Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 12. August 2004
Aktenzeichen: L 16 KR 81/03
(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 12.08.2004, Az.: L 16 KR 81/03)
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. März 2003 wird zurückgewiesen. Die Kläger haben den Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für Kranken- und Rettungstransportfahrten. Die Kläger führen im Gebiet der Stadt Bochum Krankentransporte durch, die Kläger zu 1) und 3) zusätzlich auch Rettungstransporte. Über diese Leistungen sowie deren Vergütungen schlossen die Kläger u.a. mit den in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Beklagten zu 1) bis 6) bzw. deren Rechtsvorgängerinnen (im Folgenden einheitlich Beklagte) Verträge. Da die Feuerwehr der Stadt Bochum aufgrund der entsprechenden Gebührensatzung der Stadt Bochum deutlich höhere Vergütungen für Kranken- und Rettungstransporte erzielte, verlangten die Kläger von den Beklagten eine entsprechende Anpassung und kündigten schließlich die Verträge mit Wirkung vom 01.01.2000. Sie haben am 11.08.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage auf Feststellung (der Kläger zu 2) beschränkt auf Krankentransporte) erhoben, dass die Beklagten verpflichtet seien, folgende Tarife zu vergüten:
aa) Krankentransport Grundtarif A (für Fahrten von montags bis freitags einschließlich für die Zeit von 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr) DM 132,00 Grundtarif B (für Fahrten von montags bis freitags einschließlich in der Zeit von 23.00 Uhr bis 7.00 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen) DM 265,00
bb) Rettungstransport DM 420,00
cc) Notarzteinsatz DM 406,00
b) Fahrten über die Stadtgrenze hinaus je außerhalb des Stadtgebietes gefahrenen Kilometer DM 2,60
c) Bereitstellung von Krankenkraftwagen je Fahrzeug und angefangene Stunde DM 140,00
d) Wartezeit je angefangener halber Stunde (die erste halbe Stunde ist gebührenfrei) DM 70,00
e) Reinigung eines Krankenkraftwagens nach außergewöhnlicher Verschmutzung DM 70,00
f) Desinfektion eines Krankenkraftwagens DM 280,00.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die Beklagten seien als marktbeherrschende Unternehmen verpflichtet, ihnen dieselbe Vergütung zu zahlen wie der Feuerwehr der Stadt Bochum. Jedenfalls seien aber die satzungsmäßig festgesetzten Tarife Letzterer die ortsübliche Vergütung im Sinne der §§ 612, 632 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dasselbe ergebe sich aus der Regelung des § 133 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V), weil danach Verträge über die Vergütung von Rettungsdienstleistungen nur zulässig seien, soweit nicht schon kommunalrechtliche Bestimmungen diese Entgelte festlegten. Diese Festlegung sei aber durch die Satzung der Stadt Bochum erfolgt.
Das SG Dortmund hat den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen.
Dieses hat mit Urteil vom 14.03.2003 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 25.03.2003 zugestellte Urteil haben die Kläger am 24.04.2003 Berufung eingelegt. Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die von der Stadt Bochum in Form einer Satzung verabschiedeten Entgelte eine hoheitliche Preisfestsetzung darstellt, die der Vergütung zugrundezulegen sei. Die Beklagten hätten auch nicht dargelegt, warum die Kosten eines öffentlichen Rettungsdienstes zwangsläufig höher sein müssten, als die der privaten Unternehmen. Dass sie - die Kläger - sich früher mit einer geringeren Vergütung zufrieden gegeben hätten, ändere nichts an ihrem Anspruch auf die höhere Vergütung nach den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts oder jedenfalls des Gleichheitsgrundsatzes. Die gezahlten Tarife ermöglichten auch keine wirtschaftliche Betätigung mehr auf dem Sektor der Kranken- und Rettungstransporte. Diese seien nur mittels Subventionierung durch andere Unternehmensbereiche noch zu erbringen. Das SG habe insoweit einen substantiierten Vortrag abgelehnt, so dass die diesbezüglichen Ausführungen des SG unverständlich seien. Das SG habe unter Außerachtlassung der Rechtsprechung der Zivilgerichte die Ungleichbehandlung öffentlichrechtlicher und privater Unternehmen für rechtmäßig erachtet. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe die unterschiedliche Vergütung privater Leistungserbringer und der freien Wohlfahrtsverbände durch die gesetzliche Krankenversicherung als diskriminierend angesehen (Hinweis auf BGH-Urt. v. 11.12.2001 - KZR 5/00 -). Schließlich ergebe sich aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf Urt. v. 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R zur Veröffentlichung in Sozialrecht - SozR 4 vorgesehen - Juris-Dok 26646), dass die Beklagten, sofern sie den Abschluss einer entsprechenden Vergütungsvereinbarung ablehnten, jedenfalls nach Bereicherungsrecht verpflichtet seien, die verlangten Gebührensätze zu zahlen. Die von der Beklagten auf Anforderung des Senats vorgelegten Vergütungsvereinbarungen mit anderen Unternehmen aus den räumlich an Bochum angrenzenden Bezirken seien im Wesentlichen infolge dort vorgenommener Mischkalkulationen nicht vergleichbar und zum anderen die Verträge teilweise rechtswidrig.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 14.03.2003 zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen, jedoch mit Ausnahme des Antrages zu 1a cc).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, dass § 69 SGB V die Anwendung des Wettbewerbsrechts ausschließe. Auch liege kein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) hinsichtlich der unterschiedlichen Vergütung vor, weil in die Gebührensatzungen der Kommunen beispielsweise Kosten für eine allgemeine Sicherstellung, die Vorhaltung des Rettungsdienstes, die Tätigkeit der kommunalen Organe (z.B. Ratsitzung, Bürgermeister, Kosten für die Veröffentlichung der Satzungen und ähnliches) einflössen, die bei privaten Unternehmen nicht anfielen und daher auch nicht in Abzug zu bringen seien. Im Übrigen sie die Feuerwehr anders als die Leistungserbringer im Rahmen der von den Klägern in Bezug genommenen Entscheidung des BGH nicht Teilnehmer an demselben Markt, so dass selbst nach Wettbewerbsrecht keine Diskriminierung vorliegen könne. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seien gesetzliche Krankenkassen nicht als Unternehmen angesehen worden. Schließlich seien die Gebührenerhöhungen durch den Gesetzgeber ab dem Jahre 2000 an die Beitragssatzstabilität geknüpft worden, so dass sich auch aus diesem Grunde eine entsprechende Gebührenerhöhung verbiete.
Auf Anforderung des Senats haben die Beklagten Verträge bzw. Vergütungsvereinbarungen mit anderen Krankentransportunternehmen für die Bereiche Bottrop, Dorsten, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herne, Recklinghausen und Witten vorgelegt, auf welche verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Gründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, die Kranken- und Rettungstransporte nach den Gebührensätzen zu vergüten, wie sie nach der Satzung der Stadt Bochum für Einsätze (Inanspruchnahme) der Feuerwehr zu zahlen sind.
Das entsprechende Feststellungsbegehren selbst ist zulässig, weil die Kläger das gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Feststellungsinteresse an der Klärung haben, ob die entsprechende Satzung unmittelbar geltendes Recht zwischen ihnen und den Beklagten setzt oder ob aus anderen Gründen eine entsprechende Vergütung zu zahlen ist. Von der Klärung dieser Frage hängt ab, zu welchen Vergütungsbedingungen die Kläger ihre Leistung erbringen können, solange ein Vertragsschluss hierüber zwischen den Beteiligten nicht zustandegekommen ist.
Das Begehren ist jedoch nicht begründet. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) schließen, soweit die Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes und anderer Krankentransporte nicht durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt werden, die Krankenkassen oder ihre Verbände Verträge über die Vergütung dieser Leistungen unter Beachtung des § 71 Abs. 1 bis 3 mit dafür geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen. Die auf § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (RettG NRW) vom 24.11.1992 (GV NRW S. 458/SGV NRW 215) beruhende Satzung der Stadt Bochum ist keine kommunalrechtliche Bestimmung in diesem Sinne (vgl. LSG NRW Urt. vom 09.08.1994 - L 5 (6) Kr 98/93 -; vgl. ferner BSG SozR 3-2500 § 133 Nr. 1 S. 4; § 60 Nr. 4 S. 21). § 15 RettG NRW, der die Kostenlast der öffentlichrechtlichen Träger des Rettungswesens regelt, ist im zweiten Abschnitt des RettG NRW aufgenommen worden. Auf dessen Bestimmungen fehlt im dritten Abschnitt, der die Notfallrettung und die Krankentransporte durch private Unternehmen zum Gegenstand hat, eine Bezugnahme. Damit sind die kommunalrechtlichen Gebührensatzungen, auf die § 15 Abs. 2 Satz 2 RettG NRW verweist, nicht entsprechend anwendbares Recht für die Vergütung der privaten Kranken- und Rettungstransportunternehmen.
Die Krankenkassen sind auch nicht verpflichtet, eine entsprechende Vergütungsvereinbarung mit letzteren Unternehmern zu treffen. § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt ausdrücklich, dass die Preisvereinbarungen sich an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten haben. Schon daraus folgt, dass nicht die Gebühren, die von einem öffentlich- rechtlichen Anbieter erhoben werden, der Maßstab für Vergütungsansprüche der privaten Unternehmer sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 133 Nr. 1 S. 8). Vielmehr hat der Gesetzgeber die Vereinbarungen der Leistungserbringer mit den Krankenkassen im vierten Abschnitt des SGB V (§§ 124 ff.) in das "freies Spiel der Kräfte" gestellt (BSG SozR 3-2500 § 125 Nr. 5, 7), so dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist, eine entsprechende angemessene Vergütung festzusetzen (BSG SozR 3-2200 § 376b Nr. 1 S. 5).
Lediglich bei einem krassen Mißverhältnis zwischen Leistung und Vergütung kann die Bestimmung Letzterer von Rechts wegen erforderlich werden (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BGHZ 86, 167, 169). Hierfür sind aber keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Nach der von den Klägern selbst vorgelegten Aufstellung der Vergütungssätze der privaten Kranken- und Rettungstransportunternehmen in Bochum und den anliegenden Städten liegen diese zwischen 39,88 Euro (Witten) und 60,50 Euro (Herne). Die den Klägern von den Beklagten gezahlte Vergütung liegt aber im oberen Bereich dieses Vergütungsrahmens. In Anbetracht des Umstandes, dass auch die anderen Unternehmer entsprechende Leistungen zu teilweise niedrigeren Vergütungssätzen erbringen, fehlt ein Hinweis dafür, dass es den Klägern unzumutbar ist, an den bisher vereinbarten Preisen festgehalten zu werden. Dass durch bestimmte wirtschaftliche Verfahrensweisen - z.B. die von den Klägern geltend gemachten sächlichen Ausstattungen bezogen auf den räumlichen Bereich (Verhältnis von Fahrzeugen zu dem zu versorgenden Gebiet) anderer Kranken- und Rettungstransportunternehmern - unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind, ist nicht geeignet, ein krasses Mißverhältnis zwischen Vergütung und angebotener Transportleistung zu belegen. Ob ein Unternehmen eine bestimmte Leistung wirtschaftlich erbringen kann, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Solange daher andere private Unternehmer, die zumindest teilweise - wie auch von der Klägerin eingeräumt wird - mit deren Unternehmen vergleichbar sind, zu entsprechenden Konditionen ihre Leistungen am Markt anbieten, lässt sich ein entsprechendes Mißverhältnis, das ein Eingreifen der Gerichte erforderlich machte, nicht feststellen. Allerdings liegen die den Klägern für Rettungstransporte gezahlten Preise deutlich unter denjenigen anderer privater Unternehmen in den Gebieten von Gladbeck und Gelsenkirchen. Jedoch unterschreitet auch die diesen Unternehmen gezahlte Vergütung deutlich die von den Klägern geforderten Gebührensätze der öffentlichrechtlichen Träger. Zum andern lässt die lediglich an zwei Standorten gezahlte höhere Vergütung keinen Rückschluss auf ein bei den Klägern bestehendes krasses Mißverhältnis der Vergütung zu, zumal letztere nicht einmal - bezogen auf ihre Unternehmen - das behauptete wirtschaftliche Mißverhältnis in irgendeiner Weise konkretisiert haben.
Den Klägern steht auch kein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Vergütungshöhe gemäß §§ 315, 316 BGB zu. Diese Vorschriften, die eine einseitige Vergütungsbestimmung durch den Leistenden regeln, finden im Recht der Leistungserbringer gemäß §§ 124 ff. SGB V keine Anwendung (BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S. 4). § 133 Abs. 1 SGB V stellt die Vereinbarung über die Vergütung in die Vertragsautonomie der Kranken- und Rettungs- Transportunternehmer und Krankenkassen. Es entfiele aber jeglicher Anreiz zum Abschluss entsprechender Verträge, wenn ohne diese eine der Parteien ihre Preise einseitig durchsetzen könnte (BSG a.a.O.; BSG SozR 3-2500 § 125 Nr. 7 S. 26). Die Gebührensätze der Stadt Bochum für die Inanspruchnahme von Kranken- und Rettungstransporten der Feuerwehr sind auch nicht die von den Klägern zu beanspruchende Vergütung i.S.d. § 612 BGB oder des § 812 BGB. Ob sich der Vergütungsanspruch der Leistungserbringer bei einer fehlenden vertraglichen Preisvereinbarung nach ersterer Vorschrift - hier aufgrund des jeweiligen Beförderungsvertrages - (vgl. dazu Urteil des Senats vom 22.04.2004 - L 16 KR 270/02 -) oder allein nach Bereicherungsrecht - Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB - (vgl. BSG Urt. vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -; BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S. 5) richtet, kann letztlich dahinstehen. Da die Gebührensätze der Stadt Bochum entsprechend obigen Ausführungen keine allgemeine Taxe i.S.d. § 612 Abs. 2 BGB (vgl. dazu Schaub, Münchener Kommentar, 3. Aufl., Rdn. 192 zu § 612) sind, ist nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung maßgeblich. Dies ist die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen an dem betreffenden Ort mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährte Vergütung (Putzo in Palandt, Kommentar zum BGB, 63. Aufl., Rdn. 8 zu § 612). § 818 Abs. 2 BGB stellt im Bereicherungsrecht auf den objektiven Verkehrswert des Erlangten ab (BGHZ 55, 128, 135; 82, 299, 307 f.). Dies sind aber ebenfalls die Vergütungssätze, die üblicherweise von den Krankenkassen für vergleichbare Leistungen gezahlt werden (vgl. BSG Urt. vom 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -). Im Gebiet der Stadt Bochum sind außer den Klägern keine anderen privaten Kranken- und Rettungstransportunternehmen zugelassen. Die entsprechende Zulassung erfolgt gemäß §§ 18 Abs. 2, 22 RettG NRW auch nur ortsbezogen. Gleichwohl kann nicht auf die an dem jeweiligen Ort gültige öffentliche Gebührensatzung abgestellt werden, auch wenn die Beklagte bei Weigerung der Kläger zur Leistungserbringung aufgrund der Inanspruchnahme der Feuerwehr entsprechenden Zahlungsverpflichtungen unterliegt. Deren Dienstleistungen sind nämlich nicht i.S.d. §§ 612 Abs. 2, 818 Abs. 2 BGB mit den von den Klägern angebotenen Transporten vergleichbar (a.A. wohl LG Köln, Urt. vom 25.09.1998 - 81 O (Kart.) 104/97 -; LG Mannheim, Urt. vom 03.04.1992 - 7-O-140/91 - (Kart.); OLG Karlsruhe, Urt. vom 10.02.1993 - 7 O 140/91 - -Kart.-). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW sind die Kreise und kreisfreien Städte als Träger des Rettungsdienstes verpflichtet, die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung einschließlich der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst und des Krankentransports sicherzustellen. Sie haben Leitstellen und Rettungswachen vorzuhalten (§§ 8, 9 RettG NRW). Damit haben die öffentlichen Träger umfassende hoheitliche Aufgaben im Bereich des Kranken- und Rettungstransportes wahrzunehmen, welche durch die entsprechenden Gebührensätze abzugelten sind, so dass es an einer Vergleichbarkeit mit den Leistungen der privaten Unternehmer fehlt. Selbst bei gegenteiliger Ansicht stünde § 133 Abs. 1 SGB V einer Gleichbehandlung entgegen. § 69 Satz 3 SGB V ordnet die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB nur insoweit an, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem vierten Kapitel (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) des SGB V vereinbar sind. § 133 Abs. 1 SGB V sieht für den Fall fehlender landesrechtlicher oder kommunalrechtlicher Bestimmungen allein eine individualrechtliche Vertragslösung vor. Dieses Regelungssystem würde aber unterlaufen, wenn über §§ 612, 812, 818 BGB die von den Klägern geforderte Einbeziehung der einseitig festgelegten öffentlichrechtlich Gebührensätze Gültigkeit hätten, so dass auch insoweit die Bestimmungen der §§ 612 Abs. 2, 818 Abs. 2 BGB einer einschränkenden Anwendung bedürften. Im Übrigen sind die Krankenkassen zur Vergütung der öffentlichrechtlichen Träger nach den entsprechenden Vergütungssätzen dann nicht verpflichtet, wenn die Leistungserbringung, gemessen an den rechtlich vorgegebenen Sicherstellungsverpflichtungen, unwirtschaftlich ist (§ 133 Abs. 2 Nr. 3 SGB V).
Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Mit Inkrafttreten der geänderten Fassung des § 69 SGB V zum 01.01.2000 findet das GWB im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Anwendung mehr (BSG SozR 3-2500 § 69 Nr. 1 S. 9 m.w.N.; a.A. Engelmann NZS 2000, 213). Darüber hinaus besteht infolge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.03.2004 - C 264/01 - (vgl. u.a. Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl. - 2004, S 555 ff.) kein Anlass mehr, die Krankenkassen, soweit sie, wie hier, unentgeltliche Sozialversicherungsleistungen ihren Mitgliedern ohne Gewinnerzielungsabsicht zugute kommen lassen, als Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne zu qualifizieren. Daher ist auch die kartellrechtliche Rechtsprechung des BGH insoweit als überholt anzusehen.
Die Ablehnung der Ansprüche der Kläger verletzt diese schließlich nicht in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist schon deshalb nicht betroffen, weil öffentlichrechtliche Träger und private Unternehmen des Kranken- und Rettungstransportgewerbes unterschiedliche Leistungen anbieten, wie bereits dargelegt worden ist, so dass eine einheitliche Vergütung nicht geboten ist.
Art. 12 Abs. 1 GG, der allen Deutschen das Recht gewährt, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben, schützt auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln (BVerfGE 50, 290, 363 f.; 101, 131, 347; 102, 197, 212 f.). Dieses Recht billigt § 133 Abs. 1 SGB V den privaten Unternehmen zu, auch wenn aus Gründen der Beitragssatzstabilität Einschränkungen vorgesehen sind. Soweit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Verbot einseitiger Subventionierung bestimmter Unternehmen zu folgern ist (vgl. Gubelt, in von Münch/Kunig, Kommentar zum GG, 5. Aufl., Rdn. 93 zu Art. 12), beinhaltet die Zahlung der höheren Gebührensätze an die Feuerwehr der Stadt Bochum bei deren Inanspruchnahme keine unzulässige Subvention in diesem Sinne. Zum einen bestimmen die Krankenkassen die entsprechenden Gebührensätze nicht, sondern ihnen steht lediglich ein Anhörungsrecht zu (§ 14 Abs. 2 RettG NRW). Zum anderen rechtfertigt sich die unterschiedliche Vergütung aus den bereits dargelegten Unterschieden bezüglich des Vorhalts der Rettungseinrichtungen sowie der daraus folgenden differenzierten wirtschaftlichen Kalkulationsgrundlage.
Die Berufung der Kläger war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 01.01.2002 gültigen Fassung i.V.m. § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO), § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 12.08.2004
Az: L 16 KR 81/03
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