Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Januar 2003
Aktenzeichen: 25 W (pat) 279/01
(BPatG: Beschluss v. 09.01.2003, Az.: 25 W (pat) 279/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Oktober 2001 insoweit aufgehoben, als die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke 2 069 383 wird auch insoweit zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Hy Padist am 21. Februar 1999 für die Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Werbung; Erstellen von Programmen für die Datenbank" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 1. April 1999.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit dem 28. Juni 1994 für "Elektronische Baukomponenten, insbesondere Leiterplatten; elektronische Bauteile (soweit in Klasse 9 enthalten)" eingetragenen Marke 2 069 383 High Pad, deren Benutzung erstmals im Beschwerdeverfahren bestritten worden ist.
Die Markenstelle für Klasse 42 des DPMA hat durch Beschluss vom 25. Oktober 2001 die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" wegen bestehender Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke angeordnet. "Elektronische Baukomponenten und elektronische Bauteile" wiesen im Hinblick auf die zentralen, wesensbestimmenden Bauteile von Datenverarbeitungsgeräten eine Reihe technischkonstruktiver Gemeinsamkeiten auf und seien deshalb mit den nach der allein maßgeblichen Registerlage für die Widerspruchsmarke geschützten Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" hochgradig ähnlich. Wegen der klanglichen Identität der Marken bestehe deshalb Verwechslungsgefahr. Im übrigen hat die Markenstelle den Widerspruch hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen mangels Ähnlichkeit mit den gegenüberstehenden Waren zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.
Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen nach wie vor nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da dem eingereichten Prospekt und den für die Jahre 1997 bis 2001 eidesstattlich versicherten Umsatzangaben nicht zu entnehmen sei, ob diese mit Leiterplatten erzielt worden seien, welche mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet worden seien.
Ungeachtet der Frage einer rechtserhaltenden Benutzung bestehe zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Hinblick auf die Waren "Leiterplatten" und "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" auch keine Verwechslungsgefahr. Die Widerspruchsmarke weise wegen ihrer beschreibenden Bedeutung im Sinne von "erhöhte Kontakt- bzw Anschlussstelle" für Leiterplatten nur einen äußerst geringen Schutzumfang auf, wenn der Begriff "High Pad" nicht überhaupt schutzunfähig sei. Ferner würden Leiterplatten als bloßer Teil eines elektronischen Bauelements oder Bauteils und Computer regelmäßig nicht von den gleichen Firmen hergestellt, wie auch die in der mündlichen Verhandlung erörterte Recherche des Senats belege, so dass angesichts der fehlenden Warenähnlichkeit, jedenfalls aber wegen des geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke und der erheblichen Warenferne, eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Argumentation der Inhaberin der angegriffenen Marke zu einer angeblichen Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke sei nicht nachzuvollziehen, da der Begriff "High Pad" mit Ausnahme eines Treffers im Internet als Sachangabe nicht zu ermitteln sei. Gänzlich unzutreffend erscheine der Versuch, eine gewisse Warenferne zwischen "Leiterplatten" und "Datenverarbeitungsgeräten" bzw "Computern" zu konstruieren, da eine Leiterplatte als elektronisches Bauelement Grundlage jeder elektronischen Schaltung und damit auch Basis des Computers sei. Auch müsse mit Nichtwissen bestritten werden, dass sich der Kreis der Hersteller von Computern von demjenigen der Leiterplattenhersteller unterscheide bzw nicht überschneide und deshalb die beteiligten Verkehrskreise nicht auf denselben Hersteller schließen würden, wenn Computer mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet wären.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Schriftsätze der Beteiligten einschließlich der vorgelegten Unterlagen und auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da nach Auffassung des Senats auch hinsichtlich der noch im Streit stehenden Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren maßgeblichen Warenkonstellation keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der Widerspruch war deshalb gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG auch insoweit zurückzuweisen.
Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei ist von einer Wechselwirkung der Beurteilungsfaktoren, nämlich der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszugehen, so dass zB trotz eines geringeren Grades der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen bei einem höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke eine Verwechslungsgefahr bestehen kann, wie auch umgekehrt im Falle eines geringeren Grades der Markenähnlichkeit bei einem höheren Grad der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit oder der Kennzeichnungskraft (zur ständigen Rspr vgl BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV; BPatG GRUR 2001, 513, 515 - CEFABRAU-SE/CEFASEL - jeweils mwN). Wechselwirkung von Waren- und Markenähnlichkeit bedeutet danach nicht - was manchmal wohl noch missverstanden wird - dass sich die relevanten Faktoren direkt gegenseitig beeinflussen (vgl bereits Kliems GRUR 1995, 198 - Relativer Ähnlichkeitsbegriff bei Waren/Dienstleistungen im neuen Markenrecht). So führt zB eine hochgradige Markenähnlichkeit nicht etwa zur Annahme eines höheren Grades der Warenähnlichkeit als dies bei geringerer Markenähnlichkeit und derselben Warenkonstellation der Fall wäre. Vielmehr wirken sich die verschiedenen Faktoren je nach ihrer Ausprägung auf die Beurteilung der Verwechslungsgefahr aus.
1) Der Senat ist der Auffassung, dass die Widerspruchsmarke an sich nur eine sehr geringe originäre Kennzeichnungskraft aufweist. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung "High Pad" als beschreibende Angabe mit der Bedeutung "erhöhte Kontakt- bzw Anschlussstelle" für Leiterplatten nahe gelegt ist und sogar in einem Einzelfall eine beschreibende Verwendung im Internet belegt. Auch sind keine sonstigen Umstände vorgebracht oder liquide, welche auf eine durch intensive Benutzung nachträgliche Steigerung der Kennzeichnungskraft und Erweiterung des Schutzumfanges der Widerspruchsmarke schließen lassen. Dies bedarf jedoch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch wenn man zugunsten der Widersprechenden eine nur etwas unterdurchschnittliche oder gar eine normale Kennzeichnungskraft und einen entsprechenden Schutzumfang der Widerspruchsmarke unterstellt, ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG im Hinblick auf die Warenferne der sich gegenüber stehenden Waren nicht begründet.
2) Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren die vorliegend nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke uneingeschränkt erhoben hat und die Widersprechende ausschließlich eine Benutzung für unbestückte Leiterplatten geltend macht, ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr und der insoweit maßgeblichen Warenähnlichkeit auf diese Waren abzustellen, § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG. Hierbei kann letztlich dahin gestellt bleiben, ob die Widersprechende durch Vorlage des Prospektmaterials und der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers die nach § 26 MarkenG maßgeblichen und im Hinblick auf das Bestreiten der Inhaberin der angegriffenen Marke zu substantiierenden Benutzungstatsachen ausreichend im Sinne von § 82 Abs 1 MarkenG in Verbindung mit § 294 ZPO glaubhaft gemacht hat. Denn auch wenn man zugunsten der Widersprechenden für den hier nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum vom 9. Januar 1998 bis 9. Januar 2003 von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für diese Waren ausgeht, ist im Ergebnis der Widerspruch mangels bestehender Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zurückzuweisen.
a) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Integrationsfrage nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl zB BPatG GRUR 2001, 513, 515 - CEFABRAUSE/CEFASEL) die Widersprechende einerseits nicht auf das ganz spezielle mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Produkt festzulegen ist, andererseits aber auch nicht der gesamte mit den eingetragenen Oberbegriffen "Elektronische Baukomponenten und elektronische Bauteile" umfasste weite Warenbereich einzubeziehen ist. Anwendung findet vielmehr die sog. "erweiterte Minimallösung" (vgl auch BGH WRP 2001, 1447, 1449 - Ichthyol; BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus - und GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB; BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; BPatG GRUR 1995, 488, 489 APISOL / Aspisol; aA für das Löschungsverfahren OLG Köln GRUR 2002, 264, 268 - DONA/PROGONA). Danach ist maßgeblich, inwieweit es unter Berücksichtigung der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise und dem berechtigten Interesse der Markeninhaberin, nicht in ihrer geschäftlichen Bewegungsfreiheit ungebührlich eingeengt zu werden, gerechtfertigt ist, den Kreis der zu berücksichtigenden Waren über das konkrete Produkt hinaus auch auf solche Waren auszudehnen, die der Verkehr gemeinhin als zum gleichen Warenbereich gehörend ansieht (vgl BGH MarkenR 2001, 371, 376 - ISCO - für das Löschungsverfahren mwH).
b) Eine rechtserhaltende Benutzung ist vorliegend deshalb auf verschiedene Arten von "unbestückten Leiterplatten" zu erstrecken, nicht jedoch auf den weitergehenden Oberbegriff "Leiterplatten" allgemein. Denn dieser umfasst auch bereits mit elektronischen Bauteilen bestückte Leiterplatten, die auch aus der Sicht des Verkehrs eigenständige - elektronische - Bauteile darstellen, wie zB Grafikkarten, Netzwerkkarten im PC oder eine Speicherplatte in einem Fotoapparat, in welcher die Leiterplatte selbst nur ein funktionell unselbständiger - elektromechanischer - Bestandteil ist. Insoweit kann die bloße Verwendung der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung von nicht bestückten Leiterplatten kein berechtigtes Interesse der Widersprechenden an einer Integration begründen, zumal - wie noch ausgeführt wird - die Produktion von unbestückten Leiterplatten traditionell einen eigenständigen Produktionsbereich hierauf spezialisierter Hersteller bildet, die allenfalls zusätzlich noch eine Leiterplattenbestückung nach Vorgabe des Auftraggebers vornehmen, regelmäßig aber nicht auch bestückte Leiterplatten - insbesondere als elektronische Fertigbauteile - im Handel anbieten.
3) Danach ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit den von der angegriffenen Marke "Hy Pad" beanspruchten Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" die Ware "unbestückte Leiterplatten" gegenüber zu stellen. Aus der Wechselwirkung der Faktoren und ihrer Auswirkung auf die Beurteilung des Rechtsbegriffs der Verwechslungsgefahr, der seinerseits im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke als ihrer Hauptfunktion (vgl EuGH MarkenR 2001, 403, 405 - Bravo) auszulegen ist (vgl bereits EuGH WRP 1998, 1165, 1166 - Canon), folgt zugleich, dass die begriffliche Bestimmung und Grenzziehung der Ähnlichkeit (der Waren/DL) im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG vorzunehmen (vgl bereits EUGH WRP 1998, 1165, 1166-1167 - Canon; BGH GRUR 1999, 731, 732-733 - Canon II; vgl auch zuletzt BPatG GRUR 2002, 345, 347 - ASTRO BOY/Boy) und im Sinne einer umfassenderen "betrieblichen Zuordnung" zu sehen ist.
a) Diese wird nicht mehr nur durch die Vorstellung (vermeintlich) gleicher örtlicher Herstellungsstätten bestimmt - wenngleich eine solche Feststellung natürlich nach wie vor große Bedeutung hat - sondern kann auch durch die Erwartung des Verkehrs von einer Verantwortlichkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens für die Qualität der Waren begründet sein (EuGH MarkenR 1999, 22, 24, Ziff 28, 29 - Canon; BGH MarkenR 1999, 242, 245 - Canon II mwN; BGH GRUR 1999, 245, 246 - LIBERO; BGH GRUR 2002, 544, 546 - Bank 24 - zur Dienstleistungsähnlichkeit). Die begriffliche Bestimmung und Grenzziehung der Ähnlichkeit (der Waren/DL) räumt deshalb dem Gedanken einer gemeinsamen betrieblichen Verantwortung und Ursprungsidentität das stärkste Gewicht ein (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG 6. Aufl, § 9 Rdn 53). Auch insoweit ist an die objektiven Kriterien anzuknüpfen, wie sie auch bereits zur Warengleichartigkeit entwickelt wurden - zB die stoffliche Beschaffenheit, die regelmäßige Vertriebs- und Erbringungsart, der Verwendungszweck, die wirtschaftliche Bedeutung oder die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen (vgl EuGH WRP 1998, 1165, 1167- Canon; BGH GRUR 1999, 158, 159 - GARIBALDI; GRUR 1999, 164, 166 - JOHN LOBB mwN; BGH GRUR 2002, 1079, 1081-1082 - TIFFANY II; vgl auch BPatG MarkenR 2000, 103, 105 - Netto 62; HABM MarkenR 2002, 448, 452 - Linderhof/Lindenhof). Zu berücksichtigen ist hierbei aber insbesondere auch die subjektive Erwartung des angesprochenen Verkehrs von einer einheitlichen Ursprungsgarantie und Verantwortlichkeit desselben Unternehmens für die Qualität der Waren (st Rspr seit EuGH WRP 1998, 1165, 1167-1168 - Canon; BGH GRUR 1999, 731, 733 - Canon II).
b) Im Interesse eines ausreichenden Schutzumfangs und nach der Systematik der §§ 9 Abs 1 Nr 2, 14 Abs 2 Nr 2 MarkenG erscheint es - anders als nach der früheren und insoweit oft kritisierten Rechtsprechung zur Warengleichartigkeit nach § 5 Abs 4 WZG - für die Grenzziehung des Ähnlichkeitsbereichs der Waren und Dienstleistungen auch sinnvoll, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke einzubeziehen und die Grenze so weit zu ziehen, wie die Verwechslungsgefahr bei identischen Marken und höchster Kennzeichnungskraft der älteren Marke reicht, das heißt auf einen größt möglichen Schutzbereich der älteren Marke abzustellen (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 34 und 41; vgl auch Templitzky GRUR 1996, 1, 4; dagegen Bous GRUR 2002, 19, 24 - zu dem Versuch einer Grenzziehung anhand einer rein produktbezogenen abstrakten Begriffsbestimmung). Diese insbesondere der betrieblichen Herkunftsfunktion Rechnung tragende Auffassung, welche die Grenzen der Ähnlichkeit absolut, aber im Gegensatz zur Rechtslage nach dem Warenzeichengesetz im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr interpretiert und damit zugleich erweitert (missverständlich Bous GRUR 2002, 19, 21 diese Ansicht als relatives Interpretationsmodell einordnend), entspricht zwischenzeitlich auch gefestigter Rechtsprechung. Die absolute Grenze der Ähnlichkeit der Waren bzw Dienstleistungen liegt demnach dort, wo trotz Identität der Marken und einer älteren Marke mit großem Schutzumfang angesichts des Abstands der Waren bzw Dienstleistungen eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr auszuschließen und allenfalls eine unlautere Verwässerung oder Rufausbeutung im Sinne von §§ 9 Abs 1 Nr 3, 14 Abs 2 Nr 3 MarkenG möglich ist (vgl Althammer/Ströbele MarkenG § 9 Rdn 34, 41; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN; BPatG GRUR 2002, 345, 347 - ASTRO BOY/Boy).
c) Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend allenfalls von einer nur noch am Rande bestehenden Ähnlichkeit der Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" und "unbestückte Leiterplatten" auszugehen. Denn diese Waren werden weder nebeneinander als sich ergänzende oder miteinander konkurrierende Produkte im Verkehr angeboten und erworben noch von denselben Betrieben hergestellt oder aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise aus sonstigen Gründen einer gemeinsamen betrieblichen Verantwortung und Ursprungsidentität zugeordnet (vgl hierzu auch BGH GRUR 2001, 507 - EVIAN/RE-VIAN; BGH GRUR 2002, 1079, 1082 - TIFFANY II). Der Senat konnte auch aufgrund weiterer Recherchen und einer zusätzlich durchgeführten und mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterten Internet-Recherche keine gegenteiligen Feststellungen treffen. Auch die Widersprechende hat trotz des entsprechenden Ladungshinweises und der Aufforderung des Senats, zu den Marktverhältnissen ergänzend vorzutragen, keine Umstände dargetan oder Anhaltspunkte aufgezeigt, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass es sich bei unbestückten Leiterplatten und Computern bzw Datenverarbeitungsgeräten nicht um Produkte traditionell unterschiedlicher betrieblicher Herkunft und unterschiedlicher Kontrollverantwortung handelt, obwohl die Widersprechende als Herstellerin von Leiterplatten selbst die größte Fachkunde besitzt und die Marktverhältnisse genauestens kennt.
Gegen die Annahme bestehender Warenähnlichkeit spricht auch, dass eine unbestückte Leiterplatte im Gegensatz zu Computern oder Datenverarbeitungsgeräten entweder nur ein industrielles Zwischenprodukt ist, welches von hierauf spezialisierten Herstellern regelmäßig auf Anforderung anderer Fachkreise, wie zB den Computerherstellern oder Herstellern anderer Endprodukte - oder Zwischenprodukte wie zB elektronische Bauteile - hergestellt und veräußert wird oder aber in beschränktem Umfang im Fachhandel als elektromechanisches Zubehör (Prototypenplatte) angeboten wird, deren Bestückung und Montage der fachkundige Erwerber nach Fertigung der gewünschten Stückzahl selbst vornimmt oder durch Dritte vornehmen lässt. (Unbestückte) Leiterplatten werden deshalb - anders als zB selbstständige elektronische Bauelemente und sonstiges Zubehör - regelmäßig weder mit Computern oder sonstigen Datenverarbeitungsgeräten in denselben Vertriebsstätten als Endprodukte veräußert noch werden regelmäßig dieselben Verkehrskreise angesprochen. Die unterschiedliche Eigenart der Waren legt deshalb weder aus der Sicht der Fachkreise noch des Endverbrauchers die Annahme gemeinsamer oder doch miteinander verbundener Herstellungsstätten und einer einheitlichen Produktverantwortung nahe (vgl auch BGH GRUR 1999, 731, 733 - Canon II; BPatG GRUR 2002, 345, 347 - ASTRO BOY/Boy).
Auch soweit unbestückte Leiterplatten im Fachhandel neben Computern als Zubehör angeboten werden (Prototypenplatte) und letztlich naturgemäß (unselbständiger) Bestandteil eines jeden Computers wie auch anderer elektronischer Geräte sind, kann hieraus nicht auf eine andere Sicht - eventuell auch Fehlvorstellung (vgl hierzu BGH GRUR 1999, 731, 732 Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion) - des Verkehrs geschlossen werden. Denn die insoweit bestehende Gemeinsamkeit der Vertriebsstätten wie auch die Tatsache, dass eine Leiterplatte Teil der Sachgesamtheit eines Computers ist, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme, dass die angesprochenen Verkehrskreise hieraus auf eine gemeinsame Produktverantwortlichkeit und betrieblichen Herkunft schließen. Eine derartige Annahme wäre (ausnahmsweise) nur dann gerechtfertigt, wenn es sich bei Leiterplatten um wesensbestimmende Einzelteile der Sachgesamtheit "Computer" handeln würde oder diese als eigenständige Waren des Herstellers der Sachgesamtheit angesehen würden (vgl Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl, § 9 Rdn 60 mwH; Fezer Markenrecht, 3. Aufl, § 14 Rdn 362, 362 - darauf abstellend, ob insbesondere aufgrund des Produktmarketings eine Integration zwischen Gesamtprodukt und Produktteil stattfindet; zur ständigen Rspr vgl auch: BGH GRUR 1958, 339, 340 - Technika; GRUR 1982, 419, 420 - Noris; BPatG GRUR 1994, 377, 378 - LITRO-NIC; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 28 W 0(pat) 188/99 - RECREO = RECARO; PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 30 W (pat) 2/96 - CLESTRA = PERSTA). Anders als möglicherweise bei anderen elektronischen (Fertig)bauteilen eines Computers, welche wesensbestimmend und konstruktiv für die Leistung oder eine sonstige Funktion eines Computers sein können - stellen unbestückte Leiterplatten keine wesensbestimmenden Einzelwaren dar (vgl auch zB PAVIS PROMA, Knoll; BPatG 33 W (pat) 241/97 KF = KF - ua Rühr- Destillationsapparate unähnlich zu Regelventilen, Schlosser- und Kleineisenwaren; PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 32 W (pat) 20/96 - ROBOCON # Robostop - wonach ua Roboter, elektrische Messgeräte unähnlich zu elektromechanischen Bauteilen und elektromagnetischen Sensoren sind; ferner PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 32 W (pat) 204/98 - Polytherm # Polytherm - ua Klima- und Lüftungsapparate unähnlich zu Raumthermostaten). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die sich gegenüberstehenden Waren unterschiedlichen Fertigungsstufen angehören (vgl hierzu auch PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 28 W (pat) 28/00 - DAKOTA # Docado) und auch der Endverbraucher, soweit er elektronische Bauteile - insbesondere Zwischenprodukte - erwirbt, durchaus nicht unerhebliche Fachkenntnisse aufweist und die Marktverhältnisse kennt. Im Bereich der Vermarktung von Computern und Datenverarbeitungsgeräten ist auch kein Produktmarketing feststellbar, welches auf eine Integration von Leiterplatten als unselbständige Bestandteile von Computern bestimmter Hersteller abstellt. Vorliegend liegen auch keine sonstigen besonderen Umstände vor, welche auf eine Fehlvorstellung des Verkehrs schließen lassen (vgl hierzu auch BGH GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion; BGH WRP 1999, 528, 530 - TIFFANY) und die Feststellung der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Waren nahe legen könnten. Letztlich kann der Senat jedoch offen lassen, ob aus den genannten Gründen bei der vorliegenden Warenkonstellation nicht die Warenähnlichkeit zu verneinen ist. Denn zugunsten der Widersprechenden kann jedenfalls eine am Rande bestehende Ähnlichkeit der Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" und "unbestückte Leiterplatten unterstellt werden.
4) Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist Konsequenz dieses Systems der Abhängigkeit der Verwechslungsgefahr von der Wechselwirkung mit den einzelnen Faktoren und der begrifflichen Orientierung an der betrieblichen Herkunftsfunktion der Marke zugleich, dass die verschiedenen Faktoren zu gewichten und in ihrem Zusammenwirken zu bewerten sind. Wie bereits ausgeführt, ist hierbei für die Grenzziehung des Ähnlichkeitsbereichs der Waren und Dienstleistungen die Kennzeichnungskraft einzubeziehen und die absolute Grenze der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit so weit zu ziehen, wie die Verwechslungsgefahr bei identischen Marken und höchster Kennzeichnungskraft der älteren Marke reicht, das heißt auf einen größt möglichen Schutzbereich der älteren Marke abzustellen. Deshalb kann selbst bei identischen oder sehr ähnlichen Marken eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sein, wenn die ältere Marke (nur) eine normale oder sogar unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist und nur eine am Rande liegende, sehr entfernte Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren/Dienstleistungen festzustellen ist (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 34; BPatG GRUR 1996, 204, 206 - Swing; BPatG GRUR 2002, 345, 346 - ASTRO BOY/Boy). Dies gilt umso mehr, wenn - wie vorliegend - zudem zu berücksichtigen ist, dass die Marken nur eine klangliche Identität aufweisen, während sie sich im Schriftbild deutlich unterscheiden, und die angesprochenen fachkundigen Verkehrskreise Kennzeichnungen, soweit sie überhaupt im Fachverkehr oder -handel nebeneinander und klanglich in Erscheinung treten, eher mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen (vgl hierzu auch PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 28 W (pat) 28/00 - DAKOTA # Docado).
Nach alledem war auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben als die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist und der Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Bayer Engels Pü
BPatG:
Beschluss v. 09.01.2003
Az: 25 W (pat) 279/01
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