Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. April 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 72/06

(BPatG: Beschluss v. 02.04.2009, Az.: 30 W (pat) 72/06)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamts vom 24. März 2005 und vom 9. März 2006 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung dadurch teilweise zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet worden ist die Buchstabenfolge RSV.

Nachdem das Vorliegen von Schutzhindernissen für einen Teil der Waren verneint und das Warenverzeichnis im Beschwerdeverfahren eingeschränkt worden ist, sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens noch folgende Waren:

"9: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, elektrische, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungsund Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte;

12: Motoren für Landfahrzeuge, Kraftfahrzeuge; Teile von Kraftfahrzeugen, ausgenommen Reifen, Windschutzscheiben und Felgen".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamts hat -auf der Grundlage des seinerzeit maßgeblichen Warenverzeichnisses -die Anmeldung im Ergebnis wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen. Zwar lasse sich -wie im Erinnerungsbeschluss ausgeführt -nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass es sich bei RSV um die Abkürzung einer beschreibenden Angabe handele. Im Kfz-Bereich sei die Verwendung von Buchstabenfolgen als Typenbezeichnungen indessen häufig anzutreffen; das gelte hier für die Buchstabenverbindung "RS" sowie für den Buchstaben "V".

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen die Gesamtmarke RSV für schutzfähig, weil sie bezüglich der beanspruchten Waren keinen beschreibenden Sinngehalt beinhalte. Nach einem Zwischenbescheid des Senats hat sie zur Klarstellung ein geändertes Warenverzeichnis eingereicht.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit darin die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses Erfolg; es kann nicht festgestellt werden, dass die Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 N. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.

1. Es sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr 2 MarkenG rechtfertigen könnten. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Es ist nicht, jedenfalls nicht ohne weitere gedankliche Überlegungen, erkennbar, welches Merkmal der noch beanspruchten Waren durch die Bezeichnung RSV beschrieben werden soll. Dies gilt selbst dann, wenn man die Buchstabenkombination RSV als Abkürzung für "Restschuldversicherung" versteht, was bei den beanspruchten Waren der Klassen 9 und 12 schon nicht nahe liegt. Zwar mögen diese Produkte gelegentlich durch Kreditaufnahme in Verbindung mit einer Restschuldversicherung erworben werden, was im Übrigen auch für eine unübersehbare Vielzahl sonstiger Waren gelten wird. Dass sie durch Kreditaufnahme erworben werden könnten, ist indessen kein Merkmal der Waren als solche. Es ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass diese Waren, die gerade keine Produkte für den Restschuld-Versicherungsbetrieb sind, nach ihrer Art, technischen Ausrichtung, Ausstattung o. Ä. irgendwie so speziell auf die Bedürfnisse des Betriebs eines Restschuldversicherers zugeschnitten sein können, dass man sie z. B. "Restschuldversicherungs - Apparate" nennen würde oder die Bezeichnung RSV als unmittelbare Angabe über die Eignung oder Bestimmung dieser Waren verstehen könnte. Dies gilt ähnlich auch für die beanspruchten Geräte u. a. Datenverarbeitungsgeräte und Computer. Zwar handelt es sich hierbei um Waren, die für die Verwendung im Betrieb eines jeden Versicherungsunternehmens verwendet werden. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass es -im Gegensatz zu entsprechender Software -Datenverarbeitungsgeräte oder Computer gibt, die speziell für die Bedürfnisse eines Restschuldversicherers konstruiert oder ausgerüstet sind. Vielmehr geht der Verkehrsteilnehmer davon aus, dass die Aufgaben eines solchen Unternehmens mit den gleichen Servern und PCs bewältigt werden, die auch in jedem anderen Unternehmen eingesetzt werden können. Entsprechendes gilt für die Waren der Klasse 12.

Soweit im Erstbeschluss des Patentamts darauf Bezug genommen ist, dass es sich bei RSV im angloamerikanischen Sprachraum z. B. nach Angaben in Abkürzungsverzeichnissen um die Abkürzung des Begriffs "Research Safety Vehicle/Vessel" handle, steht einem Verständnis in diesem Sinn entgegen, dass die Verwendung der Buchstabenfolge in diesem Sinn soweit ersichtlich nicht gebräuchlich ist. Auf diese Bedeutung ist der Erinnerungsbeschluss auch nicht gestützt.

Damit kommt die angemeldete Bezeichnung für die noch maßgeblichen Waren nicht als ernsthafte Merkmalsbezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Betracht.

2. Die angemeldete Marke verfügt auch über die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) -EUROHYPO; GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 48) -Henkel; GRUR 2003, 514, 517 (Nr. 40) -Linde, Winward u. Rado; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) -VISAGE; GRUR 2008, 71, 73 (Nr. 23) -Fronthaube). Die Unterscheidungskraft ist hierbei zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 67) -EUROHYPO; a. a. O. (Nr. 50) -Henkel; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 24) -SAT.2; BGH a. a. O. (Nr. 13) -VISAGE), wobei es auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen ankommt (vgl.

u. a. EuGH GRUR Int. 2006, 226 (Nr. 25) -Standbeutel; BGH a. a. O. (Nr. 13) -VISAGE).

Hiervon ausgehend besitzt eine Wortmarke insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihr die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 56 ff.) -EUROHYPO; GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 81 u. 86) -Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 19) -BIOMILD; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18 f.) -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2005, 417, 419 -BerlinCard; GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten -Schlechte Zeiten). Buchstabenverbindungen ohne Wortcharakter fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft insbesondere dann, wenn sie gebräuchliche und für die angesprochenen Verbraucher verständliche Abkürzungen beschreibender Angaben darstellen (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 8. Aufl. § 8 Rdn. 106 m. w. N.).

Wie bereits oben ausgeführt, wird die Marke RSV von den angesprochenen Verkehrskreisen auf den hier maßgeblichen Warengebieten nicht als naheliegende, ernsthafte Bezeichnung irgendeines Warenmerkmals verstanden. Weder konnte ihr damit ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Dass, wie im Erinnerungsbeschluss ausgeführt, die Buchstabenverbindung "RS" sowie der Buchstabe "V" im Kfz-Bereich vorkommen, ist dabei nicht entscheidend; maßgeblich ist allein die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit. Insoweit hat der Senat allerdings ermittelt, dass RSV -ohne Angabe einer Bedeutung -im Zusammenhang mit Windschutzscheiben herstellerübergreifend Verwendung findet. Diesem Sachverhalt hat die Anmeldung indessen dadurch Rechnung getragen, dass sie solche Waren aus dem Warenverzeichnis ausgenommen hat. Dass die Buchstabenfolge RSV in ihrer Gesamtheit -über den Bereich der Windschutzscheiben hinaus, wie oben ausgeführt -verwendet wird, hat der Senat nicht feststellen können.

Damit verfügt die angemeldete Marke über die Eignung, auf die betriebliche Herkunft der hier noch maßgeblichen Waren hinzuweisen. Ihr kann daher nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Die Beschwerde hat daher Erfolg.

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BPatG:
Beschluss v. 02.04.2009
Az: 30 W (pat) 72/06


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