Bundesgerichtshof:
Urteil vom 3. Februar 2015
Aktenzeichen: X ZR 114/12
(BGH: Urteil v. 03.02.2015, Az.: X ZR 114/12)
Tenor
Die Berufung gegen das am 12. Juni 2012 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 196 46 562 (Streitpatents), das am 12. November 1996 angemeldet wurde. Es umfasst sieben Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
"Tragbares oder rollbares Feuerlöschgerät, bestehend aus einem druckfesten geschlossenen Wasserbehälter (1) und einer daran außen anschließbaren Druckgasflasche (3) und einer mittels eines formfesten Schlauchs (4) mit dem Wasserbehälter (1) verbundenen Spritzdüse (5) zur Erzeugung eines fein zerstäubten Wasserstrahls, dadurch gekennzeichnet, dass der Wasserbehälter (1) eine mittels eines Verschlussdeckels (2) verschließbare gesonderte Wassereinfüllöffnung aufweist und dass zum Anschluss der Druckgasflasche (3) an den Wasserbehälter (1) eine Schnellkupplung vorgesehen ist."
Der Kläger hat geltend gemacht, die Gegenstände der Ansprüche des Streitpatents gingen über den Inhalt der Anmeldung hinaus und seien nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
I. Das Streitpatent betrifft ein tragbares oder rollbares Feuerlöschgerät.
1. Wie es das Streitpatent beschreibt, war die Verwendung eines fein zerstäubten Wasserstrahls mit seinen vorteilhaften Eigenschaften durch den geringen Wasserverbrauch, die Vermeidung von extensiven Wasserschäden und die intensivere Kühlwirkung auch für Löschgeräte bekannt, die aus einem geschlossenen Wasserbehälter und einer daran angeschlossenen Druckgasflasche bestehen. Solche Löschgeräte konnten im Einsatz jedoch nur einmal verwendet und erst in einer Servicewerkstatt wieder aufgefüllt werden.
2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das Problem, ein tragbares oder rollbares Löschgerät am Einsatzort mehrmals verwenden zu können.
3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 ein Feuerlöschgerät mit folgenden Merkmalen vor (in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts):
1. Es ist tragbar oder rollbar und besteht aus [M0]
2. einem druckfesten geschlossenen Wasserbehälter (1) [M1, M4], 2.1 der eine mittels eines Verschlussdeckels (2) verschließbare gesonderte Wassereinfüllöffnung aufweist [M5, M4], 3. einer Druckgasflasche (3) [M2], die 3.1 mittels einer Schnellkupplung [M6]
3.2 außen an den Wasserbehälter (1) angeschlossen wird [M2], 4. sowie einer Spritzdüse (5) [M3], die 4.1. mittels eines formfesten Schlauchs (4) mit dem Wasserbehälter verbunden [M3.1] und 4.2 zur Erzeugung eines fein zerstäubten Wasserstrahls geeignet ist [M3.2].
4. Zwei Merkmale bedürfen näherer Erläuterung:
a) In Bezug auf die gesonderte Wassereinfüllöffnung gemäß Merkmal 2.1 umfasst der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch solche Feuerlöschgeräte, bei denen zwar ein zum Einfüllen von Wasser geeigneter Zugang gesondert am Wasserbehälter angeordnet ist und ohne das Ausschrauben von Armaturen geöffnet werden kann, für das Öffnen aber dennoch ein Werkzeug erforderlich ist. Sowohl Patentanspruch 1 als auch die Beschreibung enthalten sich einer Angabe, ob der Deckel mit Hilfe eines Werkzeugs oder ohne ein solches zu öffnen ist. Die mit der gesonderten Öffnung verbundene Schnelligkeit der Wiederbefüllung mit Wasser während eines Löscheinsatzes erklärt das Streitpatent allein mit dem Umstand, dass es hierfür nicht notwendig ist, die Armatur vom Wasserbehälter abzunehmen (Streitpatent, Sp. 2 Z. 16 bis 22).
b) Zur Auslegung des Merkmals 3.1 hat das Patentgericht ausgeführt, dem Streitpatent fehle jeglicher Hinweis, was der Fachmann unter einer "üblichen Schnellkupplung" verstehe. Der Fachmann werde deshalb darunter eine solche verstehen, die vor Ort im Löscheinsatz unter geringem Zeitaufwand gelöst werden könne. Hierfür spiele es keine Rolle, ob dies per Hand oder mit Hilfe eines Werkzeugs geschehe.
Ob dies zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Zugunsten der Beklagten unterstellt der Senat für die Prüfung im Berufungsverfahren, dass eine Schnellkupplung im Sinne von Merkmal 3.1 verlangt, dass die Druckgasflasche ohne ein Werkzeug vom Wasserbehälter gelöst und mit diesem wieder verbunden werden kann.
II. Das Patentgericht hat die Patentfähigkeit des Gegenstands der Erfindung mit folgender Begründung verneint:
Aus der deutschen Offenlegungsschrift 44 43 111 (K16) sei dem Fachmann, bei dem es sich um einen Techniker oder Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit beruflicher Erfahrung in der Entwicklung von Feuerlöschgeräten handele, ein roll- oder tragbares Feuerlöschgerät bekannt gewesen (Merkmal 1), das einen druckfesten Wasserbehälter (Merkmal 2), eine daran außen anschließbare Druckgasflasche (Merkmale 3 und 3.2) sowie eine mittels eines formfesten Schlauchs mit dem Wasserbehälter verbundene Spritzdüse (Merkmale 4 und 4.1) zur Erzeugung eines fein zerstäubten Wasserstrahls (Merkmal 4.2) aufweise. Entsprechend der nebenstehenden Figur 1 aus der K16 werde die Druckgasflasche (14) mittels eines Kupplungsstücks (29) über den Druckgasanschluss (25) mit dem Wasserbehälter (13) verbunden. Die K16 bezeichne dies als einen lösbaren Anschluss, wodurch eine einzige Druckgasflasche nacheinander an mehrere Vorratsbehälter angeschlossen werden könne. Weil dies vor Ort im Löscheinsatz geschehe, sei eine schnell und einfach zu lösende Verbindung erforderlich. Demnach müsse es sich zwangsläufig um eine übliche Schnellkupplung im Sinne des Merkmals 3.1 handeln.
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
Weiterhin sei dem Fachmann aus der US-amerikanischen Patentschrift 2 580 448 (Anl. K8) ein tragbares Feuerlöschgerät bekannt gewesen, das über einen Behälter verfüge, an den mittels einer Kupplung eine Druckgasflasche auswechselbar angeschlossen sei. In dem Behälter befinde sich das Löschmittel, das eine Flüssigkeit, mithin auch Wasser, sein könne. Wie in der nebenstehenden Figur 2 gezeigt, weise der Löschmittelbehälter (10) eine gesonderte Einfüllöffnung (21) mit einer Gewindebüchse (24) auf, in die ein Verschlussdeckel (25) eingeschraubt werden könne, um die Einfüllöffnung entsprechend dem Merkmal 2.1 zu verschließen.
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
Im Hinblick auf das aus der K16 bekannte Löschgerät sei dem Fachmann der Nachteil offensichtlich gewesen, dass für ein Wiederbefüllen die gesamte Armatur abgeschraubt werden müsse. Dies sei zu aufwändig, weshalb für ein mehrfaches Verwenden des Löschgeräts am Einsatzort mehrere Vorratsbehälter mittransportiert werden müssten, was jedoch ebenfalls zu aufwändig sei. Im Übrigen lasse sich der tatsächliche Bedarf nur schwer abschätzen. Angesichts dieser Nachteile habe es für den Fachmann auf der Hand gelegen, bei einem der K16 entsprechenden Feuerlöschgerät den Vorratsbehälter mit einer gesonderten Einfüllöffnung nach dem Vorbild der K8 und einem verschließbaren Verschlussdeckel auszustatten. Damit sei der Fachmann auf naheliegende Weise zu einem Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 gelangt.
III. Dies hält den Angriffen der Berufung stand.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist vom Patentgericht zu Recht als nicht patentfähig angesehen worden, weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
a) Die Berufung hat die Annahme des Patentgerichts, die K16 offenbare bis auf das Merkmal einer mittels Verschlussdeckel verschließbaren gesonderten Wassereinfüllöffnung (Merkmal 2.1) sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1, nur hinsichtlich der Offenbarung einer gemäß Merkmal 3.1 die Verbindung zwischen Druckgasflasche und Wasserbehälter herstellenden Schnellkupplung angegriffen.
Insoweit unterstellt der Senat, dass der - vom Patentgericht zutreffend definierte - Fachmann der K16 keine Schnellkupplung entnimmt, insbesondere keine solche, die das Ab- und Ankuppeln der Druckgasflasche ohne zusätzliches Werkzeug ermöglicht.
b) Die K8 zeigt ein tragbares Feuerlöschgerät mit einem u.a. zur Aufnahme einer Löschflüssigkeit und damit auch von Wasser geeigneten Behälter, der über eine gesonderte Einfüllöffnung mit einem Verschlussdeckel verfügt, wie sie Merkmal 2.1 vorsieht.
Dass der Verschlussdeckel in Figur 2 der K8 als ein üblicher Sechskantdeckel gezeigt wird, ändert daran nichts. Der Behälter kann mittels dieses Deckels geöffnet werden, ohne die Armaturen aus dem Behälter herausschrauben zu müssen. Die Notwendigkeit, hierfür einen Gabelschlüssel zum Aufdrehen des Sechskantdeckels verwenden zu müssen, steht wie ausgeführt zu Merkmal 2.1 nicht in Widerspruch.
c) Der Fachmann hatte Anlass, das in der K16 beschriebene Feuerlöschgerät mit einer gesonderten Wassereinfüllöffnung, wie sie in K8 gezeigt wird, auszustatten und für die Verbindung zwischen Druckgasflasche und Wasserbehälter eine übliche Schnellkupplung vorzusehen.
aa) Die K16 weist den Fachmann ausdrücklich darauf hin, dass sich die Einsatzmöglichkeiten eines Feuerlöschgeräts, das Wasser als Tröpfchennebel versprüht, erweitern lassen, wenn das Gerät mobil und tragbar sowie die Druckgasquelle lösbar mit dem Vorratsbehälter verbunden ist (K16, Sp. 2 Z. 54 bis 55, Sp. 2 Z. 67 bis Sp. 3 Z. 2). Mit der lösbaren Verbindung lässt sich nach der Beschreibung eine "optimale Paarung" von Druckgasquelle und Vorratsbehälter erreichen (Sp. 3 Z. 2 bis 5). Beispielsweise könne eine einzige Druckgasquelle nacheinander an mehrere Vorratsbehälter angeschlossen werden, um deren Wasservorrat zu versprühen (Sp. 3 Z. 5 bis 8). Ferner könnten Druckgasquellen mit unterschiedlich hohem Druck oder unterschiedlichem Druckgas verwendet werden (Sp. 3 Z. 8 bis 11). Die K16 hebt weiter für eine bestimmte Ausführungsform hervor, dass die Löschvorrichtung aufgrund der getrennten Ausführung von Druckgaspatrone und Vorratsbehälter besonders leicht und einfach zu handhaben sei und deren jeweils eigenständige Bauelemente leicht ausgewechselt und bausatzartig miteinander kombiniert werden könnten (Sp. 3 Z. 27 bis 34).
Damit spricht die K16 den Vorteil an, welchen dem Nutzer eine flexibel nutzbare Vorrichtung bietet, mit der er unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Einsatzfälle durch unterschiedliche Kombinationen von Wasservorratsbehälter und Druckgasbehälter Rechnung tragen kann. Die Annahme des Patentgerichts, dies habe dem Fachmann Veranlassung gegeben, die aufgezeigten Kombinationsmöglichkeiten auf ihre praktische Tauglichkeit zu überprüfen und gegebenenfalls auch Alternativen in Erwägung zu ziehen, ist nicht zu beanstanden. Die Erwägung der Berufung, der aufeinander folgende Anschluss einer einzigen Druckgasquelle an mehrere Vorratsbehälter sei praxisfremd, rechtfertigt es nicht, die von der K16 dem Fachmann aufgezeigten vielfältigen Möglichkeiten der Kombination von Druckgasflasche und Wasservorratsbehälter im Sinne einer "optimalen Paarung" als aus fachlicher Sicht untauglich insgesamt zu verwerfen.
Denn die K16 stellte dem Fachmann ein tragbares Feuerlöschgerät als Kombination zweier Hauptelemente vor Augen, die sich nicht nur bei der Herstellung "bausatzartig" (Sp. 3 Z. 32), sondern auch im Einsatzfall ad hoc verbinden lassen und bis zu dieser Verbindung unabhängig voneinander sind. Die Schrift erläutert, dass es das Versprühen des Wassers als Nebel erlaubt, den Wasservorrat gering zu halten (Sp. 2 Z. 48 bis 51); gerade hierdurch wird ein tragbares und dennoch effektives Löschgerät möglich. Für den Fachmann war erkennbar, dass es unter diesem Gesichtspunkt durchaus sinnvoll sein kann, den Druckgasvorrat nicht nach der Wassermenge zu bestimmen, die in einem Behälter enthalten ist, den der Nutzer des Geräts noch tragen kann, sondern sie so zu bemessen, dass sie für eine Mehrzahl gefüllter Wasservorratsbehälter ausreicht, wie in der Beschreibung mit der Möglichkeit des Anschlusses an mehrere Behälter angesprochen.
Dies musste den Fachmann dazu anregen, nach einer einfachen Möglichkeit der Wiederbefüllung eines Wasserbehälters zu suchen, dessen Wasservorrat versprüht ist. Wenn der Wasserbehälter unabhängig vom Druckgasbehälter ist und erst ad hoc mit diesem verbunden wird, drängt es sich auf, als Alternative zum aufeinanderfolgenden Anschluss an mehrere Wasserbehälter ein und denselben Behälter neu zu befüllen, insbesondere wenn eine Mehrzahl von Wasserbehältern nicht zur Verfügung steht, da anders als bei der Verwendung eines Löschschaums oder dergleichen an die Befüllung eines Wasserbehälters keine besonderen Anforderungen zu stellen sind und ein Wasseranschluss im Einsatzfall häufig zur Verfügung steht. Zudem zeigt die K16 mit der bausatzartigen Zusammenfügung des Vorratsbehälters und der Druckgasflasche eine Flexibilität in der Handhabung des Feuerlöschgeräts durch den Nutzer, indem dieser diesen Vorgang selbst bewirken kann. Für den Fachmann enthielt dies die Anregung, dem Nutzer eine solche Handhabung nicht nur für den regelmäßig erforderlichen Austausch der Druckgasflasche sondern genauso für den ebenso regelmäßig auftretenden Bedarf einer Wiederbefüllung des Vorratsbehälters deren Vornahme durch den Nutzer selbst bewirken zu lassen, sofern dies ebenso mit einfachen Mitteln realisiert werden konnte.
Hierfür bot sich eine gesonderte Einfüllöffnung als Mittel der Wahl an, wie sie in K8 beschrieben wurde. Sie erlaubt eine einfache Wiederbefüllung ohne Entfernung der Armaturen, so dass sie der Nutzer selbst vornehmen kann. Eine solche Weiterentwicklung war somit naheliegend und beruhte nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
bb) Aufgrund der Anregung aus der K16, ein Feuerlöschgerät so zu gestalten, dass Druckgasflasche und Vorratsbehälter leicht ausgewechselt werden können und dies vom Nutzer besonders leicht und einfach gehandhabt werden kann, war vom Fachmann weiterhin zu erwarten, die Kupplung zwischen Druckgasflasche und Vorratsbehälter entsprechend diesen Anforderungen auszugestalten. Aus den im Stand der Technik zur Verfügung stehenden Kupplungen boten sich hierfür damals verfügbare übliche Schnellkupplungen an, weil eine Betätigung ohne zusätzliches Werkzeug die im Einsatzfall erforderliche schnelle und zugleich zuverlässige Verbindung zwischen Druckgasflasche und Vorratsbehälter erkennbar begünstigte.
Auch eine solche Weiterentwicklung, die zusammen mit dem Vorsehen einer gesonderten Wassereinfüllöffnung (Merkmal 2.1) zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führt, war demnach für den Fachmann naheliegend und beruhte nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
2. Anhaltspunkte dafür, dass eine Einbeziehung von Merkmalen der Unteransprüche einen patentfähigen Gegenstand ergeben könnte, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
IV. Die Kostenfolge beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Richter Dr. Grabinski ist erkrankt Bacher und kann deshalb nicht unterschreiben.
Meier-Beck Hoffmann Kober-Dehm Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.06.2012 - 4 Ni 9/10 -
BGH:
Urteil v. 03.02.2015
Az: X ZR 114/12
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