Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. Mai 2011
Aktenzeichen: 3 Ni 25/09

(BPatG: Urteil v. 09.05.2011, Az.: 3 Ni 25/09)

Tenor

I. Das deutsche Patent 196 33 164 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:

"1. Vorrichtung zum einseitigen Blankpressen von optischen Bauteilen für Beleuchtungszwecke, bestehend aus mindestens einem Ofen und einer Presse zum einseitigen Blankpressen mittels eines oberen Formteils (25) in einem durch ein unteres Formteil (22) und das obere Formteil (25) begrenzten Formraum (28), wobei dem Ofen (3) und der Presse (4) mindestens ein auf dem Kreuzschlitten (6) verfahrbarer Greifer (10) zugeordnet ist und der Ofen (3) mindestens eine ringförmige, ausfahrbare Aufnahme (11) für ein maschinell portioniertes Glasteil (2) aufweist.

2.

Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufnahme (11) eine ringförmige, von einem Kühlmedium durchflossene Auflagefläche (12) mit Anschlägen (17) aufweist.

3.

Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Auflagefläche (12) durch mehrere, mit Abstand voneinander angeordnete Streifen (16) gebildet ist.

4.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Aufnahme (11) in der aus dem Ofen (3) ausgefahrenen Stellung ein Hubantrieb (19) zugeordnet ist.

5.

Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Hubantrieb (19) aus einem abhebbaren und durch die ringförmige Auflagefläche (12) der Aufnahme (11) bewegbaren Stempel (19) gebildet ist.

6.

Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass dem Stempel (19) eine Heizeinrichtung (20) zugeordnet ist.

7.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Unterteil aus einem auf einem Tisch (21) montierten Formteil (22) mit einem zentralen Stößel (24) und einer das Formteil (22) umschließenden, hebund senkbaren Hülse (23) besteht.

8.

Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Oberteil aus einem mit einem Pressenjoch (27) verbundenen Formteil (25) und einer mit diesem verbundenen Hülse (26) besteht.

9.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb der Bewegungsbahn des Kreuzschlittens (6) mit dem Greifer (10) eine Kühlstrecke (5) mit einer Hubeinrichtung(19) endet.

10.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Presse (4) mindestens ein weiterer Ofen (3) zugeordnet ist."

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist die eingetragene Inhaberin des am 17. August 1996 angemeldeten Patents DE 196 33 164 (Streitpatent). Das Patent betrifft ein "Verfahren und eine Vorrichtung zum Blankpressen von optischen Bauteilen" und umfasst 16 Patentansprüche. Diese lauten:

"1. Verfahren zum mindestens einseitigen Blankpressen von optischen Bauteilen für Beleuchtungszwecke, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein maschinell portioniertes Glasteil von einem Greifer an mindestens eine ringförmige, aus mindestens einem Ofen ausfahrbare Aufnahme übergeben und von der Aufnahme in den Ofen bewegt und in demselben auf der Aufnahme erwärmt wird, dass das erwärmte Glasteil von der Aufnahme aus dem Ofen bewegt und wieder an den Greifer übergeben wird, der das erwärmte Glasteil einer Presse zum zumindest einseitigen Blankpressen zuführt und dass das blankgepresste Glasteil dann aus der Presse entnommen, an eine Kühlstrecke abgegeben und von derselben abtransportiert wird.

2.

Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufnahme zumindest während der Erwärmung und der anschließenden Abgabe des Glasteiles gekühlt wird.

3.

Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Aufnahme in der Abgabestellung des erwärmten Glasteiles eine Hubeinrichtung für das Glasteil zugeordnet ist.

4.

Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Greifer das erwärmte Glasteil an einen anhebbaren Stößel der Presse übergibt und von diesem das blankgepresste Glasteil wieder übernimmt.

5.

Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das blankgepresste Glasteil mittels einer Hubeinrichtung von dem Greifer abgenommen und an die Kühlstrecke abgegeben wird.

6.

Vorrichtung zum mindestens einseitigen Blankpressen von optischen Bauteilen für Beleuchtungszwecke, insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 5, bestehend aus mindestens einem Ofen und einer Presse, dadurch gekennzeichnet, dass dem Ofen (3) und der Presse (4) mindestens ein auf einem Kreuzschlitten (6) verfahrbarer Greifer (10) zugeordnet ist und der Ofen (3) mindestens eine ringförmige, ausfahrbare Aufnahme (11) für ein maschinell portioniertes Glasteil (2) aufweist.

7.

Vorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufnahme (11) eine ringförmige, von einem Kühlmedium durchflossene Auflagefläche (12) mit Anschlägen (17) aufweist.

8.

Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Auflagefläche (12) durch mehrere, mit Abstand voneinander angeordnete Streifen (16) gebildet ist.

9.

Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 6 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Aufnahme (11) in der aus dem Ofen (3) ausgefahrenen Stellung ein Hubantrieb (19) zugeordnet ist.

10.

Vorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Hubantrieb (19) aus einem anhebbaren und durch die ringförmige Auflagefläche (12) der Aufnahme (11) bewegbaren Stempel (19) gebildet ist.

11.

Vorrichtung nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass dem Stempel (19) eine Heizeinrichtung (20) zugeordnet ist.

12.

Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 6 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Presse (4) eine aus Unterteil und Oberteil gebildete Form aufweist.

13.

Vorrichtung nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Unterteil aus einem auf einem Tisch (21) montierten Formteil (22) mit einem zentralen Stößel (24) und einer das Formteil (22) umschließenden, hebund senkbaren Hülse (23) besteht.

14.

Vorrichtung nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Oberteil aus einem mit einem Pressenjoch (27) verbundenen Formteil (25) und einer mit diesem verbundenen Hülse (26) besteht.

15.

Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 6 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb der Bewegungsbahn des Kreuzschlittens (6) mit dem Greifer (10) eine Kühlstrecke (5) mit einer Hubeinrichtung (19) endet.

16.

Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 6 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der Presse (4) mindestens ein weiterer Ofen (3) zugeordnet ist."

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Nichtigkeitsklage geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht ausreichend offenbart, nicht patentfähig und zudem widerrechtlich entnommen.

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent eingeschränkt in folgender zunächst als Hilfsantrag eingereichter und dann zum Hauptantrag erhobener (hinsichtlich offensichtlicher Fehler berichtigter) Fassung der Patentansprüche gemäß Schriftsatz vom 18. Februar 2011:

"1. Vorrichtung zum einseitigen Blankpressen von optischen Bauteilen für Beleuchtungszwecke, bestehend aus mindestens einem Ofen und einer Presse zum einseitigen Blankpressen mittels eines oberen Formteils (25) in einem durch ein unteres Formteil (22) und das obere Formteil (25) begrenzten Formraum (28), wobei dem Ofen (3) und der Presse (4) mindestens ein auf dem Kreuzschlitten (6) verfahrbarer Greifer (10) zugeordnet ist und der Ofen (3) mindestens eine ringförmige, ausfahrbare Aufnahme (11) für ein maschinell portioniertes Glasteil (2) aufweist.

2.

Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufnahme (11) eine ringförmige, von einem Kühlmedium durchflossene Auflagefläche (12) mit Anschlägen (17) aufweist.

3.

Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Auflagefläche (12) durch mehrere, mit Abstand voneinander angeordnete Streifen (16) gebildet ist.

4.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Aufnahme (11) in der aus dem Ofen (3) ausgefahrenen Stellung ein Hubantrieb (19) zugeordnet ist.

5.

Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Hubantrieb (19) aus einem abhebbaren und durch die ringförmige Auflagefläche (12) der Aufnahme (11) bewegbaren Stempel (19) gebildet ist.

6.

Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass dem Stempel (19) eine Heizeinrichtung (20) zugeordnet ist.

7.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Unterteil aus einem auf einem Tisch (21) montierten Formteil (22) mit einem zentralen Stößel (24) und einer das Formteil (22) umschließenden, hebund senkbaren Hülse (23) besteht.

8.

Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Oberteil aus einem mit einem Pressenjoch (27) verbundenen Formteil (25) und einer mit diesem verbundenen Hülse (26) besteht.

9.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb der Bewegungsbahn des Kreuzschlittens (6) mit dem Greifer (10) eine Kühlstrecke (5) mit einer Hubeinrichtung(19) endet.

10.

Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Presse (4) mindestens ein weiterer Ofen (3) zugeordnet ist."

Die Klägerin hat ihren ursprünglich gegen das gesamte Patent gerichteten Klageantrag eingeschränkt und beantragt, das Patent 196 33 164 dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass seine Patentansprüche die Fassung gemäß des am 18. Februar 2011 eingereichten Hilfsantrags erhaltenund nimmt die darüber hinausgehende Klage zurück.

Die Beklagte stellt den Antrag, den Patentansprüchen des Streitpatents im Wege der teilweisen Nichtigerklärung die Fassung gemäß dem mit ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2011 eingereichten Hilfsantrag -jetzt Hauptantrag -zu geben, wobei es am Beginn der Patentansprüche 4, 7, 9 und 10 jeweils heißen muss: "Vorrichtung nach".

Im Laufe des Verfahrens hat sich ein Miterfinder und ehemaliger Arbeitnehmer der Patentinhaberin als "Amicus Curiae" an den Senat gewandt und u. a. vorgebracht, die von der nicht im Wettbewerb mit der Beklagten stehenden Klägerin erhobene Nichtigkeitsklage und die weit gehende beschränkte Verteidigung des Streitpatents dienten lediglich dazu, ihn -den Miterfinder -in seinen Vergütungsansprüchen zu beeinträchtigen, die bereits seit langer Zeit vor den Zivilgerichten und der Schiedsstelle für Arbeitnehmererfindungen im Streit seien.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie aufrechterhalten wird.

1. Die Nichtigkeitsklage und die beschränkte Verteidigung des Streitpatents sind insbesondere auch unter Einbeziehung des Vorbringens des nicht am Verfahren beteiligten Miterfinders zulässig, mit dem dieser ersichtlich deutlich machen will, dass er die Klage und die beschränkte Verteidigung des Streitpatents wegen Rechtsmissbrauchs bzw. vorsätzlichen sittenwidrigen schädigenden Verhaltens für unzulässig hält.

Dieses die Zulässigkeit betreffende und von Amts wegen zu berücksichtigende Vorbringen eines Dritten greift nicht durch, weil es keine zwingenden Schlüsse auf eine derartige ausschließlich auf Schädigung des Miterfinders gerichtete Absicht erlaubt. Die Nichtigkeitsklage stellt eine Popularklage dar, die von jedermann eingereicht werden kann und für die weder ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien noch irgendwelche konkreten Interessen der Klägerin erforderlich sind. Soweit die beschränkte Verteidigung der Beklagten eventuelle Interessen des Erfinders beeinträchtigen könnte, betrifft dies nicht das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, für das das Arbeitnehmererfindungsgesetz einschlägig ist, das Regelungen für eine vollständige oder teilweise Aufgabe des Schutzrechts durch den Arbeitgeber enthält, wobei für die von der Frage der Nichtigerklärung des Streitpatents grundsätzlich unabhängige Beurteilung der Rechtslage nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz die Zivilgerichtsbarkeit zuständig ist.

Die teilweise Klagerücknahme (§ 269 ZPO) ist im Nichtigkeitsverfahren ohne weiteres möglich.

2. Die Klage hat im Umfang des Klageantrags auch Erfolg.

Die von der Beklagten nunmehr noch verteidigte Anspruchsfassung ist zulässig, denn die Gegenstände der Patentansprüche sind ursprünglich offenbart und die Ansprüche beinhalten keine unzulässige Schutzbereichserweiterung.

Die Klage führt im Umfang des Klagebegehrens zur Nichtigerklärung des Streitpatents, das die Beklagte im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung insoweit nicht mehr verteidigt. Es ist deshalb ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, soweit es über die verteidigte Form hinausgeht, und es ist ihm auf diese Weise durch rechtsgestaltendes Urteil die von beiden Parteien gewollte Fassung zu geben (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 -Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 83 Rdn. 45 m. w. Nachw.; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Aufl., § 81 Rdn. 132).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, der auch im Falle einer Klagerücknahme grundsätzlich anwendbar ist (vgl. BPatG GRUR 2009, 46, 50 -Ionenaustauschverfahren; BPatG GRUR 2009, 1195) unter Berücksichtigung der Wertung der §§ 296 Abs. 2 Satz 2 und 92 ZPO. Eine Abweichung von der in der neueren Rechtsprechung angenommenen Regel, dass bei solchen Fallgestaltungen die Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits trägt (so BPatG a. a. O.; anders noch BPatG 2 Ni 29/95, Urteil vom 19. Dezember 1996, veröffentlicht in juris, Das Rechtsportal), ist vorliegend gerechtfertigt, weil die beschränkte Verteidigung und die Klagerücknahme auf einem außergerichtlichen Vergleich beruhen und die beschränkte Verteidigung keine unmittelbare, sofortige Reaktion auf die Klage darstellt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Guth Dr. Gerster Dr. Schuster Schell Dr. Münzberg Pr






BPatG:
Urteil v. 09.05.2011
Az: 3 Ni 25/09


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