Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. Juli 2006
Aktenzeichen: AnwZ (B) 8/06

(BGH: Beschluss v. 17.07.2006, Az.: AnwZ (B) 8/06)

Tenor

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 22. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1981 als Rechtsanwalt bei dem Landgericht H. und seit 1986 auch bei dem Oberlandesgericht zugelassen. Mit Verfügung vom 20. Juli 2005 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragsgegners gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung an. Die hiergegen gerichteten Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Der Antragsteller hat gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt. Gleichzeitig hat er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde beantragt.

II.

Der Senat entscheidet vorab über den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde. Dieser ist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. § 42 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 BRAO zulässig; er hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids darf - als Ausnahmefall - nur angeordnet werden, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse zu einer schon vor Bestandskraft der Widerrufsverfügung notwendigen Abwehr konkreter Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist. Erste Voraussetzung für eine solche Anordnung ist die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Widerrufsverfügung Bestandskraft erlangen wird. Wegen des mit der Anordnung verbundenen Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ist jedoch des weiteren erforderlich, dass die sofortige Vollziehung als Präventivmaßnahme im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege erforderlich ist (vgl. BVerfGE 44, 105, 121; 48, 292, 296, 298; BGH, Beschluss v. 2. Juni 1993 - AnwZ (B) 27/93, BRAK-Mitt. 1993, 171, v. 14. März 1994 - AnwZ (B) 27/93, BRAK-Mitt. 1994, 176,177; v. 19. Juni 1998 - AnwZ (B) 3/98, BRAK-Mitt. 1998, 235, 236; v. 16. Juli 2001 - AnwZ (B) 61/00, BRAK-Mitt. 2002, 63 f; v. 9. Mai 2003 - AnwZ(B) 21/03, NJW-RR 2003, 1642, 1643).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Widerrufsverfügung Bestandskraft erlangt. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung waren gegen den Antragsteller zahlreiche Schuldtitel erwirkt und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolglos durchgeführt worden. Eine Auskehrung von Fremdgeldern in Höhe von ca. 200.000 Euro war nicht erfolgt. Für eine zwischenzeitliche Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers besteht kein Anhaltspunkt, vielmehr spricht alles dafür, dass sich diese seitdem eher verschlechtert haben. Nach einer Mitteilung des Amtsgerichts H. vom 9. Mai 2006 ist es zu einer Vielzahl weiterer Vollstreckungsmaßnahmen in einer Größenordnung von ca. 480.000 € (Hauptforderungen) gegen den Antragsteller gekommen. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 18. April 2006 selbst eingeräumt, dass eine "immer noch andauernde" Zahlungsunfähigkeit vorliege.

Ist ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten, werden dadurch die Interessen der Rechtsuchenden regelmäßig gefährdet. Die zur Rechtfertigung des Sofortvollzugs über die abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden hinausgehende erforderliche k o n k r e t e Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ist hier gegeben. Der Antragsteller unterhält für eingehende Fremdgelder kein Anderkonto. Er hat bereits in einem Fall ("Nachlassverwaltung Sch. ") trotz wiederholter Mahnungen und Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens Fremdgelder in einer Größenordnung von mindestens 150.000 € nicht an die Berechtigten ausgekehrt. Seine Vermögensverhältnissehaben sich eher weiter verschlechtert, er ist fortlaufenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger ausgesetzt. In Anbetracht dieser Umstände bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass gerade in Bezug auf den Umgang des Antragstellers mit Fremdgeldern die Interessen der Rechtsuchenden weiterhin konkret gefährdet sind.

Hirsch Otten Ernemann Frellesen Wüllrich Hauger Kappelhoff Vorinstanz:

AGH Hamburg, Entscheidung vom 22. Dezember 2005 - II ZU 12/05 -






BGH:
Beschluss v. 17.07.2006
Az: AnwZ (B) 8/06


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