieren, was ohne Kassenzulassung auf diesem Gebiet jedoch nicht möglich sei. Im Übrigen sei es einem Arzt auch nach Erreichen der Altersgrenze gestattet, eine seiner Leistungsfähigkeit entsprechende geringe ärztliche Tätigkeit auszuüben. Er führe - nur nach telefonischer Terminabsprache - ausschließlich noch homöopathische Behandlungen durch, dies ohne Sprechzeiten, ohne Notfalldienst und ohne die Bevorratung entsprechender Ausrüstung sowie unter Verzicht auf Weiterbildung. Es könne nicht sein, dass ehemalige Kassenärzte bis ans Grab zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet seien.
Mit Schreiben vom 18.02.2011 teilte die Bezirksärztekammer Südwürttemberg dem Kläger mit, dass ihr Vorstand über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20.12.2010 beraten, ihm aber nicht abgeholfen habe. Zur Begründung wurde dem Kläger ergänzend mitgeteilt, er sei weder vom Vorsitzenden der Kreisärzteschaft B. noch vom Vorstand der Bezirksärztekammer vom Notfalldienst ausgeschlossen worden.
In einem weiteren Schreiben vom 12.03.2011 vertiefte der Kläger sein Widerspruchsvorbringen und brachte vor, die Rechtsauffassung der Bezirksärztekammer führe dazu, dass sämtliche Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand zwangsweise vor die Wahl gestellt würden, entweder die Gebührenumlage als finanzielle Verpflichtung zu akzeptieren oder auf jegliche ärztliche Tätigkeit in freier Praxis zu verzichten, was einem Entzug der Approbation gleich komme. Der Kläger sei ausweislich früherer Korrespondenz (Schreiben der Kreisärzteschaft B. vom 06.08.2006) von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst entbunden worden. Eine Neuverpflichtung zur Teilnahme, die zudem fast ausschließlich kassenärztliche Behandlungen mit sich bringe, könne nicht lediglich in Gestalt eines Gebührenbescheides erfolgen. Der Kläger sei auch vor Erlass des Gebührenbescheides nicht angehört worden; er verfüge auch rechtlich über keine Möglichkeit, sich wieder in den kassenärztlichen Dienst einzugliedern, um die geforderte Gebührenumlage zu erwirtschaften. Es müsse eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund des Erreichens der Altersgrenze von der kassenärztlichen Tätigkeit entbunden werden, auch von der Teilnahme am Notfalldienst befreit würden. Seit 01.07.2005 biete der Kläger auch privatärztlich keine regelmäßigen Sprechstunden mehr an, halte keine Notfallmedikamente bereit und beschäftige auch kein Personal mehr. Seither sei er lediglich für einzelne Patienten im eigentlichen und engen Sinne von privat ärztlich tätig. Bei jedem Patientenkontakt weise er auf diese Besonderheit hin und mache deutlich, dass er keine Notfalltätigkeit mehr ausübe. Alle Patienten, die ihn konsultierten, hätten deshalb für über seine Beratung hinaus gehende Behandlungen einen Hausarzt, welcher der ärztlichen Notfalldienstordnung unterliege. Die Tätigkeit des Klägers entspreche damit derjenigen aller privat liquidierenden angestellten Ärzte, die bislang nicht zur Notfalldienst-Umlage herangezogen würden. Er werde folglich in rechtlich nicht haltbarer Weise ungleich behandelt. Eine weitere Ungleichbehandlung sei darin zu sehen, dass die Umlage gleichermaßen auf alle teilnehmenden Ärzte verteilt werde. Im Jahre 2009 hätten die dem dazugehörigen Steuerbescheid zu entnehmenden Einkünfte des Klägers aus ärztlicher Tätigkeit 6.810 Euro betragen, die für dieses Jahr streitige Gebührenumlage von 316,89 Euro entspreche somit der Hälfte seines durchschnittlichen Monatseinkommens und stehe folglich in einem krassen Missverhältnis dazu. Das Einkommen von kassenärztlich tätigen Praxen liege mindestens um das zehn- bis zwanzigfache höher. An diesem Einkommensunterschied lasse sich auch die entsprechend höhere Zahl von Notfall-Kontakten ermessen. Die Umlage müsse folglich auch in Orientierung am Praxiseinkommen berechnet werden. Es sei nicht tragbar, wenn der Kläger - und zahlreiche weitere Ärztinnen und Ärzte in vergleichbarer Situation - der Gebührenumlage wegen zu einer Rückgabe der Approbation gezwungen würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2011 wies die Landesärztekammer Baden-Württemberg den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.12.2010 zurück und setzte eine Widerspruchsgebühr von 128 Euro fest; hinsichtlich des Ausgangsbescheids vom 14.07.2011 ruht das Widerspruchsverfahren. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, der zulässige Widerspruch sei nicht begründet. Der Kläger sei als Facharzt für Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie in eigener Praxis privatärztlich tätig. Nach § 8 Abs. 3 der Notfalldienstordnung der Bezirksärztekammer Südwürttemberg hätten privat niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die Kosten besonderer Einrichtungen mit einer anteiligen Gebühr zu tragen. Die DRK-Rettungsleitstelle B. stelle eine solche Einrichtung dar. Die Heranziehung zur Kostenumlage erfolge dabei unabhängig davon, ob die betreffenden Ärztinnen und Ärzte tatsächlich am Notfalldienst teilnähmen oder sogar befreit wären. Maßgeblich sei die rechtliche Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst, die als besondere Berufspflicht in § 30 Abs. 3 Heilberufe-Kammergesetz für alle Ärztinnen und Ärzte, die an der ambulanten medizinischen Versorgung in niedergelassener Praxis teilnähmen, verankert sei. Dass die Gebühren unabhängig vom Praxiseinkommen auf alle von der Leitstellenanbindung profitierenden Ärzte gleichmäßig verteilt werde, sei aus verwaltungsökonomischen Gründen opportun und rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Schreiben vom 05.09.2011 wandte sich der Kläger an die Landesärztekammer und rügte die fehlende Berücksichtigung wesentlicher Umstände im Widerspruchsbescheid. Es gehe nicht an, ohne weitere Begründung zu unterstellen, der Kläger sei in eigener Praxis privatärztlich tätig. Er habe wiederholt beschrieben, dass er seine Praxistätigkeit beendet habe. Der Widerspruchsbescheid setze sich auch nicht damit auseinander, dass dem Kläger im August 2006 bestätigt worden sei, dass seine Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen Notdienst erloschen sei, weshalb ihm konsequenterweise auch für die Jahre 2006, 2007 und 2008 keine Umlage in Rechnung gestellt worden sei. Diese Regelung könne nicht durch die Zusendung eines Gebührenbescheids außer Kraft gesetzt werden. In einem weiteren, an die Bezirksärztekammer gerichteten Schreiben vom 03.10.2011 (im gegen den Bescheid vom 14.07.2011 gerichteten Widerspruchsverfahren) trug der Kläger ergänzend vor, die Begründung des Ausgangsbescheids sei auch insoweit unklar, als darin das Schreiben vom 06.08.2006 willkürlich in eine ausnahmsweise, zeitlich beschränkte Befreiung von der aktuellen Teilnahmepflicht und in ein Ruhen der Teilnahmepflicht für die Dauer der Befristungsentscheidung umgedeutet werde. Weiter fürchte der Kläger weitere Konsequenzen für den Fall, dass die Gebührenbescheide zutreffend seien bzw. bestandskräftig würden. Da darin unterstellt werde, dass er als privatärztlich niedergelassener Arzt tätig sei, verstoße er gegen seine Pflichten als niedergelassener Arzt (wie z.B. regelmäßige Erreichbarkeit, Rufbereitschaft, Vorhalten von Notfallmedikamenten, Fortbildung usw.). Im Übrigen sei es einem Arzt in seinem Alter nicht mehr möglich, eine Einzelpraxis mit den damit verbundenen Verpflichtungen kostendeckend zu führen. Ihm gehe es mit seinen Rechtsbehelfen weniger um den Geldwert der angefochtenen Gebührenbescheide als vielmehr um die damit verbundenen grundsätzlichen Fragen seiner weiteren privaten Tätigkeit als Arzt. Wenn er nach Schließung seiner Praxis Patienten nicht abgewiesen habe, wenn sie auf ihn zugekommen seien und um Rat gebeten hätten, so könne hieraus nicht auf die Tätigkeit eines in freier Praxis niedergelassenen Arztes geschlossen werden. Hier stehe nicht nur die ärztliche, sondern auch die allgemeine Pflicht zur Hilfeleistung vor jeder Kammergesetzgebung. Im Übrigen sei seine ländliche Praxis nicht von einem Nachfolger übernommen worden. In Anbetracht des gravierenden Versorgungsnotstands sei es für viele seiner Patienten schwierig gewesen, anderweitig unterzukommen, weshalb zahlreiche langjährig verbundene Patienten noch immer auf ihn zukämen. Der Kläger selbst sei nicht bestrebt, in seinem fortgeschrittenen Alter noch Patienten zu behandeln. Sollte es die einzige Möglichkeit sein, sei er auch bereit, seine Approbation zurückzugeben, um von den langsam unerträglichen Verpflichtungen eines Arztes für die restlichen Tage seines Lebens entbunden zu werden. Er vermisse allerdings klare rechtliche Grundlagen für seine derzeitige Situation.
Der Kläger hat am 22.09.2011 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Zu deren Begründung wiederholt, ergänzt und vertieft er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Er trägt u.a. weiter vor, die angefochtenen Bescheide stützten sich nicht auf eine ausreichende Rechtsgrundlage. Er habe seine Praxis zum 01.07.2005 geschlossen; seither biete er keine Sprech- oder Präsenzzeiten mehr an. Hinweise auf seine (frühere) ärztliche Tätigkeit in Telefonbüchern und anderen Medien habe er löschen lassen. Medikamente zur Behandlung von Notfällen bevorrate er nicht mehr. Langjährig verbundene Patienten, die ihn um Rat ersuchten, behandele er im engsten Sinne privat. Sein Schreiben vom 20.02.2005 sei ihm zunächst nicht mehr erinnerlich gewesen. Damals habe er noch die Zielvorstellung gehabt, die Praxis weiterzuführen, und damit gerechnet, eine finanziell tragbare privatärztliche Tätigkeit noch für einige Jahre ausüben zu können. Tatsächlich habe er aber nach Beendigung der kassenärztlichen Tätigkeit im Juli 2005 einen psychischen wie physischen Leistungseinbruch gehabt, weshalb er sich auf dringende Bitten seiner Familie entschlossen habe, keine Praxistätigkeit mehr auszuüben. Das habe der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 11.08.2005 auch mitgeteilt, wobei er aber wegen seines damaligen psychophysischen Erschöpfungszustands keine Erinnerung an Einzelheiten mehr habe. Inhaltlich maßgeblich müsse aber ohnehin die - gewandelte - Art seiner ärztlichen Tätigkeit, nicht deren Umfang sein. Beides konkretisierend trägt der Kläger ergänzend vor, er stufe gesetzlich versicherte Patienten grundsätzlich als bedürftig ein und verzichte bei deren Behandlung oder Beratung auf ein Honorar; im Übrigen sei er aber an die GOÄ gebunden. Nach Beendigung seiner kassenärztlichen Tätigkeit habe der Kläger folgende Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit erzielt: 2006: 9.022 Euro; 2007: 6.139 Euro; 2008: 8.774 Euro; 2009: 6.810 Euro; 2010: ca. 4.000 Euro. Seine Einstufung als niedergelassener Arzt sei damit nicht zutreffend. Er erfülle nicht die Voraussetzungen, die die Beklagte selbst in ihrem Merkblatt zur Aufnahme und Ausübung ärztlicher Tätigkeit in der Praxis (Stand: Februar 2011) zur näheren Konkretisierung von § 17 der Berufsordnung definiere. Seine bisherigen Praxisräume dienten zum großen Teil der Verwaltung des Landesverbands Baden-Württemberg des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, er selbst sei nicht mehr in der Praxis regelmäßig präsent. Bereits im Jahr 2006 sei die Angelegenheit ohnehin eigentlich erledigt worden. Auf seinen damaligen Widerspruch gegen die Erhebung einer Gebührenumlage sei diese für das Jahr 2005 anteilig aufgehoben worden, nachdem dem Kläger bestätigt worden war, dass seine Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen Notdienst mit Beendigung der ärztlichen Berufstätigkeit erloschen sei. Die diesbezüglichen Ausführungen im Ausgangsbescheid - sofern sie sich überhaupt auf seine konkrete Befreiung beziehen sollten, was unklar bleibe - seien unverständlich. Sollte damit gesagt sein, dass er nur widerruflich von der Teilnahme am Notfalldienst befreit sei, so sei die daraus folgende Konsequenz einer Reaktivierbarkeit nicht tragbar. Es sei vollkommen unvorstellbar, dass er mit 74 Jahren erneut in die Notdienstversorgung einbezogen werde. Seine Einstufung als in freier Praxis niedergelassener Arzt habe er zunächst auf einen EDV-Fehler zurückgeführt. In Anbetracht des dramatisch zunehmenden Versorgungsnotstands im ländlichen Bereich sei es mehr als sinnvoll, Ärzte im Ruhestand und deren Potenzial in die Versorgung der Bevölkerung einzubinden; in den letzten Jahren seien sehr häufig Fragen an den Kläger herangetragen worden, die im allgemeinen Medizinbetrieb nicht mehr in der von den Patienten gewünschten Ausführlichkeit besprochen werden könnten. Im Ruhestand befindliche Ärzte wie der Kläger seien sicherlich auch bereit, in diesem Zusammenhang einen gewissen Beitrag zur Mitfinanzierung des ärztlichen Notfalldienstes zu leisten; dieser müsse aber gerecht ermittelt sein und dem im Vergleich zu aktiven Ärzten wesentlich geringeren Einkommen entsprechen. Im Übrigen müssten dann aber auch alle Ärzte - auch ehemals angestellte, nunmehr im Ruhestand befindliche - einbezogen werden. Ohnehin könne der Verweis der Beklagten auf Gründe der Verwaltungsökonomie eine derartige Ungleichbehandlung gravierend unterschiedlicher Einkommen nicht rechtfertigen; ähnlich wie bei einer unterjährigen Teilnahme am Notfalldienst - etwa aufgrund Praxisaufgabe - müsse die Möglichkeit eines Ausgleichs geschaffen werden, zumal ein geringes Einkommen typischerweise auch mit einer entsprechend geringeren Inanspruchnahme des ärztlichen Notdienstes verbunden sei und dem Kläger in den letzten Jahren kein einziger Vertretungsfall durch die Notärzte mitgeteilt worden sei. Privatärztlich niedergelassene Kollegen in Großstädten würden überhaupt nicht mit Notdiensten belastet.
Der Kläger beantragt:
den Bescheid der Bezirksärztekammer Südwürttemberg vom 20.12.2010 und den Widerspruchsbescheid der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 23.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung - auch unter Bezugnahme auf ein an den Kläger gerichtetes weiteres Schreiben vom 05.10.2011 - im Wesentlichen vor, sie gehe davon aus, dass der Kläger privatärztlich tätig und damit auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 der Notfalldienstordnung der Bezirksärztekammer Südwürttemberg zur Gebührenumlage heranzuziehen sei. Die Ausübung einer privatärztlichen Tätigkeit sei nach § 17 der Berufsordnung der Landesärztekammer an die Niederlassung gebunden. Unter einer Niederlassung sei dabei die Errichtung einer mit den notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln ausgestatteten Sprechstelle zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an einer konkreten Adresse zu verstehen. Der Kläger räume ein, dass er in seinen ehemaligen Praxisräumen Patienten, die zu ihm kämen, behandele. Damit erfülle er die Merkmale einer privatärztlichen Niederlassung. Seine Tätigkeit beschränke sich nicht auf die Behandlung im engeren Familienkreis oder auf das einmalige Ausstellen eines Rezepts. Dem Kläger solle durch die Heranziehung zur Gebührenumlage nicht das Recht genommen werden, auch im fortgeschrittenen Lebensalter noch ärztlich tätig zu sein. Er verkenne jedoch, dass er als Privatarzt auch gewisse Pflichten habe. Er sei an die von der Beklagten erlassenen Regelungen (Berufsordnung, Notfalldienstordnung) und die geltenden Gesetze gebunden. Das bedeute jedoch nicht, dass er auch seine Approbation zurückgeben müsse. Der Kläger müsse lediglich seine ärztliche Tätigkeit aufgeben und Rat suchende Patienten an Kollegen verweisen. Die Gründe, die den Kläger bislang bewogen hätten, dies nicht zu tun, seien anerkennenswert; sie führten aber eben auch zur Geltung der Pflichten eines niedergelassenen Arztes. Die Kreisärzteschaft B. habe die Möglichkeit, den Kläger vom organisierten Notfalldienst zu befreien. Gerade die Tatsache, dass ein Arzt ein fortgeschrittenes Alter erreicht habe, könne nach § 6 Abs. 3 Satz 5 der Notfalldienstordnung im Einzelfall einen Befreiungsgrund darstellen. Die Bezirksärztekammer Südwürttemberg habe jedoch die Gebührenumlage in der Notfalldienstordnung gerade nicht an die aktive Teilnahme am Notfalldienst, sondern an die Niederlassung in eigener Praxis angeknüpft. Soweit sich die Klage gegen die im Widerspruchsbescheid festgesetzte Gebühr richte, sei sie mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig. Zuletzt trägt die Beklagte auf gerichtliche Nachfragen im vorbereitenden Verfahren vor, bei einem Privatarzt angestellte Ärzte seien nicht zur Entrichtung der Gebührenumlage verpflichtet, wohl aber auch ausschließlich psychotherapeutisch oder psychosomatisch tätige niedergelassene Ärzte. Zur Ermittlung der Höhe der Gebührenumlage werde die Zahl der pflichtigen Ärzte zum Stichtag des jeweiligen Veranlagungsjahres erhoben. Die Kassenärztliche Vereinigung ermittle auf der Grundlage dieser Zahl die pro Arzt geschuldete Umlagenhöhe für die jeweilige Leitstelle und teile dies der Bezirksärztekammer mit. Nähere Einzelheiten der Gebührenerhebung habe der Vorstand der Bezirksärztekammer Südwürttemberg am 01.09.2010 beschlossen. In der Präambel zu diesem die Durchführungsbestimmungen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg übernehmenden Beschluss heißt es u.a., für die Vermittlung des ärztlichen Notfalldienstes durch DRK-Rettungsleitstellen habe eine Kostenumlage auf die von der Leitstellenanbindung profitierenden Ärzte stattzufinden. Die Durchführungsbestimmungen dienten einer alle Ärzte gleichmäßig belastenden Kostenumlage. Unter Nr. 2 dieses Beschlusses sind als Gebührenschuldner alle niedergelassenen Privatärzte, die am ärztlichen Notfalldienst teilnehmen oder von der Teilnahme am Notfalldienst befreit sind, definiert. Die Beklagte teilt ergänzend mit, dass man sich bei der Regelung des streitigen Sachbereichs bewusst gegen Teilbefreiungen für Ärzte mit geringfügiger privatärztlicher Tätigkeit entschieden habe. Der Vorstand der Bezirksärztekammer Südwürttemberg habe aber festgelegt, dass für Ärzte, die ein Einkommen von weniger als 18.000 Euro brutto pro Jahr erzielten, die Bestellung eines Vertreters wirtschaftlich unzumutbar sei, sodass sie vom Notfalldienst befreit würden. Solche Ärzte müssten aber die Umlage grundsätzlich in gleicher Höhe entrichten wie diejenigen Ärzte, die nicht vom Notfalldienst befreit werden könnten. Härtefällen trage § 6 der Gebührenordnung der Landesärztekammer Rechnung, wonach in besonderen Härtefällen auf Antrag Gebühren ganz oder teilweise gestundet oder erlassen werden könnten. Von dieser Möglichkeit sei auch bereits Gebrauch gemacht worden.
Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten (zwei Bände) vor. Darauf, wie auch auf den Inhalt der Gerichtsakte wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen.
Gründe
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20.12.2010 zulässig. Sie ist auch zulässig, soweit damit zugleich eine Aufhebung der im Widerspruchsbescheid vom 23.08.2011 enthaltenen Festsetzung einer Widerspruchsgebühr begehrt wird. Insoweit fehlt es nicht an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Die Festsetzung einer Widerspruchsgebühr stellt eine erstmalige Beschwer für den Kläger dar (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO). An ihrer zunächst gegenteiligen Auffassung hält auch die Beklagte zwischenzeitlich nicht mehr fest.
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger dürfte zwar als privat niedergelassener Arzt im Sinne von § 8 Abs. 3 der hier streitigen Notfalldienstordnung anzusehen sein (dazu nachfolgend unter 1.). Seine Heranziehung zu den Kosten besonderer Einrichtungen des Notfalldienstes beruht aber nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (dazu 2.) und verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen das auch hier zu beachtende abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip (dazu 3.); letztlich fehlt es der Beklagten auch an der erforderlichen Verwaltungsaktsbefugnis (dazu 4.).
1. Rechtsgrundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Kostenbeteiligung für das hier streitige Jahr 2009 ist § 8 Abs. 3 Satz 1 der Notfalldienstordnung der Bezirksärztekammer Südwürttemberg in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.11.2008 (veröffentlicht in: ÄBW 2008, S. 560 ff.; im Folgenden: NFDO). Nach dieser Vorschrift haben die privat niedergelassenen Ärzte die Kosten besonderer Einrichtungen im allgemeinen und gebietsärztlichen Notfalldienst, insbesondere von zentralen Notfallpraxen, mit einer anteiligen Gebühr zu tragen.
Es spricht vieles dafür, dass der Kläger im streitigen Jahr 2009 privat niedergelassener Arzt im Sinne dieser Bestimmung war und damit die (einzige) Tatbestandsvoraussetzung der Vorschrift erfüllt hat. Auch wenn weder § 30 Abs. 3 Satz 2 HeilberufekammerG noch §§ 17 Abs. 1, 26 Abs. 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer vom 19.09.2007 eine nähere Bestimmung des Begriffs der Niederlassung entnommen werden kann, erscheint es im Rahmen einer autonomen Auslegung dieses Begriffs zulässig, in der Sache auf die von der Beklagten in diesem Zusammenhang verwendete und durchaus passend erscheinende Definition zurückzugreifen, wie sie - wenngleich ohne Rechtsnormcharakter - im Merkblatt zur Aufnahme und Ausübung ärztlicher Tätigkeit in der Praxis vom Februar 2011 unter I.4 wiedergegeben ist:
I. 4. (...) Niederlassung bedeutet die Errichtung einer mit den notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln ausgestatteten Sprechstelle zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an einem bestimmten Ort und einer konkreten Adresse (z. B. 12345 Musterstadt, Musterstr. 1).
Dabei dürfte zur näheren Eingrenzung dessen, was an räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln notwendig für die Ausübung einer niedergelassenen Tätigkeit ist, auf die vom jeweiligen Arzt selbst für seinen Tätigkeitsbereich für erforderlich gehaltene Ausstattung abzustellen sein. Die (ggf. fehlende) apparativ-technische Ausstattung einer Praxis oder eine wie auch immer näher bestimmte Mindestinfrastruktur kann danach nicht unabhängig vom konkreten Tätigkeitsfeld des jeweiligen Arztes in seinem Fachgebiet maßgeblich sein. Ein Arzt kann nicht einerseits in einem Bereich ärztlichen Wirkens tätig sein, in dem etwa eine besondere apparative Praxisausstattung nicht erforderlich ist, andererseits aber wegen des Fehlens eben dieser Ausstattung das Vorliegen einer Praxis verneinen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.07.2011 - 13 B 395/11 -; vgl. zum Vertragsarztrecht auch BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 73/04 R - MedR 2006, 491 m.w.N. sowie Kerber, jurisPR-MedizinR 7/2011, Anm. 3).
Art und Umfang der konkreten ärztlichen Tätigkeit des Klägers im streitigen Jahr 2009 lassen hier wohl den Schluss auf eine Niederlassung im hier fraglichen Sinne zu. Der Kläger hat in diesem Jahr für die Behandlung von Patienten seinem Einkommenssteuerbescheid zufolge Rechnungen in Höhe von insgesamt 6.810 Euro ausgestellt. Auf Befragen in der mündlichen Verhandlung hat er angegeben, durchschnittlich etwa einen Patienten pro Woche behandelt zu haben. Dabei nutzte er die in seinem Wohnhaus befindlichen früheren Praxisräume. Dass der - vorwiegend homöopathisch tätige - Kläger dort seinen Angaben zufolge nicht (mehr) über die womöglich allgemeinärztlich übliche apparative Ausstattung verfügt, ändert nach den vorstehend dargelegten Maßgaben nichts daran, dass die von ihm bereit gehaltene Infrastruktur offenkundig für die Beratung und Behandlung seiner Patienten - wenn auch in eingeschränktem quantitativen Umfang - hinreicht. Der Begriff der Niederlassung im Sinne der NFDO stellt im Übrigen wohl nicht zwingend auf das Vorhandensein einer Ausstattung ab, wie sie für eine umfassende und alle Sparten ärztlichen Wirkens abdeckende Notfalldienstbehandlung erforderlich oder jedenfalls üblich sein mag, sondern bietet die Möglichkeit, einen Vertreter zu bestellen oder im Einzelfall aus schwer wiegenden Gründen auch eine Befreiung von der Heranziehung zu Notfalldiensten zu erhalten.
Hinzu kommt, dass der Kläger entgegen seinen schriftsätzlichen Ausführungen im gerichtlichen Verfahren im streitigen Jahr 2009 - und sogar bis heute - öffentlich auf seine ärztliche Tätigkeit am Ort seiner (früheren) Praxis hingewiesen hat und hinweist. Sowohl im Telefonbuch Das Örtliche als auch in den Gelben Seiten ist er nach wie vor als Homöopathischer Arzt unter der Rubrik Homöopathie bzw. in der Branche Ärzte: Allgemeinmedizin und Praktische Ärzte verzeichnet, was sich aus dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgehaltenen Internetabrufen ergibt. Auch in zahlreichen im Internet verfügbaren Suchdatenbanken für Ärzte kann der Kläger bis heute erfolgreich recherchiert werden. Der Eintrag des Klägers unter www.med-kolleg.de enthält sogar den Zusatz Ab 01. Juli 2005 können aus Altersgründen nur noch Privatpatienten behandelt werden. Terminabsprache nach Voranmeldung, der deutlich darauf hinweist, dass der Kläger auch nach dem Ende seiner vertragsärztlichen Tätigkeit in organisierter Form ärztlich tätig blieb.
Auch wenn das Gericht durchaus nachvollziehen kann, dass der Kläger als vormaliger Landarzt zahlreiche (ehemalige) Patienten nicht ohne Weiteres abweisen kann und will, zeigt der nicht unbeträchtliche Umfang seiner weiteren ärztlichen Tätigkeit, der schon aus dem Jahresbruttoeinkommen von knapp 7.000 Euro ablesbar ist, dass sein ärztliches Wirken über reine Freundschaftsdienste oder das Ausstellen eines Rezeptes im Verwandtenkreis bei Weitem hinaus geht und nicht etwa als private Hobbytätigkeit in Privaträumen eingestuft werden kann. Eine solche Einschätzung würde der Tätigkeit des Klägers wie auch den Interessen der Behandelten ersichtlich nicht gerecht (vgl. dazu auch VG Münster, Urteil vom 23.09.2008 - 5 K 563/07 -). Indiziell wird diese Annahme weiter bestätigt durch den Umstand, dass der Kläger - wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - auch noch immer über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügt und auch dadurch deutlich macht, dass er in eingeschränkter, aber eben durchaus institutionalisierter Weise Patienten behandelt.
Dass die vom Kläger weiter genutzten ehemaligen Praxisräume nunmehr auch seiner Tätigkeit als S. des Landesverbands Baden-Württemberg des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte dienen und der Kläger in dieser Eigenschaft dort stundenweise eine geringfügig beschäftigte Schreibkraft angestellt hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Kläger empfängt dort in geeigneten Räumlichkeiten - und nicht etwa nur in seinem privaten Wohnzimmer - nach vorheriger Terminvereinbarung Patienten und behandelt diese.
2. Die der Heranziehung des Klägers zugrunde liegende Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 3 NFDO wird jedoch nicht von einer hinreichenden formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage getragen.
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 09.05.1972 - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, BVerfGE 33, 125, 155 ff.) hat aus den Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie sowie aus dem Zweck des Gesetzesvorbehalts in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet, dass Berufsregelungen, die die Freiheit der Berufswahl berühren, vom Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen und allenfalls Einzelfragen fachlich-technischen Charakters in dem vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen auch durch Satzungsrecht eines Berufsverbandes geregelt werden können. Bei Berufsregelungen, die - wie die Bestimmungen über die Pflichtteilnahme am ärztlichen Notfalldienst - lediglich in die Berufsausübungsfreiheit eingreifen, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, die Kammern zur Normsetzung zu ermächtigen. Doch muss das zulässige Maß des Eingriffs in den Grundrechtsbereich um so deutlicher in der gesetzlichen Ermächtigung bestimmt werden, je empfindlicher die freie berufliche Betätigung beeinträchtigt, je intensiver eine auf Dauer angelegte Lebensentscheidung des einzelnen und das Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Tätigkeit berührt werden. Einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende Vorschriften über die Ausübung des Berufs sind auch hier dem Gesetzgeber zumindest in den Grundzügen vorbehalten. Auch im Rahmen einer an sich zulässigen Autonomiegewährung bleibt der Grundsatz bestehen, dass sich der Gesetzgeber seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen nicht gänzlich preisgeben darf (zur Regelung der Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 12.12.1972 - I C 30.69 -, BVerwGE 41, 261). Auch und gerade die Auferlegung von Kostentragungspflichten lässt sich nicht auf die allgemeine Satzungsautonomie stützen, sondern bedarf einer speziellen Ermächtigungsgrundlage in einem förmlichen Gesetz (BayVGH, Urteil vom 14.07.2011 - 4 N 10.2660 -, BayVBl. 2012, 90). Die Befugnisse der Beklagten, ihren Mitgliedern Geldleistungen hoheitlich aufzuerlegen und Kostentragungspflichten verbindlich regeln zu dürfen, ergeben sich wegen der Grundrechtsrelevanz derartiger Maßnahmen ausschließlich aus den für die Beklagte geltenden Gesetzen und sind auf die dort vorgesehenen Abgabenarten beschränkt (so ausdrücklich für die Beteiligung an den Kosten des ärztlichen Notfalldienstes: VG Köln, Urteil vom 15.04.2008 - 7 K 5351/07 -).
Dem Heilberufekammergesetz ist eine diesen Maßgaben genügende Ermächtigung nicht zu entnehmen.
a) Die NFDO stützt sich ausweislich ihres das Zitiergebot aufgreifenden Einleitungssatzes auf §§ 9, 30 und 31 HeilberufekammerG i.V.m. § 26 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 19.09.2007. § 31 HeilberufekammerG ermächtigt die Beklagte zur Regelung von Berufspflichten und ausdrücklich auch zur Begründung einer Verpflichtung zur Teilnahme am von § 30 Abs. 3 HeilberufekammerG vorgesehenen Notfalldienst. Die Vorschrift beschränkt sich aber darauf, eben lediglich die Regelung der Berufspflichten als solcher und deren Einzelheiten auf die Kammer zu übertragen. Aus der dort geregelten Aufgabe, einen Notfalldienst sicherzustellen und zu organisieren, kann nicht ohne Weiteres auf eine entsprechende Kostenpflicht des Kammermitglieds geschlossen werden (so für das Landesrecht von NRW auch VG Köln, Urteil vom 15.04.2008 - 7 K 5351/07 -). Weder dem Regelbeispielkatalog des § 31 Abs. 2 noch der Satzungsermächtigung in § 10 oder dem Aufgabenkanon in § 4 Abs. 1 HeilberufekammerG lässt sich ein Hinweis darauf entnehmen, dass die Kammer - ggf. nach welchen Grundsätzen - auch befugt sein soll, die Kosten besonderer Einrichtungen auf ihre Mitglieder oder nur einen Kreis bestimmter Mitglieder umzulegen. In Anbetracht des Umstands, dass es aber dem Gesetzgeber obliegt, die wesentlichen Strukturentscheidungen selbst zu treffen, müsste sich eine entsprechende Befugnis sowie ihre Reichweite unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.
Das Gericht hält eine erweiternde Auslegung der Aufgabenzuweisung in § 31 Abs. 1 HeilberufekammerG, die auch die Befugnis zur Regelung einer Kostenumlage umfassen würde (in diese Richtung zu § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO: AnwGH Hamburg, Beschluss vom 13.02.2004 - II ZU 9/03 -, NJW 2004, 1174; ohne Bedenken insoweit auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.02.1974 - 2 A 70/73 -, VwRspr 26, Nr. 33), nicht für zulässig. Beispiele aus anderen Regelungszusammenhängen (etwa: § 3 Abs. 5 IHK-G, § 113 Abs. 2 HwO zu Sonderbeiträgen, § 89 Abs. 2 Nr. 2 BRAO zu Umlagen) zeigen, dass es dem Normgeber ohne Weiteres möglich ist, gesetzliche Ermächtigungen und Vorgaben für die Erhebung von Entgelten für spezifische Leistungen vorzusehen. Der systematische Vergleich mit der auf die Regelung von Berufspflichten beschränkten hier einschlägigen Vorschrift (§ 31 HeilberufekammerG) zeigt aber auch unter Berücksichtigung der hier zu beachtenden Grundrechtsrelevanz, dass eine derart weit reichende Rechtsetzungsbefugnis von dieser Rechtsgrundlage gerade nicht umfasst ist, sondern vielmehr ausdrücklicher Erwähnung im Parlamentsgesetz bedurft hätte. Im Übrigen lässt sich auch im Weiteren aus § 26 Abs. 2 der Berufsordnung der Landesärztekammer vom 19.09.2007 als untergesetzlicher Rechtsnorm, wonach die von den Bezirksärztekammern erlassenen Vorschriften - also hier die NFDO - für die Einrichtung und Durchführung eines Notfalldienstes im Einzelnen maßgebend sein sollen, eine darauf aufbauende weitere Übertragung einer Kostenumlageermächtigung auf die Bezirksärztekammer als regionale Untergliederung nach § 22 Abs. 3 HeilberufekammerG nicht entnehmen.
b) § 23 Abs. 1 i.V. mit §§ 24, 26 HeilberufekammerG ermächtigt lediglich zur Erhebung des allgemeinen, von allen Zwangsmitgliedern geschuldeten Kammerbeitrags. Darum handelt es sich aber bei der nur auf einzelne Mitglieder - nämlich die notfalldienstpflichtigen niedergelassenen Ärzte - umgelegten Beteiligung an den Kosten der Leitstellenvermittlung nicht. Folgerichtig zitiert die NFDO diese Vorschriften auch nicht zur Begründung der Rechtsetzungsermächtigung.
c) Auch auf § 23 Abs. 2 HeilberufekammerG kann sich die Beklagte nicht stützen. Nach Satz 1 dieser von der Beklagten - trotz der fehlenden Erwähnung im Eingangssatz der NFDO - in der mündlichen Verhandlung zum Beleg ihrer Rechtsetzungsbefugnis herangezogenen Vorschrift können Gebühren und Auslagen für Leistungen erhoben werden, die die Kammer auf Veranlassung oder im Interesse einzelner Mitglieder erbringt. Nach § 23 Abs. 2 Satz 4 HeilberufekammerG regelt die Kammer das Nähere in ihrer Gebührenordnung.
Diese Rechtsetzungsermächtigung enthält bereits keine Weiterdelegationsbefugnis, die eine Regelung der Einzelheiten der Kostenbeteiligung durch die Bezirksärztekammer als regionale Untergliederung der Landesärztekammer erlauben würde. § 23 Abs. 2 Satz 4 HeilberufekammerG verweist insoweit allein auf die von der Landesärztekammer zu erlassende Gebührenordnung. Die Gebührenordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg i.d.F. der Neubekanntmachung vom 15.03.2006 (ÄBW 2006, S. 81; zuletzt geändert durch Satzung vom 16.12.2009, ÄBW 2010, S. 19) regelt jedoch nicht im Ansatz die Beteiligung niedergelassener Ärzte an den Kosten besonderer Einrichtungen des Notfalldienstes, sondern allein die Gebührenerhebung für die in der Anlage zur Gebührenordnung verzeichneten Amtshandlungen, worunter die hier streitige Kostenbeteiligung ersichtlich nicht zu fassen ist. Dass die Beklagte im Rahmen der Heranziehung von Ärzten zur Kostenbeteiligung für den Notfalldienst in besonderen Härtefällen die Stundungs- und Erlassregelung des § 6 GebO anwendet - wie sie zuletzt vorträgt -, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Aber auch sonst vermag § 23 Abs. 2 HeilberufekammerG inhaltlich nicht als Rechtsgrundlage für eine untergesetzliche Regelung einer Kostenbeteiligung zu dienen. Zurecht regelt die Landesärztekammer Baden-Württemberg auf dieser Rechtsgrundlage allein die Erhebung klassischer Gebühren und Auslagen. Die hier streitige Kostenbeteiligung fällt darunter jedoch nicht, ist insbesondere - trotz der ungenauen Bezeichnung in den angefochtenen Bescheiden - keine Gebühr im abgabenrechtlichen Sinne und schon deshalb nicht unter § 23 Abs. 2 HeilberufekammerG zu fassen.
Herkömmlich werden als Gebühren öffentlich-rechtliche Geldleistungen bezeichnet, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerwG, Urteil vom 25.08.1999 - 8 C 12.98 -, BVerwGE 109, 272). Bei der hier streitigen Kostenbeteiligung fehlt es aber an einer dem Abgabepflichtigen individuell zugutekommenden öffentlichen Leistung. Die öffentliche Leistung besteht hier in der Bereitstellung einer Anbindung an eine von Dritten vorgehaltene Leitstelle und in dem Umstand, dass die Ärztekammer kostenmäßig insoweit in Vorleistung tritt. Die Abgabepflicht ist im Grundsatz unabhängig von der Leistung in Bezug auf einzelne Ärzte, die insoweit überhaupt nicht differenzierbar ist. Der Umlagebetrag wird mithin nicht als Gegenleistung für eine von dem jeweiligen abgabepflichtigen Arzt individuell veranlasste Amtshandlung erhoben und ist daher keine Verwaltungsgebühr (vgl. dazu - wie auch zum Folgenden - betreffend eine Umlage nach dem KWG: BVerwG, Urteil vom 13.09.2006 - 6 C 10.06 -, NVwZ-RR 2007, 192). Ebenso wenig ist in der diesbezüglichen Tätigkeit der Beklagten eine Gegenleistung im Sinne des Gebührenbegriffs für ein individuelles Verhalten des einzelnen Arztes zu erkennen. Darüber hinaus fehlt es auch an einem auszugleichenden Vorteil (dazu später unter 3.). Konkret für den Kläger und seine Heranziehung gilt dies schon deswegen, weil er am Notfalldienst aktiv nicht teilnimmt und auch nicht teilnehmen muss (ohnehin nicht im bereits abgelaufenen hier streitigen Jahr 2009), weil er - wie die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt haben - kraft der als Befreiungsentscheidung auszulegenden und bislang nicht aufgehobenen Regelung im Schreiben des Vorsitzenden der Kreisärzteschaft vom 06.08.2006 dazu nicht (mehr) verpflichtet ist und auch nach den von der Beklagten zuletzt mitgeteilten wirtschaftlichen Kriterien (Einkommen < 18.000 Euro pro Jahr) in seiner konkreten gesundheitlichen und beruflichen Situation zu befreien wäre (vgl. zu den Anforderungen an eine Befreiung allgemein VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.1998 - 9 S 3399/96 -, VBlBW 1999, 187). Gestaltet die Beklagte die Heranziehung der betroffenen Ärzte aber so aus, dass auch vom aktiven Notfalldienst befreite Ärzte zahlungspflichtig sind bzw. sein sollen, so nimmt sie jedenfalls dadurch der Heranziehung den durch einen individuell zurechenbaren Nutzungstatbestand gekennzeichneten Gebührencharakter und nähert die Veranlagung eher einer - allerdings auf einen bestimmten Personenkreis beschränkten - Beitragserhebung an.
Keiner Entscheidung bedarf danach, ob es sich bei der streitigen Abgabe um einen Beitrag, eine Umlage oder etwa eine Sonderabgabe zu Finanzierungszwecken (Sonderabgabe im engeren Sinne, die als Verbandslast Finanzierungszwecken dient und die auf eine besondere Finanzierungsverantwortung der Gruppe der Abgabepflichtigen abzielt; zu den Begrifflichkeiten und Voraussetzungen vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13.09.2006 - 6 C 10.06 -, NVwZ-RR 2007, 192; Tettinger, Kammerrecht, S. 174 f.) handelt. Jedenfalls ist § 23 Abs. 2 und den übrigen Bestimmungen des HeilberufekammerG keine Ermächtigung zu entnehmen, die zur Erhebung einer solchen Abgabenart berechtigen würde.
3. Selbst wenn man dem HeilberufekammerG eine hinreichende Rechtsetzungsermächtigung für die hier streitige Kostenregelung in § 8 Abs. 3 NFDO entnehmen könnte, wäre die auf diese Vorschrift gestützte Heranziehung des Klägers mit dem auch hier zu beachtenden Äquivalenzprinzip nicht vereinbar. Unabhängig von der abgabenrechtlichen Qualifikation der hier streitigen Kostenbeteiligung muss sie in jedem Fall dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleiteten Äquivalenzprinzip genügen (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 -, NJW 1988, 2972; Urteil vom 12.05.1993 - 6 RKa 33/92 -; lediglich, wenn man - für das Gericht fern liegend - die streitige Abgabe als Verbandslast einer zur gemeinsamen Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht verbundenen Lastengemeinschaft begreifen würde, bedürfte es keines Nachweises eines äquivalenten Vorteils, vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1973 - IV C 21.70 -, BVerwGE 42, 210). Von einer Geltung des Äquivalenzprinzips geht offenkundig auch der nähere Einzelheiten der Gebührenerhebung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 NFDO) regelnde Beschluss des Vorstands der Bezirksärztekammer Südwürttemberg vom 01.09.2010 aus, in dessen Präambel ausdrücklich betont wird, dass die Kostenumlage auf die von der Leitstellenanbindung profitierenden Ärzte stattzufinden habe.
Dem Äquivalenzprinzip zufolge müssen die dem Abgabepflichtigen gewährten Leistungen oder Vorteile und die von ihm geforderte Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden; wesentlichen Verschiedenheiten von Mitgliedern muss Rechnung getragen werden, im Verhältnis der Abgabenpflichtigen zueinander müssen die Abgaben vorteilsgerecht bemessen werden (BVerwG, Beschluss vom 03.05.1995 - 1 B 222.93 -, GewArch 1995, 425 m.w.N.). Eine Abgabe, die lediglich von einem Teil der Kammermitglieder erhoben wird, bedarf einer besonderen Rechtfertigung und ist nur in dem dadurch abgesteckten Rahmen zulässig ist, sie muss dem Äquivalenzprinzip in besonderer Weise entsprechen. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Beklagten aufgrund ihrer Satzungsautonomie bei der Gestaltung der Abgabenerhebung ein weiter Spielraum zusteht. Ihr ist es namentlich nicht verwehrt, im Interesse einer möglichst einfach zu handhabenden Veranlagung Pauschalierungen und Typisierungen vorzunehmen (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.08.2011 - 17 A 2220/09 -). Das Gericht hat nicht festzustellen, ob die Beklagte in jeder Hinsicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat.
a) Dass der Kläger jedoch aufgrund der tatbestandlich weit gefassten und nur auf die Niederlassung des Arztes abstellenden Reglung in § 8 Abs. 3 NFDO (näher konkretisiert durch Nr. 2 des Beschlusses des Vorstands der Bezirksärztekammer vom 01.09.2010) zur anteiligen Kostentragung herangezogen wird, obwohl er von der aktiven Teilnahme am Notfalldienst befreit ist, überschreitet die äußersten Grenzen des der Beklagten insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums.
Der Kläger hat sich im streitigen Veranlagungsjahr 2009 am Notfalldienst nicht aktiv beteiligt und war davon auch rechtlich wirksam frei gestellt. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben des Vorsitzenden der Kreisärzteschaft vom 06.08.2006, das insoweit nach Auffassung des Gerichts eine - im Rahmen einer Abhilfeentscheidung in einem Widerspruchsverfahren ergangene - Regelung enthält. Die Formulierung Mit Beendigung der ärztlichen Berufstätigkeit zum 30.06.2005 erlischt auch die Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen Notdienst ist als konkret-individuelle Befreiungsentscheidung auszulegen, die über einen allgemeinen Rechtshinweis hinausgeht und im Wege der Subsumtion (zum 30.06.2005) konkret für den Kläger - gleichgültig, ob dies (damals) zu Recht oder zu Unrecht geschehen ist - eine Befreiung ausgesprochen hat. Diese Entscheidung ist bis heute nicht zurückgenommen oder widerrufen worden, schon gar nicht rückwirkend für das hier streitige Jahr 2009, und beansprucht damit weiter Geltung; insbesondere in den angefochtenen Gebührenbescheiden ist - ungeachtet der sich dabei ohnehin stellenden Zuständigkeitsfragen - keine inzidente Aufhebung der Befreiungsentscheidung zu sehen, zumal es diesen (von der abgabenrechtlichen Unbeachtlichkeit einer Befreiung ausgehenden) Bescheiden insoweit auch an der erforderlichen Ermessensausübung fehlen würde. Im Übrigen haben die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich erklärt, dass keinesfalls beabsichtigt ist, den Kläger zur aktiven Teilnahme am Notdienst heranzuziehen oder die Entscheidung des Vorsitzenden der Kreisärzteschaft vom 06.08.2006 in Frage zu stellen.
Ärzte, die aber - wie der Kläger - am Notfalldienst nicht teilnehmen müssen und auch nicht teilnehmen, haben von den hier geschaffenen besonderen Einrichtungen des Notfalldienstes keinen Nutzen oder Vorteil. Die Leitstellenvermittlung durch das DRK bringt denjenigen Ärzten einen Vorteil, die sich am Notfalldienst beteiligen und denen in den Bereitschaftszeiten Notfallpatienten vermittelt werden, was sie im Übrigen in der Folge auch zur Liquidation eines Honorars berechtigt. Die Anbindung an die Leitstelle enthebt einen notfalldienstpflichtigen Arzt von der Obliegenheit, seine Erreichbarkeit und seine Notfalldienstzeiten öffentlich anzuzeigen, etwa in der örtlichen Presse auf den Umstand seiner Notfalldienstbereitschaft für ein bestimmtes Wochenende hinzuweisen, was für die Patienten den Vorteil mit sich bringt, dass sie unter einer zentralen Rufnummer stets den zuständigen Notfallarzt erreichen können. Ein vom Notfalldienst befreiter Arzt nutzt hingegen die Leitstellenvermittlung überhaupt nicht. Da er keine Notfalldienste erbringt, müsste er auch - denkt man die nicht zwingend einzurichtende Leitstellenanbindung hinweg - nicht seine Erreichbarkeit während der Notfalldienstzeiten anzeigen; errichtet aber die Beklagte im Zusammenwirken mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Leitstelle oder verauslagt insoweit Kosten, so nimmt sie damit dem vom Notfalldienst befreiten Arzt keine Pflicht ab und erleichtert auch nicht sein ärztliches Wirken. Auch die Bezirksärztekammer selbst geht im angefochtenen Bescheid vom 20.12.2010 offenkundig davon aus, dass die mit der Leitstellenanbindung einhergehenden Vorteile nur den am Notfalldienst teilnehmenden Ärzten zugute kommen; dort heißt es, die Anbindung an eine Rettungsleitstelle mindere den eigenen Verwaltungsaufwand der im Notfalldienst tätigen Ärztinnen und Ärzte, gleichermaßen reduzierten sich die Organisationskosten. Welchen Vorteil nicht teilnehmende Ärztinnen und Ärzte haben sollen, ist im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt.
Dem vom Notfalldienst befreiten Arzt werden durch die Leitstellenanbindung auch keine ihm sonst obliegenden Berufs- oder Standespflichten abgenommen. Sämtliche niedergelassenen Ärzte sind zwar verpflichtet, auch außerhalb ihrer Sprechzeiten die Versorgung ihrer Patienten zu gewährleisten. Diese Pflicht ist immanenter Bestandteil der Tätigkeit als niedergelassener Arzt und betrifft im Grundsatz alle niedergelassenen Ärzte gleichermaßen. Die Teilnahme an einem organisierten Notfalldienst befreit den niedergelassenen Arzt von dieser Bereitschaftspflicht rund um die Uhr und kann abstrakt insoweit einen Vorteil für ihn begründen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.06.2009 - 13 A 3775/06 -, MedR 2010, 121). Wird ein Arzt aber auf der Primärebene der möglichen Heranziehung zu Notfalldiensten dieser Pflichten insoweit bereits durch eine Befreiung enthoben, so werden seine Berufspflichten dadurch bestimmt bzw. modifiziert, sodass auch ein für die teilnehmenden Ärzte (weiter) bestehender Vorteil dadurch in Wegfall gerät (anders zum Vertragsarztrecht: BSG, Urteil vom 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 -, NJW 1988, 2972; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.11.2008 - L 4 KA 2/06 -; Laufs, in: Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 1992, § 17, Rn 12).
Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argumentation, ein Arzt, der bereits von der Heranziehung zu Notfalldiensten (auf der Primärebene) befreit sei, dürfe nicht auch noch (auf der Sekundärebene) dadurch - gewissermaßen doppelt - bevorteilt und seine Dienst verrichtenden und umlagepflichtigen Kollegen demgegenüber - doppelt - benachteiligt werden, dass er nun auch noch von der Kostenbeteiligung verschont bleibe, ist für das Gericht zwar sachlich nachvollziehbar. Die damit einhergehenden Fragen materieller Gerechtigkeit mögen auch unter Umständen zu einer restriktiven Befreiungspraxis berechtigen, ersetzen aber jedenfalls nicht das abgabenrechtliche Erfordernis eines - hier fehlenden - Vorteils für den Abgabenpflichtigen bzw. die dem Kreis der Abgabenpflichtigen von der Beklagten zugerechnete Gruppe der befreiten Ärzte (vgl. dazu etwa auch BSG, Urteil vom 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 -, NJW 1988, 2972 zum Vorteilsbezug bezüglich der am Notfalldienst teilnehmenden Ärzte).
b) Die Heranziehung des Klägers ist jedenfalls aber auch deshalb nicht vorteilsgerecht und damit unverhältnismäßig und rechtswidrig, weil der Umstand, dass der Kläger quantitativ nur noch sehr eingeschränkt ärztlich tätig ist, in Ermangelung einer entsprechenden satzungsrechtlichen Regelung auf der Kostenebene keine Berücksichtigung findet.
Ein niedergelassener Arzt, der - wie der Kläger - lediglich mit einem kleinen Bruchteil seiner Arbeitskraft ärztlich tätig ist, könnte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in gleichem Maße zur Ableistung von Notfalldiensten herangezogen werden wie ein Vollzeit-Arzt. Sachgerecht erschiene in Anbetracht des bei berufsbeschränkenden Maßnahmen wie der Heranziehung zum ärztlichen Notfalldienst einschlägigen Art. 12 Abs. 1 GG und des zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie unter Beachtung des Gleichheitsgebots vielmehr eine differenzierende Handhabung der Heranziehung zum Notfalldienst unter Beachtung der - auch zeitlichen - Besonderheiten der die Heranziehung begründenden ärztlichen Tätigkeit und in Orientierung an der quantitativen Übernahme von Verantwortung für Patienten (so OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.07.2011 - 13 B 395/11 -; vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2010 - 7 L 1089/10 -). Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 12.12.1972 - I C 30.69 -, BVerwGE 41, 261) betont, dass der Notfalldienst so organisiert werden muss, dass die Last, welche die ärztliche Versorgung von Notfällen für die Ärzteschaft insgesamt mit sich bringt, möglichst gerecht und gleichmäßig auf alle dafür in Betracht kommenden Ärzte verteilt wird. Der einzelne Arzt hat danach einen Anspruch darauf, dass er nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte in gleicher Lage für den Notfalldienst herangezogen wird. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und die Abwehr unverhältnismäßiger Eingriffe in die Berufsfreiheit fallen insoweit zusammen: Der Eingriff ist unverhältnismäßig, der den einzelnen Arzt stärker als andere Ärzte trifft. Vor diesem Hintergrund können geringfügig tätige Ärzte - wie der Kläger - allenfalls zur teilweisen Ableistung von einer entsprechend reduzierten Zahl von Notdiensten pro Jahr herangezogen werden. Dass die NFDO insoweit nur eine entsprechende Regelung für angestellte Ärzte (§ 4 Abs. 3) vorsieht, ist auch in Anerkennung eines insoweit bestehenden Gestaltungs- und Pauschalierungsspielraums unzureichend.
Die danach nur beschränkte Möglichkeit der Heranziehung eines nur geringfügig ärztlich tätigen niedergelassenen Arztes muss - wenn nicht sogar im Einzelfall Gründe für eine vollständige Befreiung vorliegen - auch auf der Ebene der Kostenbeteiligung Berücksichtigung finden, um dem Grundsatz der Vorteilsgerechtigkeit auch im Verhältnis der Abgabenpflichtigen zueinander Rechnung zu tragen (auch etwa das BSG, Urteil vom 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 -, MedR 1987, 122 stellt eine Verbindung zwischen der Heranziehungs- und der Kostenebene her). Es ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen, warum jemand, der nur geringfügig ärztlich tätig ist und folglich allenfalls partiell zu Notdiensten herangezogen werden dürfte, gleichwohl betragsmäßig in einem Umfang an den Kosten beteiligt werden soll, der demjenigen eines Vollzeitarztes entspricht. Dass eine vorteilsorientierte Kostenbeteiligung der pflichtigen Ärzte durchaus möglich ist, zeigt die Praxis anderer Kammern oder Kassenärztlicher Vereinigungen, die z.T. eine Umlage in Anknüpfung an den Honorarumsatz oder ggf. einen Einbehalt von Teilen des im Notfalldienst erwirtschafteten Honorars vorsehen (vgl. etwa die Sachverhalte in: BSG, Urteil vom 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 -, NJW 1988, 2972 und BSG, Urteil vom 12.05.1993 - 6 RKa 33/92 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.09.2009 - L 11 (10) KA 62/07 -; auch etwa die Beitragserhebung der IHKn knüpft gestaffelt an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitglieder an, § 3 Abs. 3 IHK-G; zur Veranlagung nach Leistungsfähigkeit bei einem Sonderbeitrag vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.1991 - 5 A 560/88 -, NVwZ-RR 1992, 177).
Das Gericht weist weiter darauf hin, dass die rechtliche Ausgestaltung der Kostenbeteiligung der niedergelassenen Ärzteschaft durch die Bezirksärztekammer auch sonst beträchtlichen Bedenken im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes begegnet. Dass angestellte Ärzte grundsätzlich nicht an den Kosten besonderer Einrichtungen des Notfalldienstes beteiligt werden, mag sachlich begründbar sein. Es erscheint dem Gericht aber kaum nachvollziehbar, weshalb ein niedergelassener und damit notfalldienstpflichtiger Arzt, der seinerseits mehrere - ebenso notfalldienstpflichtige - angestellte Ärzte in Vollzeit beschäftigt, in gleicher Höhe zu den Kosten herangezogen wird, wie ein niedergelassener Arzt ohne Angestellte, obwohl ersterer die Einrichtungen des Notfalldienstes in ungleich höherem Maße nutzt und davon - auch liquidationsbezogen - profitiert.
c) In Anbetracht der Darlegungen unter 3. b) zur nur partiellen Dienstpflichtigkeit von geringfügig tätigen Ärzten müsste die NFDO bzw. das sonstige Satzungsrecht der Beklagten zumindest eine Härtefallklausel oder eine Billigkeitsregelung vorhalten, um im Einzelfall krassen Unzuträglichkeiten bei einem gröblichen Missverhältnis von Belastung und Vorteil Rechnung tragen zu können (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.08.2011 - 17 A 2220/09 -). Daran fehlt es jedoch. Wie bereits dargelegt, kann § 6 der Gebührenordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg insoweit keine Anwendung finden. Die NFDO der Bezirksärztekammer enthält keine dem entsprechende Vorschrift.
4. Letztlich fehlt der Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers auch die Befugnis, ihre für die Leistellenanbindung verauslagten Kosten durch Verwaltungsakt geltend zu machen und sich damit einen eigenen Vollstreckungstitel schaffen zu dürfen. Ob die Beklagte berechtigt ist, ihre vorgeblich im Interesse des Klägers getätigten Ausgaben im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, ist hier nicht zu entscheiden.
VG Sigmaringen:
Urteil v. 09.02.2012
Az: 6 K 2834/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9e71ec7a42fa/VG-Sigmaringen_Urteil_vom_9-Februar-2012_Az_6-K-2834-11