Saarländisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 6. Mai 2008
Aktenzeichen: 4 U 484/07 - 165
(Saarländisches OLG: Urteil v. 06.05.2008, Az.: 4 U 484/07 - 165)
a. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit § 64 Abs. 1 GmbHG) richtet sich nach § 852 BGB a.F.; nunmehr nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.
b. Zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das am 13. August 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - AZ. 3 O 106/06 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zu 1) zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.859,79 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin von dem Beklagten zu 1) des ersten Rechtszugs und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter zu 1)) sowie von dem nicht am Berufungsverfahren beteiligten Beklagten zu 2) Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung geltend. Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit Installationsbedarf für Gas, Wasser und Heizung. Der Beklagte zu 1) war Geschäftsführer der G. GmbH, S., deren Gegenstand der Rohrleitungsbau, die Installation von Heizungs- und Sanitäranlagen sowie der Handel mit Heizungs- und Sanitäranlagen war.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 26.02.2001 wurde der Beklagte zu 1) mit Wirkung zum 28.02.2001 als Geschäftsführer abberufen und der Beklagte zu 2) zum neuen Geschäftsführer bestellt. Die Niederschrift über die Gesellschafterversammlung wurde von Herrn Dr. R. bei dem Handelsregister S. zur Eintragung eingereicht. Im Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer lag die Bilanz für das Jahr 2000 noch nicht vor. Der Beklagte zu 2) war bereits vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer für die buchhalterischen Arbeiten bei der GmbH allein zuständig, trat nach außen als für die Geschicke der GmbH Verantwortlicher auf und empfing auch den Geschäftsführer der Klägerin in der mehr als 5 Jahre andauernden Geschäftsbeziehung einmal jährlich zur Jahresumsatzplanung. Während der Beklagte zu 1) das Tagesgeschäft betreute, war der Beklagte zu 2) für die Absprache von Zahlungsmodalitäten und Preisverhandlungen zuständig.
Aufgrund eines Eigenantrages vom 30.03.2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G.-GmbH durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 01.05.2001 eröffnet. Der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt B., erstellte am 25.06.2001 ein Gutachten und einen Grundlagenbericht (Sonderband zur Beiakte 59 IN 85/01). Am 16.08.2001, 29.11.2001, 18.04.2002 und 18.09.2002 wurden Prüftermine abgehalten. Am 28.08.2003 erstellte der Insolvenzverwalter den Schlussbericht (Beiakte 59 IN 85/01 165ff., 170 ff.) Der Bericht über die angezeigte Masseunzulänglichkeit wurde den Gläubigern am 08.07.2004 zugestellt (Beiakte 221). Das Insolvenzverfahren wurde am 11.8.2005 aufgehoben, ohne dass ein Erlös auf Insolvenzgläubiger entfallen war.
Die G.-GmbH bestellte bei der Klägerin zwischen Januar und April 2001 Waren, die ihr geliefert und in Rechnung gestellt und in einer Gesamthöhe von 34.027,79 EUR zur Insolvenztabelle festgestellt wurden (Anlagenband, Anlage K 1). Auf Bestellungen ab dem 01.03.2001 entfiel hierbei ein Betrag von 4.170,20 EUR (vgl. laufende Nummern 52-54, 57-60).
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, bereits seit Mitte 2000 sei das Vermögen der GmbH zur Deckung der bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr ausreichend gewesen. Die betriebswirtschaftliche Auswertung für Juni 2000 habe ein Soll von 87.293,45 DM, diejenige für September 2000 ein solches von 112.229,73 DM und diejenige für Dezember 2000 ein solches von 144.635,05 DM ergeben. Eine rechnerische Überschuldung habe im September 2000 in Höhe von 54.662,50 DM bestanden. Dies folge aus einer Gegenüberstellung der ermittelten Aktiva in Höhe von 86.807,49 DM zu den bestehenden Passiva in Höhe von 141.470,00 DM. Auch zum 31.12.2000 habe rechnerische Überschuldung vorgelegen, und zwar in Höhe von 115.273,00 DM, da den ermittelten Aktiva von 82.047,00 DM Passiva von 197.320,66 DM gegenübergestanden hätten. Die GmbH habe weder über stille Reserven noch über Grundstücke oder verwertbare grundstücksgleiche Rechte verfügt. Die GmbH sei im Zeitraum der Warenbestellungen (ab dem 16.11.2000) auch zahlungsunfähig gewesen, da sie die in der Insolvenztabelle unter den laufenden Nummern 2, 5 und 6 festgestellten Forderungen der Firmen W. S. GmbH (Rechnung vom 30.11.2000 über 44.078,03 DM), W. A. GmbH (Rechnung vom 19.5.2000 über 1.200,33 DM) und S. GmbH (Rechnung vom 16.10.2000 über 365,40 DM) nicht beglichen habe. Beide Beklagte hätten die Situation der GmbH als insolvenzreif erkennen müssen. Eine ernsthafte Krise hätte sich beiden Beklagten aufdrängen müssen, als sich im Jahr 2000 abzeichnete, dass das im Mai 2000 geplante Großprojekt der Errichtung von 160 Ferienhäusern am L. sich nicht würde umsetzen lassen. Die Vorlage eines gefüllten Auftragsbuches werde mit Nichtwissen bestritten. Der Beklagte zu 2) sei aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse der wirtschaftlichen Situation der Firma und seines Auftretens nach außen als faktischer Geschäftsführer zu behandeln.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 29.859,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2006 zu zahlen;
2. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie 2.984,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1) hat behauptet, die G.-GmbH sei bis zu seinem Ausscheiden nicht zahlungsunfähig gewesen. Unmittelbar vor Stellung des Insolvenzantrages seien Verfügungen über das vorhandene Barvermögen in Höhe von 25.698,06 DM getroffen worden. Mit diesem Betrag hätte bereits der größte Teil der Forderungen der Klägerin beglichen werden können. Ende März 2001 sei der Geschäftsbetrieb faktisch eingestellt worden. Die von der Klägerin gelieferten Waren seien in Kommission bestellt worden, so dass der Insolvenzverwalter sie im Rahmen des Insolvenzverfahrens hätte zurück erlangen können. Auch eine Überschuldung der GmbH, die die Stellung eines Insolvenzantrages erfordert hätte, habe nicht vorgelegen. Der Beklagte zu 2) habe ihn zu keinem Zeitpunkt über eine solche Situation in Kenntnis gesetzt. Die GmbH habe zwischen Januar und März 2001 noch Arbeiten größeren Umfangs ausgeführt. Bei seinem Ausscheiden hätten ein Auftrag der S2 (Projekt Fernwärme M. mit einem Auftragswert von ca. 500.000 DM, Aufträge für Installationsarbeiten an 150 Ferienhäusern auf dem L. mit einem Auftragswert pro Haus von ca. 15.000,00 DM sowie 5 bis 6 Aufträge für den Austausch von Heizkesseln in Privathäusern vorgelegen. Bei Insolvenzeröffnung hätten Forderungen in Höhe von 15.880,31 EUR bestanden. Bankschulden hätten nicht bestanden.
Der Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Beklagte zu 2) hat behauptet, im Jahr 2000 habe noch eine positive Fortbestehensprognose für die GmbH abgegeben werden können. Diese habe größere Aufträge erhalten, die die bestehenden Liquiditätsprobleme hätten lösen können, wäre nicht der Baubeginn nachträglich verschoben worden. Der Beklagte zu 2) bestreitet Grund und Höhe der geltend gemachten Forderungen.
Auch der Beklagte zu 2) hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Insolvenzakte 59 IN 85/01 des Amtsgerichts Saarbrücken betreffend die G.-GmbH.
Mit Urteil vom 13.8.2007 (GA 123 ff.), auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend verwiesen wird, hat das Landgericht der gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Klage in vollem Umfang und der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen eines gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gerichteten Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG lägen vor. Zumindest seit dem 30.06.2000 sei die GmbH überschuldet gewesen (§ 19 InsO). Dies stehe aufgrund der substantiierten Darlegungen der Klägerin mit Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva zu den Bewertungsstichtagen 30.06., 30.09. und 31.12.2000 fest, die durch das Gutachten und den Grundlagenbericht des Insolvenzverwalters vom 25.06.2001 sowie den Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 23.08.2004 bestätigt worden seien. Die Beklagten hätten den Darlegungen der Klägerin und den Feststellungen des Insolvenzverwalters keinen substanzhaltigen Vortrag entgegengesetzt. Vielmehr stehe fest, dass der Fehlbetrag sich quartalsweise deutlich erhöht habe und die Betriebsergebnisse ab dem 30.09.2000 Fehlbeträge aufgewiesen hätten. Der Großauftrag „L.“ sei zum 30.09.2000 offenkundig nicht mehr realisierbar gewesen. Der angebliche Auftrag der S2 sei nur die Möglichkeit eines Vertragsschlusses gewesen, habe sich aber ebenfalls nicht realisiert, so dass insgesamt eine positive Fortbestehensprognose für den Zeitraum ab dem 30.09.2000 nicht nachvollziehbar sei. Dem Beklagten zu 2), der die buchhalterischen Abwicklungen bei der GmbH bereits vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer wahrgenommen habe, habe diese negative Entwicklung auffallen müssen. Aber auch dem mit dem Tagesgeschäft betrauten Beklagten zu 1) habe nicht verborgen bleiben können, dass das Projekt „L.“ sich negativ entwickelte. Beide Beklagte seien daher spätestens Ende Oktober 2000 verpflichtet gewesen, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Durch das schuldhafte Unterlassen sei der Klägerin kausal ein Schaden entstanden, da diese ab Dezember 2000 noch die auf die GmbH lautenden Bestellungen entgegengenommen und Waren ausgeliefert habe. Der Anspruch der Klägerin sei auch nach der maßgeblichen Vorschrift des § 852 Abs. 1 BGB a. F. nicht verjährt. Die danach geltende dreijährige Verjährungsfrist habe zum 05.01.2006 nach Einsichtnahme der Klägerin in die Insolvenzakte zu laufen begonnen. Eine frühere Einsicht in die Insolvenzakte hätte der Klägerin nicht die nach § 852 BGB a. F. nötige Kenntnis verschafft, die erst aufgrund des Schlussberichtes des Insolvenzverwalters möglich gewesen sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1) mit seiner Berufung. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei Verjährung eingetreten. Die Verjährung richte sich vorliegend nicht nach § 852 BGB, sondern nach §§ 64 Abs. 2, 43 Abs. 4 GmbHG. Sie betrage 5 Jahre, laufe unabhängig von jeglicher Kenntnis und sei spätestens zum 31.12.2005 eingetreten. Die Anwendung dieser Verjährungsvorschrift folge aus der Verweisung in § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG. Zudem sei § 852 BGB nur anwendbar, wenn das Verhalten eines Geschäftsführers neben einer gesellschaftsrechtlichen Haftungsnorm weitere Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB, insbesondere einen Straftatbestand, erfülle. Selbst wenn die Verjährung nach § 852 BGB a. F. beurteilt würde, sei diese vorliegend eingetreten. Die Klägerin hätte sich als Insolvenzgläubigerin frühzeitig während des laufenden Insolvenzverfahrens Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen verschaffen können. Denn bereits aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 25.6.2001 gehe hervor, dass spätestens zum 30.06.2000 Zahlungsunfähigkeit der G.-GmbH eingetreten sei.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 13.08.2007, AZ.: 3 O 106/06, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das ihr günstige erstinstanzliche Urteil. Verjährung sei vorliegend nicht eingetreten. Für die Klägerin hätten bis nach Beendigung des Insolvenzverfahrens keine Anhaltspunkte für einen verspäteten Insolvenzantrag seitens des Beklagten zu 1) bestanden. Gutachten und Grundlagenbericht des Insolvenzverwalters vom 25.06.2001 seien lediglich vorläufiger Natur gewesen. Lege man die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Schlussberichts des Insolvenzverwalters Ende September 2003 zugrunde, habe die Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Ablauf des Jahres 2003 begonnen. Verjährung wäre dann Ende 2006 und damit mehr als ein Dreivierteljahr nach Einreichung der Klage eingetreten. Der Klägerin könne allerdings grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht angelastet werden. In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH hätten sich der Klägerin zum Zeitpunkt des Schlussberichts anspruchsbegründende Umstände nicht aufgedrängt. Weder die Tatsache, dass ein Schlussbericht erstellt worden sei, noch dessen Datum sei den Gläubigern bekannt gegeben worden. Dies gelte auch für die Prüfberichte aus dem Jahr 2003. Allenfalls die Zustellung des Beschlusses über die angezeigte Masseunzulänglichkeit am 08.07.2004 hätte Anlass sein können, überprüfen zu lassen, ob andere Möglichkeiten zur Realisierung der Forderungen bestanden. Allerdings hätten sich auch dann der Klägerin anspruchsbegründende Umstände nicht „förmlich“ aufgedrängt. Auch wäre die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden, wenn nicht Einblick in die Insolvenzverfahrensakte begehrt wurde. Allenfalls habe es sich um eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung gehandelt. Ob in dem damaligen Verfahrensstadium Akteneinsicht gewährt worden wäre, die Informationsquelle also leicht verfügbar gewesen wäre, wisse die Klägerin nicht, weshalb sie eine solche Behauptung des Beklagten, der für die grob fahrlässige Unkenntnis die Beweislast trage, mit Nichtwissen bestreite. Der Beklagte habe einen vor dem 31.12.2003 liegenden Verjährungsbeginn nicht beweisen können. Bei der Klägerin habe nämlich zu keinem der Zeitpunkte, zu denen sie unter Umständen Kenntnis von einer Insolvenzverschleppung hätte erlangen können, grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen vorgelegen.
Hinsichtlich des Sachverhaltes und des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 04.12.2006 (GA 53 f) und vom 04.06.2007 (GA 92 ff) sowie auf das Sitzungsprotokoll des Senats vom 01.04.2008 (GA 213 ff) verwiesen. Des Weiteren wird auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Insolvenzakte 59 IN 85/01 des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Saarbrücken Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.II.
Die Berufung des Beklagten zu 1) ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet worden und gemäß den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos. Das Landgericht hat zu Recht dahin entschieden, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus Insolvenzverschleppung in Höhe von 29.859,79 EUR zusteht.
Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach den §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
1. Die Anspruchsvoraussetzungen einer Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG) sind gegeben. Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hat der Geschäftsführer einer GmbH im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies gilt sinngemäß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt (§ 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Verletzt der Geschäftsführer diese Pflicht, so haftet er den Gläubigern der Gesellschaft auf Ersatz des Schadens, der diesen infolge der verspäteten Antragstellung entstanden ist.
Die Vorschrift stellt nach allgemeiner Auffassung ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaftsgläubiger dar (OLG Saarbrücken, Urteil vom 07.06.2005, 4 U 228/04, OLGR Saarbrücken 2007, 133).
a. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, an die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden ist, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen worden sind und keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit begründen, war die G.-GmbH am 30.06.2000 insolvenzreif.
Insolvenzreife setzt einen Eröffnungsgrund voraus (§ 16InsO). In Betracht kommen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und/oder Überschuldung (§ 19 InsO). Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO).
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass zumindest seit dem 30.06.2000 von einer bestehenden Überschuldung der G.-GmbH im Sinne des § 19 InsO auszugehen ist. Nach dem substantiierten Klägervortrag, der durch die Darlegungen des Insolvenzverwalters in der Insolvenzakte (Gutachten einschließlich Grundlagenbericht vom 25.06.2001; Schlussbericht vom 23.08.2004) bestätigt wird, bestand zum 30.06.2000 ein ermittelter Jahresfehlbetrag von 87.293,45 DM (44.632,43 EUR), der zum 30.09.2000 auf 112.229,73 DM (57.382,15 EUR) und zum 31.12.2000 auf 144.635,05 DM (73.950,73 EUR) angestiegen war. Unter Zugrundelegung dieser Werte ist das Landgericht zutreffend von einer Überschuldung der Gesellschaft ausgegangen, zumal die Beklagten die wirtschaftliche Situation der GmbH trotz Kenntnisnahme des Inhaltes der Insolvenzakte nicht substantiell bestritten haben.
Ob daneben auch der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) vorgelegen hat, kann offen bleiben. Der Beklagte zu 1) geht jedenfalls in der Berufungsbegründung selbst davon aus, indem er Zahlungsunfähigkeit der G.-GmbH zum 30.06.2000 vorträgt (GA 192).
b. Der Beklagte zu 1) hat als Geschäftsführer der G.-GmbH trotz Vorliegens von Überschuldung Ende Oktober 2000 keinen Insolvenzantrag gestellt. Die verspätete Antragstellung erfolgte auch schuldhaft. Der Verschuldensmaßstab richtet sich nach den für das Schutzgesetz des § 64 Abs. 1 GmbHG geltenden allgemeinen Regeln. Nach herrschender Meinung ist bezüglich aller Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht Fahrlässigkeit ausreichend. Das Verschulden des Geschäftsführers wird hierbei analog § 43 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, 130a Abs. 3 HGB widerleglich vermutet (BGHZ 75, 111; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Der Beklagte zu 1) konnte bei seiner informatorischen Anhörung (GA 93) keine sein Verschulden beseitigenden Umstände vortragen. Als Geschäftsführer einer kleinen GmbH konnte ihm die tatsächliche Auftrags- und Finanzlage der Gesellschaft nicht verborgen bleiben, so dass er sich in regelmäßigen Abständen über den Finanzstatus in Kenntnis setzen und entsprechende Konsequenzen hätte ziehen müssen.
c. Da die Klägerin in Unkenntnis dieser Situation die Bestellungen der Insolvenzschuldnerin zwischen dem 16.11.2000 und dem 02.04.2001 entgegengenommen und ausgeführt hat, diese Leistungen aber seitens der GmbH nicht mehr bezahlt wurden, ist der Klägerin ein Schaden in Höhe des Wertes der erbrachten Leistungen entstanden, wobei der Beklagte zu 1) aufgrund seiner Abberufung als Geschäftsführer (GA 112) nur für die Bestellungen bis einschließlich 28.02.2001 (29.859,79 EUR) verantwortlich ist.
2. Die Ansprüche der Klägerin sind entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht verjährt.
a. Der von dem Beklagten zu 1) nachzuweisende Verjährungsablauf bestimmt sich vorliegend nach der verjährungsrechtlichen Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, nachdem der zur Berufungangefallene Klageanspruch vor der zum 28.02.2001 erfolgten Abberufung des Beklagten zu 1) und damit vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes entstanden ist und am 01.01.2002 zweifellos nicht verjährt war.
b. Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung findet die kenntnisunabhängige fünfjährige Verjährungsfrist nach §§ 64 Abs. 2 Satz 3, 43 Abs. 4 GmbHG keine Anwendung. Vielmehr richtet sich die Verjährung des Schadensersatzanspruchs wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG) nach § 852 BGB a. F. bzw. nach der Schuldrechtsreform nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n. F..
Die Frage, nach welcher Norm der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung verjährt, ist in Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstritten.
aa. In der gesellschaftsrechtlichen Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 (Abs. 1 und 2) GmbHG verjähre einheitlich in fünf Jahren nach §§ 64 Abs. 2 Satz 3, 43 Abs. 4 GmbHG (Rowedder, GmbHG, 2. Aufl., § 64 Rdn. 26 m.w.N.; Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., Rdn. 66; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 64 Rdn. 89). Vereinzelt wird innerhalb dieser Auffassung vertreten, der Verjährungsbeginn könne wegen des Charakters des schädigenden Verhaltens als Dauerdelikt erst mit der Beendigung der schuldhaften Verfahrensverschleppung angenommen werden (Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rdn. 53).
bb. In der Rechtsprechung wird teilweise eine differenzierende Ansicht vertreten: Jedenfalls dann, wenn sich die deliktische Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger ausschließlich aus einem Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB herleite, betrage die maßgebliche Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 4 GmbHG fünf Jahre (Saarländisches OLG, Urteil vom 22.09.1999, 1 U 3/99, OLGR 2000, 93; OLG Naumburg, NJW-RR 2004, 613, juris Rdn. 21 ff.; Münchener Kommentar/Stein, BGB, 3. Aufl., § 852 Rdn. 62). Verstößt das Verhalten des Geschäftsführers dagegen sowohl gegen die dem Gläubigerschutz dienende Pflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG, als auch gegen einen Straftatbestand (z.B. § 263, 265a oder 266 StGB), gelte für den Anspruch aus unerlaubter Handlung aus Gründen des Gläubigerschutzes die Verjährung nach § 852 BGB (OLG Stuttgart MDR 2000, 1257, juris Rdn. 5). In diesen Fällen sei es nicht gerechtfertigt, bei einem „besonders rechtswidrigen“ Verhalten des Geschäftsführers einen Schadensersatzanspruch ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Person des Ersatzpflichtigen nach § 43 Abs. 4 GmbHG verjähren zu lassen, wenn es dem Geschäftsführer gelungen sei, sein Tun über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg vor dem Gesellschaftsgläubiger zu verbergen. Die Verweisung des § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG gelte für den in § 64 Abs. 2 geregelten Ersatzanspruch eigener Art der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer (OLG Stuttgart, a.a.O., juris Rdn. 5 f).
cc. Einer weiteren in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung zufolge verjährt der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich in drei Jahren nach § 852 BGB a. F. bzw. §§ 195, 199 BGB n. F. (OLG Frankfurt, Urteil vom 04.04.2007, 19 U 230/06, juris Rdn. 23; Schleswig-Holsteinisches OLG, GmbHR 2001, 330, juris Rdn. 12). Hiernach folge die Anwendung des § 852 BGB aus der deliktischen Natur des § 823 BGB als Anspruchsgrundlage. Dies gelte auch für § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB oder anderen Schutzgesetzen (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 43 Rdn. 58).
dd. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Für die generelle Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist sprechen bereits Gesetzeswortlaut und -systematik. § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG verweist nur auf den Ersatzanspruch der Gesellschaft nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, nicht aber auf den Direktanspruch der Gläubiger gegen den Geschäftsführer nach Abs. 1. Ansonsten hätte es nahe gelegen, die Verjährung in einem gleichgeordneten Absatz 3 zu regeln.
Auch im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung wurde keine entsprechende Gesetzesänderung vorgenommen, obwohl der Gesetzgeber das Verjährungsrecht grundlegend reformiert hat und die Neuregelung der verjährungsrechtlichen Vorschriften zu den zentralen Punkten der Reform gehört (Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Das Neue Schuldrecht, 2002, § 1 Verjährung, Rd. 1). Durch die grundlegende Umgestaltung der Verjährungsregeln wollte der Gesetzgeber die Mängel des bisherigen Rechts beheben, die im Vorfeld der Reform immer wieder Anlass zu Kritik gegeben hatten (vgl. zum Reformbedarf Zimmermann JZ 2000, 853 m.w.N.). Die alten Verjährungsfristen wurden teils als zu kurz (z.B. § 477 a. F.), teils als zu lang (z.B. § 195 a. F.) angesehen und führten aufgrund zahlreicher Brüche in der Systematik, der Ausgestaltung des Beginns, der Dauer und des Ablaufs immer wieder zu Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung (Dauner-Lieb, a.a.O). Durch die Reform sollten die bisherigen Wertungswidersprüche aufgehoben und ein einfaches und angemessenes Verjährungssystem geschaffen werden (BT-Drucksache 14/6040, 104 f.). Hätte der Gesetzgeber es im Rahmen dieser umfassenden Gesetzgebungsmaßnahme für erforderlich erachtet, hätte er die Gesetzessystematik des § 64 Abs. 2 GmbHG neu gestalten und den in Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweis auf die Verjährungsnorm des § 43 Abs. 4 GmbHG zu einem eigenständigen Abs. 3 umgestalten können. Dann wäre gesetzestechnisch Klarheit geschaffen worden, da sich in diesem Fall die Verweisung auf die gesellschaftsrechtliche Verjährungsnorm auch erkennbar auf den Schadensersatzanspruch nach § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB bezogen hätte.
Schließlich spricht der unterschiedliche Regelungsgehalt der beiden Absätze des § 64 GmbHG für die hier vertretene Auffassung. Während Absatz 1 allgemein die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer betrifft, regelt Absatz 2 Ausgleichsansprüche im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft bei Nichtbeachtung dieser Pflicht. Diesem unterschiedlichen Regelungsgehalt wird es auch gerecht, bei der Verjährung zu differenzieren. Außenstehende Dritte - wie die Klägerin im vorliegenden Fall - haben weder einen Zugang zu den Firmeninterna noch Kontroll- oder Einwirkungsmöglichkeiten und keinerlei Bindung zu dem Geschäftsführer, so dass es in diesem Verhältnis sachgerecht ist, auf die kenntnisabhängige Verjährung nach BGB abzustellen. Anders liegt es im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft, wo aufgrund der persönlichen Nähe die kenntnisunabhängige - wenn auch fünfjährige - Verjährung sachgerecht erscheint.
c. Soweit der Verjährungsbeginn sich für den Zeitraum vor dem 01.01.2002 gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach § 852 BGB a. F. bestimmt, hat das Landgericht mit nicht zu beanstandenden Erwägungen zutreffend festgestellt, dass der Klägerin keine positive Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen oder eine ihr gleichzusetzende Erkenntnismöglichkeit anzulasten ist (vgl. zur Rechtslage nach § 852 BGB a. F.: Palandt-Thomas, BGB, 61. Auflage, § 852, Rd. 4 m.w.N.).
Der positiven Kenntnis steht es im Rahmen von § 852 BGB a. F. gleich, wenn sich der Verletzte die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe und Kosten beschaffen kann und sich vor einer sich aufdrängenden Kenntnis missbräuchlich verschließt (Palandt-Thomas, a.a.O). Es besteht keine Pflicht des Geschädigten, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Fristbeginn Initiativen zur Unterrichtung über den Schadenshergang zu entfalten (BGH NJW 2000, 253). Eine Informations- und Aufklärungspflicht durch Beiziehung eines Rechtsanwalts besteht nicht (BGH NJW 1995, 776).
Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so kann dem Geschäftsführer der Klägerin eine der positiven Kenntnis gleichstehende missbräuchliche Unkenntnis für den Zeitraum bis zum 31.12.2001 nicht nachgewiesen werden. Wenn er Akteneinsicht in die Insolvenzakte genommen und das vorläufige Gutachten des Insolvenzverwalters über die Eröffnungsvoraussetzungen zur Kenntnis genommen hätte, hätte er erfahren, dass im Zeitpunkt der Antragstellung (30.03.2001) deren Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben. Eine weitergehende, umfassende und frühzeitige Auswertung des Inhalts der Insolvenzakte ist einem geschädigten Gläubiger nicht zumutbar. Zumindest stellt sich das Unterlassen einer solchen Prüfung in einem frühen Stadium des Insolvenzverfahrens nicht als missbräuchlich dar, zumal die abschließende Beurteilung der maßgeblichen Fragen neben wirtschaftlichen auch juristische Spezialkenntnisse erfordert, die dem Gläubiger in aller Regel allein durch Beiziehung eines Rechtsanwalts vermittelt werden können.
d. Auch soweit es für den Verjährungsbeginn seit dem 01.01.2002 nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. genügt, dass die Klägerin diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können, ist diese Voraussetzung zumindest bis zum 31.12.2002 nicht erfüllt.
Grob fahrlässig handelt der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufdrängen und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht nutzt (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Auflage, 2008, § 199, Rd. 36). Die Beweislast für das Vorliegen grob fahrlässiger Unkenntnis trägt der Schuldner (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rd. 46).
Die Beklagtenseite hat keine ausreichenden Umstände vorgetragen, welche den Rückschluss auf eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bis Ende 2002 zuließen.
Das Insolvenzverfahren ist im Jahr 2002 in der Weise fortgeschritten, dass zwei Prüftermine stattgefunden haben. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Klägerin die Insolvenzverschleppung seitens des Beklagten zu 1) bei dieser Sachlage förmlich aufgedrängt haben sollte. Konkrete Anhaltspunkte für eine Insolvenzverschleppung des Beklagten zu 1), vor denen die Klägerin im Jahr 2002 gleichsam „die Augen verschlossen hätte“, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagtenseite nicht vorgetragen. Allein die Tatsache, dass ein Gläubiger ohne besondere Anhaltspunkte keine Einsicht in die Insolvenzakte nimmt, reicht hierfür nicht aus. Erst wenn sich für einen Gläubiger aufgrund äußerer Ereignisse der Verdacht einer Insolvenzverschleppung des Schuldners ergibt, kann von ihm zur Vermeidung grob fahrlässiger Unkenntnis verlangt werden, weitergehende Nachforschungen anzustellen und beispielsweise Einsicht in die Insolvenzakte zu nehmen. Solche äußeren Ereignisse sind vorliegend allerdings nicht vorgetragen, so dass die unterbliebene Einsicht in die Insolvenzakte - jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 2002 - aus Sicht der Klägerin nicht grob fahrlässig war.
e. Hat demnach die Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB frühestens am 31.12.2003 begonnen, wurde sie jedenfalls vor ihrem Ablauf durch Einreichung der Klage am 17.03.2006 wieder gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 167 ZPO). Verjährung ist somit nicht eingetreten.
Die Berufung des Beklagten erweist sich nach alldem als nicht begründet. Sie war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 43 Abs.1, 47 Abs.1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Saarländisches OLG:
Urteil v. 06.05.2008
Az: 4 U 484/07 - 165
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