Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2005
Aktenzeichen: 20 W (pat) 310/03
(BPatG: Beschluss v. 09.11.2005, Az.: 20 W (pat) 310/03)
Tenor
Das Patent wird aufrechterhalten.
Gründe
I Im Einspruch ist fehlende Ausführbarkeit und fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht worden.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 15, eingegangen am 2. Februar 2005 (Hilfsantrag 1), weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 15, überreicht in der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag 2).
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Separieren und Sortieren von biologischen Objekten, die auf einem planaren Träger (2) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß ein Objektfeld (12) des Trägers (2), auf dem sich ein selektiertes biologisches Objekt (10) befindet, mit einem Laserstrahl (6) ausgeschnitten und durch einen Laserinduzierten Transportprozess auf einen in der Nähe des Trägers (2) und oberhalb oder unterhalb des Trägers (2) angeordneten Auffänger (5) übertragen wird."
Folgende Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung erörtert:
(3) US 4 624 915
(5) Cytometry 12 (1991), S. 497-504
(7) Journal of Microscopy 167 (1992), S. 127-151
(8) Journal of Microscopy, Vol. 107, 1,
(10) Cytrometry 12, pp. 505-510,
(13) SPIE Vol. 1394 Progress in High-Temperature Superconducting Transistors and Other Devices (1990), pages 169-179
(14) Mat. Res. Soc. Symp. Proc. Vol. 101, 1988 Materials Research Society Die Einsprechende führte im wesentlichen aus, der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von den Verfahren zum Separieren und Sortieren von biologischen Objekten nach den Druckschriften (5), (7) oder (8) erhalte der Fachmann aus Druckschrift (3) die Anregung, ein Objektfeld des Trägers zusammen mit einem sich darauf befindenden selektierten Objekt auszuschneiden.
Die Patentinhaberin bekräftigte dagegen, der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag sei ausführbar und patentfähig.
II 1. Der Einspruch ist zulässig. Dies wird auch von der Patentinhaberin nicht in Frage gestellt.
2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 15 sind unbestritten zulässig.
3. Stand der Technik Die Druckschrift (3) beschreibt ein Verfahren zum Separieren und Sortieren von biologischen Zellen. Die Zellen befinden sich auf einem planaren Träger (Film 312), der wiederum auf einem Objektträger (slide 311a) angeordnet ist. Ein Objektfeld des Trägers, auf dem sich eine selektierte Zelle befindet, wird mit einem Laserstrahl ausgeschnitten (Sp 8 Z 20-39). Abweichend vom Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag ist ein laserinduzierter Transportprozess zur Übertragung des Objektfelds auf einen Auffänger nicht vorgesehen. Vielmehr verbleibt das ausgeschnittene Objektfeld auf dem Objektträger 311a.
Aus Druckschrift (5) ist ein Verfahren zum Separieren und Sortieren von biologischen Objekten bekannt (Abstract), die auf einem planaren Träger (S 498, re Sp: Absatz "Petri Dishes": Petrischale mit PTFE-Film) angeordnet sind. Bei den Objekten handelt es sich um Chromosomenstücke, die mit einem Laserstrahl aus dem Chromosom ausgeschnitten werden (S 502 li Sp le Abs) und durch einen laserinduzierten Transportprozess in Richtung des Laserstrahls (by light pressure) von der Unterlage gelöst werden. Die sich frei in einer Suspension bewegenden Objekte werden mit einem als optische Pinzette ausgebildeten Auffänger aufgefangen, der in der Nähe und oberhalb des Trägers angeordnet ist (S 502 li Sp le Abs - re Sp 1. Abs). Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag befindet sich das selektierte ausgeschnittene Objekt nicht auf einem Objektfeld des Trägers.
Die Druckschrift (7) behandelt etwas ausführlicher die Möglichkeiten, kleine Objekte mittels Laser zu beschleunigen, geht aber hinsichtlich der Merkmale des Gegenstands des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag nicht über die Druckschrift (5) hinaus.
Die Druckschrift (8) beschreibt ein Verfahren zum Separieren und Sortieren von biologischen Objekten (S 19: Summary), die auf einem planaren Träger angeordnet sind (S 21 vorle Abs: silicon coated glass coverslips). Die selektierten biologischen Objekte werden mit einem Laserstrahl ausgeschnitten und fallen dann auf einen unterhalb des Trägers angeordneten Auffänger (S 21 Absatz: "Apparatus for laser micropreparation"). Ein laserinduzierter Transportprozess zur Übertragung der Objekte auf einen Auffänger ist somit nicht vorgesehen. In weiterem Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag wird kein Objektfeld des Trägers ausgeschnitten.
Aus Druckschrift (10) ist die Fusion von Zellen mit Hilfe von optischen Pinzetten bekannt. Wenn der Laserstrahl nicht auf einen sehr kleinen Punkt fokussiert ist, werden die Zellen in Richtung des Strahls gedrückt (S 505 re Sp Ende des le Abs). Ein Verfahren zum Separieren und Sortieren von Objekten wird nicht beschrieben.
Die Druckschriften (13) und (14) betreffen das sogenannte LIFT-Verfahren (Laser Induced Forward Transfer), mit dem dünne Filme von einem Träger ((13) Fig 1: transparent support; (14) Fig 1: precoated transparent support) auf einen Auffänger ((13): substrate; (14): target substrate) übertragen werden können. Dabei wird der zu übertragende Film durch einen starken Laserimpuls vom Träger abgelöst, um sich danach auf dem Auffänger niederzuschlagen. Biologische Objekte werden nicht selektiert und sortiert. Außerdem wird kein Objektfeld des Trägers ausgeschnitten und durch einen laserinduzierten Transportprozess übertragen.
Die Druckschriften (1), (2), (4), (6), (9), (11), (12) und (15) bis (20) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte. Gleiches gilt für die in der Recherche nach § 43 PatG vom Patentamt ermittelten weiteren Druckschriften.
4. Ausführbarkeit Entgegen der Ansicht der Einsprechenden offenbart das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Als Fachmann ist ein Physiker anzusehen, der über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung von Verfahren zum Separieren und Handhaben von kleinen biologischen Objekten z. B. für Analysezwecke verfügt und dabei auch vertiefte Kenntnisse der Laserphysik erworben hat.
In Spalte 5, Zeile 37 bis 44, der Patentschrift ist angegeben, dass das abgetrennte Folienstück in Richtung des Laserstrahls beschleunigt wird, unmittelbar nachdem die Schnittlinie zu einem geschlossenen Kreis vervollständigt ist. Es gehört zum Fachwissen des Fachmanns, dass die Schnittkanten auf Grund von Adhäsionskräften zunächst noch aneinander haften, so dass die Folie nicht nach unten fallen kann, bevor die Beschleunigung durch den Lichtdruck des Lasers einsetzt. Auch die Wahl der für den Transportprozess geeigneten Laserparameter liegt im Bereich des fachmännischen Könnens und wird überdies im Ausführungsbeispiel der Streitpatentschrift erläutert. Der Fachmann ist daher in der Lage, den laserinduzierten Transportprozess auszuführen.
5. Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag ist neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.
6. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei dem Verfahren zum Separieren und Sortieren von biologischen Objekten nach der nächstkommenden Druckschrift (5) werden die selektierten Objekte durch einen Laserstrahl ausgeschnitten. Danach lösen sich die ausgeschnittenen Objekte auf Grund des von dem Laserstrahl erzeugten Lichtdrucks vom Träger. Ausdrücklich wird in Druckschrift (5) darauf hingewiesen, dass der durch einen PTFE-Film gebildete Träger durch den Laserstrahl nicht beschädigt wird (S 498, re Sp: Absatz "Petri Dishes"). Der Fachmann hat keine Veranlassung, den Laserstrahl so zu modifizieren, dass zusammen mit dem selektierten Objekt auch Teile des Trägers ausgeschnitten und übertragen werden. Denn der PTFE-Film dient allein dazu, die Adhäsionskräfte zwischen den biologischen Objekten und der Unterlage zu reduzieren. Zudem würden dadurch zusätzliche Kosten entstehen, weil die Petri-Schale auf Grund des beschädigten PTFE-Films für weitere Verfahrensdurchgänge unbrauchbar würde.
Auch die Druckschrift (3) kann dem Fachmann keinen Hinweis darauf geben, ein Objektfeld des Trägers zu übertragen. Zwar werden dort die Teile des Trägers, auf denen sich ein selektiertes Objekt befindet, ausgeschnitten. Eine Übertragung auf einen Auffänger erfolgt jedoch nicht. Stattdessen dient das Ausschneiden von Objektfeldern des Trägers allein dazu, die Entfernung nicht selektierter Objekte durch Abziehen der nicht ausgeschnittenen Teile des Trägers zu ermöglichen (Fig 6a-6c).
Die Druckschriften (10), (13) und (14) liegen noch weiter ab. Die die laserinduzierte Fusion von Zellen mittels optischer Pinzetten betreffende Druckschrift (10) beschreibt nicht das Ausschneiden biologischer Objekte. Bei dem LIFT-Verfahren nach den Druckschriften (13) und (14) werden dünne Filme dadurch übertragen, dass sie zunächst bei durch einen Laserstrahl erzeugten relativ hohen Temperaturen verdampft werden. Für die Übertragung biologischer Objekte ist dieses Verfahren ersichtlich nicht geeignet.
7. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 15 haben Bestand. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1.
8. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
Dr. Bastian Martens Dr. Zehendner Höppler Be
BPatG:
Beschluss v. 09.11.2005
Az: 20 W (pat) 310/03
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