Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 9. Juni 2010
Aktenzeichen: 2a 0 268/09
(LG Düsseldorf: Urteil v. 09.06.2010, Az.: 2a 0 268/09)
Tenor
I.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken oder im privaten Verkehr die Internetseite www.xxx zu verwenden.
II.
Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber der X e. G. in Frankfurt in die Löschung der Domain „X“ einzuwilligen und gegenüber der X e. G. sowie dem zuständigen Serviceprovider die hierzu erforderlichen Willenserklärungen abzugeben.
III.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Bei der Klägerin handelt es sich um die deutsche Vertriebsgesellschaft eines international operierenden israelischen medientechnischen Konzerns. Sie ist im Internet unter der Domain X präsent (und bietet Lösungen im Bereich Video-, Audio- und Computersignal-Management an).
Der Beklagte war in der Zeit vom 28.05.2006 bis zum 31.05.2007 bei der Klägerin als "Customer Service Engineer" mit den Aufgaben als Servicetechniker und Vertriebsangestellter beschäftigt.
Im April 2006 ließ der Beklagte die Domain X auf seinen Namen eintragen. Nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Klägerin nutzte dieser die Domain für eigene Zwecke weiter. So stellte er auf der Internetpräsenz zwischenzeitlich Hintergründe zu seinem Ausscheiden dar und wies auf die Gründung eines eigenen Unternehmens im Bereich der Herstellung, Entwicklung und des Vertriebs von X Videoprodukten sowie darauf hin, dass unter einer ebenfalls genannten E-Mail-Adresse eine aktuelle Preisliste der Produkte angefragt werden kann.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.03.2009 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen Verletzung ihres Namensrechtes und wettbewerbswidrigen Verhaltens ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte entfernte die auf der Homepage wiedergegebene Darstellung zu seinem Ausscheiden aus der Klägerin und erklärte später, er werde entsprechende Inhalte zukünftig nicht mehr veröffentlichen. Die Unterlassungserklärung unterzeichnete er jedoch nicht.
Die Klägerin behauptet, dass die Registrierung der Domain kramergermany.de auf den Namen des Beklagten ohne ihre Kenntnis erfolgt sei. Vielmehr sei vereinbart gewesen, dass die vom Beklagten vorgeschlagene Registrierung auf ihren Namen erfolgen solle. Der Beklagte habe ihr vorgetäuscht, dass die Domain ihr zustünde und die Rechte insoweit gesichert seien. Die Klägerin behauptet weiter, dass der Beklagte unter der Internetadresse X vorübergehend ihr markenrechtlich geschütztes Logo verwendet habe.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er habe in der Gründungsphase der Klägerin mit deren Handlungsbevollmächtigten über einen passenden Firmennamen nachgedacht. In diesem Zusammenhang habe er den Namen "X" vorgeschlagen. Der Handlungsbevollmächtigte habe den Namen dann an die Firmenzentrale in Israel weitergeleitet, wo entschieden worden sei, fortan unter diesem Namen zu firmieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
I.
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 2, 4 MarkenG, §§ 12, 823, 1004 Abs. 1 (analog) BGB.
1. Nach §§ 5 Abs. 2, Satz 1, 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG kann der Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung denjenigen auf Unterlassung in Anspruch nehmen, der die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise nutzt, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die Klägerin ist Inhaberin der geschäftlichen Bezeichnung "X". Sie verfügt über ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Dies folgt nicht nur daraus, dass sie unter diesem Namen firmiert, sondern auch daraus, dass sie mit E-Mail vom 27.04.2006 unter dieser Bezeichnung aufgetreten ist, um gegenüber Geschäftspartnern auf die Gründung der X GmbH hinzuweisen. Denn eine von Haus aus unterscheidungskräftige Kennzeichnung erlangt schon dadurch Schutz nach § 5 MarkenG, dass sie im Inland in einer Weise im geschäftlichen Verkehr in Gebrauch genommen wird, die auf den Beginn einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt (BGHZ 120, 103, 107 - Columbus; BGH, Urt. v. 2.4.1971 - I ZR 41/70, GRUR 1971, 517, 519 - Swops; BGHZ 75, 172, 176 - Concordia; BGH GRUR 1997, 903, 905 - GA-RONOR).
Auch hat der Beklagte die Domain im geschäftlichen Verkehr benutzt. Es hat sich wirtschaftlich betätigt, indem er auf der unter X abrufbaren Internetseite die Gründung eines eigenen Unternehmens zur Herstellung, Entwicklung und Vertrieb von X Videoprodukten sowie darauf hingewiesen hat, dass unter einer ebenfalls genannten E-Mail-Adresse eine aktuelle Preisliste der Produkte angefragt werden kann.
Die Beurteilung, ob Verwechslungsgefahr i.S.d. § 15 Abs. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens des Klägers und der Nähe der Unternehmensbereiche (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 19.7.2007 - I ZR 137/04, GRUR 2007, 888 Tz. 15 = WRP 2007, 1193 - Euro Telekom). Soweit eine durch Verwendung einer Domain begründete Verwechslungsgefahr in Rede steht, gilt es zu beachten, dass der Gesamteindruck eines Domainnamens regelmäßig durch die Second-Level-Domain bestimmt wird (BGH, GRUR 2005, 262, 263 - soco.de; LG Düsseldorf, GRUR 1998, 159, 161 - EPSON). Top-Level-Domains so wie etwa die in Deutschland übliche Endung ".de" können vernachlässigt werden, da der Verkehr ihr lediglich funktionale Bedeutung beimisst (BGH, Urt. v. 22.07.2004 - I ZR 135/01, Tz. 19 - soco.de). Gleiches gilt für die weiteren Bestandteile höherer Ordnung wie etwa "www." (Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck, Markengesetz, 8. Aufl., § 15 Rdn. 40). Für die Beurteilung der Branchennähe gelten grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze. Insoweit kommt es darauf an, welchen Inhalt die unter der Domain abrufbare Homepage aufweist (Hacker, a.a.O., Rdn. 51).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist Verwechslungsgefahr zu bejahen. Das Unternehmenskennzeichen "X" besitzt durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Weiter besteht Zeichenidentität zwischen diesem Kennzeichen und der in Rede stehenden Second-Level-Domain. Auch besteht große Ähnlichkeit der jeweiligen Unternehmensbereiche. Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt Lösungen im Bereich Video-, Audio- und Computersignal-Management, wohingegen der Beklagte nach seiner unter der Domain zwischenzeitlich abrufbaren Selbstdarstellung im Bereich Herstellung, Entwicklung und Vertrieb von X, also Audio- und Videoprodukten tätig ist. Angesichts der Zeichenidentität und der großen Branchennähe ist von einer Verwechslungsgefahr i.S.v. § 15 Abs. 2 MarkenG auszugehen.
Auch die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr ist gegeben. Denn selbst eine nur einmalige Kennzeichenverletzung begründet die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Diese kann grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung oder einen rechtskräftigen Unterlassungstitel ausgeräumt werden (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 31.7.2008 - I ZR 21/06, GRUR 2008, 1108 Tz. 23 - Haus & Grund III). Weder das bloße Versprechen, die angegriffene Handlung nicht erneut zu begehen, noch die Aufgabe der Betätigung, in deren Rahmen die Verletzung erfolgt ist, genügen, um die tatsächliche Vermutung zu widerlegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1999 - I ZR 90/97, GRUR 2000, 605, 608 - comtes/ComTel). Der Beklagte hat sich jedoch geweigert, die ihm von der Klägerin vorgelegte Unterlassungserklärung vom 04.03.2009 zu unterzeichnen.
Der damit gemäß §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 2, 4 MarkenG bestehende Unterlassungsanspruch ist allerdings auf die geschäftliche Nutzung der Domain im Zusammenhang mit verwechslungsfähigen Geschäftsfeldern begrenzt.
2. Soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag auch die private Nutzung der Domain bzw. die geschäftliche Nutzung der Domain außerhalb verwechslungsfähiger Geschäftsfelder begehrt, kann sie diesen Anspruch aber erfolgreich auf §§ 12, 823 1004 Abs. 1 (analog) BGB stützen.
Der Anwendbarkeit der bürgerlichrechtlichen Vorschriften steht nicht entgegen, dass der kennzeichenrechtliche Schutz in seinem Anwendungsbereich einem parallel dazu bestehenden möglichen Namensschutz aus § 12 BGB grundsätzlich vorgeht (vgl. BGHZ 149, 191, 196 - shell.de). Dieser Grundsatz besagt nämlich nicht, dass der Rückgriff auf den namensrechtlichen Schutz schlechthin ausgeschlossen ist. Vielmehr ist anerkannt, dass trotz bestehender Kennzeichenrechte, der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen herangezogen werden kann, die - weil außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der kennzeichnungsrechtlichen Verwechslungsgefahr - nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen (BGH, GRUR 2005, 430, 431 - mho.de; BGH, Urt. v. 24.4.2008, I ZR 159/05 Tz. 10 - afilias.de; LG Hamburg, NJW-RR 2007, 338 - bundesliag.de). Aus diesem Grund können namensrechtliche Ansprüche ergänzend geltend gemacht werden, wenn diese über etwaige bestehende kennzeichenrechtliche Ansprüche und damit über den Schutzbereich des Kennzeichens hinausgehen. Entsprechend hat der BGH in der Vergangenheit trotz eines bestehenden Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 5, 15 MarkenG die Geltendmachung eines auf § 12 BGB gestützten Anspruchs auf Löschung der Domain für möglich gehalten (vgl. BGH, Urt. v. 11.04.2002, Az. I ZR 317/99 Tz. 43 ff. - vossius.de, wo der Anspruch auf Löschung lediglich daran gescheitert ist, dass der Kläger an dem Domain-Namen keine wesentlich besseren Rechte als der Beklagte innehatte). Insofern muss auch der Anspruch auf Unterlassung der privaten Nutzung der Domain bzw. auf Unterlassung der geschäftlichen Nutzung der Domain außerhalb der verwechslungsfähigen Geschäftsfelder auf § 12 BGB gestützt werden können, stellt dieser doch gegenüber dem kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruch ein Mehr, bzw. gegenüber dem grundsätzlich auf § 12 BGB stützbaren Anspruch auf Löschung der Domain ein Weniger dar.
Nach § 12 BGB kann der berechtigte Namensträger gegen denjenigen vorgehen, der unbefugt den gleichen Namen gebraucht und dadurch das Interesse des Berechtigten an der Namensführung verletzt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Zu den nach § 12 BGB geschützten Namen gehört auch die Firma nach § 17 HGB sowie die Geschäftsbezeichnung i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG und kann auch von juristischen Personen geltend gemacht werden (vgl. Palandt, 68. Aufl., § 12 Rdn. 9 f.), so dass sich die Klägerin grundsätzlich auf den namensrechtlichen Schutz berufen kann.
Durch die Nutzung des Namens "X" als Domain verletzt der Beklagte auch das darauf bezogene Namensrecht der Klägerin. Insoweit stellt nicht erst die Nutzung der Domain, sondern schon die bloße Registrierung der geschützten Bezeichnung als Domain einen unbefugten Namensgebrauch i.S.d. § 12 BGB dar, der die Interessen der Klägerin rechtserheblich verletzt (vgl. BGH, GRUR 2002, 622 - shell.de; BGH, GRUR 2003, 897 - maxem.de; OLG Köln, WRP 2002, 244 - lottoprivat.de; Härting, Internetrecht, 3. Aufl., S. 305 m.w.N.).
Voraussetzung für eine unberechtigte Namensanmaßung ist zwar, dass durch den Gebrauch des gleichen Namens eine Zuordnungsverwirrung ausgelöst wird und dadurch schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden. Davon ist im vorliegenden Fall aber auszugehen. Für die Annahme einer Zuordnungsverwirrung reicht es nämlich bereits aus, dass der Dritte, der den geschützten Namen verwendet, als Namensträger identifiziert wird. Eine solche Identifizierung tritt auch dann ein, wenn der Dritte den Namen durch Nutzung als Domain namensmäßig verwendet, weil der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen Zeichens als Domain einen Hinweis auf den Namen des Betreibers des jeweiligen Internetauftritts sieht (OLG Hamm, MMR 2005, 381, 382; vgl. auch Härting, Internetrecht, 3. Aufl., S. 305 m.w.N.). Daneben werden durch diese Zuordnungsverwirrung auch schutzwürdige Interessen der Klägerin als Namensträgerin verletzt. Schon die Registrierung eines Namens unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain ".de" verletzt ein schutzwürdiges Interesse des Namensträgers, denn die Internetadresse kann nur einmal vergeben werden. Aus diesem Grund hat jeder Träger eines unterscheidungskräftigen Namens das berechtigte Interesse, dass niemand anderes unter der im Inland üblichen und meistverwendeten Top-Level-Domain ".de" auftritt (BGH, GRUR 2005, 430, 431 - mho.de; OLG Hamm, MMR 2005, 381, 382). Er braucht es nicht zu dulden, dass er auf Grund der Registrierung durch einen Nichtberechtigten von der Nutzung seines eigenen Namens ausgeschlossen wird (BGH, GRUR 2003, 897 - maxem.de).
Die Verwendung des als Firma und Unternehmenskennzeichen geschützten Namens der Klägerin durch den Beklagten erfolgt auch unbefugt, denn der Beklagte hat selbst keinerlei Rechte an dem Namen. Insbesondere stellt die Domain für sich kein schutzfähiges Namens- oder anderweitig schutzfähiges Recht dar (OLG Hamm, MMR 2005, 381, 382; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 15 Rdn. 37). Auch sonst kann der Beklagte nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären. Ein berechtigtes Interesse des Beklagten an dem Namen "X" ist nicht ersichtlich.
II.
Der Beklagte hat unabhängig von den hinterlegten Inhalten in die Löschung der Domain "X" einzuwilligen. Da die Registrierung der streitgegenständlichen Domain eine fortdauernde Störung der Namensrechte der Klägerin darstellen, sind die Voraussetzungen für einen Beseitigungsanspruchs aus §§ 823, 1004 analog BGB gegeben (vgl. BGH GRUR 2002, 622, 626 - shell.de).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: 50.000,00 EUR
LG Düsseldorf:
Urteil v. 09.06.2010
Az: 2a 0 268/09
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