Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. April 2009
Aktenzeichen: 26 W (pat) 72/08
(BPatG: Beschluss v. 22.04.2009, Az.: 26 W (pat) 72/08)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152
Gründe
I Für die Waren
"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate einschließlich Cerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken"
ist die Wortmarke 307 18 050 FRUCHTGENUSS angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 32 hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, teilweise zurückgewiesen, und zwar für die Waren
"alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Milchprodukte, Tee, Zucker, Reis, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Getreidepräparate einschließlich Zerealienriegel; feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Senf, Essig, Saucen (Würzmittel)".
Zur Begründung führte die Markenstelle aus, im Umfang der zurückweisenden Entscheidungen fehle der angemeldeten Marke die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft. "FRUCHTGENUSS" sei eine typische, von zahlreichen Unternehmen verwendete werbemäßige Anpreisung, die vom Verkehr ohne weiteres als Sachhinweis dergestalt verstanden werde, dass die solchermaßen gekennzeichneten Produkte einen Fruchtanteil enthielten und sich hieraus beim Verzehr ein gesteigertes Genussempfinden einstelle. Einen Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sehe der Verkehr in der Markenanmeldung hingegen nicht. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Begriff "FRUCHTGENUSS" mehrdeutig und lexikalisch nicht nachweisbar sei. Von der Anmelderin angeführte vergleichbare Voreintragungen rechtfertigten keine anderweitige Entscheidung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. An die für die Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft einer Marke seien nach ständiger Rechtsprechung nur geringe Anforderungen zu stellen. Dies gelte auch für Werbeslogans. Da es sich bei "FRUCHTGENUSS" zudem um eine nur scheinbar sprachübliche Verbindung zweier Begriffe handle, die in der in Streit stehenden Kombination jedoch weder als Fachausdruck noch als allgemeines Wortgebilde nachweisbar sei, könne der Marke eine hinreichende Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Insoweit sei hierzu auf zahlreiche Voreintragungen in nationalen und internationalen Registern mit dem Bestandteil "Genuss" in den Klassen 29, 30 und 32 sowie auf wiederholt in ähnlich gelagerten Fällen ergangene gerichtliche Entscheidungen hinzuweisen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 vom 3. September 2007 und vom 3. Juli 2008 im Umfang der Versagung aufzuheben und der Anmeldemarke die Eintragung in vollem Umfang zu gewähren.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Die angegriffenen Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts sind frei von Rechtsfehlern. Zutreffend wurde darin festgestellt, die angemeldete Marke "FRUCHTGENUSS" entbehre für die angemeldeten Waren im Umfang der zurückweisenden Entscheidungen jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die hiergegen von der Anmelderin erhobenen Einwände verhelfen ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg.
Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung weist eine Marke dann auf, wenn sie geeignet ist, die Waren und/oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2006, 850, 854 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; GRUR 2003, 1050 -Cityservice). Einer Kennzeichnung fehlt die Unterscheidungskraft, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, wie etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2004, 778, 779 -URLAUB DIREKT; BGH a.a.O.-Cityservice, S. 1051; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (BGH GRUR 2002, 1070, 1071 -Bar jeder Vernunft; GRUR 2000, 321, 322 -Radio von hier). So liegt der Fall hier.
Die Begriffe "Frucht" und "Genuss" sind aus sich heraus ohne weiteres verständlich beschreibender Natur. "Frucht" versteht der Verkehr im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln als ein Produkt, das ganz oder teilweise aus Früchten besteht bzw. einen Fruchtgeschmack aufweist. "Genuss" steht für Freude und eine "angenehme Empfindung" (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. 2006, Bd. 10), die jemandz.
B. bei der Einnahme von Nahrungsmitteln verspürt; in Kombination mit "Frucht" kann sich der "Genuss" auch aus dem in subjektiver Hinsicht angenehmen Empfinden bei der Aufnahme gesundheitsfördernder Lebensmittel ergeben. Dass die Wortkombination "FRUCHTGENUSS" lexikalisch nicht nachweisbar ist, vermag nicht deren Eintragungsfähigkeit zu begründen, da das Zeichen "FRUCHTGENUSS" aus einer bloßen Aneinanderreihung nicht unterscheidungskräftiger Bestandteile ohne syntaktische oder semantische Besonderheiten besteht (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 682 -BIOMILD; BGH a.a.O.-marktfrisch, S.
1152). Das Warenverzeichnis der Anmelderin weist im Umfang seiner Zurückweisung durch seine Beschränkung auf -typischerweise einen Fruchtanteil enthaltende (z. B. Obst, Fruchtmus, Fruchtgummi, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte) bzw. süße im Sinne von genussvolle (z. B. Gallerten, Konfitüren, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen, Schokoladewaren, Zuckerwaren) -Lebensmittel durchgehend einen engen deskriptiven Bezug im Sinne eines Sachhinweises auf die Beschaffenheit der gekennzeichneten Ware bzw. deren Zusammensetzung hin. Hinzu kommt, dass -wie die von der Markenstelle vorgelegten Nachweise und Bezeichnungen wie "Schneekoppe -Bunter Frucht Genuss" (vgl. www.schneekoppe.de/produkte/produkt_detail.php€id=130), "Dr. Oetker Sommerfrischer Fruchtgenuss" (vgl. www.yopi.de/prd_2961483), "Edeka -Frucht Genuss" (vgl. unter www.edeka.de) und "Granini Fruchtgenuss" (vgl. unter www.dooyoo.de ) belegen -"FRUCHTGENUSS" in vielfacher Weise als Slogan in Werbeschriften zur Beschreibung fruchthaltiger und beim Verzehr als wohlschmeckend empfundener Produkte aus dem Lebensmittelbereich eingesetzt wird. Zwar trifft es zu, dass an die Unterscheidungskraft von Werbeaussagen grundsätzlich keine höhere Anforderungen zu stellen sind als an sonstige Kennzeichnungen (vgl. EuGH a. a. O. -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT, S.
1030; BGH a. a. O. -Radio von hier, S. 322). Dies ändert allerdings im hiesigen Fall nichts daran, dass die Bezeichnung "FRUCHTGENUSS" unabhängig von ihrem Charakter als werbliche Anpreisung von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die Herkunft einer solchermaßengekennzeichneten Ware aus einem bestimmten Unternehmen verstanden wird, sondern aufgrund ihres im Vordergrund stehenden Begriffsinhaltes als schutzunfähige Sachangabe.
Schließlich ergibt sich die Eintragungsfähigkeit der Marke für die angemeldeten Waren auch nicht aus der Kombination der für sich genommen schutzunfähigen Bestandteile "Frucht"" und "Genuss", da der durch die Kombination bewirkte Gesamteindruck nicht über die Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgeht, sondern sich in deren bloßer Summenwirkung erschöpft (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 -Postkantoor; EuGH a. a. O. -BIOMILD, S. 681; GRUR Int. 2005, 1012, 1014 -BioID), damit der mit der Verbindung der Einzelbestandteile entstandenen Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftsbezeichnung fehlt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 8 Rn. 92 m. w. N.).
Ohne Erfolg beruft sich die Anmelderin demgegenüber darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ein großzügiger Maßstab anzulegen sei und jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2004, 502, 504 -Gabelstapler II; BGH GRUR 2002, 816, 817 -Bonus II; BGH GRUR 2001, 56, 57 -Likörflasche; BGH GRUR 2000, 502, 503 -St. Pauli Girl; Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rn. 75). Hierbei ist allerdings auch das Allgemeininteresse, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren, angemessen zu berücksichtigen (vgl. EuGH a.a.O.-Postkantoor, S. 677; EuGH GRUR 2003, 604, 607/608 -Libertel; EuGH GRUR 1999, 723, 725 f. -Chiemsee; Hacker GRUR 2001, 630, 632). Insoweit darf der für die Feststellung der Unterscheidungskraft entscheidende Maßstab nicht zu weit abgesenkt werden (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rn. 76;
s.
auch EuGH a. a. O. -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT, S. 1030). Dies gilt auch für Wortneuschöpfungen (vgl. die Nachweise bei Ströbele/Hacker, a.
a. O., § 8 Rn. 94, 95). Die Markenstelle hat diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze hinreichend gewürdigt. Überspannte Anforderungen an die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke lassen die angegriffenen Beschlüsse nicht erkennen.
Die von der Anmelderin zur Beschwerdebegründung herangezogenen Gerichtsentscheidungen (EuG GRUR Int. 2001, 756 -EASYBANK; EuG GRUR Int. 2002, 592 -EUROCOOL; BPatG Mitt. 1997, 197 -Treppenmeister) sind dem hier zu entscheidenden Fall nicht in einer Weise gleichgelagert, dass hiermit sich eine zurückweisende Beschwerdeentscheidung in Widerspruch setzen würde.
Der Hinweis der Markeninhaberin auf die Eintragungspraxis der Registerbehörden in Richtung auf Voreintragungen mit dem Zeichenbestandteil "Genuss" verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Zum einen gilt es zu berücksichtigen, dass das Deutsche Patentund Markenamt in der Vergangenheit für Waren der Klasse 30 angemeldete Marken mit dem Zeichenbestandteil "Genuss" nicht nur eingetragen, sondern in beachtlichem Umfang auch zurückgewiesen hat (vgl. anliegenden Auszug aus DPINFO). Von einer einheitlichen Eintragungspraxis kann daher nicht ausgegangen werden. Zum anderen hat die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke anhand der harmonisierten Normen des Markenrechts ohne Ermessensoder Beurteilungsspielraum zu erfolgen. Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG kann daher im markenrechtlichen Verfahren im Hinblick auf vorhergehende Eintragungen oder Zurückweisungen kein Anspruch auf Eintragung oder auf Löschung abgeleitet werden (st. Rspr., vgl. EuGH, Beschluss vom 12. Februar 2009 -C-39/08 und C-43/08 Tz. 19 -Schwabenpost; EuGH a. a. O. -BioID, S. 1015; EuGH MarkenR 2006, 19, 22 -Standbeutel; BGH GRUR 2006, 333, 337 f. -Marlene Dietrich; BPatG GRUR 2007, 333, 335 -Papaya). Die erforderliche Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ändert nichts daran, dass es sich um gebundene Entscheidungen handelt, für die Voreintragungen unverbindlich sind (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 25/26, 30).
Die Frage, ob ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, kann angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.
Dr. Fuchs-Wissemann Reker Lehner Bb
BPatG:
Beschluss v. 22.04.2009
Az: 26 W (pat) 72/08
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