Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Mai 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 109/99
(BPatG: Beschluss v. 22.05.2000, Az.: 10 W (pat) 109/99)
Tenor
Die Beschwerde der Anmelder gegen den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Am 24. Oktober 1995 meldete die I... Splitsysteme GmbH (i.F.: I...), vertreten durch die Patentanwälte U... & N..., eine Erfindung betreffend ein Steuergerät als Patent an. Im Juni 1996 erfolgte die Umschreibung auf die jetzigen Anmelder H... und U..., die ebenfalls durch die oben genannten Patentanwälte vertreten werden. Den Patentanwälten wurde unter dem Datum 3. Februar 1998 die Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 PatG für die 3. Jahresgebühr mit dem tariflichen Zuschlag zugestellt. Die Nachricht enthält im Kopf u.a. unter dem Hinweis "Anmeldernr." den Namen des Mitanmelders U.... Über diese Nachricht hat der Verfahrensbevollmächtigte I... mit Schreiben vom 2. März 1998 berichtet. Bereits zuvor hatte dieser I... viermal auf die demnächst zu entrichtende Gebühr und die Vorauszahlungsmöglichkeit hingewiesen. An das Schreiben hat der Verfahrensbevollmächtigte I... noch zweimal, zuletzt am 16. Juni 1998 (2. Erinnerung) erinnert.
Innerhalb der gesetzlichen, bis zum 30. Juni 1998 laufenden Frist erfolgte keine Zahlung, so daß die Anmeldung als zurückgenommen gilt.
Am 1. Februar 1999 beantragten die Anmelder U... und H... Wiedereinset- zung in die viermonatige Frist zur Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag. Sie trugen vor, die Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten, die auch die frühere Anmelderin vertreten habe, habe die Gebührennachricht versehentlich an die frühere Anmelderin I... und nicht an sie gesandt. Der Verfahrensbevollmäch- tigte habe zwar am 3. Mai 1996 eine zuverlässige Kanzleikraft, Frau B..., ange- wiesen, auch den Adressaten für die in der Kanzlei separat geführte Jahresgebührenüberwachung von I... auf H... und U... zu ändern. Frau B... habe diese Änderungen vorbereitet, jedoch wegen Konzentrations- störungen nicht durchgeführt. Dies sei den Verfahrensbevollmächtigten damals nicht bekannt gewesen. Sie und damit die Anmelder treffe kein Verschulden an der unterbliebenen Gebührenzahlung, da die Mitarbeiter regelmäßig überwacht und unterrichtet würden. I... habe die Gebührennachricht wegen eines Zerwürfnisses nicht an sie weitergeleitet und auch auf Erinnerungen ihrer Bevollmächtigten nicht reagiert. Der Fehler sei erst am 30. November 1998 bekannt geworden.
Zur Glaubhaftmachung legen die Anmelder eine eidesstattliche Erklärung der Frau B... vom 28. Januar 1999 und Kopien von Schreiben an das Patentamt vom 3. Mai 1996, Erinnerungsschreiben an I... sowie einer Telefaxnachricht des Anmelders U... vom 30. November 1998 vor.
Durch Beschluß vom 14. Juli 1999 wies das Deutsche Patent- und Markenamt den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, daß die Verfahrensbevollmächtigten wegen der Umschreibung und der vorausgegangenen Probleme mit der Anmelderschaft zu besonderer Sorgfalt und Kontrolle der von ihnen geführten Akten verpflichtet gewesen seien. Der Verfahrensbevollmächtigte habe den Sachstand selbst überprüfen müssen, insbesondere nach Eingang der Umschreibungsbestätigung vom 25. Juni 1996, der Bibliographiemitteilung vom 26. August 1996 und dem Eingang der Offenlegungsschrift vom 30. April 1997.
Mit der Beschwerde machen die Anmelder geltend, ihre Verfahrensbevollmächtigten hätten von einem Zerwürfnis zwischen den jetzigen Anmeldern und I... erst am 30. November 1998 erfahren. Die Angaben in der eidesstattli- chen Versicherung der Mitarbeiterin B... bezögen sich nur auf die Firmierung der I... bzw die Frage der rechtsverbindlichen Unterzeichnung der Um- schreibungsbewilligung durch diese Firma. Prüfungsantrag sei bereits mit Anmeldung gestellt und die Rechnung vom 31. Oktober 1995 an I... gesandt wor- den, die damals noch Anmelderin gewesen sei. Diese habe die Rechnung auch in zwei Raten bezahlt, zuletzt im Februar 1997. Die Zahlung der Prüfungsgebühr am 6. Mai 1997 sei ohne nochmalige Rücksprache mit den Anmeldern erfolgt. Im übrigen habe der Verfahrensbevollmächtigte keine Veranlassung gehabt, die aus den Anmeldeakten ausgekoppelten Jahresgebührentaschen nochmals aufgrund von in den Anmeldeakten geführten patentamtlichen Mitteilungen zu überprüfen. Denn die Angestellte B... habe sich in der Ablage und Führung der Gebührenta- schen besser ausgekannt als jeder andere Mitarbeiter, so daß zu weiteren Nachfragen keine Veranlassung bestanden habe.
Die Anmelder beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Wiedereinsetzungsantrag der Anmelder zu Recht zurückgewiesen.
Nach § 123 Absatz 1 PatG kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn eine dem Patentamt gegenüber einzuhaltende Frist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, unverschuldet versäumt wurde, die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des zur Fristversäumung führenden Umstands beantragt und die versäumte Handlung nachgeholt werden.
1. Die Frist des § 17 Abs. 3 S. 3 PatG zur Zahlung der dritten Jahresgebühr mit dem Zuschlag ist versäumt. Die Benachrichtigung vom 03. Februar 1998 wurde den Anmeldervertretern per Sammelempfangsbekenntnis zugestellt. Innerhalb der gesetzlichen Frist ging - wie auch die Anmelder einräumen - eine Gebührenzahlung beim Patentamt nicht ein.
2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig.
Wie die Anmelder glaubhaft vortragen, haben sie und ihr anwaltlicher Vertreter am 30. November 1998 festgestellt, daß die Gebührenzahlung versäumt war. Die Zwei-Monats-Frist des § 123 Abs. 2 S. 1 PatG endete damit am 30. Januar 1999 (Samstag); der Wiedereinsetzungsantrag ist am 01. Februar 1999 noch fristgerecht eingegangen. Die versäumte Zahlung ist gleichzeitig nachgeholt worden.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedoch unbegründet. Ein schuldhaftes Verhalten ihrer anwaltlichen Vertreter, das sich die Anmelder zurechnen lassen müssen (§ 99 PatG iVm § 51 Abs. 2 ZPO), ist nicht auszuschließen..
a) Dem Verfahrensbevollmächtigten hätte bereits bei Unterzeichnung des Schreibens vom 2. März 1998 an I... auffallen müssen, daß mehrere seiner Aufforderungen bzw Erinnerungen an die Voraus-Zahlung der dritten Jahresgebühr erfolglos geblieben waren und deshalb besondere Aufmerksamkeit walten lassen müssen. Dabei hätte er erkannt, daß die in der Benachrichtigung des Patentamts vom 3. Februar 1998 angegebene Anmelderbezeichnung "U..." nicht mit dem Namen der von ihm wegen der Gebührennachricht angeschriebenen, für die Anmelderin gehaltenen I... übereinstimmte. Dies hätte ihm Anlaß gegeben, sich auch die Handakte vorlegen zu lassen, aus der er die Umschreibung auf die Anmelder ermitteln konnte. Er hätte sodann im Hinblick auf die mit den Anmeldern getroffene Absprache über die Jahresgebührenzahlung die Gebühr sofort zahlen können.
Spätestens aber mit der Unterzeichnung der "2. Erinnerung" vom 16. Juni 1998 hätte der Verfahrensbevollmächtigte hellsichtig werden müssen, denn nunmehr stand der Eintritt der Rücknahmefiktion unmittelbar bevor. Dies und die zwischenzeitliche Untätigkeit der vermeintlichen Anmelderin I... hätte zu ganz besonde- rer Sorgfalt bei der Durchsicht der "Gebührenakte" verpflichtet, wobei die schon genannten Widersprüchlichkeiten aufgefallen wären und zu dem erwähnten Folgeverhalten geführt hätten.
a) Darüber hinaus sieht der Senat einen Organisationsmangel in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten als gegeben an. Mit dem dort eingerichteten System der "aus den Anmeldeakten ausgekoppelten Jahresgebührentaschen" führt bereits ein Versehen der Bürokraft bei der Änderung der Anmelderbezeichnung in der Gebührenakte nach erfolgter Umschreibung zwangsläufig zum Erlöschen des Patents. Dieser Ablauf entspricht nicht einer ordnungsgemäßen Büroorganisation. Wenn die Überwachung der Jahresgebühren getrennt von den Handakten durchgeführt wird, bedarf es einer regelmäßigen Abstimmung und Kontrolle der beiden Systeme, um eine Übereinstimmung der Daten zu gewährleisten. Gerade beim bevorstehenden Ablauf der Nachfrist des § 17 Abs.3 PatG darf es wegen des drohenden Rechtsverlustes nicht bei der Absendung von Erinnerungen bleiben, deren Daten sich allein auf die Angaben in der Gebührenakte stützen. Vielmehr muß sich der Anwalt jedenfalls im Rahmen der letzten Vorfrist die Handakten vorlegen lassen oder eine andere Maßnahme treffen, um durch einen Datenabgleich Fehler und damit das Erlöschen des Schutzrechts zu verhindern. Zur Einrichtung eines derartigen Kontrollsystems haben die Anmelder nichts vorgetragen. Sie berufen sich allein auf ein Fehlverhalten der ansonsten zuverlässigen Bürokraft, worauf es jedoch hier aus den vorgenannten Gründen nicht ankommt.
Bühring Hövelmann Schuster Pr
BPatG:
Beschluss v. 22.05.2000
Az: 10 W (pat) 109/99
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