Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 6. Mai 2016
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 2/16
(BGH: Beschluss v. 06.05.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 2/16)
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. September 2015 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beklagte hat durch Bescheid vom 26. Mai 2015 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Der Anwaltsgerichtshof hat diesen Bescheid aufgehoben. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); die Aufhebung des Widerrufsbescheids ist zu Recht erfolgt.
a) Der Anwaltsgerichtshof hat einen Vermögensverfall des Klägers bei Erlass der Widerrufsverfügung verneint. Nach den Urteilsfeststellungen ist es in der Vergangenheit zwar immer wieder zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen, er hat die entsprechenden Forderungen jedoch regelmäßig reguliert. Ein Insolvenzverfahren wurde kurzfristig beendet, nachdem das betreibende Finanzamt M. die aufgrund von Schätzungen ergangenen Be- scheide wieder aufgehoben hat. Soweit die Beklagte den Widerspruchsbescheid darauf gestützt hat, dass es nach Auskunft des Finanzamts nach Einstellung des Insolvenzverfahrens erneut zu Steuerbescheiden aufgrund von Schätzungen gekommen sei, die Kontenpfändungen ausgelöst hätten, hat der Anwaltsgerichtshof diese nicht als erwiesen angesehen.
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Beurteilung bestehen nicht. Es kann dahinstehen, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids Kontenpfändungen seitens des Finanzamts M. ausgebracht waren. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten vorgebracht, in der mündlichen Verhandlung selbst mehrere Schreiben des Finanzamts M. vom 23. September 2015 vorgelegt hätte, wonach Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aufgehoben worden seien, wäre damit noch nicht belegt, dass er sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall befunden hat. Der Kläger hat das Bestehen einer Steuerschuld bestritten. Angesichts der Aufhebung früherer auf Schätzung beruhender Steuerbescheide und des Erlasses neuer Steuerbescheide, die zu Guthaben für den Kläger geführt haben, ist allein das - erneute - Bestehen einer vollstreckbaren Steuerschuld zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids kein ausreichendes Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Klägers, zumal die fraglichen Kontenpfändungen vom Finanzamt offenbar zeitnah aufgehoben worden sind. Auch in Zusammenschau mit den vom Anwaltsgerichtshof erörterten früheren Vollstreckungsmaßnahmen wären hier durch eine zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids vollstreckbare Steuerschuld angesichts der Besonderheiten des Falles ungeordnete Vermögensverhältnisse nicht bewiesen. Es gibt keinen hinreichenden Nachweis dafür, dass der Kläger zur Erfüllung der bekannt gewordenen Forderungen "ein Loch unter Aufreißung eines anderen stopfte" und nur so seinen Verpflichtungen nachkommen konnte.
c) Darauf, ob sich ein Vermögensverfall aus nach dem Widerruf eingeleiteten weiteren Vollstreckungsverfahren ableiten lässt, kommt es, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, nicht an (so schon nach früherer Rechtslage Senatsbeschlüsse vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, Rn. 12 juris; vom 2. Juli 2007 - AnwZ (B) 59/06, Rn. 7 juris; vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 20/08, Rn. 14 juris).
2. Die Beklagte hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Sie beruft sich auch nicht explizit auf einen Verstoß gegen § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
a) Die Beklagte macht pauschal geltend, dass der Anwaltsgerichtshof den Amtsermittlungsgrundsatz nicht hinreichend berücksichtigt habe. Es fehlt insoweit eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände konkret Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären, auf deren Grundlage ein Vermögensverfall anzunehmen gewesen wäre (vgl. BVerwG, NJW 1997, 3328; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e Rn. 82). Der in § 86 Abs. 1 VwGO niedergelegte Untersuchungsgrundsatz verpflichtet den Anwaltsgerichtshof nicht, seinerseits durch Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Klägers erst eine Grundlage für den Widerrufsbescheid der Beklagten zu schaffen.
b) Der Anwaltsgerichtshof war - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht verpflichtet, ihr Hinweise zum Fehlen eines Beweises für das Vorliegen eines Vermögensverfalls im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu erteilen. Da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids nicht in einem Insolvenzverfahren befand und nicht im Verzeichnis des Vollstreckungsgerichts gemäß § 882b ZPO eingetragen war, musste ihm der Vermögensverfall nachgewiesen werden. Wie der Anwaltsgerichtshof die Beweislage beurteilen würde, musste er nicht vorab bekannt geben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Roggenbuck Seiters Kau Wolf Vorinstanzen:
AGH Hamm, Entscheidung vom 25.09.2015 - 1 AGH 30/15 -
BGH:
Beschluss v. 06.05.2016
Az: AnwZ (Brfg) 2/16
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