Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 24. Juli 2014
Aktenzeichen: 2 U 148/13
(OLG Stuttgart: Urteil v. 24.07.2014, Az.: 2 U 148/13)
Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.Das Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs lautet: I ZR 195/14.
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2013 (Az.: 36 0 52/13 KfH) wirdz u r ü c k g e w i e s e n.2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungsausspruch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- EUR und diejenige aus den Zahlungsansprüchen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000,- EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und Kostenerstattung geltend.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2013 (Az.: 36 0 52/13 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend und unter Abweisung im Übrigen stattgegeben. Hierzu hat es im Kern ausgeführt:
Der Beklagte verwende die Bezeichnung "Outlet" irreführend. Sie sei zu verstehen, wie in dem Senaturteil vom 15. März 2012 (2 U 90/11) ausgeführt. Der Beklagte gehe demgegenüber von einem falschen Verkehrsverständnis aus und erfülle die an ein "Outlet" zu stellenden Anforderungen nicht.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Er trägt vor:
Das Landgericht habe gegen § 139 Abs. 2 ZPO verstoßen. Es gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Bezeichnung €Outlet" von den angesprochenen maßgeblichen Verkehrskreisen als Synonym für die Bezeichnung €Factory Outlet" verstanden werde. Da diese Anschauung sogar vom Verständnis dieser Begriffe in den vom Gericht zitierten Urteilen erheblich abweiche, hätte das Gericht darauf gem. § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO hinweisen müssen.
Die vom Landgericht zitierten Entscheidungen trügen seine Auffassung nicht. Sie gingen sämtlich davon aus, dass der Begriff €Outlet" den Eindruck erwecke, dass Waren mit erheblicher Preisersparnis, z.B. ohne Zwischenhändler direkt ab Werk bzw. direkt vom Hersteller verkauft würden. Alle zitierten Urteile stützten sich auch in ihren Entscheidungsgründen nie auf den Begriff €Outlet", sondern immer auf die sich durch weitere Umstände aufdrängende unwahre Direktverkaufsbehauptung. Diese folge aus der Verwendung der Begriffe €Fabrikverkauf", €Factory Outlet" oder €Designer Outlet" bzw. aus der konkreten Nennung eines Markenwarenherstellers.
Der Beklagte suggeriere demgegenüber keinen Direktverkauf.
Die Befragung des Landgerichts Lübeck missverstehe das Landgericht Stuttgart. Außerdem sei sie im Jahre 1999 durchgeführt worden. Seitdem habe sich das Verkehrsverständnis gewandelt.
Der Beklagte verwende nicht den Begriff €Outlet", sondern stets nur den Begriff €Kinder Outlet". Dies erwecke nicht den Eindruck eines Fabrikverkaufs, sondern eines am Bedarf von Kindern orientierten Warensortiments. Dies verstehe der Verkehr nur als Verkaufsstelle für Restposten, B-Waren und Sonderposten im Bereich des Kinderbedarfs und erwarte verbilligte Preise, die er auch erhalte. Zumal kein Hersteller bei einem Fabrikverkauf seinen Namen verschweige. Dass der Beklagte dem genüge, sei erstinstanzlich unter Beweisantritt vorgetragen und nicht bestritten worden.
Zwar könne auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, der Bundesgerichthof habe (BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 89/12 - Matratzen Factory Outlet) die Begriffe €Factory Outlet" und €Outlet" gleichbedeutend betrachtet. Eine solche Betrachtung verkenne aber, dass es in seinem Urteil auf diesen Umstand gar nicht angekommen sei. Es sei ein günstigerer Direktvertriebskanal suggeriert worden, obwohl es einen Vertrieb über den Einzelhandel gar nicht gegeben habe.
Der Beklagte verkaufe nicht nur die hier streitgegenständlichen Spielwaren unter seinem Unternehmenskennzeichen €dein Kinder Outlet", sondern überwiegend Kindermoden. Der Bestandteil €Kinder€ zeige, dass Waren für Kinder verkauft würden. Dies schließe die Annahme eines Herstellerverkaufs aus.
Er befürchte nach einer Verurteilung Angriffe anderer Wettbewerber ggf. auch gegen den Verkauf von Kindermoden unter dem Begriff €Outlet€ bzw. €dein Kinderoutlet€. Damit sei seine Beschwer weit höher als der Streitwert, den das Landgericht angesetzt habe. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weshalb nach einer erfolglosen Berufung die Revision zugelassen werden müsste.
Der Beklagte beantragt in der Sache
Klageabweisung.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Hinweis auf mehrere Gerichtsentscheidungen und ergänzt:
Es sei nicht unstreitig, dass der Beklagte ausschließlich mit Restposten, B-Ware, Saisonware und Ausschussware handele (vgl. Schriftsatz vom 29.08.2013, S. 5 ff.). Auch ein Handel mit Restposten stelle kein €Outlet" dar. Entscheidend sei, ob der Zwischenhandel ausgeschlossen werde. Der Beklagte übersehe, dass er ein Zwischenhändler sei und nicht unter Ausschaltung des Zwischenhandels anbiete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages im zweiten Rechtszug wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 17. Juli 2014 Bezug genommen.II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zurecht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Bezeichnung des Beklagten mit dem Bestandteil "Outlet" als irreführende Benennung seines Unternehmens und damit als unlauter im Sinne der §§ 3, 5 UWG angesehen und dem klagenden Mitbewerber den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zugesprochen; damit besteht auch der (zulässigerweise) nur über diesen Punkt inzident angegriffene zugesprochene Zahlungsanspruch.A
Schon nicht ordnungsgemäß ausgeführt, aber auch unberechtigt ist die Verfahrensrüge der Berufung. Selbst wenn das Landgericht ein anderes Begriffsverständnis zugrunde gelegt hätte als die von ihm zitierten Gerichte, wäre dies kein Grund gewesen, der einen förmlichen gerichtlichen Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO geboten hätte. Beide Parteien hatten zum Verkehrsverständnis vorgetragen. Es war damit am Landgericht, zu prüfen, ob es das Verkehrsverständnis aus eigener Kenntnis bestimmen konnte und diese Bestimmung bejahendenfalls vorzunehmen. Ein Vertrauensschutz darauf, dass das Gericht sich einer Auslegung oder einem Verständnis eines anderen Gerichts anschließe, besteht nicht, sofern nicht das Gericht selbst durch eindeutige Zeichen die Erwartung heraufbeschworen hat, es werde von einem bestimmten Rechtsstandpunkt ausgehen; zumal wenn die Parteien gerade über diesen Punkt streiten. Eine derartige €Selbstfestlegung€ trägt die Berufung nicht vor.
Dies bedarf aber nicht der näheren Erläuterung. Denn die Verfahrensrüge entspricht schon nicht den formalen Anforderungen; so legt der Beklagte nicht dar, inwiefern das landgerichtliche Urteil auf dem von ihm vermissten Hinweis beruhe.B
Auch in der Sache geht die Berufung fehl.1.
Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (statt vieler BGH, GRUR 2013, 1254, Rz. 15, m.w.N. - Matratzen Factory Outlet). Das danach maßgebliche Verständnis eines durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbrauchers, der Kinderkleidung und Spielwaren kauft oder für den der Kauf oder die Verwendung solcher Waren zumindest in Frage kommt, vermag der ständig mit Wettbewerbssachen befasste, aus Verbrauchern zusammengesetzte Senat auf Grund des Erfahrungswissens seiner das Internet nutzenden Mitglieder, zu denen potentielle Käufer von Spielwaren und Kinderkleidung gehören, selbst festzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, a.a.O., Rn. 17; BGHZ 156, 250, 255 - Marktführerschaft; OLG Köln, GRUR 2014, 303, bei juris Rz. 10).2.
Das Landgericht hat dieses Verständnis zutreffend bestimmt. Die Angriffe der Berufung hiergegen gehen schon an der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbei. Das landgerichtliche Urteil gibt diese und die vom Bundesgerichtshof im Zuge einer Nichtzulassungsbeschwerde bestätigte Senatsrechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15. März 2012 - 2 U 90/11) zutreffend wieder und wendet die darin ausgeführten Rechtsgrundsätze fehlerfrei an.a)
Der Bundesgerichtshof hat erkannt (BGH, Urteil vom 24. September 2013 € I ZR 89/12, MDR 2014, 485, bei juris Rz. 16):
"Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts versteht ein durchschnittlich aufmerksamer, informierter und verständiger Verbraucher die Bezeichnungen €Factory Outlet€ und €Outlet€, die innerhalb der Gesamtbezeichnungen €Matratzen Factory Outlet€ und €Matratzen Outlet€ jeweils prägend sind, im Sinne eines Fabrikverkaufs."
Der Bundesgerichtshof hat sich also nicht nur zu einer Bezeichnung geäußert, die den Bestandteil "Factory" enthielt (vgl. auch a.a.O., Tz. 17) und entgegen der Interpretation des Beklagten zu erkennen gegeben, dass er es billigt, die Bezeichnung "Outlet" auch ohne einen weiteren bestimmenden Hinweis in gleicher Weise zu verstehen wie mit einem solchen. Denn er hat weiter ausgeführt (Rz. 18), das vom Berufungsgericht angenommene Verkehrsverständnis werde noch durch die weitere, auf einen €Fabrikverkauf€ hinweisende werbliche Aussage €Direktverkauf ab Fabrik€ verstärkt." Eine Verstärkung setzt voraus, dass das beschriebene Verständnis schon vor der Verstärkung vorhanden war.
Dies Entscheidung kumuliert in Rz. 19, wo es heißt:
"Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Bezeichnungen €Factory Outlet€ und €Outlet€ einheitlich beurteilt hat, weil €Outlet€ von den angesprochenen Verkehrskreisen als Kurzbezeichnung für €Factory Outlet€ verstanden wird (ebenso OLG Hamburg, GRUR-RR 2001, 42).
Im weiteren hat sich der Bundesgerichtshof dann mit der Definition des Fabrikverkaufs befasst und judiziert (a.a.O., Rz. 20):
"Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, unter einem €Fabrikverkauf€ verstehe der Verbraucher den Verkauf. "besonders preisgünstig angebotener Markenware durch den Hersteller unter Ausschaltung des Groß- und Zwischenhandels".b)
Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, die Bezeichnung €Kinder Outlet€ bzw. €dein Kinder Outlet€ werde schon deshalb anders verstanden, weil anders als bei Herstellerverkäufen der Name des Herstellers nicht in der Bezeichnung auftauche und das Wort €Kinder€ zeige, dass es sich um eine Verkaufsstelle für kinderbezogene Artikel handele. Zwischen dem vom Bundesgerichtshof abgehandelten Begriff "Matratzen Outlet" und "Kinder Outlet" besteht insoweit kein Verständnisunterschied. Wie auch der Beklagte ausführt, ist dem Verbraucher klar, dass unter der Bezeichnung €Kinder Outlet€ Waren für Kinder angeboten werden. Dies steht aber ebenso wie bei €Matratzen Outlet€ oder €Outlet€ ohne Zusatz dem Verständnis des Verbrauchers dahin nicht entgegen, dass er dort direkt vom Hersteller Waren für Kinder bekomme, und zwar "besonders preisgünstig angebotener Markenware durch den Hersteller unter Ausschaltung des Groß- und Zwischenhandels" (so BGH, a.a.O., Rz. 20).c)
Diese Vorgaben erfüllt der Beklagte nicht. Unstreitig ist der Beklagte nicht Hersteller und bietet auch nicht "den Verkauf besonders preisgünstig angebotener Markenware durch den Hersteller unter Ausschaltung des Groß- und Zwischenhandels" an, sondern ist selbst Zwischenhändler. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt.d)
Dadurch wird ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher getäuscht. Es reicht aus, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher €Outlet€ in der beschriebenen Weise versteht (BGH, a.a.O., Rz. 20). Daran bestehen indes keine durchgreifenden Zweifel. Insbesondere ist eine Aufweichung des Begriffsverständnisses seit dem zitierten Senatsurteil bzw. der vom Bundesgerichtshof gehaltenen Entscheidung des OLG Hamburg nicht eingetreten.
Dass in diesem Bereich eine Vielzahl von Rechtsbrechern tätig ist, ändert nichts daran, dass jeder von ihnen den Verkehr täuscht. Dies gerade weil die Bezeichnung "Outlet" auf den Verbraucher eine hohe Anziehungskraft ausübt, was die Markterheblichkeit und die Intensität belegt, mit der um diesen Begriff von Händlerseite gekämpft wird.
Die Attraktivität rührt zum einen aus der Erwartung besonders günstiger Preise, zum anderen weil der Verbraucher mit dem Begriff €Outlet€ die Gewähr verbindet, durch den Direktbezug vom Hersteller nur Originalware zu erhalten, was besonders im Internethandel von Bedeutung ist; also gerade aus dem beschriebenen Begriffsverständnis.III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 51 Abs. 1, 48 Abs. 1, 47 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO.
Es besteht kein Grund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit kann auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden werden.
OLG Stuttgart:
Urteil v. 24.07.2014
Az: 2 U 148/13
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