Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Januar 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 333/04
(BPatG: Beschluss v. 26.01.2006, Az.: 20 W (pat) 333/04)
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Einspruch vom 25. Juni 2004 unzulässig ist.
2. Nach Rücknahme des unzulässigen Einspruchs ist das Einspruchsverfahren beendet.
Gründe
I.
Die Patentinhaberin hat das Patent mit der Bezeichnung "Näherungsschalter" am 27. Juni 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 25. März 2004 veröffentlicht.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"1. Näherungsschalter (1) mit einem Gehäuse (2) und einer in dem Gehäuse (2) angeordneten Schalterelektronik (4), a) wobei die Schalterelektronik (4) wenigstens ein Anzeigeelement (26), wie eine Leuchtdiode, aufweist, undb) wobei im Gehäuse (2) eine Anzeigeöffnung (29) mit einem darin angeordneten Anzeigefenster (30) für das Anzeigeelement (26) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dassc) die Schalterelektronik (4) einen von außen her bedienbaren Taster (27) oder ein von außen her bedienbares Potentiometer (28) aufweist, d) im Gehäuse (2) eine Betätigungsöffnung (31) mit einer darin angeordneten membranartigen Dichtung (32) für den Taster (27) oder das Potentiometer (28) vorgesehen ist unde) das Anzeigefenster (30) und die Dichtung (32) einteilig ausgebildet sindf) und aus einem transparenten, thermoplastischen Material hergestellten Teil bestehen, das zur ausschließlichen Abdichtung der Anzeigeöffnung (29) und der Betätigungsöffnung (31) dient."
Hinsichtlich des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche 2 bis 8 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Mit ihrem Einspruch vom 25. Juni 2004 macht die Einsprechende geltend, das Patent sei in vollem Umfang wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.
Zur Begründung trägt sie vor, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei durch eine offenkundige Vorbenutzung der faseroptischen Verstärker AFP 946 S und AFV 946 S vorweggenommen. Die Firma A...-GmbH, die ih- ren Namen zwischenzeitlich in B... GmbH geändert habe, habe diese faseroptischen Verstärker in Deutschland vertrieben, die von der in Frankreich ansässigen Firma C... hergestellt worden seien. Hierzu legt sie Produktin- formationen der Firma B... vor und zwar als E1 "Faseroptischer Verstärker mit Teach-In-Funktion, Serie AF_946 S" und als E3 "GLASS FIBRE OPTIC SENSOR AFV 946 S", die jeweils auf der zweiten Seite den Copyrighthinweis "Eltrotec 11/95" bzw. die Angabe "Edition 03/95" enthielten. Die als E2 vorgelegte weitere Produktinformation "PLASTIC FIBRE OP-TIC SENSOR AFP 946"
trage den Vermerk "Edition 03/95".
Diese Produktinformationen seien vor dem Anmeldetag des Patents ohne Geheimhaltungsverpflichtung verteilt worden und damit öffentlich zugänglich gewesen. Die Einsprechende benennt als Zeugen für die öffentliche Zugänglichkeit der Dokumente E1 bis E3 den Geschäftsführer der Firma B.... Ferner wird er als Zeuge dafür benannt, dass faseroptische Verstärker AFP 946 S und AFV 946 S durch die Firma B... vor dem 27. Juni 1996 ohne Geheimhal- tungsverpflichtung an Dritte verkauft worden seien.
Die darüber hinaus als Anlagen E4a und E4b (letztgenannte mit handschriftlichen Anmerkungen) vorgelegten Fotografienzeigten den von der Firma B... vertriebenen Verstärker, der baugleich zu den faseroptischen Verstärkern sei, welche in den Produktinformationen E1 bis E3 beschrieben seien. Die Fotografien enthielten eine Abbildung des faseroptischen Verstärkers nach einer teilweisen Zerlegung, wobei sich dieser von dem in E1 bis E3 gezeigten Verstärker im Wesentlichen nur dadurch unterscheide, dass die Anzeigeoberfläche anders beschriftet sei.
Zu allen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 trägt die Einsprechende im Einzelnen vor, diese seien jeweils den vorgelegten Fotografien E4a und E4b zu entnehmen, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung sei.
Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Mit Eingabe vom 23. Juni 2005 hat sie ihren Einspruch zurückgenommen.
Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen und das Patent in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
Sie bestreitet, dass der auf den Fotografien E4a und E4b gezeigte Verstärker vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Er gehöre nicht zum Stand der Technik, was auch von der Einsprechenden nicht behauptet werde, da diese ausgeführt habe, der Verstärker unterscheide sich von den in den Dokumenten E1 bis E3 gezeigten im Wesentlichen nur dadurch, dass die Anzeigeoberfläche anders beschriftet sei. Die auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützte Einspruchsbegründung sei nur dann ausreichend substantiiert, wenn konkrete Angaben gemacht würden, was, wo, wann und durch wen geschehen und wodurch es der Öffentlichkeit zugängig gemacht worden sei. Daran fehle es, denn selbst wenn die Produktinformation E1 vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, so folge daraus noch nicht, dass auch entsprechende Geräte vor diesem Zeitpunkt vertrieben worden seien. Hierzu hätte die Einsprechende Belege in Form von Lieferscheinen und dergleichen vorlegen müssen. Der hierfür angebotene Zeuge könnte den erforderlichen Tatsachenvortrag, der innerhalb der Einspruchsfrist hätte vorgebracht werden müssen, nicht ersetzen.
II.
Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch ist unzulässig, da das innerhalb der Einspruchsfrist erfolgte Vorbringen zur offenkundigen Vorbenutzung nicht hinreichend substantiiert ist.
Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen anzugeben. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (BGH GRUR 1972, 592 "Sortiergerät"; 1987, 513 "Streichgarn"; 1993, 651 "Tetraploide Kamille").
Beruft sich die Einsprechende auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge einer offenkundigen Vorbenutzung, sind daher bestimmte Angaben in dreierlei Hinsicht erforderlich (BGH BlPMZ 1998, 201 "Tabakdose"): Die Einspruchsbegründung muss einen bestimmten Gegenstand der Benutzung bezeichnen, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er den patentgemäßen Gegenstand vorwegnimmt oder nahe legt. Ferner ist die Angabe bestimmter Umstände der Benutzung dieses Gegenstandes im Sinne des § 3 Abs. 1 PatG erforderlich, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Schließlich bedarf es einer nachprüfbaren Angabe dazu, wann der Gegenstand in dieser Weise genutzt worden ist.
Die Einsprechende ist dieser Begründungspflicht nicht vollständig nachgekommen. Zwar hat sie durch Vorlage von E1 bis E3 einen Gegenstand bezeichnet, der den Gegenstand des erteilten Patentanspruch 1 vorwegnehmen soll. Es fehlt aber ein Tatsachenvortrag, der geeignet ist zu belegen, dass die mit den Produktinformationen E1 bis E3 beworbenen Verstärker auch tatsächlich der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht wurden, dass Dritte vorbehaltlos den Gegenstand der Vorbenutzung hätten zur Kenntnis nehmen können. Zum Beleg der Benutzungshandlung hätte es z. B. der konkreten Benennung eines Empfängers, insbesondere unter Vorlage von zumindest einem Lieferschein über die Gegenstände der Vorbenutzung bedurft. Der Hinweis auf die Produktinformationen kann diesen fehlenden Sachvortrag nicht ersetzen, da damit ein tatsächlicher Vertrieb der angeblich vorbenutzten Gegenstände nicht zwangsläufig verbunden ist.
Die Ausführungen der Einsprechenden in diesem Zusammenhang beschränken sich lediglich auf den folgenden Satz (vgl. Seite 7 vor 1.1.3 der Einspruchsschrift):
"Ferner wird D... als Zeuge dafür benannt, dass faser- optische Verstärker AFP 946 S und AFV 946 S durch die A...- GmbH vor dem 27. Juni 1996 ohne Geheimhaltungs- verpflichtung an Dritte verkauft wurden."
Damit nennt die Einsprechende zwar ein mögliches Beweismittel, es fehlt jedoch der dem Beweisangebot zugrunde liegende substantiierte Tatsachenvortrag einer relevanten Vorbenutzung und deren näherer Umstände im Sinne des § 3 Abs. 1 PatG.
Zwar könnte sich eine konkrete Darlegung der Umstände unter Umständen erübrigen, wenn es sich bei dem Verstärker um ein Serienprodukt handeln würde (vgl. hierzu BPatG Mitt. 1984, 115, Ls1, II. 1.). Auch dazu hat jedoch die Einsprechende nichts vorgetragen. Vielmehr lässt die lediglich pauschale Angabe, dass entsprechende Verstärker "an Dritte" verkauft wurden, nicht auf ein Serienprodukt oder eine Vielzahl gelieferter Verstärker schließen. Auch hat die Einsprechende weder Stückzahlen verkaufter Verstärker noch die Auflage und Verteilung ihrer Produktinformationen angegeben.
Diese unzureichende Substantiierung kann durch den von der Einsprechenden als Beweis angebotenen Zeugen nicht behoben werden, weil die Benennung von Zeugen die innerhalb der Einspruchsfrist vorzubringenden tatsächlichen Angaben nicht ersetzen kann (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 59 Rdn. 71 m. w. N.).
BPatG:
Beschluss v. 26.01.2006
Az: 20 W (pat) 333/04
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