Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. April 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 325/03

(BPatG: Beschluss v. 25.04.2006, Az.: 17 W (pat) 325/03)

Tenor

Das Patent 101 09 156 wird widerrufen.

Gründe

I Auf die am 24. Februar 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 101 09 156 wurde ein Patent mit der Bezeichnung

"Intelligente Haushaltsgroßgeräte"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 9. Januar 2003. Gegen das Patent ist ein Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende hat ihren Einspruch unter Nennung neuer Druckschriften damit begründet, dass der Gegenstand des Patents neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls aber nahe gelegt sei.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalte 2, Zeilen 5 und 6 ersetzt durch Texteinschub, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie den übrigen Unterlagen wie erteilt.

Sie vertritt die Ansicht, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 neu sei und auch auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber den von der Einsprechenden entgegen gehaltenen Druckschriften beruhe. Aus diesen Druckschriften seien lediglich einzelne im Anspruch genannte Merkmale jeweils für sich entnehmbar, nicht aber das tragende erfinderische Prinzip, die notwendigen Funktionen im Gerät auszuführen und die Komfortfunktionen extern abzuarbeiten.

Der Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung lautet:

"Intelligentes Haushaltsgroßgerät (11) mit Prozessor (12), Speicher (13) und Sensor (14) zum Abarbeiten wenigstens eines eingespeicherten, auf Basisprogrammfunktionen eingeschränkten Funktionsprogrammes, über die hinaus auf einen Computer (15) in einer externen Zentralstation (16) zum Abarbeiten von weiteren Programmteilen Zugriff genommen wird, in der auch sensorgesteuerte Optimierungsprogramme für Arbeitsfunktionen einzelner Geräte (15) bereitgestellt sind."

II Der Einspruch ist zulässig, da er frist- und formgerecht erhoben sowie nach Maßgabe des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG begründet worden ist. Er hat in der Sache auch Erfolg. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung ist nicht neu, so dass das Patent zu widerrufen war (§§ 1, 3, 21 PatG).

1. In der Beschreibung des Patents wird einleitend ausgeführt, dass unter intelligenten Haushaltsgroßgeräten, z. B. Waschmaschinen, Geräte zu verstehen sind, die nicht nur ein vorgegebenes Steuerprogramm abarbeiten können, sondern etwa zur Variation von Programmkomponenten mit Sensoren und Signalverarbeitungsprozessoren ausgestattet sind, um aktuelle Sensordaten für vorgegebene Optimierungsalgorithmen zur Verfügung zu stellen. So soll es bspw. möglich sein, unter Einsatz eines eingelernten neuronalen Netzwerks in einem Kochgerät den Kochfortschritt lediglich aufgrund von Feuchtigkeitsmessungen zu steuern. Aufgrund vom Handel diktierter Preispunkte könnten an sich wünschenswerte betriebstechnische Möglichkeiten nicht realisiert werden. Das Patent befasse sich daher mit der Lösung der technischen Problemstellung, die derzeit gegebenen und künftig abzusehenden sensorischen und signalverarbeitungstechnischen Möglichkeiten auch in intelligenten Haushaltsgeräten zu realisieren, ohne diese durch entsprechend gesteigerten Elektronik- und Programmaufwand spürbar zu verteuern.

2. Der Anspruch 1 bezieht sich auf ein Haushaltsgroßgerät, das mit Prozessor, Speicher und Sensor ausgestattet ist und ein auf Basisprogrammfunktionen eingeschränktes Funktionsprogramm ausführen kann. Zur gewünschten Erweiterung des Funktionsumfangs kann das Haushaltsgroßgerät auf einen Computer in einer externen Zentralstation Zugriff nehmen zum Abarbeiten von weiteren Programmteilen. In der Zentralstation sind sensorgesteuerte Optimierungsprogramme für die Arbeitsfunktionen einzelner Geräte bereitgestellt.

Wie sich aus Sp. 2, Z. 30 - 36 der Patentschrift ergibt, ist das "Zugriff nehmen" im Zusammenhang des Anspruchs so zu verstehen, dass ein Haushaltsgroßgerät seine aktuellen Sensordaten und Programmanforderungen (nach Optimierungsprogrammen) an die Zentralstation absetzt und die Optimierungsprogramme in der Zentralstation abgearbeitet werden.

Der Fachmann, ein auf dem Gebiet der Haushaltstechnik tätiger Elektronikingenieur, entnimmt dem Anspruch 1, dass ein Haushaltsgroßgerät, das für die Ausführung von Basisfunktionen ausgelegt ist, ohne großen Elektronik- und Programmaufwand um (aufwendige) Optimierungsfunktionen erweitert werden kann, indem die für die Ausführung dieser Funktionen erforderlichen Sensor- und Programmparameter an eine Zentralstation übermittelt werden, diese die gewünschten Optimierungsfunktionen ausführt und (selbstverständlich) die Bearbeitungsergebnisse zur Steuerung des Haushaltsgroßgeräts zurückgibt.

Der Anspruch 1 vermittelt dem Fachmann sonach eine nachvollziehbare Lehre.

3. Das Haushaltsgroßgerät mit dem Merkmalen des Anspruchs 1 ist jedoch durch das in der DE 100 56 496 A1 beschriebene Hausgerät vorbekannt und daher nicht patentfähig.

Diese Druckschrift mit älterem Zeitrang als das vorliegende Patent befasst sich mit der Steuerung von Hausgeräten, bspw. Waschgeräten (vgl. Sp. 4, Z. 12). Eingangs wird ausgeführt, dass bisherige Hausgeräte Steuerungen besitzen, die die gesamte Funktionalität des Gerätes realisieren. Dies habe den Nachteil, dass die Hausgeräte aufgrund eines beschränkten Umfangs ihrer Funktionen und ihrer Unfähigkeit zur Anpassung an neue Umgebungsparameter, bspw. spezielle Maßnahmen zum Wasser- und Stromsparen oder Verwendung neuartiger Waschsubstanzen sehr schnell veralten würden [Abs. 0002]. Zur Abhilfe wird vorgeschlagen, das Hausgerät mit einem verteilten Netzwerk zu verbinden, über das das Hausgerät Steuerungsinformationen empfängt, die am Standort des Hausgerätes ausgewertet und/oder umgesetzt werden. Dadurch wird mindestens ein Teil der Hausgerätesteuerungsaufgaben außerhalb des Hausgeräts in einem an dem Netzwerk angeschlossenen Zentralrechner ausgeführt (vgl. Ansprüche 1 und 6 der DE 100 56 496 A1).

Die Patentinhaberin stellt nicht in Abrede, dass das bekannte Hausgerät in Übereinstimmung mit dem Anspruch 1 in der verteidigten Fassung mit Prozessor, Speicher und Sensor(-en) ausgestattet ist. Dies ergibt sich für den Fachmann schon aus dem Umstand, dass die Elektronik zur Steuerung des Hausgeräts bei einer Erweiterung des Funktionsumfangs entsprechend hard- und softwaremäßig angepasst werden muss, wie in Abs. 0002 der DE 100 56 496 A1 ausgeführt.

Sie führt jedoch an, dass aus dieser Druckschrift nicht entnehmbar sei, dass das Hausgerät ohne Verbindung mit der Zentralstation Grundfunktionen ausführen könne und nur ein Teil des Optimierungsprogramms extern auf der Zentralstation ablaufe.

Der Patentinhaberin ist zuzubilligen, dass in der DE 100 56 496 A1 jedenfalls eine Ausführungsform beschrieben ist, bei der die Steuerungssoftware des Hausgerätes lediglich ein Update erfährt, ohne dass ein Teil des Steuerungsprogrammes in der Zentralstation ausgeführt wird (vgl. Abs. [0009]).

In Hinsicht auf den verteidigten Anspruch 1 ist jedoch auf die in den Absätzen [0010] und [0011] erläuterte "weitere Ausführungsform" zu verweisen. Diese vorbekannte Ausführungsform besteht darin, dass "bei einem an einem Netzwerk angeschlossenen Hausgerät mindestens ein Teil der Steuerungsaufgaben des Hausgeräts außerhalb der Maschine in einem Zentralrechner" ausgeführt wird. Diese Verlagerung eines Teils der Steuerungsaufgaben soll "mindestens eine temporäre Erweiterung des Funktionsumfangs des Hausgeräts" bewirken. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der Steuerung des Hausgeräts "nur noch Grundfunktionen ausgeführt" werden. Diese Formulierung umschließt dem Verständnis des Fachmanns nach die Möglichkeit, dass entsprechend dem verteidigten Anspruch 1 die Basisprogrammfunktionen selbsttätig vom Haushaltsgroßgerät ausgeführt werden und für die Optimierungsfunktionen Zugriff auf die externe Zentralstation erfolgt, in der die Optimierungsprogramme bereitgestellt (und ausgeführt) werden.

Das intelligente Haushaltsgroßgerät gemäß dem Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung war sonach aus der DE 100 56 496 A1 vorbekannt.

Dem Antrag der Patentinhaberin konnte daher nicht gefolgt werden. Das Patent war somit zu widerrufen.






BPatG:
Beschluss v. 25.04.2006
Az: 17 W (pat) 325/03


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