Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. Mai 2003
Aktenzeichen: I ZB 38/02
(BGH: Beschluss v. 22.05.2003, Az.: I ZB 38/02)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 30. Juli 2002 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers bei dem Landgericht Berlin vom 26. September 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 599,49 (= 1.172,50 DM) festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, die ebenso wie die Antragsgegnerin als InternetService-Provider tätig ist, hat wegen von ihr als irreführend angesehener Werbeangaben der Antragsgegnerin gegen diese vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die Antragsgegnerin hat hiergegen unter Anerkennung der Verfügung als endgültige Regelung und unter Verzicht auf die Einlegung eines weitergehenden Widerspruchs sowie auf die Rechtsbehelfe der §§ 926, 927 ZPO Kostenwiderspruch eingelegt. Das Landgericht hat hierauf die einstweilige Verfügung durch Urteil im Kostenpunkt dahingehend abgeändert, daß es die Kosten des Verfahrens gemäß § 93 ZPO der Antragstellerin auferlegt hat. Deren sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat die der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 570 DM festgesetzt. Er hat dabei eine Prozeßgebühr sowie eine Verhandlungsgebühr in nach dem Wert der Kosten (Wertstufe bis 4.000 DM) berechneter Höhe von jeweils 265 DM als erstattungsfähig angesehen.
Das Kammergericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gemäß deren Antrag die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 890,93DM) festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die -zugelassene -Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der diese die Wiederherstellung des vom Rechtspfleger des Landgerichts erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses erstrebt. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat neben der Prozeßgebühr und der Verhandlungsgebühr für das Widerspruchsverfahren auch eine 5/10-Prozeßgebühr nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens in Höhe von 100.000 DM als erstattungsfähig angesehen. Dementsprechend hat sich der Betrag der Kosten, die der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu erstatten sind, gegenüber der Kostenfestsetzung durch das Landgericht um 1.062,50 DM und -wegen des dadurch auch erhöhten Wertes der Kosten (Wertstufe bis 5.000 DM) -um nochmals 110 DM, insgesamt also um 1.172,50 DM auf 1.742,50 DM erhöht. Zur Begründung hat das Beschwerdegericht ausgeführt:
Das einem Rechtsanwalt erteilte Mandat, Kostenwiderspruch einzulegen, werde im Ausgangspunkt zwar von dem Interesse des Mandanten getragen, die Kostenlast von sich abzuwälzen. Die damit angestrebte (entsprechende) Anwendung des § 93 ZPO könne aber nur durch die Anerkennung der ergangenen Beschlußverfügung als endgültige Regelung erreicht werden. Der Verfahrensbevollmächtigte müsse sich deshalb auch mit dem Verfügungsanspruch befassen, um eine solche prozessuale Wirkung herbeizuführen. Die abzugebende Prozeßerklärung beziehe sich auf den Verfügungsanspruch in seinem vollen Umfang, weshalb als Gegenstandswert auch der volle Wert des Verfügungsverfahrens zugrunde zu legen sei. Allerdings bedürfe es beim Kostenwiderspruch keines förmlichen prozessualen Anerkenntnisses. Auch sei, um dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO zu genügen, keine umfassende Abschlußerklärung erforderlich. Für die Anwendung dieser Bestimmung hinreichend, aber auch notwendig sei der Verzicht des Schuldners auf sein Recht auf sachlichen Widerspruch nach § 924 ZPO. Dieser Verzicht entspreche gebührenrechtlich einem prozessualen Anerkenntnis i.S. des § 93 ZPO, bei dem der Prozeßbevollmächtigte im Regelfall die Prozeßgebühr nach dem vollen Wert des Klageanspruchs erhalte. Dies sei bei einer Verzichtserklärung, die bei einem Kostenwiderspruch zur Erreichung der entsprechenden Anwendung des § 93 ZPO notwendig sei, ebenfalls sachgerecht. Die Ermäßigung auf die halbe Prozeßgebühr gemäß § 32 BRAGO trage der Beschränkung des Widerspruchsverfahrens auf den Kostenausspruch hinreichend Rechnung.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung (vgl. OLG Oldenburg MDR 1977, 149; OLG Hamm JurBüro 1977, 1279 und JurBüro 1982, 267; OLG Schleswig MDR 1979, 763 = WRP 1979, 399; OLG Frankfurt a.M. JurBüro 1982, 283 = WRP 1982, 226 und JurBüro 1990, 1332; OLG Hamburg JurBüro 1985, 283; OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 1501; OLG Koblenz RPfleger 1986, 407; OLG München ZUM-RD 2002, 244; OLG Celle JurBüro 1988, 1499; OLG Köln JurBüro 1999, 244; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 40 Rdn. 8; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 32 BRAGO Rdn. 28; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rdn. 13, Stichwort "Kostenwiderspruch"; Jelinsky, JurBüro 1988, 1499; a.A. KG MDR 1985, 770; Swolana/Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 40 Rdn. 5) ist davon auszugehen, daß mit dem Kostenwiderspruch auf seiten des Antragsgegners keine 5/10-Prozeßgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens anfällt.
Für die Höhe der Prozeßgebühr ist der Gegenstandswert des Verfahrens entscheidend, auf das sich der dem Rechtsanwalt erteilte Prozeßauftrag bezieht. Der Auftrag an den Rechtsanwalt, gegen eine einstweilige Verfügung im Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, zielt aber ausschließlich auf die Abänderung der Kostenentscheidung ab. Daß die erstrebte Änderung den Verzicht auf eine weitergehende Anfechtung der einstweiligen Verfügung voraussetzt, ist für die gebührenrechtliche Beurteilung ohne Belang. Eine in der Beschränkung des Widerspruchs auf die Kostenentscheidung enthaltene Erklärung, die Entscheidung über den Verfügungsanspruch hinnehmen zu wollen und auf einen Widerspruch gegen die Sachentscheidung zu verzichten, betrifft allein den ursprünglichen Streitgegenstand. Der Sache nach enthält eine solche Erklärung lediglich einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht, ohne den der Schuldner die mit dem Kostenwiderspruch erstrebte Vergünstigung des § 93 ZPO nicht in Anspruch nehmen könnte. Die Prüfung, ob ein Widerspruch nur beschränkt auf die Kosten eingelegt werden soll, ist dem Widerspruchsverfahren vorgelagert. Sie ist, da sich der Anwalt nach dem ihm für den Kostenwiderspruch erteilten Auftrag nicht mit der Hauptsache des Verfügungsverfahrens zu befassen, sondern allein die Anfechtung der Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung zu betreiben hat, im Widerspruchsverfahren nicht gesondert zu vergüten (vgl. OLG Köln JurBüro 1999, 244; vgl. weiter OLG Oldenburg MDR 1977, 149; OLG Frankfurt a.M. JurBüro 1982, 283, 284; OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 1501; OLG Koblenz RPfleger 1986, 407 f.).
Unerheblich ist im übrigen, ob die Antragsgegnerin ihren Verfahrensbevollmächtigten im Streitfall zunächst ein uneingeschränktes Mandat erteilt hatte. Die den Verfahrensbevollmächtigten daraus erwachsene 5/10-Prozeßgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO wäre nicht erstattungsfähig; denn die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits dient, sind nicht als i.S. des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen (vgl. OLG Hamm JurBüro 1977, 1279, 1280 und JurBüro 1982, 267, 268 f.; OLG Hamburg JurBüro 1985, 283 f.; OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 1501 f.; OLG Koblenz RPfleger 1986, 407, 408; OLG Köln JurBüro 1999, 244; a.A. Gerold/ Schmidt/v. Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 32 Rdn. 15).
III. Danach war auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin der Beschluß des Beschwerdegerichts aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers bei dem Landgericht wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
BGH:
Beschluss v. 22.05.2003
Az: I ZB 38/02
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