Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 4/05
(BPatG: Beschluss v. 15.02.2005, Az.: 33 W (pat) 4/05)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenabteilung 3.1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2004 aufgehoben.
2. Dem Markeninhaber wird Wiedereinsetzung in die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der Verlängerungsgebühr für die Marke 2 087 279 gewährt.
Gründe
I Die streitgegenständliche Marke ist am 12. Mai 1993 angemeldet und am 14. Dezember 1994 mit der damaligen Anschrift des Markeninhabers eingetragen worden.
Im Oktober 2003 hat das Deutsche Patent- und Markenamt - Dienststelle Jena - erfolglos versucht, dem Markeninhaber eine "Information über den Ablauf der Schutzdauer" an die eingetragene Anschrift formlos zu übersenden.
Mit Antrag vom 12. März 2004, eingegangen am selben Tag, hat der Markeninhaber durch inzwischen bevollmächtigte Vertreter beantragt, die Löschung rückgängig zu machen, hilfsweise gegen die Versäumung der Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe "in den vergangenen Tagen" telefonisch mit dem Amt Kontakt aufgenommen. Er sei im Jahr 2001 umgezogen. Als markenrechtlicher Laie habe er bisher keine Notwendigkeit gesehen, das Amt von seinem Umzug zu unterrichten. Nach den Informationen des Patentamts auf der Webseite www.dpma.de sei er auch davon ausgegangen, dass die Verlängerung seiner Marke erst 10 Jahre "nach der Eintragung" anstehe. Zum Beleg hierfür hat der Markeninhaber einen Ausdruck aus der Homepage des Patentamts vom 12. März 2004 vorgelegt, in dem es unter "FAQ - Häufig gestellte Fragen" heißt:
"...
Wann tritt der Schutz ein und wie lange kann das Schutzrecht bestehen€
Der Markenschutz tritt mit Eintragung der Marke in das amtliche Register ein. Die Schutzdauer beträgt zunächst 10 Jahre. Sie kann unbegrenzt um jeweils weitere 10 Jahre verlängert werden.
..."
Die Verlängerungsgebühr in Höhe von 600.-- € hat der Markeninhaber am 12. März 2004 entrichtet. Am 20. April 2004 sind weitere 50.-- € Zuschlag gezahlt worden.
Mit Beschluss vom 8. November 2004 hat die Markenabteilung 3.1. festgestellt, dass der Antrag auf Rückgängigmachung der Löschung gegenstandslos ist und zugleich den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr samt Zuschlag zurückgewiesen. Zur Begründung der Feststellung der Gegenstandslosigkeit führt sie aus, dass die Löschung der Markeneintragung gemäß § 47 Abs. 6 MarkenG im Register noch nicht vollzogen sei, sodass der Antrag auf Rückgängigmachung gegenstandslos sei.
Es könne offen bleiben, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung zulässig, insbesondere unter Nachholung der versäumten Handlung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 2, 4 MarkenG gestellt worden sei. Dies könne nicht festgestellt werden, da der Markeninhaber den Zeitpunkt, zu dem das für die Fristversäumung ursächliche Hindernis entfallen sei, nicht angegeben habe. Jedenfalls sei der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet. Ein im übrigen nicht glaubhaft gemachtes fehlerhaftes Verständnis der im Internet zur Verfügung gestellten Informationen des Patentamts könne ein Verschulden des Markeninhabers an der Fristversäumung nicht ausschließen. Es sei für den Markeninhaber zumutbar gewesen, sich die erforderliche Kenntnis über die Aufrechterhaltung des Schutzrechts zu verschaffen, wenn er keine anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollte. Hierfür habe es nicht genügt, sich auf "seine persönliche Auslegung einer mehr oder weniger eindeutig formulierten Kurzinformation zu verlassen", auch wenn diese der Webseite des Patentamts zu entnehmen gewesen sei. Gerade in Rechtsfragen seien "üblicherweise kompakt formulierte Antworten auf sog. FAQs nicht als rechtsverbindliche Belehrungen anzusehen", die die Hinzuziehung der einschlägigen Rechtsgrundlagen ersetzen könnten. Zudem besage die vom Markeninhaber in Bezug genommene Textpassage noch nichts über die Gebührenpflichtigkeit einer Schutzdauerverlängerung und folglich auch nichts über Gebührenhöhen und Zahlungsfristen. Für einen "gewissenhaften, seine Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Markeninhaber" seien auch deswegen weitere Recherchen geboten gewesen. Im übrigen sei aus weiteren Informationen innerhalb des Menüs "Informationen" der patentamtlichen Internetseite eindeutig zu entnehmen, dass die Schutzdauer mit dem Anmeldetag beginne bzw. die Laufzeit 10 Jahre ab dem Anmeldetag betrage. Außerdem sei der Markeninhaber bereits mit der Eintragungsurkunde über Beginn und Dauer des Markenschutzes informiert worden. Die Information des Amtes über den Ablauf der Schutzdauer sei lediglich eine Serviceleistung, so dass es - unabhängig von der Pflicht des Markeninhabers zur eigenverantwortlichen Überwachung der Zahlungsfristen und zur Aktualisierung seiner Zustellungsanschrift im Register - ebenfalls ohne Belang gewesen sei, dass er die Informationen nicht erhalten habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, mit der er sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ihn in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr für die Marke 2 087 279 wiedereinzusetzen.
Hilfsweise regt er an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Er ist der Auffassung, dass der Wiedereinsetzungsantrag zulässig und begründet ist. Insbesondere sei der Antrag rechtzeitig gestellt worden. Das für die Fristversäumung ursächliche Hindernis sei erst am 11. März 2004 entfallen. Ausgehend von den Informationen des Patentamts sei er davon ausgegangen, dass er erst im Frühjahr 2004 habe aktiv werden müssen. Daher habe er auch keinen Anlass gesehen, dem Patentamt seinen Umzug mitzuteilen. Vermutlich am 11. März 2004 habe er mit dem Patentamt telefoniert, wobei ihm die Problematik erst bewusst geworden sei. Unmittelbar danach habe er den Antrag auf Wiedereinsetzung stellen lassen.
Die Versäumung der Zahlungsfrist sei ohne sein Verschulden eingetreten. Zwar sei er für die Aktualisierung seiner Zustellungsanschrift im Register verantwortlich gewesen, auch habe es sich bei der Information des Patentamts über den Ablauf der Schutzdauer, die ihn nicht erreicht habe, um eine reine Serviceleistung gehandelt. Dennoch sei er seiner Pflicht nachgekommen, die gesetzlichen Zahlungsfristen zu überwachen und einzuhalten. Als markenrechtlicher Laie habe er sich auf die vom Patentamt selbst ins Internet gestellten Informationen verlassen. Die betreffende Auskunft sei jedoch missverständlich gewesen, sodass er sie falsch verstanden habe. Es sei auch nicht ersichtlich gewesen, dass die Angaben unvollständig seien oder durch weitere Recherchen auf Richtigkeit überprüft werden müssten. Daher sei er unverschuldet davon ausgegangen, das Schutzrecht bestehe mindestens bis Ende 2004. Das Patentamt habe offenbar selbst erkannt, dass die Formulierung an dieser Stelle unklar und missverständlich sei, da es den betreffenden Antworttext zwischenzeitlich geändert habe.
Zur Glaubhaftmachung versichert er eidesstattlich, die notwendigen Daten zur Verlängerung seiner Marke auf der Basis der Informationen des Patentamts im Internet aufgeschrieben und am 11. März 2004 entsprechende Formulare ausgedruckt und ausgefüllt zu haben. Auf seine Bitte hin habe ihn das Amt ein oder zwei Tage später zurückgerufen, als er den Betrag bereits überwiesen habe. Daraufhin habe er sogleich seine Bevollmächtigten informiert, die einen Tag später einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist begründet.
1. Der am 12. März 2004 gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig.
Insbesondere sind zu diesem Zeitpunkt die Schutzdauer der Marke (am 31. Mai 2003, § 47 Abs. 1 MarkenG) sowie die Fristen zur Zahlung der Verlängerungsgebühr ohne Zuschlag (am 31. Juli 2003, § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG) und mit Zuschlag (am 31. November 2003, § 7 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) abgelaufen. Hinsichtlich der Zahlungsfristen liegt daher in jeder Hinsicht ein Fristversäumnis vor.
Der Antrag ist auch innerhalb der Zweimonatsfrist des § 91 Abs. 2 MarkenG gestellt worden, da er innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden ist. Als Hindernis ist Unkenntnis bzw. Irrtum über die den Ablauf der Schutzdauer und die Zahlungsfristen regelnden gesetzlichen Bestimmungen geltend gemacht worden. Das Hindernis fällt weg, wenn es seine die Vornahme der Handlung hindernde Wirkung auf den Säumigen verliert, d.h. bei subjektiven Hindernissen, wenn die weitere Säumnis nicht mehr unverschuldet ist . Bei einem Irrtum über den Fristablauf kommt es darauf an, wann erstmals erneut Anlass zur Prüfung der Fristberechnung bestand (vgl. Busse-Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 123, Rdnr. 64).
Nach dem Inhalt seines Vorbringens und der zur Glaubhaftmachung eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Markeninhabers kommt, da ihm die "Information über den Ablauf der Schutzdauer" nachweislich nicht erreicht hat, der 11., spätestens der 12. März 2004 in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der bisher anwaltlich nicht vertretene Anmelder an seine jetzigen Vertreter gewandt, so dass er spätestens dann von ihnen instruiert worden sein muss. Im Übrigen ist dem Markeninhaber ab dem Zeitpunkt der Übernahme der Vertretung zugleich nach § 85 Abs. 2 ZPO die Kenntnis seiner Vertreter zuzurechnen. Der zeitgleich gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist daher fristgemäß gestellt worden.
Ebenso liegt die Nachholung der versäumten Handlung durch Zahlung der Gebühr (12.03.2004) und des Zuschlags (20.04.2004) innerhalb der Zweimonatsfrist.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch begründet. Durch Vorlage eines - vom Senat auf inhaltliche Richtigkeit überprüften - Auszugs aus der Homepage des Deutschen Patent- und Markenamts vom Frühjahr 2004 und Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung hat der Markeninhaber glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten.
Ohne Verschulden handelt, wer die übliche Sorgfalt aufwendet, deren Beachtung im Einzelfall nach seinen subjektiven Verhältnissen für ihn zumutbar ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 91, Rdnr. 16). Bei dem hier geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund eines Rechtirrtums bzw. mangelnder Kenntnis der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen (über Beginn und Ende der 10jährigen Verlängerungsfrist) ist zwar in der Regel ein strenger Maßstab anzusetzen. So soll jeder Verfahrensbeteiligte grundsätzlich verpflichtet sein, sich die Kenntnis über das Recht des Verfahrens zu verschaffen, an dem er sich beteiligen möchte, so dass Rechtsirrtum oder Gesetzesunkenntnis grundsätzlich keine Wiedereinsetzungsgründe darstellen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 91, Rdnr. 13; Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 123, Rdnr. 129). Diese hohen Anforderungen sind jedoch auf einen nicht anwaltlich vertretenen Einzelanmelder nur eingeschränkt anwendbar. Von ihm kann die detaillierte Kenntnis der Bestimmungen nicht erwartet werden (Schulte, a.a.O., vgl. a. Busse-Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 123 Rdnr. 36).
Zudem begründet der Antragsteller hier die Wiedereinsetzung nicht mit einfacher Gesetzesunkenntnis sondern mit einer Falschinformation durch das Patentamt. Nach der Rechtsprechung sind Belehrungen, Benachrichtigungen oder sonstige Hinweise der zuständigen Behörde ohne Weiteres geeignet, das Verschulden eines anwaltlich nicht vertretenen Einzelanmelders oder -inhabers an der Fristversäumnis auszuschließen, wenn sie inhaltlich falsch oder so unvollständig sind, dass sie beim Beteiligten in der konkreten Verfahrenssituation zu einer rechtlichen Fehlbeurteilung führen (vgl. BPatG Mitteilungen 1963, 155; 1980, 39; BPatGE 11, 230; 13, 204; 27, 212, vgl. a. Busse-Keukenschrijver, a.a.O., Rdnr. 39; Benkard-Schäfers, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 123, Rdnr. 38).
Entgegen der Auffassung der Markenabteilung ist der vom Antragsteller in Bezug genommene Antworttext des Teils "FAQ - Häufig gestellte Fragen" im Internetauftritt des Deutschen Patent- und Markenamts (Stand: bis jedenfalls März 2004, inzwischen geändert) auch ohne Weiteres geeignet, eine schuldausschließende behördliche Fehlinformation darzustellen und damit das Nichtverschulden des Antragstellers darzutun. Ruft man die DPMA-Homepage unter www.dpma.de auf, um Informationen zur Schutzdauer und Verlängerung aufzufinden, so erscheint eine Eingangs- bzw. Portalseite, mit einer Auswahl an weiterführenden Themenbereichen, auf der ein Informationssuchender naheliegend auf den Link "Informationen" klicken wird. In der sich daraufhin öffnenden Seite erscheint zunächst oben der Link "Aktuelles", der einen nach grundsätzlichen Informationen suchenden Benutzer jedoch nicht interessieren kann. Direkt darunter folgt bereits der Link "FAQ - Häufig gestellte Fragen" und lädt den Interessierten aufgrund seines Titels und seiner Position besonders zum Anklicken ein. Auf der sich daraufhin öffnenden Seite wird der an Informationen zur Verlängerung von Marken interessierte Nutzer die Schutzrechtsarten bis zu "Marken" nach unten verfolgen und folgende der dort aufgelisteten Fragen (in der aktuellen Fassung der Internetseite) anklicken: "Wann tritt der Schutz ein und wie lange kann das Schutzrecht bestehen€", "Wie verlängere ich eine Marke€" und die Ergänzungsfrage: "Hat die Eintragung meiner Marke in jedem Fall zehn Jahre Bestand€". Dabei kann von einem Schutzrechtsinhaber erwartet werden, dass er sämtliche o.g., mit der Schutzdauer und Verlängerung in Zusammenhang stehenden Fragen bzw. Antworten zur Kenntnis nimmt, was auch durch die zusammenhängende Art der Präsentation der Antworten nahegelegt wird. Hierbei wird ihm nach dem h e u t i g e n Stand der Webseite unmissverständlich klargemacht, dass die Schutzdauer ab dem Tag der Anmeldung berechnet wird.
Demgegenüber enthielt die jedenfalls noch im Frühjahr 2004 ins Internet gestellte Fassung der "FAQs" eine unrichtige Information. Der Markeninhaber hat hierzu einen Auszug mit dem im Tatbestand zitierten Inhalt vorgelegt. Dieser Inhalt konnte vom Senat anhand des Internetarchivs www.archive.org als jedenfalls für das Jahr 2001 authentisch festgestellt werden, so dass - unter Mitberücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung und der Einreichung des Internetausdrucks durch Rechtsanwälte - auch für März 2004 von seiner inhaltlichen Authentizität auszugehen ist. Darin ist unter der Frage "Wann tritt der Schutz ein und wie lange kann das Schutzrecht bestehen€" im ersten Satz der Antwort (richtig) die Eintragung der Marke als für den Beginn des Schutzes maßgebender Zeitpunkt benannt worden. Dann aber muss der Folgesatz "Die Schutzdauer beträgt zunächst 10 Jahre" zum falschen Eindruck führen, dass diese Frist ab dem Schutzbeginn, also ab dem Tag der Eintragung berechnet wird. Die in der aktuellen Fassung der "FAQs" zusätzlich vorhandene Frage "Wie verlängere ich eine Marke€", deren Antwort dem falschen Eindruck hätte entgegenwirken können ("... Die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr beginnt am letzten Tag des Monats, in dem die Marke angemeldet wurde..."), war damals noch nicht in die "FAQs" aufgenommen. Auch haben die unter der Ergänzungsfrage "Hat die Eintragung meiner Marke in jedem Fall zehn Jahre Bestand€" aufgeführten Informationen damals ebenfalls keine weiteren Erkenntnisse gebracht.
Damit konnte der Markeninhaber glaubhaft machen, dass das Patentamt durch die von ihm veröffentlichten Informationen eine falsche Berechnung der Schutzdauer provoziert hat. Diese falschen bzw. unvollständigen Informationen schließen auch das Verschulden des Markeninhabers aus. Denn zum Einen müssen Anmelder und Schutzrechtsinhaber amtlichen Informationen vertrauen dürfen, die das Patentamt gerade zur ihrer Unterrichtung veröffentlicht, ohne dass sie deshalb ein Verschuldensvorwurf trifft (vgl. BPatG a.a.O., Busse-Keukenschrijver, a.a.O.). Zum Anderen kann - worauf jedoch die Markenabteilung offenbar hinaus will - von einem anwaltlich nicht vertretenen Markeninhaber auch schwerlich eine größere Sorgfalt bei der Informationsbeschaffung und beim Verständnis einschlägiger Regelungen verlangt werden, als sie das Deutsche Patent- und Markenamt bei der Erstellung und Veröffentlichung von Informationstexten über die bei ihm betriebenen Verfahren selbst aufzubringen vermag. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass das Patentamt die im Tatbestand zitierte Antwort zur Frage "Wann tritt der Schutz ein und wie lange kann das Schutzrecht bestehen€" in der aktuellen Fassung inzwischen wie folgt berichtigt hat:
"Der Markenschutz tritt - wenn die Marke eingetragen wird! - ab dem Tag der Anmeldung ein. Die Schutzdauer beträgt zunächst 10 Jahre. Sie kann unbegrenzt um jeweils weitere 10 Jahre verlängert werden."
Die aktuelle Antwort provoziert zwar keine falsche Schutzdauerberechnung mehr, ist nun aber, was den Beginn des Markenschutzes anbetrifft, wiederum falsch, zumindest grob unvollständig (vgl. § 4 Nr. 1 MarkenG, vgl. a. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 4 Rdnr. 10, § 47 Rdnr. 1), was wohl auch durch den unglücklichen Wortlaut des § 47 Abs. 1 MarkenG bedingt ist ("Schutzdauer" statt z.B. "Verlängerungsdauer" o.Ä.), der eine korrekte Erläuterung von Schutzbeginn und "Schutzdauer" innerhalb derselben Textpassage kaum zulässt. Unter diesen Umständen wirken die Sorgfaltsanforderungen, wie sie die Markenabteilung an einen anwaltlich nicht vertretenen bzw. mit Verfahren vor dem Patentamt offenbar nicht vertrauten Markeninhaber trotz dessen Einsichtnahme in behördliche Internet-Veröffentlichungen stellen will, gänzlich überzogen.
Insbesondere kann der Markenabteilung nicht gefolgt werden, wenn sie von solchen Markeninhabern "weitere Recherchen" verlangt, wobei sie auch auf den weiteren Inhalt der patentamtlichen Internetseite verwiesen hat, aus dem eine korrekte Berechnung der Schutzdauer i.S.d. § 47 MarkenG entnehmbar sei. Zwar wäre der Markeninhaber auch bereits im Frühjahr 2004 auf die richtigen Informationen zur Schutzdauerberechnung gestoßen, wenn er innerhalb des Bereichs "Informationen" neben den "FAQs" auch noch die Links "Informationen für Einsteiger", "Verfahren zu Schutzrechten" und/oder "Broschüren" angeklickt hätte. Eine solche Pflicht zum systematischen Nachverfolgen aller möglicherweise Erfolg versprechenden Links erscheint jedoch für den Regelfall übertrieben. Will ein Markeninhaber, der jahrelang nicht mehr mit der Aufrechterhaltung des Registermarkenschutzes befasst war, sich vergewissern, wann in etwa eine Schutzrechtverlängerung ansteht, braucht er sich nicht durch alle angebotenen Informationen "durchzuklicken". Dies entspräche schon nicht dem Aufbau und der üblichen Nutzung umfangreicher und stark verästelter Websites von Behörden und größeren Unternehmen, die eine in ihrer Gesamtheit kaum zu verarbeitende Informationsfülle anbieten. Daher wird der Nutzer, wie auch bei der DPMA-Homepage, zumeist über entsprechende Links zu den gesuchten Themen geführt, wobei gerade auch "FAQs", also "häufig gestellte Fragen" erkennbar der Vermeidung langer Such- und Lesewege dienen sollen.
Stößt ein Schutzrechtsinhaber auf einer behördlichen Informationswebseite auf die erste Auskunft zu seiner Frage und kann er daraus die beruhigende Information entnehmen, mit der Verlängerung noch Monate Zeit zu haben, so hat er keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser (immerhin behördlichen) Information zu zweifeln und sich durch den weiteren Internetauftritt der Behörde durchzuarbeiten. Abgesehen davon, dass grundsätzlich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit von patentamtlichen Belehrungen vertraut werden darf (vgl. Busse-Keukenschrijver, a.a.O., Rdnr. 39), kann ein Anmelder oder Schutzrechtsinhaber darüber hinaus grundsätzlich auch bei j e d e r im Internetauftritt einer Behörde veröffentlichten (Einzel-)Information erwarten, dass sie, im Vergleich etwa zu einfachen Telefonauskünften, mit einer gewissen Gründlichkeit erarbeitet und gegengeprüft ist. Denn ähnlich wie z.B. Merkblätter oder Veröffentlichungen in Amtsblättern dienen ins Internet gestellte Informationen der Orientierung der Öffentlichkeit und sollen auch zahlreiche Einzelanfragen vermeiden, weshalb sie einer unbestimmten Vielzahl von Informationssuchenden zugänglich gemacht werden. Hier kommt hinzu, dass die o.g. Fehlinformation die naheliegendste Stelle war, zu der ein Internetnutzer, der sich über die Schutzdauer von Marken informieren will, beim Aufruf der DPMA-Homepage gelangt (s.o.). Für den Markeninhaber konnte daher kein Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der vorgefundenen Information bestehen, die eine weitergehende Nachprüfung erforderlich gemacht hätten, zumal ein weiteres Absuchen im Internetauftritt des Patentamts auch nur zur Erkenntnis des Vorhandenseins widersprüchlicher Informationen, noch nicht aber zur Lösung des Informationsproblems geführt hätten.
Im Übrigen erscheint es unbillig einen Markeninhaber, der sich gegen Ende der Schutzdauer selbständig im Internet um Informationen bemüht, hinsichtlich seiner Sorgfaltspflichten schlechter zu stellen, als einen privaten Markeninhaber, den die offiziöse Mitteilung über den Schutzdauerablauf ebenfalls nicht erreicht hat und der die Frage der Verlängerung nach 10 Jahren schlicht vergessen hat. Ohne dass es hier noch entscheidungserheblich darauf ankommt, würde es nach Ansicht des Senats jedenfalls für schutzrechtlich nicht versierte Markeninhaber, Klein- und Mittelbetriebe, möglicherweise selbst für größere Betriebe ohne eigene Schutzrechtsabteilung eine besondere organisatorische Leistung darstellen, die 10jährige Verlängerungsfrist ohne Pannen so erfolgreich zu überwachen, dass das Schutzrecht ohne jegliches Zutun der Registerbehörde oder von spezialisierten Dienstleistern verlängert wird. Denn nach etwa 10 Jahren werden in den meisten Betrieben auf allen Ebenen, die sich mit der Überwachung, Entscheidung und Ausführung der Verlängerung zu befassen haben, sowohl das Personal wie auch die technische Ausstattung weitestgehend ausgetauscht sein. Hinzu kommen rechtliche oder organisatorische Betriebsänderungen wie Fusionen, Insolvenzen, Sitzverlegungen, Betriebs(-teil-)auslagerungen usw., so dass die Fristenüberwachung schon wegen der schieren Länge der markenrechtlichen Schutzdauer schwierig sein wird. Außerdem läuft nach Abschluss des Eintragungs-, ggf. eines anschließenden Widerspruchsverfahrens, i.d.R. kein patentamtliches Verfahren mit entsprechender Behördenkorrespondenz mehr, das einem Schutzrechtsinhaber nach etwa 10 Jahren noch helfen könnte, auch das Erfordernis der Verlängerung von selbst im Auge zu behalten. Gewerbliche Schutzrechte, jedenfalls ihre registerrechtliche Aufrechterhaltung, stehen auch nicht ständig im Fokus der unternehmerischen Tätigkeit, wie dies etwa bei steuerrechtlichen Fragen der Fall ist. Ohne dass es hier einer Vertiefung bedarf, wird sich dieser Aspekt sicherlich auch auf die Beurteilung der individuellen Sorgfaltspflichten auswirken müssen, wenn ein Schutzrechtsinhaber - wie hier - behördlich nicht über den baldigen Ablauf der Schutz- oder Zahlungsfristen informiert werden konnte (ähnlich BPatG, 4. Sen., Mitteilungen 1980, 136, 137 zur siebenjährigen Frist für die Stellung des Prüfungsantrags im (laufenden!) patentrechtlichen Anmeldeverfahren).
Der Markeninhaber hat auch nicht dadurch gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen, dass er nach seinem Umzug dem Patentamt nicht seine neue Wohnanschrift mitgeteilt hat. Von einem privaten Schutzrechtsinhaber, der nach Abschluss des Eintragungsverfahrens mit der Registerbehörde i.d.R. keine laufende Korrespondenz mehr führt und zu ihr, wenn überhaupt, allenfalls noch alle 10 Jahre durch Gebührenzahlung einseitig "Kontakt" hat, darf bei lebensnaher Betrachtung nicht erwartet werden, dass er dort wie bei einem Einwohnermeldeamt von selbst eine Ummeldung veranlasst. Aus der von der Markenabteilung genannten Vorschrift des § 46 Abs. 2 MarkenV a.F., die den notwendigen Inhalt von Umschreibungsanträgen behandelte, ist ebenso wie aus anderen markenrechtlichen Vorschriften für die Frage der Anforderungen an die Sorgfaltspflicht insoweit nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
Für den Markeninhaber wäre es auch unschädlich, wenn er, wie die Markenabteilung behauptet, mit der Eintragung der Marke im Jahr 1994 eine Eintragungsurkunde erhalten hatte und bereits daraus Informationen über die Berechnung der Schutzdauer entnehmen konnte. Denn nach etwa 10 Jahren wären solche Informationen erkennbar veraltet und würden allenfalls Anlass zur Vergewisserung geben, etwa durch Aufruf der Internetseite der zuständigen Behörde.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 15.02.2005
Az: 33 W (pat) 4/05
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