Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. November 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 281/03
(BPatG: Beschluss v. 03.11.2004, Az.: 32 W (pat) 281/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Zur Eintragung als Marke angemeldet ist die nachfolgend abgebildete dreidimensionale Darstellung (farbig: rot/weiß)
siehe Abb. 1 am Endefür Zuckerwaren, Fruchtgummi, Weingummi, alle vorgenannten Waren auch geschäumt; Lakritz (nicht für pharmazeutische Zwecke).
Die Anmelderin hat - zusätzlich zu der oben wiedergegebenen - mehrere Abbildungen eingereicht, welche den Gegenstand der Marke aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen.
In Erwiderung auf einen Beanstandungsbescheid der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2003 hat die Anmelderin u.a. vorgetragen, das angemeldete Zeichen stelle eine völlig neue und in dieser Form am Markt bisher nicht vorhandene Produktform dar, weil nämlich in einer durchsichtigen rotgetönten Herzform ein milchiger Kern sichtbar werde.
Die Markenstelle hat der Anmelderin mehrere Seiten mit Internet-Ausdrucken betreffend Süßigkeiten/Bonbons/Fruchtgummis in Herzform übersandt.
Durch Beschluß vom 18. Juli 2003 hat die Markenstelle - besetzt mit einer Regierungsangestellten im höheren Dienst - die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Gerade für Zuckerwaren seien herzförmige Produkte üblich. Bonbons und Fruchtgummis seien in jeder denkbaren Farbe erhältlich, wobei die Grundfarbe rot zu den gebräuchlichsten zähle. Auch im Durchschimmern eines weißen Kerns sei kein betriebsbezogener Hinweis zu erblicken, da es nicht ungewöhnlich sei, daß Zuckerwaren eine helle und aufgrund des leicht durchsichtigen Grundkörpers erkennbare Füllung enthielten. Der Verkehr werde diesen Umstand als rein technisch bedingt auffassen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den Antrag, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Juli 2003 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.
Ihrer Ansicht nach verfügt die Anmeldung über das erforderliche - geringe - Maß an Unterscheidungskraft. Die Vielzahl von vergleichbaren eingetragenen Marken für Fruchtgummiprodukte und sonstige Süßwaren zeige, daß der Verkehr es gewöhnt sei, der Form herkunftshinweisenden Charakter zuzubilligen. Entgegen der Annahme des Amtes verkörpere die angemeldete Marke keine einfache geometrische Grundform, weil der durchschimmernde helle Kern bei Fruchtgummi völlig neu sei, keineswegs aber eine gängige optische Verzierung oder ein rein technisch bedingtes Element. Ein - von der Markenstelle nicht geprüftes - Freihaltebedürfnis liegt nicht vor, weil angesichts der unbegrenzten Formenvielfalt für Fruchtgummiprodukte nicht erkennbar sei, warum Wettbewerber gerade auf die vorliegende rotschimmernde dreidimensionale Gestaltung verfallen sollten.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet, weil einer Registrierung der als Marke angemeldeten dreidimensionalen Form für die beanspruchten Erzeugnisse die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 (fehlende Unterscheidungskraft) und Nr. 2 MarkenG (Produktmerkmalsbezeichnung) entgegenstehen.
1. Allerdings sind dreidimensionale Gestaltungen, wie die vorliegend angemeldete, nach § 3 Abs. 1 MarkenG (abstrakt) markenfähig, und zwar auch dann, wenn sie - wie hier - die Form der Ware wiedergeben. Daß die betreffende äußere Form, d.h. die Herzgestalt, durch die Art der Ware bedingt bzw. zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht (§ 3 Abs. 2 MarkenG), läßt sich nicht feststellen. Die - nach Auffassung der Anmelderin - den Markenschutz begründende Besonderheit der Ware, nämlich deren Füllung mit einer hellen weichen Masse, welche für das Publikum erkennbar durch den in der Mitte des Herzens dünneren und deshalb durchsichtigen roten Grundkörper (bzw. Überzug) durchscheint und die (irisierende, schimmernde) Farbwirkung erzeugt, steht mit der Herzform in keinem ersichtlichen Zusammenhang. Ob es sich insoweit um eine, z.B. herstellungstechnisch bedingte, warenbezogene Angabe handelt, ist deshalb (erst) im Rahmen der Prüfung der konkreten Eintragungshindernisse (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG) zu berücksichtigen. Daraus folgt, daß die Marke an sich im Wege der Durchsetzung im Verkehr (gem. § 8 Abs. 3 MarkenG) - wofür allerdings bisher nichts vorgetragen wurde - zur Eintragung gelangen könnte.
2. Von Hause aus fehlt der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren (oder Dienstleistungen) eines Unternehmens gegenüber deren anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Bei der entsprechenden Beurteilung ist - unbeschadet der Notwendigkeit einer auf den Einzelfall bezogenen sorgfältigen und gründlichen Prüfung - generell von einem großzügigen Maßstab auszugehen, wobei an dreidimensionale Marken (auch soweit sie die Form der Ware darstellen) im Grundsatz kein strengerer Maßstab als bei anderen Markenformen anzulegen ist (EuGH GRUR 2003, 514 - Linde, Winward und Rado; BGH GRUR 2004, 329 - Käse in Blütenform). Voraussetzung für die Bejahung der Unterscheidungskraft ist bei dreidimensionalen Marken, einschließlich Warenformmarken, allein die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, daß die konkrete Form - aus welchen Gründen auch immer - etwas über die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aussagt. Eine besondere Eigentümlichkeit oder Originalität ist nicht erforderlich. Allerdings wird der Verkehr in einer bestimmten Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen, wenn er diese nicht einer konkreten anderen Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH GRUR 2003, 332 - Abschlußstück). Auf allgemeine ästhetische Grundformen des jeweiligen Warenbereichs darf sich Markenschutz nicht erstrecken.
Auf dem Sektor der Süßwaren sind herzförmige Produkte, (z.B. aus Zuckerguß und Schokolade) häufig anzutreffen; die Markenstelle hat dies ausreichend belegt. Es ist nicht ersichtlich, was einer Ausformung in Herzgestalt auch von Fruchtgummi, Weingummi und Lakritz - ebenso wie bei sonstigen Zuckerwaren - entgegenstehen sollte. Weder gibt es technische Hindernisse, noch eine bekannte Abneigung des Verkehrs, entsprechende Produkte gerade in dieser Form nachzufragen. Die im patentamtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung der Anmelderin, es gebe (bisher) keine Fruchtgummis in Herzform, wird durch die von der Markenstelle ermittelten und zur Kenntnis gegebenen Internet-Seiten widerlegt. Ob das Herz zu den einfachen "geometrischen" Grundformen zählt, wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluß ausgeführt hat, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die dreidimensionale Form des Herzens - in einem noch stärkeren Maße als dessen zweidimensionale Abbildung - als ästhetische Grundform gerade auf dem Süßwaren-, Schokoladen- und Zuckerwarengebiet ihres häufigen Vorkommens wegen nicht unterscheidungskräftig. Da zahlreiche Produzenten sich dieser Form bedienen, hat das angesprochene Publikum keinen Anlaß, derartig gestaltete Erzeugnisse mit einem bestimmten Herstellungsbetrieb in Verbindung zu bringen (sofern nicht sonstige kennzeichnungskräftige Elemente, etwa Wörter oder Abbildungen auf der Ware oder deren Verpackung, den Herkunftshinweis geben, wobei dann aber der Schutz - im Kollisionsfall - letztlich nicht auf der Formgebung beruhen kann).
Auch die Farbe und die Materialeigenschaft kann vorliegend nichts zur Unterscheidungskraft beitragen. Die Schutzfähigkeit von Warenformmarken muß sich grundsätzlich aus der Kennzeichnungskraft der (äußeren) Form selbst ergeben; fehlt diese - wie hier - so kann auch eine besondere (unübliche) Farbgebung und/oder eine ungebräuchliche stoffliche Beschaffenheit oder Zusammensetzung die Unterscheidungskraft nicht begründen. Im übrigen ist die beanspruchte Farbe, selbst wenn man nicht - wie die Markenstelle - nur auf die Grundfarbe rot abstellt, sondern auf die in der Anmeldung angegebene Kombination von rot und weiß, alles andere als ungebräuchlich. Auch der Umstand, daß Farben fließend ineinander übergehen und dadurch ein changierender oder irisierender Effekt entsteht, ist keine Besonderheit der angemeldeten Gestaltung, jedenfalls aber ein ästhetisches Phänomen und/oder herstellungstechnisch bedingt.
Daß Süßwaren häufig aus einer äußeren, härteren Umhüllung (Grundkörper) und einem weicheren inneren Kern bestehen, ist allgemein bekannt. Während etwa bei Schokoladepralinen die Art der Füllung meist nicht erkennbar sein wird, können vor allem Lutschbonbons (und ähnliche Produkte) eine durchsichtige äußere Schicht aufweisen, welche die Farbe der Füllung ohne weiteres durchscheinen läßt. Dem Verbraucher, der dies beim Anblick der Ware wahrnimmt, wird durch die Gestaltung mithin ein Hinweis auf die Beschaffenheit des Produkts selbst gegeben, nicht aber auf einen bestimmten Hersteller. Daß der Verkehr diese Beschaffenheit der Ware (d.h. die helle Füllung) unschwer erkennen soll, liegt offensichtlich in der Absicht der Anmelderin selbst und ist deshalb der Beurteilung zugrunde zu legen. Selbst wenn man die Behauptung der Anmelderin als richtig unterstellt, zumindest bei Fruchtgummi stelle ein durchscheinender heller Füllungskern eine Neuheit dar, gibt allein dieser Sachverhalt dem angesprochenen Verbraucher keine Veranlassung, in der (formunabhängigen) Beschaffenheit der Ware zugleich einen Hinweis auf die Herkunft des Produkts aus einem bestimmten (einzelnen) Geschäftsbetrieb zu sehen. Daß ein Erzeugnis hinsichtlich seines Herstellungsverfahrens neu und/oder bezüglich seiner Erscheinungsweise ungewöhnlich ist, steht mit der Frage der Unterscheidungskraft in keinem unmittelbaren Zusammenhang.
3. Auch für dreidimensionale Warenformmarken gilt, daß diese nicht ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen dürfen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der betreffenden Waren dienen können (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Da sämtliche aus der Abbildung der angemeldeten dreidimensionalen Marke ersichtlichen Merkmale, d.h. sowohl die äußere Herzform, wie die im mittleren Bereich durchscheinende helle Füllung, eine die Beschaffenheit des Erzeugnisses betreffende Information vermitteln und somit warenbeschreibend sind, handelt es sich vorliegend um eine Produktmerkmalsangabe im vorgenannten Sinn. Eine zusätzliche Gestaltung, die nicht das ästhetische oder funktionale Erscheinungsbild der Ware als solches betrifft, sondern eine von diesem gleichsam losgelöste Form aufweist, ist nicht erkennbar. Das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Allgemeininteresse an der Freihaltung sowohl ästhetischer Grundformen des Süßwarenbereichs - wie hier der des Herzens - als auch von Angaben zu materialbezogenen Eigenschaften - wie hier der hellen, durchscheinenden Füllung - verbietet deshalb eine Monopolisierung der angemeldeten Form zugunsten eines Unternehmens. Der Hinweis der Anmelderin auf die angeblich unbegrenzte Formenvielfalt speziell für Fruchtgummiprodukte ist verfehlt. Eine auf dem Zuckerwarenbereich weitverbreitete Grundform wie die des Herzens ist in jeder denkbaren Farbgebung freihaltebedürftig; Konkurrenten können nicht auf die Möglichkeit der Verwendung abweichender Formen oder der konkreten Gestaltung in anderen Farben und Farbkombinationen verwiesen werden. Es muß ihnen auch möglich sein, in vergleichbarer Weise darauf hinzuweisen oder anzudeuten, daß ihre Zuckerwaren eine helle Füllung enthalten.
4. Aus der Eintragung anderer, vermeintlich ähnlicher Marken vermag die Anmelderin keinen Anspruch auf Registrierung der angemeldeten Darstellung abzuleiten. Inländische Voreintragungen ähnlicher Marken - wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob die seitens der Anmelderin angeführten Marken wirklich vergleichbar sind - führen generell weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Registrierung zu befinden haben. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (vgl z.B. BPatGE 32, 5 - CREATION GROSS).
Im übrigen legt auch die Beurteilung der Schutzfähigkeit von dreidimensionalen Gestaltungen des Süßwarenbereichs auf europäischer Ebene (vgl. EuG MarkenR 2003, 280 - Form einer Zigarre u.a.) jedenfalls bei handelsüblichen Grundformen und allgemein gebräuchlichen Gestaltungen eine Zurückhaltung bei der Schutzgewährung nahe. Zwar kann nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats, auf die sich die Anmelderin in der Begründung ihres Rechtsmittels bezogen hat (Beschluß vom 31.10.2001, 32 W (pat) 241/00 - "Werthers Echte" Bonbons), eine Grundform - in jenem Fall ein Oval - ausnahmsweise schutzfähig sein, wenn sie zusätzliche Gestaltungsmerkmale aufweist, die nicht durch die Art der Ware oder ihre technische Herstellung bedingt sind. Solche, die Materialbeschaffenheit der Ware nicht betreffende Merkmale, wie etwa Vertiefungen, Erhebungen, Einstanzungen usw. sind vorliegend nicht vorhanden. Selbstverständlich kann eine dreidimensionale Formmarke (wie oben bereits erwähnt) in der Kombination mit einer kennzeichnungskräftigen - also nicht rein dekorativen - Abbildung oder Oberflächengestaltung schutzfähig sein, wobei dann aber der Schutz gerade hierauf und nicht auf der Formgebung beruht. Im vorliegenden Fall ist aber - wie ausgeführt - das Durchschimmern des hellen Füllungskerns durch die rote Grundmasse waren- und herstellungsbedingt.
Gründe: für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG liegen nicht vor.
Viereck Müllner Merzbach Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 03.11.2004
Az: 32 W (pat) 281/03
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