Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 20. November 2003
Aktenzeichen: 13 A 2869/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 20.11.2003, Az.: 13 A 2869/01)

Tenor

Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurück-gewiesen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 51.129,19 EUR (= 100.000,- DM) festgesetzt.

Gründe

I.

Das öffentliche Telekommunikationsnetz der Klägerin ist mit Telekommunikationsnetzen - Verbindungsnetzen - von Wettbewerbern zusammengeschlossen, wodurch den Endkunden der Klägerin Ferngespräche über die Netze der Wettbewerber im Wege einzelfallweiser Einwahl - callbycall - oder dauerhafter Voreinstellung - Preselection - ermöglicht werden. Die Klägerin bietet ihren Kunden seit Anfang 1998 die Auswahl des Verbindungsnetzbetreibers für Fernverbindungen durch Preselection und den Beibehalt der zugeteilten Rufnummer bei Wechsel des Betreibers und Verbleiben am selben Standort - Rufnummermitnahme - an. Beides wird technisch durch Programmierungsmaßnahmen im zugehörigen Vermittlungsrechner der Klägerin ermöglicht.

Mit Bescheid vom 6. Januar 1998 machte die Beklagte die Klägerin darauf aufmerksam, dass Entgelte für die Leistungen Preselection und Rufnummermitnahme gemäß § 25 Abs. 1 TKG genehmigungspflichtig seien.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Entgelte für Preselection und Rufnummermitnahme seien nicht genehmigungspflichtig, weil sie nicht unter Sprachtelefondienst einzuordnen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 1998 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Die Entgelte für Preselection und Rufnummermitnahme unterlägen als integrale Bestandteile des Angebotes von Sprachtelefondienst der exante-Entgeltregulierung nach § 25 Abs. 1 TKG. Die Herausnahme dieser Leistungen aus dem Bereich des Sprachtelefondienstes widerspreche dem Ziel der gesetzlichen Regelung. Marktbeherrschende Anbieter könnten nämlich bei Nichtgenehmigungspflichtigkeit einzelner Teilleistungen über deren Preis die Inanspruchnahme der Teilleistung so unattraktiv gestalten, dass die Kunden auf einen Anbieterwechsel verzichteten. Daher seien auch solche Leistungen als integraler Bestandteil des Sprachtelefondienstes einzuordnen, die als Voraussetzung für die Herstellung einer Verbindung zum Aufbau eines Telefongespräches zwischen zwei Teilnehmern unabdingbar seien. Die für die Leistung Sprachtelefondienst erforderlichen Leitwegänderungen seien Bestandteil des technischen Vorgangs der Vermittlung. Zwar sei die programmierungstechnische Maßnahme für die Leitwegänderung im Vermittlungsrechner für sich allein betrachtet kein vermittelter Transport von Sprache. Die Leistungen Preselection und Rufnummermitnahme erschöpften sich jedoch nicht im einmaligen Programmieren der Leitwegänderung im Vermittlungsrechner, sondern umfassten auch ihre dauerhafte Aufrechterhaltung während des Aufbaus und der Herstellung einer Sprachkommunikationsverbindung.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 10. Mai 2001, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht Köln die Klage abgewiesen. Hiergegen führt die Klägerin die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung, mit der sie vorträgt:

Preselection und Rufnummermitnahme seien kein Sprachtelefondienst nach § 3 Nr. 15 TKG, weil sie kein - allein in Betracht kommendes - "Vermitteln" darstellten, das in Nr. II 2 A 1 der Verwaltungsvorschrift des BMPT vom 13. Juli/16. September 1992 definiert sei und nach der Rechtsprechung des angerufenen Gerichts im Sinne des während des Gesetzgebungsverfahrens vorgefundenen Begriffsverständnisses auszulegen sei. Der danach für eine Vermittlung erforderliche Aufbau einer unmittelbaren dialogfähigen Kommunikation zwischen zwei Endpunkten und die Auswahl des zu erreichenden Teilnehmers durch den Nutzer erfüllten Preselection und Rufnummermitnahme nicht. Es werde nämlich durch die Umprogrammierung nur eine Verbindung zwischen Kunde und Übergabepunkt zum Verbindungsnetz und zudem keine dialogfähige Verbindung hergestellt und es fehle bei der Leitwegänderung zu immer nur dem einen Punkt die Auswahlfreiheit des Nutzers. Soweit das Verwaltungsgericht auf Auswahl des Endkunden durch den Nutzer und die dazu erforderliche Vermittlung verweise, verkenne es, dass sich die Aufgabe der Programmierungsleistung in der Einmaligkeit ihrer Durchführung erschöpfe und der Verbindungsnetzbetreiber die Verbindungsleistung zum Angerufenen erbringe. Sie erbringe eine Verbindungsleistung allenfalls zum zusammengeschalteten Verbindungsnetzbetreiber. Auch dass sich die Umprogrammierung bei jeder Verbindung auswirke, mache sie entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht zum Vermittlungsvorgang. Das Gesetz gehe nämlich ausweislich des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 TKG von einem nur einmaligen und daher nur einmal und nicht wiederkehrend mit einem entgeltbelegbaren Leistungsakt aus. Mit der callbycall-Verbindung sei die Preselection nicht vergleichbar, da jene die Verbindungsdefinition in jedem einzelnen Anruffall voll erfülle. Preselection und Rufnummermitnahme seien schon nach Art und Gegenstand ihres Vorgangs kein integraler Bestandteil von Sprachtelefondiensten. Auch § 43 Abs. 5 und 6 TKG erweitere die Begriffsdefinition von Sprachtelefondienst und den Tatbestand des § 25 Abs. 1 TKG nicht. Preselection und Rufnummermitnahme seien auch kein notwendiger Bestandteil der Leistung Angebot von Sprachtelefondienst, weil Sprachtelefondienst in ihrem Telekommunikationsnetz auch ohne diese Leistungen erbracht werde. Das mit Beginn der Marktliberalisierung übereinstimmende gesetzliche Bereitstellungsdatum für Preselection und Rufnummermitnahme sei kein Indiz dafür, dass beides Sprachtelefondienst sei. Ihre Marktposition sei für die Einordnung von Preselection und Rufnummermitnahme unter § 3 Nr. 15 TKG unerheblich. Der Schutzzweck der Entgeltregulierung werde auch durch eine expost- Kontrolle erfüllt. § 3 Nr. 15 TKG liege die Vorstellung zugrunde, das im jeweiligen Einzelfall eine vermittelte sprachliche Kommunikation erfolgt. Die hier zu betrachtenden Programmierungsleistungen lägen jedoch im Vorfeld einer solchen Sprachtelefondienstleistung und der Umstand, dass sie sich auf diese auswirkten, mache sie selbst noch nicht zu einer Sprachtelefondienstleistung oder zu dessen integralem Bestandteil. Das zeige sich auch darin, dass es trotz der Programmierungsleistung nicht zu einer Sprachtelefondienstleistung kommen müsse, weil der Nutzer eben kein Telefongespräch führen oder den Vermittlungsnetzbetreiber nicht wechsele. Dass ein Telefongespräch nach vorheriger Programmierungsleistung und unter dessen Auswirkung geführt werde, sei Sprachtelefondienst nicht wesensimmanent. Der unmittelbare Zusammenhang oder Annex der Programmierungsleistungen zur Sprachtelefondienstleistung reiche selbst nach dem Verwaltungsgericht und dem engen Verständnis des angerufenen Gerichts von den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 TKG nicht aus, was durch § 17 Abs. 1 Satz 3 TKG, dessen es anderenfalls nicht bedurft hätte, belegt werde.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Preselection und Rufnummermitnahme seien Transport von Sprache nach § 3 Nr. 15 TKG. Transport und Vermittlung von Sprache setze sich aus einer Vielzahl von Einzelvorgängen und -leistungen zusammen, die bei ihrer rechtlichen Qualifikation nicht isoliert betrachtet werden könnten. Für den in den Verwaltungsvorschriften definierten Begriff des Vermittelns seien als Endpunkte jeweils die Punkte des für den Aufbau der Kommunikationsverbindung genutzten Telekommunikationssystems, die im Rahmen der Wahlfreiheit des Nutzers adressiert werden könnten, zu betrachten. Zwar stelle Preselection und Rufnummermitnahme nur eine Verbindung in das Verbindungsnetz her, sei aber Teil der Verbindung zu den Endpunkten. Der in den Verwaltungsvorschriften gebrauchte Begriff des Telekommunikationssystems meine unter Berücksichtigung der Vorstellung des seinerzeitigen Gesetzgebers, dass es zu Wettbewerb kommen werde, nicht ausschließlich das Netz der Klägerin, sondern die Summe der technischen Leistungen, die an ihren Anschlusspunkten Endpunkte aufwiesen. Dazu zählten in der Situation von Gesprächspartnern in verschiedenen Netzen alle beteiligten Netze, da ohne deren Beteiligung kein Sprachtelefondienst zwischen den Endnutzern möglich sei. Nach den Gesetzesmaterialien sollten von der Genehmigungspflicht nur Leistungen ausgenommen seien, für die Wettbewerb bereits bestanden habe oder absehbar gewesen sei. Dieser Intention stünde entgegen, wenn eine in der heutigen Form dem früheren Monopol nicht mehr entsprechende Dienstleistung der Genehmigungspflicht entzogen würde, obgleich sie wie bei Preselection und Rufnummermitnahme keinem Wettbewerb ausgesetzt sei. Die Wahlfreiheit des anrufenden Nutzers sei bei Preselection und Rufnummermitnahme gegeben, weil nicht der angesteuerte Übergabepunkt für das Verbindungsnetz, sondern der gewählte Endpunkt im Verbindungsnetz zu betrachten sei. Auch bei der Verlegung von Kabeltrassen habe ein Nutzer keine Wahlfreiheit. Gleichwohl handele es sich bei Kabelverlegung um Sprachvermittlung. Weil die Wirkung der einmaligen Programmierungsleistungen jedes Mal bei einem Anruf einsetze, mache die von der Klägerin vorgenommene Unterscheidung zwischen Verbindung zum Netz des Zusammenschaltungspartners und dessen Verbindung zum jeweiligen Endpunkt keinen Sinn. Die Pflichten aus § 43 Abs. 5 und 6 TKG bezweckten, Sprachtelefondienst, d. h. Transport und Vermittlung von Sprache von Endgerät zu Endgerät auch zwischen verschiedenen Netzen sicherzustellen, nämlich im Falle des Netzbetreiberwechsels unter Beibehaltung der Rufnummer und im Falle der dauerhaften bzw. fallweisen Verbindungsnetzbetreiberwahl. Das setze voraus, dass Sprachtelefondienst auch zwischen verschiedenen Netzen stattfinden können solle. Dass Preselection Angebot von Sprachtelefondienst sei, folge ohne weiteres daraus, dass auch die aufgrund der vormaligen Monopolstellung der Klägerin erfolgte dauerhafte "Voreinstellung" auf sie als einziger Verbindungsnetzbetreiberin Sprachtelefondienst sei. Entsprechendes gelte für die Rufnummermitnahme. Die Frist des § 100 Abs. 2 TKG zeige, dass die streitgegenständlichen Leistungen nicht nur wesentliche Voraussetzungen für wirksamen Wettbewerb, sondern auch als Bedingung Teil des Sprachtelefondienstes seien. Sie halte daran fest, dass Sprachtelefondienst auch alle integrierten Bestandteile und unverzichtbare Annex- Leistungen umfasse und dass, einen solchen Bestandteil oder Annex begründend, allein der Sprachtelefondienstanbieter dauerhafte Voreinstellung und Rufnummermitnahme ausführen könne. Das werde bestätigt durch § 17 Abs. 1 Satz 2 TKG, der Sprachtelefondienst einerseits und dessen Annexdienste und unmittelbar zusammenhängende und unabdingbare Dienste beim Universaldienst gleichbehandelt wissen wolle. Es sei nicht einsichtig, eine Annexdienstleistung außerhalb des Universaldienstes anders zu behandeln als innerhalb.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vom 6. Januar 1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Bescheid ist nicht schon deshalb formell zu beanstanden, weil die Feststellung der Genehmigungspflichtigkeit als eine Entscheidung des Dritten Teils des Gesetzes gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 TKG von der Beschlusskammer zu treffen ist, aber nur durch die Behörde als solche und nicht unter Mitwirkung u. a. von Beisitzern der Beschlusskammer (§ 73 Abs. 2 TKG) getroffen worden ist. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Der die Entscheidungsfindung und Handlungsform der Behörde betreffende § 73 Abs. 1 u. 3 TKG bezweckt neben einer gewissen innerbehördlichen Arbeitsverteilung lediglich eine von spezifischem Sachverstand und von Meinungsvielfalt getragene, ausgewogene Entscheidungsfindung. Dabei handelt es sich ausschließlich um Belange der Allgemeinheit, nicht aber um Rechte oder geschützte Interessen des von der Entscheidung betroffenen Einzelnen oder Unternehmens.

Der angefochtene Bescheid ist ein feststellender Verwaltungsakt im Sinne der Rechtsprechung des Senats,

vgl. hierzu Beschluss vom 27. November 2001 - 13 A 2940/00 -,

den zu erlassen die Beklagte ermächtigt und der mit der Anfechtungsklage angreifbar ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung ist rechtmäßig. Das Entgelt für die von der Klägerin ihren Endkunden/Nutzern angebotene Preselection und Rufnummermitnahme ist genehmigungspflichtig nach § 25 Abs. 1 TKG, weil ein Angebot von Sprachtelefondienst i.S.d. § 3 Nr. 15 TKG vorliegt.

Ob die Klägerin mit Einrichtung der Preselection und Rufnummermitnahme durch entsprechende Programmierung in der zugehörigen Vermittlungsstelle auch eine vertragliche Verpflichtung aufgrund Zusammenschaltungsvereinbarung gegenüber dem Verbindungsnetzbetreiber erfüllt - eine entsprechende normative Verpflichtung lässt sich dagegen aus der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 98/61/EG (Art. 12 Abs. 7) oder § 43 Abs. 5 und 6 TKG nicht zwingend ableiten - und damit eine für den Zusammenschaltungspartner entgeltpflichtige Zusammenschaltungsleistung i.S.d. § 39 TKG erfüllt, ist für die Einordnung als Sprachtelefondienst unerheblich.

Unerheblich ist auch, dass durch die Einrichtung von Preselection und Rufnummermitnahme mittels spezifischer Programmierung der dem Anschluss zugeordneten Vermittlungsstelle im Telekommunikationsnetz der Klägerin allein noch kein Sprachtelefondienst erzeugt wird. Sprachtelefondienst ist nach § 3 Nr. 15 TKG definiert als die Bereitstellung ... der Vermittlung von Sprache ... zu den Netzabschlusspunkten des öffentlichen, vermittelnden Netzes ... . Ein Angebot von Übertragungswegen scheidet vorliegend aus, weil es nicht um eine Punktzu-Punkt-Verbindung im Sinne des § 3 Nr. 22 TKG geht, sondern die Einrichtung von Preselection und Rufnummermitnahme lediglich eine Implementierung von Software in eine übertragungstechnische Einrichtung darstellt, so dass hier nur Bereitstellung der Vermittlung von Sprache von Netzabschlusspunkt zu Netzabschlusspunkt bei auswahlfreier Adressierung für den Anrufer in Betracht kommt.

Die programmierungstechnische Einrichtung von Preselection und Rufnummermitnahme ist ein wesentlicher Bestandteil des Sprachtelefondienstes in der Gestalt, die dem Telekommunikationsgesetz zugrunde liegt. Als wesentlicher Bestandteil des Sprachtelefondienstes trägt diese Leistung den Rechtscharakter derjenigen Telekommunikationsdienstleistung, der er ausschließlich zu dienen bestimmt ist, und unterliegt deren rechtlichen Regelungen.

Die Programmierung von Preselection und Rufnummermitnahme in die dem Endkundenanschluss zugeordnete Vermittlungsstelle dient dem alleinigen Zweck, eine bestimmte Leitwegbestimmung für Telefonverbindungen von oder zu Kunden, die dauerhaft einen anderen Verbindungsnetzbetreiber als die Klägerin gewählt haben, vorzunehmen. Hiervon losgelöst macht sie keinen Sinn und ist überflüssig. Nur mit ihr ist eine Sprachtelephonie entsprechend den Zielen des Telekommunikationsgesetzes möglich. Folglich ist die entsprechende Programmierungsleistung für den Sprachtelefondienst im Sinne des Telekommunikationsgesetzes wesentlich. Sie ist nicht anders zu beurteilen als die ohne Zweifel dem Sprachtelefondienst zuzuordnende Belegung einer Vermittlungsstelle mit einer Rufnummer eines neu eingerichteten Anschlusses.

Dem Telekommunikationsgesetz liegt eine Form von Sprachtelefondienst zugrunde, die u.a. zwischen einem Netzabschlusspunkt des einen Netzes und einem Netzabschlusspunkt eines anderen Netzes stattfindet. Der Gesetzgeber geht nicht von einem Sprachtelefondienst nur zwischen Netzabschlusspunkten innerhalb ein und desselben Netzes - hier der Klägerin - aus. Das ergibt sich bereits aus den Regelungen der Netzzusammenschaltung, die den Sinn verfolgt, den Zusammenschaltungspartnern sämtliche Leistungen des anderen zugeschalteten Netzes, also auch die technische Möglichkeit zur Erbringung von Sprachtelefondienst über dieses, zu eröffnen. Das folgt ferner aus dem Ziel der Regelungen in § 43 Abs. 5 und 6 TKG, nämlich der Sicherung von Wettbewerb auch im Sprachtelefondienst durch Beseitigung von Hindernissen beim Wechsel des Telekommunikationsdiensteanbieters. Anliegen des TKG-Gesetzgebers war es, die u.a. in Art. 9 Abs. 1 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG zum Ausdruck gebrachten Ziele im nationalen Recht zu verwirklichen. Die von der Richtlinie angestrebte Ende-Zu-Ende-Kommunikation zum größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen und zum größtmöglichen Nutzen für die Endbenutzer setzt eine solche Kommunikation in Sprachform über verschiedene zusammengeschaltete Netze hinweg voraus. Bestätigt wird dieses Bild des Telekommunikationsgesetzes von Sprachtelefonie durch das beabsichtigte Zusammfallen des Endes des Sprachtelefondienst-Monopols der Klägerin und der Marktöffnung mit dem Ziel eines Sprachtelefondienstes der Wettbewerber gleich komfortablen Standards, der ohne Einrichtung von Preselection und Rufnummermitnahme nicht erreichbar wäre.

In diesem Sinne ist auch die normative Definition des Sprachtelefondienstes nach § 3 Nr. 15 TKG zu verstehen. Soweit dort von Vermittlung von Sprache von und zu den Netzabschlusspunkten des öffentlichen, vermittelnden Netzes die Rede ist, ist nicht nur das Netz der Klägerin, sondern auch jedes andere zusammengeschaltete Netz und damit ein Netzabschlusspunkt des zusammengeschalteten Netzes gemeint.

Die Telekommunikationsdienstleistung, der die mit Entgelten belegten Programmierungstätigkeiten ausschließlich zu dienen bestimmt sind und deren Rechtscharakter sie deshalb teilen, ist Sprachtelefondienst nach § 3 Nr. 15 TKG im oben beschriebenen Sinne. Durch die im Falle der Preselection wie auch der Rufnummermitnahme erfolgte programmierungsgemäße Leitwegbestimmung wird eine kommunikationsfähige Verbindung zwischen zwei Netzabschlusspunkten hergestellt, wobei der adressierte Abschlusspunkt der Wahl des Anrufers unterliegt. Bei der gebotenen Berücksichtigung der dem TKG-Gesetzgeber vorschwebenden Form von Sprachtelefondienst verbietet sich der Blick der Klägerin allein auf den Übergabepunkt zum Verbindungsnetzbetreiber als Ziel der Leitwegänderung. Ziel der Leitwegänderung ist vielmehr weitergehend die Lenkung der Signale auch im zusammengeschalteten Netz bis hin zum adressierten dortigen Netzabschlusspunkt. Auch wenn eine weitere Vermittlung im zusammengeschalteten Verbindungsnetz erfolgt, kann diese nicht ohne die Leitweglenkung in der jeweiligen Vermittlungsstelle im Netz der Klägerin vonstatten gehen und ist die Zwangsläufigkeit der Vermittlung im zusammengeschalteten Verbindungsnetz durch die Programmierungsleistung initiiert und so gewollt. Vor diesem Hintergrund gehen die von einem falschen Bild von Sprachtelefondienst nach dem Telekommunikationsgesetz ausgehenden Einwände der Klägerin - z. B. keine kommunikationsfähige Verbindung zum Übergabepunkt; keine Wahlfreiheit des Anrufers; Einmaligkeit der Programmierungsleistung - ins Leere.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 20.11.2003
Az: 13 A 2869/01


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