Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 342/02
(BPatG: Beschluss v. 18.06.2003, Az.: 7 W (pat) 342/02)
Tenor
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit den am 18. Juni 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 13, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift 199 53 898.
Gründe
I Die Erteilung des Patents 199 53 898 mit der Bezeichnung "Zugangsschutzeinrichtung" ist am 2. Mai 2002 veröffentlicht worden. Gegen die Erteilung hat die E... GmbH + Co. in L..., Einspruch erhoben. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.
Die Patentinhaberin legte in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 13 vor.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Zugangsschutzeinrichtung für einen Raumbereich mit einer Maschine oder maschinellen Anlage, deren Abschaltung und Einschaltbarkeit über eine Steuerung steuerbar ist, umfassend einen feststehenden Teil sowie wenigstens einen beweglichen Teil zum Verschließen einer Zugangsöffnung, wobei zwischen dem feststehenden und dem beweglichen Teil eine Zuhaltung sowie ein Sicherheitssensor angeordnet ist, der eine am feststehenden Teil vorgesehene Sensoreinheit, die eine an einen Auswertekreis angeschlossene Spulenanordnung zum Senden und Empfangen eines hochfrequenten Signals aufweist, und einen am beweglichen Teil vorgesehenen Antwortsender umfaßt, wobei das Öffnen der Zuhaltung in Abhängigkeit vom Betriebszustand der Maschine oder maschinellen Anlage vornehmbar bzw. gesperrt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Zuhaltung aus einem Magnetkreis besteht, der ein am beweglichen Teil befindliches, magnetisierbares Joch sowie einen mit dem Joch schließbaren, U-förmigen Magneten umfaßt, dessen magnetische Wirkung ein- und ausschaltbar ist, und daß zwischen den Schenkeln des U-förmigen Magneten ein magnetisch auslösbarer Sensor zur Feststellung des Magnetfelds zwischen den Schenkeln vorgesehen ist."
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 13 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen die Zugangsschutzeinrichtung nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.
Die Einsprechende nannte zum Stand der Technik neben den im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt schon berücksichtigten Druckschriften 1. EP 0 825 628 A1 2. DE 198 40 620 C1 3. Prospekt "Berührungsloser Sicherheitsschalter CES" der Euchner GmbH+Co, April 1998 4. DE-OS 24 55 520 5. DE 196 42 071 C2 noch folgende Unterlagen:
6. Prospekt "SOLENOIDS ELECTROMAGNETIC COMPONENTS AND SYSTEMS FOR CONTROL AND SECURITY" der Fa. MECALECTRO (Juni 1997)
7. Kopie einer Fotografie eines aufgeschnittenen Elektromagneten, wie er aus vorstehendem Prospekt bekannt sei 8. Prospekt "Das neue GEZE RWS" der GEZE GmbH & Co. (Juli 1995)
9. DE 197 11 588 A1 10. Auszug(4 Blatt) aus "Programmübersicht" der ISLIKER MAGNETE AG, (September 1997)
11. Datenblatt "MECHETRONICS LTD HALTEMAGNETE" der INDUSTRIAL ELECTRONICS GmbH, 1 Blatt (Mai 1993)
12. Datenblätter "GS-Haltemagnet 08 018 0506.." und "GS-Haltemagnet 08 013 1006.." der HARTING ELEKTRONIK GmbH, 1998 13. Euchner - Sicherheitstechnik (6 Blatt), 11/96 14. WO 90/13180 A1.
Sie machte geltend, daß der Gegenstand des neuen Patentanspruchs 1 nicht neu sei, zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und daß der Patentanspruch 1 unzulässig erweitert sei, weil sein Merkmal "daß zwischen den Schenkeln des U-förmigen Magneten ein ....Sensor.....vorgesehen ist" über die Angabe in der Beschreibung (Patentschrift Sp 5 Z 17 bis 21) hinausgehe, nach der der Sensor zwischen den Enden der Schenkel (Jochstücke) des U-förmigen Magneten angeordnet sein kann.
Sie stellte den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellte den Antrag, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den am 18. Juni 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 13, Beschreibung und Zeichnungen nach Patentschrift.
Sie vertrat die Auffassung, daß der geltenden Patentanspruch 1 den Patentgegenstand nicht unzulässig erweitere und seine Lehre nicht durch den insgesamt entgegengehaltenen Stand der Technik nahegelegt werde.
II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Artikel 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.
3. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Sie erweitern auch nicht den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung.
Der geltende Patentanspruch 1 ist hervorgegangen aus den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 und den Merkmalen der erteilten Ansprüche 8 und 9 unter Berücksichtigung der Beschreibung nach Patentschrift (Sp 5 Z 17 bis 24 iVm Fig 2 u 3), aus der die Anordnung des magnetisch auslösbaren Sensors "zwischen den Schenkeln des U-förmigen Magneten" entnommen ist. Zwar ist aaO die Rede von Enden der Jochstücke, hier den Schenkeln des U-förmigen Magneten, zwischen denen der Sensor angeordnet sein kann. Der zuständige Fachmann, ein Fachhochschul-Ingenieur des Maschinenbaus oder der Elektrotechnik, der mit der Entwicklung von Einrichtungen zum Schutz von Mensch und Maschine seit mehreren Jahren befaßt ist und vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik und der elektrischen Steuerungstechnik besitzt, interpretiert diese Angabe in Übereinstimmung mit der Darstellung in der Zeichnung (Fig 2 u 3, Sensor 33) als Schenkelbereiche, die das freie Ende des Schenkels einschließen und zwischen denen sich bei eingeschaltetem Magnetkreis ein magnetisches Streufeld ausbilden kann. Die geltende Anspruchsfassung geht somit nicht über den Sachverhalt hinaus, den der Fachmann beim Studium der Patentschrift mitliest.
4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung der geltenden Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung iSd PatG §§ 1 bis 5 dar.
Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, denn in keiner der Entgegenhaltungen ist eine Zugangsschutzeinrichtung mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 beschrieben, insbesondere sind keine Zuhaltungen mit einem U-förmigen Magneten offenbart, zwischen dessen Schenkeln ein Sensor zur Feststellung eines Magnetfeldes vorgesehen ist.
Der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des Anspruchs 1 ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Gemäß Streitpatentschrift (Sp 1 Z 31 bis 48) ist aus dem Prospekt "Berührungsloser Sicherheitsschalter CES" der E... GmbH + Co. (Druckschrift D3) ein Si cherheitsschalter bekannt, der in Zugangsschutzvorrichtungen für Raumbereiche mit Maschinen, die nur bei geschlossener Schutzeinrichtung betrieben werden sollen, zum Einsatz kommt. Er umfaßt ua einen Lesekopf bzw. einen Sensor, der an dem feststehenden Teil der Schutzeinrichtung angebracht wird, sowie einen kodierten Betätiger, der an der beweglichen Tür befestigt wird. Mit Erreichen des Einschaltabstandes beim Schließen der Tür wird über den induktiven Lesekopf der Betätiger mit elektrischer Spannung versorgt, so daß die Datenübertragung zwischen einem Auswerte- bzw. Steuergerät und dem Betätiger erfolgen kann (S 2 liSp "Funktionsbeschreibung" iVm S 3 oberes Bild). Der Fachmann verbindet mit einer solchen Einrichtung gedanklich auch eine, in D3 nicht erwähnte, Zuhaltung für die Türen.
Von der aus D3 bekannten Zugangsschutzeinrichtung unterscheidet sich die nach dem geltenden Anspruch 1 durch eine magnetische Zuhaltung mit einem am beweglichen Teil (Tür) befestigten, magnetisierbaren Joch und mit einem U-förmigen Magneten am feststehenden Teil der Schutzeinrichtung, dessen magnetische Wirkung ein- und ausschaltbar ist, ferner durch die Anordnung eines magnetisch auslösbaren Sensors zwischen den Schenkeln des U-förmigen Magneten, der feststellt, ob zwischen den Schenkeln ein Magnetfeld herrscht, dh ob die Tür des Sicherheits- oder Schutzraumes geschlossen ist oder nicht (Streitpatentschrift Sp 5 Z 17 bis 24).
Durch den Produktführer "Solenoids, Electromagnetic Components and ..." der Firma M... (D6) ist bereits bekannt, Haltemagnete für Zuhaltungen von Türen in zugangsüberwachten Räumen einzusetzen (Blatt 4 Kap. "Industrial Applications and Fire Protection" Bild u li und Text iVm Blatt 2 o mi "Holding Electromagnets"). Nach Überzeugung des Senats liegt es im Griffbereich des Fachmannes die Verwendung berührungsloser Sicherheitsschalter für Räume mit hohen hygienischen Anforderungen, wie zB in der Nahrungsmittelindustrie, (D3 S 2 reSp Abs 2) mit magnetische Zuhalteeinrichtungen gemäß D6 zu kombinieren, weil deren einfache Begrenzungsflächen eine einfache und gründliche Reinigung gestatten. Ob die ein- und ausschaltbaren Magnete in Topfform, wie gemäß D6/D7, oder in der dem Fachmann geläufigen U-Form gestaltet werden, liegt im Ermessen des Fachmannes und begründet für sich keine erfinderische Tätigkeit.
Somit verbleibt gegenüber einem Stand der Technik aus der Zusammenschau der Entgegenhaltungen D3 und D6 beim Gegenstand des Anspruchs 1 noch unterschiedlich, daß zwischen den Schenkeln des U-förmigen Zuhalte-Magneten der Sensor zum Feststellen eines ggf. vorhandenen Magnetfeldes angeordnet ist.
Durch diese Maßnahme wird in vorteilhafter Weise der für die Zuhaltung der Tür eingesetzte Magnet zusätzlich als Schaltmagnet für einen Sicherheitssensor, durch den zB die Signalisierung des Türöffnungszustandes redundanter und damit mit höherer Sicherheit erfolgen kann, genutzt und ein zusätzlicher Schaltmagnet hierfür eingespart.
Der sonstige aufgezeigte Stand der Technik, zu dem die erst nach dem Anmeldetag des angefochtenen Patents veröffentlichte deutsche Patentschrift 198 40 620 (D2) nicht zählt, liefert hierzu weder Vorbild noch Anregung.
Bei den Zugangsschutzeinrichtungen nach der europäischen Offenlegungsschrift 0 825 628 (D1) und der deutschen Offenlegungsschrift 197 11 588 (D9) sind lediglich mechanische Zuhaltungen der Schutzraumtüren vorgesehen, die schlüsselartige, am beweglichen Teil befestigte Betätiger für die Sicherheitsschalter umfassen, welche in Aufnahmen am feststehenden Teil des Schutzraumes eingreifen. Im Ausführungsbeispiel gemäß D9 kann der Betätiger zusätzlich mittels eines elektromagnetisch betätigbaren Stößels (51) mechanisch verriegelt werden. Ähnliche Betätiger für Sicherheitsschalter mit und ohne Magnetverriegelungen beschreibt auch der Prospekt "Euchner Sicherheitstechnik" (D13-Blatt 3).
Die deutsche Patentschrift 196 42 071 (D5) und die deutsche Offenlegungsschrift 24 55 520 (D4) befassen sich zwar mit magnetischen Zuhaltevorrichtungen, ua für Türen und Klappen an Möbeln, wobei Dauermagnete verwendet werden. Ziel dieser Offenbarungen ist jedoch, Maßnahmen zur Minderung der magnetischen Haltekraft zum Zwecke eines leichteren Öffnens der Verschlüsse aufzuzeigen, wobei diese Maßnahmen im wesentlichen darin bestehen, Magnete oder Magnetelemente quer zu ihrem Kraftlinienverlauf mechanisch zu verschieben.
Aus der WO 90/13180 (D14) ist ein berührungsloser Sicherheitsschalter ähnlich dem nach der Entgegenhaltung D3 entnehmbar. Über eine magnetische Zuhaltung ist dort nichts ausgeführt. Die Prospekte nach den Entgegenhaltungen D8 und D10 bis D12 bestätigen lediglich, daß elektrisch aktivierbare Haltemagnete in unterschiedlichen Bauarten, ua in Topf- oder U-Form, bekannt waren. Dem wurde seitens der Patentinhaberin auch nicht widersprochen.
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 13 sind auf den Patentanspruch 1 rückbezogen; die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände wird daher von der der Zugangsschutzeinrichtung nach Patentanspruch 1 mitgetragen.
Dr. Schnegggleichzeitig für denbeurlaubten Richter Eberhard Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Ff/Na
BPatG:
Beschluss v. 18.06.2003
Az: 7 W (pat) 342/02
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