Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 11. Juli 2005
Aktenzeichen: NotZ 5/05

(BGH: Beschluss v. 11.07.2005, Az.: NotZ 5/05)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerderechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert in beiden Instanzen wird auf 25.000 €

festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragsteller sind zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellte Notare mit Amtssitz in D. . Dort sind insgesamt 20 Notare zugelassen, unter denen mehrere Zweiersozietäten bestehen. Auch die Antragsteller zu 1) (geboren 1954) und 2) (geboren 1944) sind mit Genehmigung des Antragsgegners seit dem Jahre 1991 zu einer Sozietät verbunden. Sie schlossen am 15. Juni 2004 mit dem Antragsteller zu 3) (geboren 1942) eine "Kooperationsvereinbarung", die eine gemeinsame Nutzung der Geschäftsräume der Sozietät unter anteiliger Beteiligung des Antragstellers zu 3) an den Kosten für Personal, Räumlichkeiten und sonstige Sachmittel bei im übrigen wirtschaftlich getrennten Betriebseinnahmen vorsieht. Vor ihrer internen Verteilung sollen die von allen Notaren erwirtschafteten Einnahmen zunächst auf ein gemeinsames Treuhandkonto fließen und erst anschließend auf die jeweiligen Geschäftskonten umgebucht werden. Nach außen wollen die Antragsteller ihre Kooperation durch einen gemeinsamen Briefbogen (B. * H. * Dr. H. ) unter einem gemeinsamen Logo und der Bezeichnung "Notariat K. -straße 17" verlautbaren. In den bisherigen Geschäftsräumen des Antragstellers zu 3) soll eine gemeinsame Gütestelle unterhalten werden. Gemäß § 8 der Kooperationsvereinbarung beabsichtigen die Antragsteller Verhandlungen mit dem Ziel, ihre Kooperation in eine Sozietät umzuwandeln.

Der Antragsgegner hat den Antragsteller zu 3), nachdem gegen diesen Ende 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, des Amtes enthoben. Der Senat hat unter Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichts seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid zurückgewiesen (Beschluß vom 22. März 2004 -NotZ 23/03 -DNotZ 2004, 886). Auf die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers zu 3) hat das Bundesverfassungsgericht die Vollziehung der Amtsenthebung vorläufig ausgesetzt; eine Entscheidung in der Hauptsache ist bislang nicht ergangen.

Mit Bescheid vom 19. August 2004 hat der Antragsgegner den Antrag auf Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung zurückgewiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt, durch das gemeinsame Auftreten der Antragsteller im Rechtsverkehr entstehe eine "verfestigte" Kooperation, die einer Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung gleichzusetzen sei. Sie gefährde die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege, weil sie die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung beschränke. Es bestehe die Gefahr, daß bei Neubesetzung einer der drei Notarstellen eine "Nullstelle" geschaffen werde. Da der Antragsteller zu 3) bald das 62. Lebensjahr vollende und auch der Antragsteller zu 2) das 60. Lebensjahr überschritten habe, sei zudem von keinem auf Dauer angelegten Kooperationsverhältnis auszugehen, zumal der Verbleib des Antragstellers zu 3) im Amt ungewiß sei.

Nach Zurückweisung ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht verfolgen die Antragsteller ihr Begehren mit der sofortigen Beschwerde weiter.

II. Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsgegner hat zu Recht die Genehmigung der von den Antragstellern angestrebten Kooperation versagt.

1.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 BNotO dürfen sich zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellte Notare (sogenannte Nur-Notare) mit am selben Amtssitz bestellten Notaren zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Durch die ausdrückliche Verwendung der Mehrzahl hat der Gesetzgeber die unter der Geltung des § 9 Abs. 2 Satz 1 BNotO a.F. geäußerten Bedenken, ob das Gesetz im Bereich des Nur-Notariats überhaupt eine Notarsozietät von mehr als zwei Mitgliedern zulasse (vgl. Michalski, ZIP 1996, 11 ff.), die der Senat schon nach alter Rechtslage nicht geteilt hat (Senat BGHZ 127, 83, 87 f.), ausgeräumt.

§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO ermächtigt die Landesregierungen oder von ihnen bestimmte Stellen, um den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege insbesondere im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tragen, eine Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung oder eine gemeinsame Nutzung der Geschäftsräume von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen, die mit Auflagen verbunden oder befristet werden kann. Von dieser Ermächtigung hat das Sächsische Staatsministerium der Justiz in § 9 seiner Verordnung zur Ausführung der Bundesnotarordnung (BNotOVO) vom 16. Dezember 1998 Gebrauch gemacht (SächsGVBl. S. 666).

2.

Der Notar übt als Träger eines öffentlichen Amtes einen staatlich gebundenen Beruf aus, der auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§ 1 BNotO) der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dient

(BVerfGE 73, 280, 292; Beschluß vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 und 826/01 - DNotZ 2002, 891, 892). Wegen seiner Nähe zum öffentlichen Dienst ist es der Organisationsgewalt der Justizverwaltung vorbehalten, Zahl und Zuschnitt der Notariate zu bestimmen (BVerfGE 17, 371, 379; 73, 280, 292; Senat BGHZ 37, 179, 183; 127, 83, 90). Ihr kommt ein -durch die örtlichen Befugnisse und Gewohnheiten und insbesondere die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenztes (Organisations-)Ermessen zu, das sich auf alle Maßnahmen erstreckt, die die Errichtung, Ausgestaltung und Einziehung von Notarstellen betreffen. Dazu gehört die Verbindung mehrerer Nur-Notare zur gemeinsamen Berufsausübung, weil hierdurch vormals selbständige Notariate organisatorisch vereinigt werden (BGHZ 127, 83, 90; 59, 274, 279). § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO i.V. mit § 9 BNotOVO läuft dabei nicht, wie die Antragsteller meinen, auf ein Totalverbot der beruflichen Zusammenarbeit zwischen Nur-Notaren hinaus, sondern beinhaltet ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das mehrgliedrige Sozietäten zwischen Nur-Notaren nicht grundsätzlich verbietet, sondern sie einer vorherigen Kontrolle unterstellt, ohne daß insoweit von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Erteilung und Versagung der Genehmigung gesprochen werden könnte (vgl. Senat BGHZ 127, 83, 91 f.; 59, 274, 276). Die Entscheidung über die Genehmigung, von der die gemeinsame Berufsausübung im Einzelfall abhängig ist, steht ebenfalls im Ermessen der Landesjustizverwaltung, das sich wiederum an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege zu orientieren hat (vgl. BGHZ 59, 274, 278; 127, 83, 89 ff.).

3.

Die von den Antragstellern dagegen aus Art. 20, 80 und 12 GG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Die in§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO enthaltene Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung ist verfassungsgemäß. Dafür sind die gleichen Gründen maßgeblich, die der Senat -mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 1973 -1 BvR 593/72 -DNotZ 1973, 493 f. und vom 24. Oktober 1994 -1 BvR 1793/94 -nicht veröffentlicht) - bereits zu § 9 Abs. 2 BNotO in seiner bis zum 7. September 1998 geltenden Fassung angeführt hat (BGHZ 59, 274, 275 ff.; 127, 83, 93 ff.).

a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützt auch die Freiheit des Notars, seinen Beruf gemeinsam mit anderen auszuüben (vgl. BVerfGE 54, 237, 245 f.; 80, 269, 278; BGHZ 127, 83, 91). Der Genehmigungsvorbehalt, zu dem § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO ermächtigt, greift in dieses Grundrecht ein. Er betrifft aber nicht den Bereich der Berufswahl, sondern lediglich den der Berufsausübung. Die Freiheit der Berufsausübung kann gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, soweit sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (Senat BGHZ 59, 274, 278; 127, 83, 94; BVerfGE 7, 377, 405 und ständig). Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt damit eine Beschränkung der Berufsfreiheit auch durch untergesetzliche Normen wie die in Rede stehende Rechtsverordnung.

(1)

Allerdings verlangt der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2 GG), daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den Gesetzgeber bedarf, läßt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerfGE 98, 218, 251; 40, 237, 248 ff.; 49, 89, 127; 95, 267, 307 f.); entscheidend ist vor allem die Intensität, mit der die Grundrechte des Regelungsadressaten durch die jeweilige Maßnahme betroffen sind (BVerfGE 58, 257, 274).

(2)

Hier durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, den Landesregierungen die Möglichkeit zu eröffnen, einen Genehmigungsvorbehalt einzuführen, ohne selbst im einzelnen zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen ist. Mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO wollte er den länderspezifischen Besonderheiten ("örtliche Bedürfnisse und Gewohnheiten") in bezug auf die Ausgestaltung des Notariats Rechnung tragen. Die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische Trennung der Gewalten zielt auch darauf, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen - vorliegend den Landesjustizverwaltungen -getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (vgl. BVerfGE 98, 218, 252). Zudem ist es wegen der erwähnten ausgeprägten Nähe des Notars zum öffentlichen Dienst und der von ihm zu erfüllenden originären Staatsaufgaben (Art. 33 GG) gerechtfertigt, ihn der Organisationsgewalt des Staates bei der Organisation öffentlicher Ämter zu unterwerfen und der Justizverwaltung mit Blick darauf einen entsprechenden Ermessensspielraum einzuräumen, der sowohl bei der Einführung eines abstrakten Genehmigungsvorbehalts als auch bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung im Einzelfalldurch die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenzt ist (vgl. Senat BGHZ 46, 29, 35; BGHZ 127, 83, 91 f.).

b) Die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO genügt den Anforderungen des Art. 80 GG. Es ist ausreichend, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung durch Auslegung und Sinnzusammenhang der Norm und Gesetzeszweck erfassen lassen (vgl. Senat BGHZ 59, 274, 275; BVerfGE 19, 354, 362; 58, 257, 277). Das ist für eine Ermächtigung der Fall, die zur organisatorischen Gestaltung des Nur-Notariats die Einführung eines Genehmigungserfordernisses für die Bildung von Sozietäten im Verordnungswege zum Gegenstand hat, die nach der BNotO selbst einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht bedürfen. Die Ermächtigung ist in ihrem Ausmaß deutlich dahin umrissen, daß der Zusammenschluß von Nur-Notaren zu Sozietäten oder die Schaffung gemeinsamer Geschäftsräume von einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werden kann, um dadurch den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege insbesondere im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tragen (vgl. Senat BGHZ 59, 274, 275 f.; 46, 29, 31 f., bestätigt durch BVerfG DNotZ 1973, 493 f.). Dem steht nicht entgegen, daß die Landesregierungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BNotO zusätzlich die Möglichkeit haben, die Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung oder der gemeinsamen Nutzung der Geschäftsräume zu regeln, insbesondere auch die Höchstzahl der beteiligten Berufsangehörigen, von der der Antragsgegner keinen Gebrauch gemacht hat. Denn hierdurch wollte der Gesetzgeber den Landesregierungen lediglich einen weiteren Spielraum eröffnen, im Rahmen des Ermächtigungszwecks allgemein Bedingungen und Einzelheiten einer beruflichen Verbindung zwischen NurNotaren verbindlich festzulegen (BT-Drucks. 13/4184, 22). Damit wird nicht zum Ausdruck gebracht, daß -sind abstrakte Regelungen dieser Art nicht getroffen -über die Frage der Genehmigung mehrgliedriger Sozietäten nicht im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden darf.

c) Der mit dem Genehmigungsvorbehalt verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Nur-Notare ist auch inhaltlich zulässig (vgl. Senat BGHZ 127, 83, 94 ff.; 59, 274, 278 f.), insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats sichert die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung eine geordnete Rechtspflege und damit ein Gemeingut mit hohem Stellenwert, das die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigt (Senat BGHZ 127, 83, 94 f.; 59, 274, 279; 46, 29, 34; 37, 179, 183; BVerfGE 80, 269, 279; 54, 237, 249). In diese Personalhoheit, die bei der Besetzung von Notarstellen gegeben ist, wird eingegriffen, haben sich Notare zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden. Scheidet einer von ihnen aus dem Amt aus, kann seine Stelle praktisch nur mit einem Bewerber besetzt werden, den der oder die verbleibenden Partner in ihre Sozietät oder Bürogemeinschaft aufnehmen wollen. Wird die Stelle aus der Sozietät abgespalten, etwa weil die Justizverwaltung sie mit einem Bewerber besetzt, der sich mit dem oder den Kollegen aus der ursprünglichen Sozietät beruflich nicht verbinden möchte oder mit dem sich die verbliebenen Notare nicht verbinden wollen, wird sie im Regelfall einer "Nullstelle" gleichkommen. Denn erfahrungsgemäß werden die Mandanten des ausgeschiedenen Notars bei der ihnen bereits bekannten Sozietät bleiben und nicht zu dem nunmehr als Einzelnotar tätigen Nachfolger wechseln (vgl. Senat BGHZ 127, 83, 94 f.; 59, 274, 282; BT-Drucks. III/219 S. 45; Vollhardt, MittBayNot 1999 Heft 4 Sonderbeilage 7, 14; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinienempfehlungen der BNotK, Richtlinien der Notarkammern 2. Teil Rdn. 29).

(2) Die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung bei Neubesetzung einer freigewordenen Notarstelle soll aber auch die Chancengleichheit aller Bewerber (Art. 3 Abs. 1 GG) und den gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten gleichen Zugang zu dem öffentlichen Amt des Notars nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gewährleisten. Sie verhindert, daß die Besetzung der Notarstellen nach sachfremden Motiven wie persönlichen Beziehungen oder finanziellen Zuwendungen erfolgt. Zugleich wird dadurch die erforderliche Bestenauslese sichergestellt, die ebenfalls dem Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Rechtspflege dient. Zwar bleibt auch bei mehrgliedrigen beruflichen Verbindungen die nach den Kriterien des § 6 BNotO zu treffende Personalentscheidung letztlich der Justizverwaltung überlassen. Gleichwohl kann bereits der Kreis der Bewerber, aus dem die Auswahl zu treffen ist, eingeengt sein, weil an einer Mitarbeit in der betreffenden Sozietät und einer abgespaltenen "Nullstelle" kein Interesse besteht. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angestellte Vergleich mit der Zusammenlegung von Ämtern durch die öffentliche Hand, durch die ihre Personalhoheit faktisch gleichermaßen eingeschränkt werde, weil sich qualifizierte Bewerber angesichts der dadurch bedingten Verknappung von Beförderungsstellen von einer Bewerbung abhalten ließen, vermag nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb nicht, weil eine solche Maßnahme Ausdruck eigener Organisationsgewalt der Verwaltung ist, in ihre alleinige freie Entscheidung fällt und keiner Einflußnahme von dritter Seite unterliegt.

4. Auch die Rechtsanwendung im Einzelfall ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat weder die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, noch hat er davon in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

a) Die von den Antragstellern beabsichtigte Kooperation ist genehmigungsbedürftig. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO i.V. mit § 9 BNotOVO bezieht sich sowohl auf die Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung als auch auf die gemeinsame Nutzung von Geschäftsräumen. Die Vorschrift umfaßt damit die Sozietät wie die Bürogemeinschaft gleichermaßen (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 5. Aufl. § 9 Rdn. 4 f; Schippel, BNotO 7. Aufl. § 9 Rdn. 1). Aus dem Kooperationsvertrag geht hervor, daß die Antragsteller eine gemeinsame Geschäftsstelle mit gemeinsamer Ausstattung und gemeinsamem Personal unterhalten wollen. Diese Verbindung geht aber wegen ihrer Verlautbarung nach außen (Briefkopf, Logo, Bezeichnung als Notariat "K.

-straße 17"), die durch die Einziehung der gemeinsamen Erlöse über ein Treuhandkonto noch verstärkt wird, deutlich über eine bloße Bürogemeinschaft hinaus. Die beabsichtigte Form der Zusammenarbeit der Antragsteller läßt sich, wie es auch in § 8 des Kooperationsvertrags zum Ausdruck kommt, als Vorstufe für ein späteres Sozietätsverhältnis kennzeichnen. Aufgrund dieser konkreten Ausgestaltung ist ihre Verbindung so eng, daß sie dieselben Gefahren der Einflußnahme auf Personalauswahl und Personalentscheidung des Antragsgegners in sich birgt, wie sie bei mehr mehrgliedrigen Sozietät gegeben wären.

(2)

Hinzu tritt, daß der Antragsgegner, in dessen Zuständigkeitsbereich es bis auf eine einzige aus drei Notaren bestehende Sozietät in C.

nur "Zweier-Sozietäten" gibt, im Falle der Genehmigung eines mehrgliedrigen Zusammenschlusses zur gemeinsamen Berufsausübung sein Ermessen bindet. Er wäre auch in künftigen Fällen zur Gleichbehandlung anderer Nur-Notare verpflichtet, die ebenfalls eine Verbindung von mehr als zwei Partnern anstreben. Die Bildung von immer mehr und immer größeren Kooperationen oder Sozietäten wäre nicht aufzuhalten (Senat BGHZ 127, 83, 97 f). Es stünde eine Zurückdrängung verbleibender Einzelnotariate zu befürchten. Die übermäßige Konzentration von Beurkundungsgeschäften in ein und demselben Notariat gefährdet zudem die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen und beeinträchtigt die freie Notarwahl durch den rechtsuchenden Bürger ("Aufsaugen" von Notarstellen). Das wird vorliegend durch mögliche Vorteile, die ein mehrgliedriger Zusammenschluß für den rechtsuchenden Bürger haben kann, nicht ausgeglichen. Zwar mag in einem ausgesprochen großstädtischen Notarbüro eine Spezialisierung der gemeinschaftlich tätigen Notare auf bestimmte Sachgebiete angezeigt sein. Indes ist weder von den Antragstellern dargetan, daß sie eine solche Spezialisierung beabsichtigen, noch sonst ersichtlich, daß eine Spezialisierung aufgrund der strukturellen Verhältnisse vor Ort wünschenswert wäre.

c) Des weiteren durfte der Antragsgegner die Versagung der Genehmigung auf das vorgerückte Alter des Antragstellers zu 3 stützen, der im Zeitpunkt des Antrags vor Vollendung des 62. Lebensjahres stand. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß es in Fällen wie dem vorliegenden den "aufnehmenden" Notaren vor allem darum gehen wird, mit dem schon aus Altersgründen absehbaren Ausscheiden des neuen Partners dessen Mandate zu übernehmen. Der Genehmigungsvorbehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO soll aber gerade verhindern, daß ein Notar auf diesem Weg sein Amt auf einen anderen Notar überträgt. Deshalb ist es grundsätzlich gerechtfertigt, nur auf Dauer angelegte Sozietätsoder ihnen vergleichbare Kooperationsverhältnisse zu genehmigen (Schippel, aaO § 9 Rdn. 17; Baumann, aaO Rdn. 8). Gegen die Anwendung einer abstrakten Altersgrenze bestehen dabei keine Bedenken. Es kann regelmäßig angenommen werden, daß die Mehrzahl der Notare die Altershöchstgrenze von 70 Jahren (§ 48a BNotO) nicht ausschöpfen, sondern für sich die Regelgrenze von 65 Jahren in Anspruch nehmen wird. Für die Annahme einer dauerhaften beruflichen Zusammenarbeit eine Altersgrenze von 60 Jahren zu ziehen, war jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft (Senatsbeschluß BGHZ 59, 274, 284 f).

d) Ob es im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht erlassene einstweilige Anordnung zulässig wäre, die vom erkennenden Senat ausgesprochene Amtsenthebung des Antragstellers zu 3 zum Nachteil der Antragsteller zu berücksichtigen, kann offenbleiben. Dieser Umstand, der in dem angefochtenen Bescheid nur beiläufig erwähnt wird, hat sich ersichtlich auf das Ergebnis der von der Antragsgegnerin getroffenen Ermessensentscheidung nicht ausgewirkt.

Schlick Becker Kessal-Wulf Ebner Eule






BGH:
Beschluss v. 11.07.2005
Az: NotZ 5/05


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