Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. März 2006
Aktenzeichen: 24 W (pat) 266/04
(BPatG: Beschluss v. 07.03.2006, Az.: 24 W (pat) 266/04)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Für die international registrierte Marke 777 702 GENIO als Kennzeichnung der Waren
"11 Appareils de chauffage suspendus au mur, à savoir appareils à puissance calorifique produite par le gaz"
wird um Schutz für die Bundesrepublik Deutschland nachgesucht.
Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 1449065 GENO die u. a. für die Waren
"11 Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte; Apparate und Anlagen zur Aufbereitung von Wasser und Abwasser; sanitäre Anlagen"
seit 19. April 2001 eingetragen ist, Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, hat der angegriffenen Marke mit Beschluss vom 15. September 2004 wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 1449065 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert. Da sich Waren gegenüberständen, die identisch bzw. sehr ähnlich sein könnten, sei ein großer Abstand der jüngeren von der älteren Marke erforderlich, der hier nicht eingehalten werde. Die Markenwörter wichen nur am Wortende voneinander ab. Diese Abweichung trete trotz der Kürze der beiden Zeichen im Gesamtklangbild nicht hinreichend klar hervor, weil der klangliche Gesamteindruck im Wesentlichen durch die übereinstimmende Vokalfolge "E-O" sowie die Konsonanten "G-N" bestimmt werde. Die geringfügigen klanglichen Abweichungen kämen dem Verkehr insbesondere bei schlechten Übermittlungsbedingungen oder aus der Erinnerung heraus nicht zum Bewusstsein. Aus diesem Grund würden auch eventuelle unterschiedliche begriffliche Anklänge nicht erkannt und könnten deshalb Verwechslungen nicht verhindern.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke, die vorträgt, es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Waren der Widersprechenden um Heizgeräte im Allgemeinen handele, während die Waren der angegriffenen Marke spezielle Wandgeräte zur Zentralheizung mit optimierter Brennwerttechnik für Erd- und Flüssiggas darstellten, die die angesprochenen Verkehrskreise wegen der damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Folgen stets nur nach sorgfältigster Information anschafften. Meist werde ein spezialisierter Fachmann mit der Anschaffung und dem Einbau von Heizanlagen beauftragt, der mit allen technischen und rechtlichen Voraussetzungen vertraut und von dem besondere Aufmerksamkeit zu erwarten sei. Bei dieser Ausgangslage seien die Abweichungen der Zeichen ausreichend, zumal die angegriffene Marke ohne weiteres erkennbar an die Begriffe "Geist, Genie" anklinge und der angesprochene Verkehr darum davon ausgehe, dass es sich um eine besonders "geniale" Heizung handele.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 1449065 zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die von der angegriffenen Marke erfassten Waren fielen unter den im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Oberbegriff der "Heizungsgeräte", so dass ein großer Abstand der Marken erforderlich sei. Die Wortzeichen seien klanglich und schriftbildlich hochgradig ähnlich. Visuell falle der einzige Unterschied, der im zusätzlichen Buchstaben "I" in der angegriffenen Marke bestehe, gegenüber den Übereinstimmungen im Gesamteindruck selbst sorgfältigen Betrachtern und Fachleuten nicht auf, insbesondere wenn die Zeichen nicht nebeneinander aufträten. Auch die klanglichen Unterschiede seien minimal. Die Bedeutung bzw. der Bedeutungsanklang der Widerspruchsmarke sei zum einen nicht sofort erkennbar und könne zum anderen eine Verwechslungsgefahr schon deshalb nicht ausschließen, weil wegen der hier vorliegenden sehr starken klanglichen und schriftbildlichen Übereinstimmungen dem Verkehr der Begriffsinhalt gar nicht zum Bewusstsein komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, besteht zwischen der prioritätsjüngeren Marke "GENIO" und der Widerspruchsmarke "GENO" Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 107, 114, § 125 b Nr. 1 MarkenG.
1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f. "Sabl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 2004, 783, 784 "NEU-RO-VIBOLEX/NEURO-FIBRALEX"; GRUR 2004, 235, 234 "Davidoff II"). Die Bewertung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Marca/Adidas"; MarkenR 2006, 67, 69 - Nr. 18 f. "PICASSO"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlussstück"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen gegeben.
2. Nachdem Benutzungsfragen im vorliegenden Fall nicht relevant sind (§ 43 Abs. 1 MarkenG), ist bei beiden Marken von der Registerlage auszugehen. Somit können sich die gegenüberstehenden Marken auf identischen Waren begegnen, denn der im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltene Begriff "Heizungsgeräte" umfasst die wandbefestigten Gasheizungsgeräte der angegriffenen Marke. Dies begünstigt Verwechslungen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Geräte wie die Waren der Widerspruchsmarke in aller Regel nur nach sorgfältiger Auswahl und oft durch Fachleute erworben und angebracht werden, so dass mit einer sorgfältigen, aufmerksamen Betrachtung der Produkte und deren Kennzeichnungen zu rechnen ist.
Der Schutzumfang der älteren Marke ist normal. Selbst wenn in "GENO" ein Hinweis auf "Genie" gesehen werden sollte, wären diese Anklänge sehr entfernt und erforderten eine analysierende Betrachtungsweise, die im Allgemeinen nicht erwartet werden kann. Eine Schwächung durch Drittmarken oder eine Stärkung durch umfangreiche Benutzung ist weder gerichtsbekannt noch vorgetragen.
Aus diesen Gründen ist zumindest ein durchschnittlicher Abstand der jüngeren von der älteren Marke erforderlich, um Verwechslungen auszuschließen. Dieser Abstand wird jedoch in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht nicht eingehalten.
Schriftbildlich sind alle verkehrsüblichen Wiedergabeformen der Marken zu berücksichtigen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 209). Insbesondere bei Wiedergabe der Markenwörter in Versalien (entsprechend der registrierten Schreibweise), wie sie etwa in Werbeanzeigen, auf Verpackungen, Prospekten und sonstigem Werbematerial zu erwarten ist, kommen sich die Markenwörter verwechselbar nahe. Die Buchstabenfolge "GEN-O" der Vergleichsmarken ist bis auf das zusätzliche "I" in der angegriffenen Marke identisch. Dieser Buchstabe ist äußerst schlank, nimmt darum vor allem bei Verwendung einer üblichen Proportionalschrift nur wenig Platz ein und hat nur geringfügige Auswirkungen auf die Wortlänge. Auch die Wortkontur wird nicht maßgeblich verändert, weil sich der Unterschied im Wortinnern befindet, die Anfangs- und Schlusselemente der Zeichen, die den Gesamteindruck stärker beeinflussen, aber völlig gleich sind (vgl. dazu Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 207).
Auch klanglich beschränkt sich die Abweichung der Wörter auf den zusätzlichen Vokal "I" in der angegriffenen Marke. Die Marken stimmen in der Konsonantenfolge "G-N" sowie in der betonten Vokalfolge "E-O" überein. Der "I"-Laut hat gegenüber diesen weitgehenden Übereinstimmungen auf Betonung, Silbengliederung und Sprechrhythmus der angegriffenen Marke nur geringfügige Auswirkungen. Denn dieser Selbstlaut wird im Wortzusammenhang insbesondere vor dem Vokal "O" - wie etwa in den Wörtern "Junior, Ratio, genial, Radio" u. s. w. - im Allgemeinen ähnlich wie "J" gesprochen werden, also nur kurz anklingen und unbetont bleiben. Er tritt daher hinter den sehr markanten Gemeinsamkeiten der Marken im Gesamtklangbild zurück.
Diese nur sehr geringfügigen schriftbildlichen und klanglichen Abweichungen der Marken können selbst von Fachleuten bei sorgfältiger Betrachtungsweise übersehen oder überhört werden, insbesondere wenn die Marken nicht nebeneinander auftreten und die angesprochenen Verkehrskreise auf ein mehr oder minder genaues Erinnerungsbild angewiesen sind.
Der von der Inhaberin der angegriffenen Marke geltend gemachte begriffliche Anklang der jüngeren Marke kann die Verwechslungsgefahr nicht beseitigen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich nur ein Sinngehalt als die Verwechslungsgefahr mindernd in Betracht kommt, der auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und dessen Verständnis keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert, was hier wegen eines allenfalls entfernten Anklangs an den Begriff "Genie" höchst fraglich ist. Außerdem können begriffliche Abweichungen keine Unterscheidungshilfe bieten, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich - wie hier - wegen der starken klanglichen und schriftbildlichen Gemeinsamkeiten verhören oder die Unterschiede übersehen, so dass ihnen begriffliche Unterschiede überhaupt nicht zum Bewusstsein kommen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rn. 225, 227; vgl. dazu auch EuGH a. a. O. 67, 69 - Nr. 20, 23 "PICASSO").
3. Es besteht kein Anlass, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 07.03.2006
Az: 24 W (pat) 266/04
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