Kammergericht:
Urteil vom 4. November 2005
Aktenzeichen: 14 U 21/04

(KG: Urteil v. 04.11.2005, Az.: 14 U 21/04)

Zu Frage, ob die von dem Vertreter eines Aktionärs abgegebene Erklärung zur Ausübung des Bezugsrechts bei Kapitalerhöhung wegen nicht ausreichend nachgewiesener Vollmacht entsprechend § 174 BGB zurückgewiesen werden kann, wenn sie zugleich mit der förmlichen Zeichnungserklärung abgegeben wird.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 10. November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 101 O 121/03 - wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des zweiten Rechtszuges haben der Kläger zu 1)

4 %, die Klägerin zu 2) 26 % und die Kläger zu 3) und 4) jeweils 35 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird gestattet, eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Hauptversammlung der Beklagten vom 06. Februar 2003 hatte eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten der bisherigen Aktionäre beschlossen. Die Kläger als Aktionäre der Beklagten wenden sich gegen die Ablehnung ihrer entsprechenden Zeichnungsscheine durch den Vorstand der Beklagten und verlangen Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der zurückgewiesenen Aktienzeichnungen. Die Kapitalerhöhung ist mittlerweile ohne Beteiligung der Kläger durchgeführt und nach Klagezustellung vom 20. August 2003 am 28. August 2003 im Handelsregister eingetragen worden.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Anträge der Parteien wird auf das am 10. November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin Bezug genommen.

Gegen dieses ihnen am 17. Januar 2004 zugestellte Urteil haben die Kläger mit einem am 12. Februar 2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf einen am 11. März 2004 eingegangenen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Mai 2004 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 19. Mai 2004 eingegangen.

Die Parteien haben im zweiten Rechtszug den Rechtsstreit in der Hauptsache wegen des ursprünglich auf Annahme der Zeichnungsscheine und Abschluss von Zeichnungsverträgen gerichteten Klageantrags zu 1 übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit der Berufung machen die Kläger geltend, die entsprechenden Kosten des Rechtsstreits seien der Beklagten aufzuerlegen. Die Kläger verfolgen im Übrigen den Feststellungsanspruch wegen einer Schadensersatzpflicht der Beklagten weiter.

Die Kläger halten ihren ursprünglichen Leistungsantrag zu 1 für zulässig und begründet. Frau Rechtsanwältin M... sei bereits durch die vorgelegten Vollmachtsurkunden wirksam bevollmächtigt gewesen, als sie am 08. April 2003 das Bezugsrecht ausgeübt und die Zeichnungsscheine übergeben habe. Die Ausübung des Bezugsrechts habe nicht mehr wirksam zurückgewiesen werden können, nachdem der Vorstand der Beklagten die Formulare der Zeichnungsscheine überreicht habe. Bei der Vertreterstellung der Rechtsanwältin M... sei auch zu berücksichtigen, dass sie schon zu früheren Zeitpunkten umfassend bevollmächtigt gewesen sei, die Beklagte dies akzeptiert habe und generell nicht von vollmachtlosem Handeln eines Rechtsanwalts ausgegangen werden dürfe. Ein Zurückweisungsrecht gegenüber den Zeichnungsscheinen habe nicht bestanden.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin - 101 O 121/03 - vom 10. 11. 2003 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen alle Schäden zu ersetzen, die ihnen aus der Verletzung ihrer Bezugsrechte durch die Beklagte im Zusammenhang mit der Durchführung der am 06. 02. 2003 beschlossenen Kapitalerhöhung entstanden sind beziehungsweise noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Eine Verletzung des Bezugsrechts der Kläger liege nicht vor. Diese hätten ihr Bezugsrecht nicht wirksam ausgeübt. Es gebe keine eigenen Aktien, deren Übertragung die Kläger verlangen könnten. Den Klägern sei auch kein Schaden entstanden. Es treffe sie zudem überwiegend eigenes Verschulden. Das Landgericht habe den beschränkten Umfang der vorgelegten Vollmachten richtig ausgelegt. Der Vorstand der Beklagten habe diese Vollmachten nicht akzeptieren dürfen. Nach Lage der Dinge hätte der Vorstand der Beklagten mit Rücksicht auf frühere Vollmachten und verschiedene nur für bestimmte Teilbereiche bevollmächtigte Vertreter der Kläger auch nicht von einer vorliegenden umfassend zur Zeichnung neuer Aktien berechtigenden Vollmacht ausgehen können. Dagegen hätten die Kläger nach der Zurückweisung der Zeichnungsscheine sofort Klarheit über den Umfang der Vollmacht schaffen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Berufungsgründe greifen hier nicht durch.

Deshalb tragen wegen des ursprünglichen Klageantrags zu 1 nach § 91 a Abs. 1 ZPO die Kläger unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen die anteiligen Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte war zum Abschluss der verlangten Zeichnungsverträge nicht verpflichtet.

Dabei ist im rechtlichen Ausgangspunkt von Folgendem auszugehen (vgl. zusammenfassend m. w. Nachw. Peifer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage 2005, § 186 Rnrn. 51, 40; § 186 Rn. 31):

17Die Aktiengesellschaft ist dem gesetzlichen Bezugsberechtigten gegenüber dazu verpflichtet, ihm neue Aktien zuzuteilen, wenn er innerhalb der Bezugsfrist sein Bezugsinteresse erklärt (ordnungsgemäße Bezugserklärung) und innerhalb der Durchführungsfrist eine korrekte Zeichnungserklärung abgibt. Bezugserklärung und förmliche Zeichnung nach § 185 AktG sind voneinander zu unterscheiden. Die Bezugserklärung ist einseitige Absichtserklärung. Die förmliche Zeichnungserklärung ist als Vertragsangebot hingegen rechtsgeschäftliche Willenserklärung und damit Bestandteil des evtl. Zeichnungsvertrages. Unter den Voraussetzungen der wirksamen Bezugsrechtsausübung und der wirksamen Zeichnung muss die Aktiengesellschaft die Zeichnungserklärung annehmen und dadurch den Zeichnungsvertrag zustande bringen. Unterlässt sie die Annahme, so ist die Verletzung des Bezugsrechts erfolgt, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen ist.

Die Kläger haben im vorliegenden Fall keinen Schadensersatzanspruch (§§ 823 Abs. 2 BGB, 186 AktG). Der Vorstand der Beklagten handelte nicht pflichtwidrig, als er die Annahme der präsentierten Zeichnungsscheine unter Zurückweisung des Bezugsrechts mit Schreiben vom 08. April 2003 wegen fehlenden Vollmachtsnachweises verweigerte.

Auf die Bezugserklärung als einer geschäftsähnlichen Handlung findet § 174 S. 1 BGB zumindest entsprechende Anwendung.

20Allerdings dürfte diese Bestimmung für die Zeichnungserklärung eines Aktionärs als einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung nicht gelten. Das ist aber nicht von Belang. Zwar waren hier gesonderte Absichtserklärungen über den Aktienbezug nach den Bezugsbedingungen nicht verlangt. Nach der entsprechenden Veröffentlichung im Bundesanzeiger (Anlage K 3) sollte das Bezugsrecht nur durch die fristgemäße Aktienzeichnung selbst ausgeübt werden. Damit aber konnte und sollte nicht die gesetzlich vorgegebene Unterscheidung zwischen der Rechtsgrundlage (Bezugsrecht) an sich und der Durchführung dieses Rechtes mittels Abgabe der Zeichnungsscheine aufgehoben werden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen konnte die Ausübung des Bezugsrechtes weiterhin z. B. entsprechend § 174 BGB zurückgewiesen werden. Die Ablehnung der Annahme der Zeichnungsscheine war bei rechtmäßiger Zurückweisung des Bezugsrechtes ebenfalls nicht pflichtwidrig, weil es für diese €Durchführungsmaßnahme€ dann an der Grundlage fehlte.

Die Voraussetzungen des § 174 S. 1 BGB lagen wegen des Bezugsrechtes hier vor. Die angefochtene Entscheidung beruht insoweit gemäß § 513 ZPO nicht auf einer unrichtigen Anwendung der §§ 133, 157 BGB. Die Vertragsauslegung des Landgerichts ist sachlich überzeugend. Der Senat sieht für eine andere Auslegung nach eigener Prüfung (BGH, NJW 2004, S. 2751ff.) keine überzeugenden Anhaltspunkte. Nach den hier fraglichen Vollmachten (Anlagen K 5a bis 5d) erteilten die Kläger jeweils €als Aktionär€ der Beklagten die Vollmacht an Frau Rechtsanwältin M... sie in €allen gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten€ zu vertreten, insbesondere an der Hauptversammlung am 06. Februar 2003 teilzunehmen und dort die Stimmrechte auszuüben. Das begründet schon dem Wortlaut nach keine globale Vollmacht, alle denkbaren Angelegenheiten auf dem Rechtsgebiet des Gesellschaftsrechts für die Kläger wahrzunehmen.

22Die Vollmacht bezieht sich u.a. durch das erwähnte Regelbeispiel des Stimmrechts allein auf den bestehenden Aktionärsstatus der Kläger. Ob dieser Status verändert oder nicht verändert werden kann, z.B. durch Bezugsrechtsausübung und Zeichnung oder Nichtzeichnung von neuen Aktien, ist dem Wortlaut nicht unmittelbar zu entnehmen. Das Landgericht ist deshalb zu Recht von der Auslegungsbedürftigkeit der schriftlichen Vollmachten ausgegangen. Es hat sodann mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, die Möglichkeit der Vertreterin der Kläger zur Ausübung der Bezugsrechte abgelehnt. Wer eine Vertretungsvollmacht in deutlichem Zusammenhang mit einer bevorstehenden Hauptversammlung erteilt, ermächtigt nicht auch zugleich zur Ausübung von dort etwa beschlossenen Bezugsrechten, die erhebliche weitere finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen können. Eine andere Handhabung der Parteien in der Vergangenheit haben die Kläger nicht dargelegt.

Der damit nicht hinreichend nachgewiesenen Bevollmächtigung der Rechtsanwältin M... kann auch entgegen der Auffassung der Kläger nicht der konkrete Ablauf der Geschehnisse am 08. April 2003 entgegengehalten werden. Die Beklagte hat durch die bloße Ausgabe der Zeichnungsscheine an Frau Rechtsanwältin M... weder die Ausübung des Bezugsrechtes in Vertretung für die Kläger akzeptiert, noch hat sie in schlüssiger Weise auf ihr Recht gemäß § 174 S. 1 BGB verzichtet. Nach dem Tatsachenvortrag der Kläger kann der Ausgabe der Zeichnungsscheine bei erst nachfolgender Zurückweisung der Bezugsrechte kein eigenständiger Erklärungsinhalt beigemessen werden. Nach den Bezugsbedingungen wurde das Bezugsrecht im Zusammenhang mit der Zeichnung ausgeübt. Die Prüfung der Voraussetzungen des Vorliegens der Bezugsrechte durfte aus einer verständigen Sicht aller Beteiligten auch erst bei vorliegenden Zeichnungsscheinen durchgeführt werden.

Wegen der damit nicht pflichtwidrigen Ablehnung des aktienrechtlichen Bezugsanspruches der Kläger ist auch die nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsklage nach den §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 AktG nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1,2 ZPO nicht zuzulassen. Denn der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, ebenso erfordern auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung nicht.






KG:
Urteil v. 04.11.2005
Az: 14 U 21/04


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