Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 22. März 2013
Aktenzeichen: 6 W 42/13
(OLG Köln: Beschluss v. 22.03.2013, Az.: 6 W 42/13)
Tenor
I Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27.02.2013 teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arrestverfahren in Höhe eines Betrags von 3.721,00 EUR in der Hauptsache erledigt ist. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II Die Kosten des Verfahrens haben die Gläubigerin zu 57 % und die Schuldnerin zu 43 % zu tragen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache, nachdem die Gläubigerin das Arrestverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, teilweise Erfolg. Das Arrestgesuch der Gläubigerin war ursprünglich in Höhe einer Teilsumme von 3.721,00 EUR gerechtfertigt, hat seine Berechtigung jedoch in Folge der Rückkehr der Schuldnerin nach China verloren.
1. Der Gläubigerin stand gemäß § 916 Abs. 1 ZPO ursprünglich ein Arrestanspruch wegen und in Höhe eines Anspruchs von 3.479,52 EUR sowie auf 241,48 EUR zu veranschlagender Verfahrenskosten zu.
a) Soweit die Gläubigerin die Erstattung von Verfahrenskosten in Höhe von 1.845,70 EUR für die Durchführung des Verfügungs- und Arrestverfahrens 33 O 60/12 LG Köln geltend gemacht hat (der Anfall einer - statt einer Verfahrensgebühr - ausgewiesenen Geschäftsgebühr im Arrestverfahren ist nicht ersichtlich), war ihr Arrestgesuch allerdings von Anfang an nicht gerechtfertigt.
Angesichts des über diese Kosten am 07.03.2012 erwirkten, aber nicht vollzogenen Arrestbeschlusses vom 07.03.2012 erscheint bereits zweifelhaft, ob die Gläubigerin durch den späteren Verzicht auf die Rechte aus diesem Beschluss ein berechtigtes Interesse am Erlass eines erneuten Arrestbeschlusses begründet hat. Jedenfalls steht der Gläubigerin unter diesen Umständen insoweit kein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch aus den §§ 38 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GeschmMG zu. Durch einen solchen Anspruch dürfen die prozessualen Kostenregelungen nicht konterkariert werden (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 29. Auflage, vor § 91 Rn. 11; Schulz in: Münchener Kommentar, ZPO, 4. Auflage, Vorbemerkung zu den §§ 91 ff. Rn. 19).
Indem die Gläubigerin nach der Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung und dem Arrestbeschluss jeweils vom 07.03.2012 - 33 O 60/12 LG Köln - verzichtet hat, hat sie der Schuldnerin die Möglichkeit genommen, durch Rechtsbehelfe nach den §§ 924 Abs. 1, 927 Abs. 1 ZPO eine Kostenentscheidung zu Lasten der Gläubigerin zu erwirken. Unter diesen Umständen trifft die Gläubigerin gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB ein ihren materiellrechtlichen Schadensersatzanspruch auf Null minderndes Verschulden daran, dass sie ihre Kosten im einstweiligen Verfügungs- und Arrestverfahren nicht der Schuldnerin aufbürden kann. Dieser war in Anbetracht der gesetzlich vorgeschriebenen fristgerechten Vollziehung von einstweiliger Verfügung und Arrest zuzumuten, für die Zustellung der Schriftstücke in China - wie bei einer im Ausland ansässigen Partei üblich und nunmehr im Klageverfahren 33 O 131/12 LG Köln geschehen - weitere auf die Schuldnerin Antragsgegnerin abwälzbare Verfahrenskosten aufzuwenden. Wegen der verfahrensrechtlichen Versäumnisse der Gläubigerin ist die Geltendmachung eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs jedenfalls als unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB anzusehen.
b) Der von der Gläubigerin im Hinblick auf das Klageverfahren 33 O 133/12 geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 5.328,20 EUR war in Höhe eines Teilbetrags von 3.479,52 EUR gerechtfertigt.
Einem diesbezüglichen Arrestanspruch steht nicht entgegen, dass die Klageschrift der in China geschäftsansässigen Schuldnerin bislang nicht zugestellt worden ist. Ein künftiger prozessualer Kostenerstattungsanspruch kann im Fall des wahrscheinlichen Obsiegens des Gläubigers im Wege eines Arrests gesichert werden (vgl. Vollkommer in: Zöller a.a.O. § 916 Rn. 8; Drescher in: Münchener Kommentar a.a.O. § 916 Rn. 10; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Auflage, § 916 Rn. 7). Zwischen den Parteien ist zwar mangels Zustellung der Klageschrift noch kein Prozessrechtsverhältnis begründet worden (vgl. Greger in: Zöller a.a.O. § 253 Rn. 1). Die Gläubigerin hat jedoch durch die Einreichung der Klageschrift, Ermittlungen zum Geschäftssitz der Schuldnerin sowie die Einzahlung der angeforderten Übersetzungskosten alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen, damit die Zustellung der Klageschrift in China gelingen wird. Unter diesen Umständen erscheint es wahrscheinlich, dass die Rechtshängigkeit der Streitsache und damit die Grundvoraussetzung für die Entstehung eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs eintreten wird. Im Übrigen leitet die Gläubigerin ihren Anspruch auf Erstattung der für das Klageverfahren aufgewandten Kosten auch aus einem materiellrechtlichen Schadensersatzanspruch aus den §§ 38 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GeschmMG her, der im Fall des Scheiterns der Klagezustellung zum Tragen kommen kann.
Dass die Schuldnerin im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens bislang keine Gelegenheit zur Erwiderung auf die Klage hat, steht der Sicherung des künftigen prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht entgegen. Eine Anhörung des Gegners vor Erlass eines Arrestbeschlusses ist nach den §§ 922 Abs. 1 Alt. 2, 128 Abs. 4 ZPO nicht zwingend geboten und auch im vorliegenden Fall nicht angezeigt, da die Schuldnerin auf Grund der Abmahnung der Gläubigerin vom 02.04.2012 die Möglichkeit hatte, zu deren Begehren nach Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz Stellung zu nehmen.
Ein Arrestanspruch zur Sicherung der von der Gläubigerin aufgewandten Kosten für das Klageverfahren besteht indessen nicht in Höhe der veranschlagten 5.328,20 EUR, da die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht in vollem Umfang gerechtfertigt erscheinen. Allerdings ist - wie auch das Landgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren 33 O 60/12 angenommen hat - eine Verletzung des Geschmacksmusters 9803752-001 überwiegend wahrscheinlich. Demgegenüber kann von der Verletzung der drei weiteren angeführten Geschmacksmuster nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, da an Hand der vorgelegten Geschmacksmusterunterlagen und der eingereichten Katalogabbildungen jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt ein übereinstimmender Gesamteindruck (§ 38 Abs. 2 GeschmMG) der sich gegenüber stehenden Modelle nicht hinreichend ersichtlich ist. So ist die beim Geschmacksmuster 40200642-0001 ausgewiesene, am Bügelsägerahmen beidseitig über die Ecke hinweg verlaufende Kappe bei dem angegriffenen Bügelsägerahmen deutlich kleiner ausgestaltet und findet sich im Wesentlichen nur im Eckbereich. Zudem deutet die vorgelegte Abbildung darauf hin, dass das angegriffene Modell einen schmaleren und weniger schwungvoll ausgeformten Griff ohne markant abgesetzten Einsatz aufweist. Der Gesamteindruck des Geschmacksmusters 40101225-0002 wird dadurch mitgeprägt, dass der dunkelfarbige Griff die obere und untere Halterung gleichsam durchstößt, indem diese in der Draufsicht jeweils dunkelfarbige Einsätze ausweisen. Dass das angegriffene Produkt dieses Gestaltungsmerkmal aufweist, lässt sich aus der vorgelegten Abbildung nicht ersehen. Der durch das Geschmacksmuster 40005112-0001 geschützte Griff für eine Bügelsäge zeichnet sich durch eine farblich abgesetzte Umrandung sowie seine im unteren Bereich schwungvolle Aufteilung in zwei verschiedenfarbige Komponenten aus, deren Übernahme sich aus der vorgelegten Abbildung des angegriffenen Modells, das danach eher durchgehend einfarbig erscheint, nicht hinreichend deutlich ersehen lässt.
Demzufolge erscheint ein Obsiegen der Gläubigerin derzeit allein hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 1.a.) ausreichend wahrscheinlich. Jener Antrag, der die Verletzung eines nach Angaben der Gläubigerin wirtschaftlich bedeutsamen Geschmacksmusters betrifft, ist wie im einstweiligen Verfügungsverfahren 33 O 60/12 LG Köln mit einem Streitwert von 75.000,00 EUR zu bemessen. Die nach derzeitigem Erkenntnisstand wahrscheinlich nicht erfolgreichen Unterlassungsanträge zu 1.b.), 1.c.) und 1.d.) sind demgegenüber jeweils mit einem Streitwert von 25.000,00 EUR zu bewerten. Soweit die Gläubigerin für diese Unterlassungsanträge einschließlich der Annexanträge einen Streitwert von insgesamt 25.000,00 EUR veranschlagt hat, erscheint dieser für eine Geschmacksmusterstreitigkeit deutlich zu niedrig angesetzt.
Im Klageverfahren wahrscheinlich nicht obsiegen wird die Gläubigerin auch mit ihren Annexanträgen zu 2. und 3., die mit 1/5 des Unterlassungsstreitwerts von 150.000,00 EUR, mithin mit 30.000,00 EUR zu bewerten sind. Ein Auskunftsanspruch aus § 46 Abs. 1 GeschmMG setzt zur Vermeidung einer unzulässigen Ausforschung die Darlegung und den Nachweis einer konkreten Verletzungshandlung zumindest in einem Fall voraus (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 9 Rn. 4.11). Dass ein Vertrieb, über den die Gläubigerin Auskunft verlangt, bereits in zumindest einem Fall stattgefunden hat, hat diese jedoch nicht glaubhaft gemacht; sie geht insoweit selbst nur von einer Erstbegehungsgefahr aus. Aus dem Schadensersatzfeststellungsantrag der Gläubigerin ergibt sich nicht, dass der Schadensersatz an die Kapman AB als Geschmacksmusterinhaberin zu zahlen ist. Einer Lizenznehmerin wie der Gläubigerin steht aus den §§ 38 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GeschmMG jedoch auch im Hinblick auf § 31 Abs. 3 GeschmMG kein Anspruch auf Ersatz eigener Schäden zu (vgl. BGH GRUR 2007, 27 ff. - Windsor Estate; GRUR 2008, 614 Rn. 14 f. - ACERBON; GRUR 2012, 630 Rn. 49 ff. - CONVERSE II).
Soweit die Gläubigerin im Klageverfahren die Erstattung von Kosten für das einstweilige Verfügungs- und Arrestverfahren 33 O 60/12 LG Köln in Höhe von 2.829,70 EUR verlangt, ist ihr Zahlungsbegehren aus den unter Ziffer 1.a) dieses Beschlusses dargestellten Gründen ebenfalls nicht erfolgversprechend.
Bei einem Gesamtstreitwert von 182.829,70 EUR (die eingeklagten Abmahnkosten beeinflussen als Nebenforderung im Sinne der § 48 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO den Streitwert nicht) wird sich der künftige prozessuale Kostenerstattungsanspruch der Gläubigerin demzufolge nur auf 41 % der vorliegend geltend gemachten, sich dann auf 2.260,70 EUR belaufenden Verfahrensgebühr nebst 20,00 EUR Auslagenpauschale, der drei Gerichtsgebühren über eine Summe von dann 4.068,00 EUR sowie der angefallenen Übersetzungskosten von 980,00 EUR, mithin auf einen Betrag von 3.004,77 EUR belaufen.
c) Nach den vorstehenden Ausführungen sind die zur Erstattung verlangten Abmahnkosten in Höhe einer 0,65-fachen Geschäftsgebühr aus einem angemessen Gegenstandswert von 180.000,00 EUR zu einem Anteil von 42 % und damit in Höhe von 474,75 EUR gerechtfertigt.
d) Von dem geltend gemachten Arrestanspruch auf Kostenerstattung von 8.054,00 EUR war mithin nur ein Teilbetrag von 3.479,52 EUR gerechtfertigt. Demzufolge hat sich der Anspruch auf Erstattung der Kosten für das vorliegende Arrestverfahren nur auf 40 % der geltend gemachten 603,70 EUR, mithin auf 241,48 EUR belaufen.
2. Der anfänglich gegebene Arrestgrund des § 917 Abs. 2 ZPO ist, nachdem die Schuldnerin ihren Stand auf der in L stattfindenden Messe "Asia Pacific Sourcing Fair" nach Beendigung der Messe am 05.03.2013 geräumt hat und nach China zurückgekehrt ist, entfallen. Der Arrest dient nicht dazu, die Lage des Gläubigers gegenüber dem Vermögen des Schuldners zu verbessern, sondern nur dazu, ihre Verschlechterung zu verhindern (vgl. BGH NJW 1996, 321, 324; Vollkommer a.a.O. § 917 Rn. 9; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage, § 917 Rn. 1). Nachdem die Zugriffsmöglichkeit auf die auf der inländischen Messe vorhandenen Vermögensgegenstände der Schuldnerin entfallen ist und ein zu erlassender Arrestbeschluss im Ausland vollzogen werden müsste, stellt sich die Vermögenslage der Gläubigerin nunmehr nicht anders als bei einer Vollstreckung der Kostenentscheidung aus einem Urteil im Hauptsacheverfahren dar. Dass die Schuldnerin derzeit über Vermögenswerte in Deutschland verfügt oder in absehbarer Zeit Vermögen ins Inland schaffen wird, ist nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 9.000,00 EUR
OLG Köln:
Beschluss v. 22.03.2013
Az: 6 W 42/13
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