Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 8. Februar 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 91/08
(BGH: Beschluss v. 08.02.2010, Az.: AnwZ (B) 91/08)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist seit 1982 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 22. August 2007 widerrief die Antragsgegnerin ihre Zulassung wegen Vermögensverfalls. Durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 16. Juli 2007 wurde die Antragstellerin wegen Untreue durch Nichtabführung von Mandantengeldern in zwei Fällen unter Strafvorbehalt verwarnt. Diese Verurteilung nahm die Antragsgegnerin zum Anlass, ihren Widerrufsbescheid durch Bescheid vom 26. September 2007 für sofort vollziehbar zu erklären. Die Antragstellerin hat, soweit noch von Interesse, gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Es ist allerdings nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO a.F. statthaft und auch sonst zulässig. Es ist insbesondere in der nach § 215 Abs. 3 BRAO maßgeblichen Frist des § 42 Abs. 4 BRAO a.F. eingelegt worden. Nach der Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufs durfte die Antragstellerin ihre Kanzlei schon im Zustellungszeitraum nicht mehr betreiben. Deshalb kam nicht mehr eine Zustellung in ihren früheren Geschäftsräumen, sondern nur eine Zustellung in ihre Wohnung in Betracht. Davon ausgehend war die Beschwerde rechtzeitig.
2. Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet, weil der Widerruf rechtmäßig war und der Grund für den Widerruf zwischenzeitlich auch nicht entfallen ist.
a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO geführte Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.
b) Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin mit drei Haftbefehlen zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts B. eingetragen. Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Rechtsuchenden zu diesem Zeitpunkt nicht gefährdet waren, bestehen nicht. Die erwähnte Verurteilung der Antragstellerin durch das Amtsgericht B. vom 16. Juli 2007 und ein im Berufungsverfahren bestätigtes Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts K. vom 13. Juli 2006 belegen das Gegenteil. Aus dem zuletzt erwähnten Urteil ergibt sich, dass die Antragstellerin einem früheren Mandanten nach Kündigung des Mandatverhältnisses im Frühjahr 2005 von zu treuen Händen überlassenen Geldbeträgen von insgesamt 144.344,20 € auch einen Teilbetrag von 7.000 € vorenthalten hat, den sie nach ihrer eigenen Abrechnung zurückzuzahlen hatte.
c) Für einen nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (Senat, BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), ist nichts ersichtlich. Vielmehr gilt nach wie vor die Vermutung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Die Antragstellerin hat am 10. April 2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Sie ist deswegen sowie mit mindestens acht Haftbefehlen im Schuldnerverzeichnis eingetragen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie zwar die Erledigung eines erheblichen Teils ihrer Verbindlichkeiten nachgewiesen, zugleich aber eingeräumt, dass nach wie vor Verbindlichkeiten in namhaften Umfang (Größenordnung 50.000 € bis 90.000 €) offen sind. Sie hat nicht darlegen können, wann und mit welchen Mitteln sie diese Verbindlichkeiten wird zurückführen können. Damit hat sie den Nachweis einer Konsolidierung ihrer Vermögensverhältnisse nicht erbracht. Auch die Gefährdung der Rechtsuchenden besteht fort.
d) Die Anwendung von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO auf im Inland zugelassene und hier niedergelassene deutsche Rechtsanwälte steht auch nicht im Widerspruch zu der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABL. EU Nr. L 376 S. 36). Diese Richtlinie betrifft nämlich nicht die innerstaatlichen Zulassungsvoraussetzungen für solche Rechtsanwälte (Senat, Beschl. v. 15. Juni 2009, AnwZ (B) 62/08, juris).
Tolksdorf Schmidt-Räntsch Roggenbuck Wüllrich Braeuer Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 14.12.2007 - 1 ZU 83/07 -
BGH:
Beschluss v. 08.02.2010
Az: AnwZ (B) 91/08
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