Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 22. März 2007
Aktenzeichen: 2 U 159/06

(OLG Stuttgart: Urteil v. 22.03.2007, Az.: 2 U 159/06)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 38. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 31.08.2006 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin hinsichtlich der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils insoweit vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 8.000,00 EUR

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, der Sache nach ohne Erfolg.

A.

Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zusammenfassend:

Die Parteien streiten über die Frage, ob ein per Fax an das Rechtsanwaltsbüro B., E., übersandtes Angebot der Beklagten von einer Einwilligung des dortigen Büropersonals in diese Art der Zusendung gedeckt war.

Die Beklagte, welche virtuelle Branchenverzeichnisse unterhält, hatte die in W. residierende oben bezeichnete Kanzlei mit deren Einverständnis in ihr Internetportal m.-w.de kostenlos aufgenommen. Bei der Beklagten war die Zeugin A. beschäftigt, welche von zu Hause aus entsprechend einer ihr von der Beklagten übermittelten Datenbank Telefongespräche führte, um abzuklären, ob den Gesprächspartnern per Telefax ein Angebot zur Aufnahme in das von der Beklagten für den jeweiligen Ort unterhaltene virtuelle Verzeichnis unterbreitet werden dürfe.

So will die Beklagte am 27.06.2005 über ihre vormalige Mitarbeiterin A. die Zeugin S. telefonisch kontaktiert haben, welche am neu errichteten Standort E. der Rechtsanwaltskanzlei B. tätig war. Am 05.09.2005 erreichte dieses Rechtsanwaltsbüro jedenfalls ein Telefaxangebot der Beklagten.

Die Klägerin hat dafür gehalten, dass eine Einwilligung in diese Angebotsunterbreitung nicht vorgelegen habe, weshalb ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte bestehe gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG.

Die Beklagte hat eine Einwilligung durch die Zeugin S. behauptet.

Das Landgericht hat nach Vernehmung dieser beiden Zeuginnen die Beklagte wie beantragt verurteilt:

1. Der Beklagten wird es [Ordnungsmittelantrag] untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

Angebote oder sonstige Werbung per Telefax zu versenden, sofern ein Einverständnis mit dieser Art der Werbung durch den Empfänger nicht vorliegt.

2. [Abmahnkosten]

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, welche an ihrer erstinstanzlichen Verteidigung festhält.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichtes Stuttgart vom 31.08.2006 - Aktenzeichen 38 O 17/06 KfH - wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die erneute Vernehmung der beiden Zeuginnen.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie hierfür wie auch für das Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Verhandlungsniederschriften Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).

B.

1. a) Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung und damit gemäß Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG eine Unlauterbarkeit anzunehmen bei einer Werbung unter Verwendung von Faxgeräten, ohne dass eine Einwilligung des Adressaten vorliegt (den hohen belästigenden Charakter auch gegenüber Gewerbetreibenden schon nach altem Recht bekräftigt nochmals BGH NJW 2006, 3781/3782 - Telefax-Werbung II ).

b) Nach der Fassung des Gesetzes kann diese werbliche Kontaktaufnahme nur mit Einwilligung des Adressaten geschehen. Auch nach der maßgeblichen Telekommunikations-Datenschutzrichtlinie ist ausgeschlossen, auch die mutmaßliche Einwilligung als Einwilligung anzusehen (Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. [2006], § 7, 57). Damit sind die Verhältnisse auch durch die Neufassung strenger geworden. Auch bei Gewerbetreibenden ist Telefax-Werbung nur bei deren Einwilligung zulässig (Ohly a.a.O. § 7, 61). Die Erlaubnisvariante der mutmaßlichen Einwilligung ist entfallen (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbewerbsR, 25. Aufl. [2007], § 7 UWG, 77; Ubber in Harte/Henning, UWG [2004], § 7, 163; vgl. auch Mankowski in Fezer, UWG [2005], § 7, 79 i.V.m. 61).

c) Die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 3 UWG gilt für Telefax-Werbung nicht (Ohly a.a.O. § 7, 61 und 72).

d) Einwilligung ist das ausdrückliche oder auch konkludent vorliegende Einverständnis des Adressaten (OLG Frankfurt GRUR 2005, 964 [dort zur Telefonwerbung bezüglich des zur Telefaxwerbung insoweit identischen Tatbestandsmerkmales]; Köhler a.a.O. § 7, 72 i.V.m. 43 und 51; Ohly a.a.O. § 7, 46; Ubber a.a.O. § 7, 162). Eine konkludente Einwilligung ist noch nicht ohne weiteres anzunehmen, wenn der Angerufene - und nichts anderes gilt jeweils für den Faxadressaten - in einer geschäftlichen Beziehung zum Anrufer steht (Köhler a.a.O. § 7, 53; so schon BGH GRUR 1990, 280 [juris Tz. 12] - Telefonwerbung III ; GRUR 1989, 753 [juris Tz. 12] - Telefonwerbung II ; vgl. auch Thüringer OLG MD 2006, 776 [juris Tz. 28]; Mankowski a.a.O. § 7, 61 [ebenfalls zur Telefonwerbung]). Im Zweifel ist eine enge Auslegung, d.h. eine Beschränkung auf das konkret angebahnte Geschäft geboten. Gibt ein Kunde auf einem Bestell- oder Vertragsformular seine Telefonnummer an, so bezieht sich das Einverständnis mangels besonderer Anhaltspunkte lediglich auf Anrufe, die das konkrete Vertragsverhältnis betreffen, nicht aber auf Anrufe zu weitergehenden Zwecken. Dazu gehören etwa eine Vertragsverlängerung oder -erweiterung, eine Wiederaufnahme der Vertragsbeziehung oder eine weitere Bestellung (BGH GRUR 1995, 220 [juris Tz. 12] - Telefonwerbung V) . Dementsprechend ist auch das sog. Nachbearbeiten von Kunden, die etwa von einem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht haben und nach den Gründen für den Widerruf befragt werden, nicht von dem ursprünglichen Einverständnis gedeckt (OLG Frankfurt GRUR 2005, 964/965; Köhler a.a.O. § 7, 53; Ohly a.a.O. 46; vgl. auch Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 34]).

e) Die Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt der Werbende (Köhler a.a.O. § 7, 72 i.V.m. 44; Ohly a.a.O. § 7, 43 und 50; so schon zum alten Recht BGH NJW 2004, 1655, 1657 - E-Mail-Werbung ; vgl. auch Mankowski a.a.O. § 7, 65).

2. Die Umsetzung dieser Grundsätze ergibt:

a) Die sehr ausführlich gehaltenen Ausführungen der Beklagten zur Mutmaßlichkeit der Einwilligung aufgrund angeblich bestehender Geschäftsverbindung sind danach unerheblich.

b) Die Geschäftsbeziehung - hier: kostenloser Grundeintrag der überörtlichen Rechtsanwaltssozietät mit ihrer Ursprungskanzlei in W. im virtuellen Branchenverzeichnis/Regionalportal der Beklagten - ist für sich noch keine konkludente Einwilligung zur Nachbearbeitung durch Übersendung eines Faxes im Hinblick darauf, dass die Kanzlei nun auch in E. eine Dependance (Bl. 22, 48) aufgenommen hat. Neben diesem Nachbearbeitungs-Grundsatz ist zudem die Geschäftsbeziehung vorliegend ohnehin nur von äußerst schwacher Ausprägung. Dies rechtfertigt noch weniger, daran die Schlussfolgerung zu knüpfen, die Kanzlei sei danach damit einverstanden, mit allen, auch gleichgerichteten medialen Angeboten der Beklagten konfrontiert zu werden.

Andere Anknüpfungspunkte für eine konkludente Einwilligung hat die insoweit beweisbelastete Beklagte nicht aufgezeigt.

c) Eine - unterstellte - ausdrückliche Einwilligung ist nicht schon aus Rechtsgründen unbeachtlich (geworden).

aa) Dass der Anruf, um eine Einwilligung zu einem späteren Faxangebot einzuholen, selbst möglicherweise einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß darstellt (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG), ist zum einen nicht Streitgegenstand, zum andern kein Tatbestand, der eine dann solchermaßen erlangte ausdrückliche Einwilligung zu einem Faxangebot - über § 134 BGB oder ähnlich dem Gedanken des § 355 Abs. 1 BGB (vgl. allg. hierzu Köhler a.a.O. § 7, 46) - in ihrer Wirksamkeit oder Fortwirkung gefährdete. Zwar war der Beklagten ausdrücklich an einem Urteil auch wegen der Klärung dieser Frage gelegen. Der Senat beantwortet vorliegend aber nur eine Rechtsfrage auf der Grundlage eines ihm vorgegebenen Streitgegenstandes. Die Beklagte würde die Entscheidung grob verkennen, wenn sie in der vorliegenden Wertung des Senats einen generellen Freibrief für die telefonische Kontaktaufnahme zu potenziellen Kunden zur Vorbereitung von Telefaxangeboten sähe.

bb) Zwar ist einzig Einwilligungsberechtigter grundsätzlich der Inhaber des Faxanschlusses. Er kann jedoch nach Vollmachts- oder Anscheins- oder Duldungsvollmachtsregeln anderen die Erklärungsmacht zuweisen oder muss sich nach den jeweiligen Umständen so behandeln lassen (vgl. hierzu Schramm in MünchKomm, BGB, 5. Aufl. [2006], § 183, 4; § 182, 12 und 13). Die Zeugin S., Angestellte der Rechtsanwaltskanzlei, hat bekundet: ... wenn z.B. Firmen anrufen wegen Bestellungen von Büromaterial, Papier, Druckerpatronen usw., dann nehme ich das auf und darf mir Angebote zufaxen lassen, dafür brauche ich auch meinen Anwalt nicht fragen (Bl. 33). Danach kann die grundsätzliche Rechtsmacht oder jedenfalls der maßgebliche Erklärungsmachtanschein der Zeugin, in die Übersendung von Faxangeboten für einen kostenlosen Grundeintrag in ein elektronisches Branchenverzeichnis einzuwilligen, nicht fraglich sein. Nichts anderes ergibt sich aus der neuerlichen Vernehmung der Zeugin S.

cc) Auch der zeitliche Abstand zwischen - behaupteter - Einwilligung (Telefongespräch vom 27.06.2005) und der Übersendung des Faxangebotes (05.09.2006) lässt einen Einwilligungstatbestand nicht - wie das Landgericht für möglich gehalten hat - in Entsprechung des Rechtsgedankens in § 147 Abs. 2 BGB wieder entfallen. Ungeachtet der Rechtsnatur der Einwilligung (vgl. zum Streit Köhler a.a.O. § 7, 44; Ohly a.a.O. § 7, 44; ferner Ubber a.a.O. § 7, 127; Mankowski a.a.O. § 7, 59) wäre eine solche, selbst wenn ihr der Rechtscharakter gemäß § 183 BGB zukäme, gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts - hier entsprechend: Faxübersendung - jederzeit frei widerruflich (vgl. auch Mankowski in Fezer a.a.O. § 7, 64 und BT-Drucks. 15/1487 S. 21 zu Nr. 4). Die Einwilligung ist aber, ergibt sich nichts durch eine Befristung oder Bedingung oder aus der Besonderheit des Rechtsverhältnisses (vgl. hierzu Heinrichs in Palandt, BGB, 66. Aufl. [2007], § 183, 3; Schramm in MünchKomm a.a.O. § 183, 4), in ihrem Bestand frei von einer automatischen Erlöschensregel wie dies § 147 Abs. 2 BGB für das Vertragsangebot aufstellt.

Auch ist der Zeitraum nicht so lang, dass nach Treu und Glauben nicht mehr damit gerechnet werden musste, dass die Beklagte von der - unterstellten - Einwilligung keinen Gebrauch mehr machen würde.

d) Angesichts der Widersprüchlichkeit der landgerichtlichen Beweiswürdigung waren konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen angezeigt, welche eine erneute Feststellung geboten haben (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

aa) Dies ist der Fall, wenn sich das Erstgericht mit dem Beweisergebnis nicht umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (so BGHZ 162, 317 [juris Tz. 14] bei weit eingeschränkterer revisionsrechtlicher Überprüfung insoweit), und die erstinstanzliche Beweiswürdigung (deshalb) nicht zu überzeugen vermag (BGH NJW 2005, 1583, 1584).

Das landgerichtliche Urteil war von solchen Unklarheiten in der Begründung geprägt.

Danach war der Senat gehalten, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten.

bb) Allerdings waren die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend gemachten weiteren Verstöße nicht in die zweitinstanzliche Beweisaufnahme einzubeziehen, da diese Angriffsmittel neu waren und die Einführung eines anderen Streitgegenstandes im Berufungsrechtszug darstellten.

(1) Der Klagegrund, der den Streitgegenstand einer Unterlassungsklage mit bestimmt, wird durch die zu seiner Begründung vorgetragenen Verletzungsfälle gebildet. Mehrere mit der Klage vorgetragene gleichartige Verletzungshandlungen, auf die ein Unterlassungsantrag mit einem bestimmten Klageziel gestützt wird, bilden dabei einen einheitlichen Klagegrund. Es ist jedoch anerkannt, dass mit der späteren Einführung weiterer Verletzungshandlungen in einen Unterlassungsprozess ohne Änderung des Klageantrages eine Änderung des Streitgegenstandes, d.h. eine Klageänderung (§ 263 ZPO), verbunden ist, auch wenn sich aus den nachgeschobenen Verletzungsfällen dieselbe Verletzungsform ergibt. Damit ist ausgeschlossen, dass ein Kläger bei entsprechend weiter Fassung seines Unterlassungsbegehrens ohne Kostenrisiko einen Unterlassungsprozess durch Vortrag immer neuer gleichartiger (etwa auch neu ermittelter oder durch weitere Testkäufe provozierter) Verletzungshandlungen verschleppen kann (BGH GRUR 2006, 421 [Tz. 26] - Markenparfümverkäufe ).

(2) Die Voraussetzungen des § 533 ZPO, insbesondere seiner Nr. 2, liegen nicht vor. Danach sind diese behaupteten Verletzungshandlungen in diesem Rechtsstreit nicht weiter aufzuklären.

3. Die Beweisaufnahme vor dem Senat hat jedoch ein vom Landgericht abweichendes Ergebnis nicht erbracht. Nach der Bekundung der Zeugin S. ist es nicht generell auszuschließen, dass sie auf Frage, wie denn die Faxnummer der Kanzlei laute, diese damals, je nach dem gerade herrschenden Arbeitsdruck, bekannt gegeben hat. Auch mag der große zeitliche Abstand zwischen der angeblichen telefonischen Anfrage und der tatsächlichen Übersendung des Faxangebotes bei der Zeugin S. die Erinnerung an ein solches, nicht sonderlich einprägsames Telefongespräch aufgehoben haben, weshalb sie bei Eingang des Telefax die Frage ihres Chefs, ob denn jemand eine Einwilligung zu einer solchen Übermittlung dieses Angebotes erteilt habe, in gutem Glauben verneinte. Auch folgt der Senat dem Landgericht darin, dass die Zeugin A. grundsätzlich glaubwürdig erschien. Zwar hatte die weitere Klärung der technischen Vorgänge im Zuge der Vernehmung dieser Zeugin den durch die Schriftsätze der Beklagten getragenen Eindruck, im Nachhinein könnten die Daten gar nicht mehr beeinflusst werden, widerlegt. Die Eintragungen konnten - wie offensichtlich wurde und auch vom Vorstandsvorsitzenden der Beklagten selbst eingeräumt worden ist - sehr wohl nachträglich verändert werden. Dabei kann die Darstellung des Vorstandsvorsitzenden über das Zustandekommen und die jeweilige Veranlassung der Eingriffe in die Datenbestände Plausibilität beanspruchen. Zwingendes lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Der Senat kann nämlich die Richtigkeit dieser Angaben der Beklagten zu Grunde legen; gleichwohl ergibt sich daraus zu Gunsten der Beklagten kein durchgreifender Erfolg. Danach mag der eine Datenausdruck belegen, dass der Zeugin A. der Name der Gesprächspartnerin auf Seiten des Rechtsanwaltsbüros B. bekannt geworden ist und dass sie von dieser die dortige Telefaxnummer erhalten hat. Daraus kann aber nur abgeleitet werden, dass die Mitarbeiterin der Beklagten tatsächlich mit der Zeugin S. an jenem Tag telefoniert hat. Dass die Bekanntgabe der Telefaxnummer Ausdruck einer Einwilligung in die Übermittlung eines Angebots auf diesem technischen Wege sei, ist daraus aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gesichert zu folgern. Beide Zeuginnen haben - was auch nicht verwunderlich ist - keinerlei konkrete Erinnerung mehr an dieses Telefongespräch. Auch die Zeugin A. konnte nur über allgemeine Handhabungen und übliche Arbeitsabläufe berichten. Schon ihre eingangs gehaltene zusammenfassende Schilderung hat offen gelegt, dass sie - was auch nur der einzige Zweck eines solchen Anrufs war - recht rasch nach der Telefaxnummer gefragt hat. Gerade nach den Bekundungen der Zeugin S. konnte es aber leicht möglich sein, dass diese die Nummer sofort, aus heutiger Sicht vorschnell und die Anfrage nicht näher hinterfragend, herausgegeben hat. Danach steht die Eintragung dieser Nummer in die entsprechende Arbeitsmaske im Datenbestand der Beklagten nur für die Mitteilung der Telefaxnummer, nicht aber zugleich für einen Bekanntgabeakt, dem eine Einwilligung zur Faxübersendung eines Angebots innewohnt. Der Umstand, dass die Telefaxnummer bekannt gegeben wurde und somit in die Arbeitsmaske aufgenommen werden konnte, liefert für die erforderliche Einwilligung lediglich ein gewisses Beweisanzeichen, nicht aber den notwendigen sicheren Beweis. Denn unschwer denkbar ist, dass die Frage einer bis dahin nicht näher einschätzbaren Anruferin, ob das Büro über eine Faxnummer verfüge, etwa als Abfrage der technischen Ausstattung irgendeines Netzbetreibers verstanden werden konnte oder als Anfrage eines Mandanten, der im Rahmen eines bestehenden Mandates eine für wichtig erachtete Unterlage dem Rechtsanwalt sogleich zukommen lassen wollte. Erst wenn nach der solchermaßen denkbaren unvermittelten Konfrontation mit der Frage und der spontanen Preisgabe der Faxnummer auch das wahre Anliegen des Anrufers deutlich geworden ist und die Nummer ihm danach auch zu diesem Zweck weiter zur Verfügung gestellt bleiben sollte, hätte eine Einwilligung vorgelegen. Das Gesprächsergebnis insoweit ist jedoch offen. Insbesondere hat die Zeugin A. bei ihrer Aussage vor dem Senat hinsichtlich ihres Frage- und Eintragungsverhaltens keinen so sicheren Eindruck hinterlassen, der Zweifel daran verbieten würde, dass es zur Faxnummern-Bekanntgabe und -Eintragung bereits auch in einem Gesprächsstadium kommen kann, in dem der Zweck der Zusendung und das Einverständnis noch nicht ausgetauscht sind. Auch fällt nach der Bekundung der Zeugin A. auf, dass gemessen an der üblichen Länge für Anrufe, in denen der Zweck dieser Kontaktaufnahme benannt und danach die Einwilligung dafür auch tatsächlich erteilt worden sein soll, dieser außergewöhnlich kurz ausgefallen ist. Diese Offenheit des Beweisergebnisses geht zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.

4. Entgegen der Wertung der Klägerin ist auch bei Vorliegen des Tatbestandes des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG die weitere Kontrolle an allen Tatbestandsmerkmalen des § 3, mithin auch der Bagatellgrenze, erforderlich (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. § 7, 70; vgl. auch OLG Frankfurt GRUR 2005, 964, 965). Angesichts des hohen Lästigkeitsgrades und des Massenphänomens (vgl. BGH NJW 2006, 3781, 3782) ist schon im Hinblick auf das Allgemeininteresse von einer Überschreitung der Bagatellgrenze auszugehen (OLG Frankfurt a.a.O. 965), wobei von der von der Beklagten ins Feld geführten, angeblich bestehenden Geschäftsbeziehung angesichts der rechtlichen Unmaßgeblichkeit dieses Gesichtspunktes keine Schwächung der unlauteren Wettbewerbshandlung in ihrer Geeignetheit ausgeht, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Dass es über die Verwendung der bekannt gegebenen Telefaxnummer zu einem Missverständnis zwischen den Gesprächspartnerinnen gekommen sein kann, drückt vorliegend den Verstoß ebenfalls nicht unter die Bagatellschwelle. Denn wie die Beweisaufnahme ergeben hat, ist diese Art der Kontaktnahme geradezu prädestiniert, die hier in Rede stehenden Unsicherheiten und Unklarheiten heraufzubeschwören. Die systematische Schwäche einer von vornherein im Grenzbereich eines Gesetzesverstoßes angesiedelten Vertriebsform kann die Beklagte danach nicht entlasten.

5. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG). Sie sind der Höhe nach nicht im Streit.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt (nur) 8.000,00 EUR. Diesen Wert hat die Klägerin selbst ihrem Unterlassungsanspruch beigemessen (Bl. 8), ihn legt ersichtlich auch das Landgericht so zu Grunde. Die weiter geltend gemachten Abmahnkosten nehmen als Nebenforderungen gemäß § 43 GKG, § 23 Abs. 1 RVG nicht an der Wertbemessung des Gegenstandswertes teil.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Senat legt nur anerkannte, überwiegend und auch aktuell höchstrichterlich gebilligte Rechtsgrundsätze zu Grunde. Die Sachbehandlung erschöpft sich einzig in deren Umsetzung auf den vorliegenden Einzelfall.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 22.03.2007
Az: 2 U 159/06


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