Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 168/99

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2000, Az.: 28 W (pat) 168/99)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 10 - vom 16. August 1999 aufgehoben.

2. Die Marke wird hinsichtlich der Waren "orthopädische Heilhilfsmittel und Hilfsmittel, insbesondere Bandagen, medizinische Strümpfe und Strumpfhosen sowie Orthesen; medizinische Bandagen" gelöscht.

Gründe I.

Gegen die am 8. August 1995 für

"pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; Pflaster und andere Wundabdeckungen; Verbandmaterial; Desinfektionsmittel für gesundheitliche Zwecke; chemische Erzeugnisse für die medizinische Wissenschaft, Diagnostikmittel für medizinische Zwecke, Röntgenkontrastmittel; Desodorierungsmittel (außer für den persönlichen Gebrauch); Windeln für Kranke; Hilfsmittel für Inkontinenzkranke (soweit in Klasse 5 enthalten); Röntgengeräte und -apparate für medizinische Zwecke; chirurgische, ärztliche und zahnärztliche Instrumente und Apparate; orthopädische Heilhilfsmittel und Hilfsmittel, insbesondere Bandagen, medizinische Strümpfe und Strumpfhosen sowie Orthesen; Krankenunterlagen; Blutdruckmeßgeräte; medizinische Geräte, Kissen und Bandagen sowie Hilfsmittel für die Kältetherapie; elektrische Heizkissen für medizinische Zwecke sowie Heizdecken; medizinische Geräte für die Krankengymnastik"

eingetragene und am 15. Dezember 1995 veröffentlichte Wort-Bild-Markesiehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der seit 12. Juli 1972 unter der Nummer 895 314 für

"Binden und Bänder zu gesundheitlichen Zwecken, nämlich Leib- und Nierenwärmer, Kniewärmer, Schulterwärmer, Gelenkwärmer, Pulswärmer, Web- und Wirkstoffe, Rheumadecken, Leibwäsche, Bekleidungsstücke"

eingetragenen Wort-Bild-Markesiehe Abb. 2 am Endebetreffend die Waren:

"orthopädische Heilhilfsmittel und Hilfsmittel, insbesondere Bandagen, medizinische Strümpfe und Strumpfhosen sowie Orthesen; medizinische Bandagen".

Nach Bestreiten der Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung, sowie Benutzungsunterlagen für den Zeitraum von 1990 bis 1995 vorgelegt.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluß vom 16. August 1999 zurückgewiesen. Sie hat zur Begründung ausgeführt, daß bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und entfernter Warenähnlichkeit der Abstand der Marken auch bei einem breiten Publikum ausreiche, da diese in allein verwechslungsrelevanter klanglicher Hinsicht einen ausreichenden Abstand einhielten. Es liege ein unterschiedlicher Sprechrhythmus vor und als Endsilbe der angegriffenen Marke sei das englische Wort "man" erkennbar.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Marke hinsichtlich der Waren "orthopädische Heilhilfsmittel und Hilfsmittel, insbesondere Bandagen, medizinische Strümpfe und Strumpfhosen sowie Orthesen; medizinische Bandagen" zu löschen.

Sie legt eine die Jahre 1996 bis 1998 betreffende weitere eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers im Bereich Marketing sowie weitere Benutzungsunterlagen für die Jahre 1999 bis 2000 vor. Darüber hinaus trägt sie vor, daß "Binden und Bänder zu gesundheitlichen Zwecken, nämlich Leib- und Nierenwärmer, Kniewärmer, Schulterwärmer, Gelenkwärmer, Pulswärmer" hochgradig ähnlich mit orthopädischen Heilhilfsmitteln und Hilfsmitteln, insbesondere Bandagen, medizinischen Strümpfen und Strumpfhosen sowie Orthesen; medizinische Bandagen für die Kältetherapie seien. Es lägen jeweils orthopädische Artikel vor, die auch als Bekleidungsstücke oder in der Abs. von Bekleidungsstücken verwendet werden. Die Marken seien nahezu identisch. Die angegriffene Marke habe lediglich einen zusätzlichen Buchstaben, nämlich das klangschwache "n" am Wortende. Klangliche Ähnlichkeit spiele auch eine wichtige Rolle, da die Marken mündlich durch Film und Fernsehen verbreitet werden. Insgesamt könnten Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, daß keine Warenähnlichkeit vorliege. Die Marken seien auch ausreichend unterscheidbar. "Medi" sei auf dem Gebiet der Klasse 10 verbraucht. Da "medi" auch eine Marke der Markeninhaberin sei, trete "man" als Bestimmungsangabe einer "Serie für Männer" in den Vordergrund. Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Es fehle ein zeitlicher Bezug zwischen eidesstattlicher Versicherung und den Verpackungsbeispielen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach §§ 9 Abs. 1 Abs. 2, 42 Abs. 2 Abs. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH WRP 1998, 39, 41 -Sabèl/Puma).

Hinsichtlich der Einrede der Nichtbenutzung hält der Senat die Benutzung der Widerspruchsmarke durch Vorlage der eidesstattlichen Erklärungen vom 13. Mai 1998 und vom 21. Januar 2000 für "Leib- und Nierenwärmer, Kniewärmer, Schulterwärmer, Gelenkwärmer, Pulswärmer und Leibwäsche" sowohl für den Benutzungszeitraum des § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG (1990 bis 1995) als auch für den Zeitraum des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (1995 bis 2000) für ausreichend glaubhaft gemacht (vgl. hierzu Ingerl/Rohnke, MarkenG § 43 Rdn 19, BGH BlPMZ 2000,188,189 - Contura). Insbesondere ist die tatsächlich verwendete "Medima"-Marke 895 314 wiedergegeben und in ihrer Verwendungsform auf Ware und Verpackung zweifelsfrei zu erkennen; es sind die gekennzeichneten Waren "Leib-/Nierenwärmer, Kniewärmer, Schulterwärmer, Ellbogenwärmer, Pulswärmer" und "Wäsche allg." nach ihrer Abs. genau benannt und Angaben über den Umfang der Benutzung in Form der jährlichen Umsatzzahlen in nicht unbeträchtlicher Höhe enthalten. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung enthalten weder Widersprüche, noch Unklarheiten. Es besteht daher kein Anlaß zu Zweifeln an ihr. Da für die Glaubhaftmachung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht, ist kein voller Beweis hinsichtlich aller einzelnen Ümstände zu erbringen; vielmehr genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, die auszuschließen es besonderer, substantiiert vorgetragener Umstände bedurft hätte (Althammer-Ströbele, 5 Aufl., § 43 Rdn 23,37). Solche wurden aber nicht vorgetragen. Die in der eidesstattlichen Versicherung abgegebene Erklärung zur Verwendung der Marke "Medima mit Hasenkopf" auf den Waren im Zusammenhang mit den Verpackungs- und Prospektbeispielen, auch wenn sie nicht mit dem Zeitraum der Umsatzzahlen der eidesstattlichen Versicherung vom 21. Januar 2000 übereinstimmen,aber noch innerhalb des gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG geforderten Zeitraums liegen, genügt dem Senat. Es entspricht nämlich der Lebenswirklichkeit, daß die Verpackungen und Preislisten, die kurz nach dem mit Umsatzzahlen belegten Benutzungszeitraum liegen, dieselbe Praxis der Verbindung von Marke und Ware zeigen, wie sie in der eidesstattlichen Versicherung bestätigt wurde.

Es stehen sich somit gegenüber die Waren der angegriffenen Marke "orthopädische Heilhilfsmittel und Hilfsmittel, insbesondere Bandagen, medizinische Strümpfe und Strumpfhosen sowie Orthesen; medizinische Bandagen" und die Waren der Widerspruchsmarke, nämlich "Binden und Bänder zu gesundheitlichen Zwecken, nämlich Leib- und Nierenwärmer, Kniewärmer, Schulterwärmer, Gelenkwärmer, Pulswärmer" und "Leibwäsche". Diese liegen im engeren Ähnlichkeitsbereich, da sie in denselben Herstellungsstätten, nämlich Textilfabriken, gefertigt werden, die gleiche Stoffbeschaffenheit aufweisen und sie sich auf denselben Vertriebswegen, nämlich im orthopädischen Fachhandel begegnen.

Angesichts dieser Voraussetzungen, sowie der hier angesprochenen breitesten Verkehrskreise ist unter Annahme durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein deutlicher Markenabstand zu fordern.

Als verwechslungsrelevant kommt vorrangig die Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit in Betracht, die nach den typischen Gepflogenheiten des orthopädischen Fachhandels eine wesentliche Rolle spielt, da das beratende Verkaufsgespräch im Vordergrund steht. Der erforderliche klangliche Abstand der Marken ist jedoch nicht eingehalten, denn es ist nicht davon auszugehen, daß der Markenbestandteil "-man" der angegriffenen Marke auch tatsächlich überwiegend englisch ausgesprochen wird. Englisch ist auf diesem speziellen Warengebiet nicht die überwiegende Werbesprache und die angesprochenen Verkehrskreise sind zum erheblichen Teil ältere Menschen, die erfahrungsgemäß über weniger umfangreiche Englischkenntnisse verfügen. Im übrigen ist eine englische Aussprache auch nicht durch die ersten beiden Silben "medi", die eine häufig verwendete und bekannte Abkürzung für medizinisch ist, nahegelegt. Deshalb ist davon auszugehen, daß bedeutende Teile des Verkehrs die angegriffene Marke so benennen werden, wie sie geschrieben wird. Unter diesen Voraussetzungen besteht der einzige verbleibende Unterschied im Endbuchstaben "n", der klangschwach ist. Da grundsätzlich das Wortende weniger Beachtung im Gesamteindruck der Marken findet, ist bei dieser fehlenden Dominanz des Unterschieds eine Gefahr von Verwechslungen der beiden Kennzeichen nicht mehr auszuschließen. Die Beschwerde der Widersprechenden hatte deshalb Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 Abs. 1 MarkenG; der Senat sieht keinen Grund aus Billigkeitsgründen einer der Beteiligten Kosten aufzuerlegen.

Grabrucker Martens Sekretaruk He Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)168-99.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)168-99.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2000
Az: 28 W (pat) 168/99


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