Verwaltungsgericht Wiesbaden:
Beschluss vom 29. Januar 2009
Aktenzeichen: 3 L 1224/08.WI

(VG Wiesbaden: Beschluss v. 29.01.2009, Az.: 3 L 1224/08.WI)

Beteiligt sich eine Gemeinde an einer Aktiengesellschaft, so sind die aktienrechtlichen Vorschriften auch für die Gemeinde verbindlich

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Beanstandung des Antragsgegners vom 22.10.2008 wird insoweit angeordnet, als sich die Beanstandung auf Ziffer 2. und 3. des Beschlusses der Antragstellerin vom 25.09.2008 bezieht.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladenen haben keine Kosten zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Beanstandung eines Beschlusses durch den Antragsgegner.

Die Beigeladene zu 1. beabsichtigt den Bau eines L-Werkes im D-Stadter Industriegebiet F. Aktionäre der Beigeladenen zu 1. sind zu jeweils 50% die Stadtwerke E-Stadt AG und die Beigeladene zu 2. 50,64% der stimmberechtigten Aktien der Beigeladenen zu 2. werden von der Firma G. gehalten, deren alleinige Gesellschafterin die Stadt A ist.

Am 25.09.2008 erließ die Antragstellerin folgenden Beschluss:1) Die Stadtverordnetenversammlung bekräftigt ihren Beschluss vom 13.3.2008 und spricht sich gegen den Bau des auf der F. geplanten L-Werkes aus und beauftragt daher den Magistrat gemäß den Vorgaben des § 122 AktG umgehend eine außerordentliche Hauptversammlung der Firma G. einzuberufen und dort den Vorstand der Firma G per Beschluss der Hauptversammlung anzuweisen, gemäß der Vorgaben des § 122 AktG umgehend eine außerordentliche Hauptversammlung der H. AG einzuberufen und dort auf einen Beschluss hinzuwirken, nach dem der Vorstand der H. AG angewiesen wird, einen sofortigen Stopp aller Planungsarbeiten zum Bau des L-Werkes zu erwirken und den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids der M. zurückzunehmen.2) Weiterhin wird der Magistrat beauftragt, auf demselben Wege in der Satzung von D. folgende Grundsätze zu verankern: a) Der Ausstoß an CO2 wird pro erzeugter Kilowattstunde Energie für künftige Einrichtungen auf den Wert des bestehenden N.-Kraftwerkes begrenzt.b) Künftige Kraftwerksbauten, die für die Energieerzeugung fossile Energieträger nutzen, dürfen keinen schlechteren Wirkungsgrad aufweisen als es dem neuesten Stand der N.-Technik entspricht.c) Um Versorgungssicherheit, regionaler Unabhängigkeit und Umweltschutz eine hohe Nachhaltigkeit zu verleihen, werden Maßnahmen zur Energieeinsparung, zur Steigerung der Energieeffizienz ebenso verstärkt wie der Ausbau des Einsatzes erneuerbarer Energien.3) Die Gewinnvorgaben für die D werden nach bzw. innerhalb einer Übergangszeit von 5 Jahren (Ende des jetzigen Gasliefervertrages) so korrigiert, dass nicht mehr die Erzielung maximaler Gewinne Entscheidungskriterium für die Art der Stromproduktion ist, sondern Kriterien wie Regionalität, Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit ebenfalls zu berücksichtigen sind. Für die Finanzierung von bisher aus diesen Mitteln finanzierten kommunalen Aufgaben (z. B. ÖPNV) ist bis dahin ein alternatives Konzept zu entwickeln.4) Die Stadtverordnetenversammlung bekräftigt ihren Beschluss vom 10.05.2007 (Beschluss-Nr. 0221), im Falle einer Genehmigung des geplanten Baus durch die M und Unwirksamkeit des im Verfahren befindlichen Bebauungsplanverfahrens der Stadt E gegen die Genehmigung in Gänze zu klagen.

Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsgegner am 08.10.2008 Widerspruch. Mit Beschluss vom 20.10.2008 bestätigte die Antragstellerin ihren Beschluss vom 25.09.2008 und wies den Widerspruch des Antragsgegners zurück. Daraufhin beanstandete der Antragsgegner mit Schreiben vom 22.10.2008 den Beschluss vom 20.10.2008. Zur Begründung führte der Antragsgegner u. a. aus, die Stadt sei verpflichtet, bei der Einflussnahme auf Unternehmen, an denen sie beteiligt sei und die in Form der Aktiengesellschaft organisiert seien, die starke Stellung des Vorstandes der AG hinsichtlich möglicher Anweisungen der Aktionäre bzw. des Aufsichtsrats zu beachten. Fielen von der Stadt gewünschte Maßnahmen in den Kompetenzbereich des Vorstandes, dürfe die Stadt als Gesellschafterin in der Hauptversammlung grundsätzlich keine Beschlüsse fassen, die den Vorstand anwiesen. Der Stopp aller Planungsaktivitäten und die Rücknahme des Genehmigungsantrags bei der M. fielen in den Kompetenzbereich des Vorstandes der Beigeladenen zu 1. Auch die Verankerung von Grundsätzen in der Satzung der Beigeladenen zu 1. könne nicht durch Anweisung dessen Vorstandes erfolgen, weil bereits eine vorherige Anweisung des Vorstands der Firma G. durch den Mehrheitsgesellschafter in der Hauptversammlung der Beigeladenen zu 2. unzulässig sei. Entsprechende Einwände gälten hinsichtlich der geforderten Anweisung des Vorstandes der Beigeladenen zu 1. durch den Gesellschafter der Beigeladenen zu 2. Diese Erwägungen gälten auch hinsichtlich der Gewinnvorgaben für die Beigeladene zu 1. In den Ziffern 1-3 des Beschlusses der Antragstellerin werde danach vom Magistrat die Nichtbeachtung aktienrechtlicher Vorgaben verlangt, was den Antragsgegner zum Widerspruch bzw. zur Beanstandung zwinge.

Am 17.11.2008 hat sich die Antragstellerin an das Verwaltungsgericht gewandt und sucht um vorläufigen Rechtsschutz nach. Gleichzeitig hat die Antragstellerin gegen die Beanstandung des Antragsgegners Klage erhoben).Laut Presseveröffentlichungen hat die M. der Beigeladenen zu 1. am 20.01.2009 den beantragten Vorbescheid erteilt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Beanstandungsverfügung des Antragsgegners vom 22.10.2008 sei offensichtlich rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Durch Beschluss vom 25.09.2008 werde der Magistrat beauftragt, in konkret bestimmter Weise und zur Erreichung konkret bestimmter Ziele auf bestimmte städtische Eigen- und Beteiligungsgesellschaften einzuwirken. Es handele es sich dabei um wichtige Entscheidungen über die in diesen Gesellschaften zu verfolgende Geschäftspolitik, die nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen den Entscheidungsbefugnissen der Antragstellerin unterlägen. Es gebe keinen Vorrang gesellschaftsrechtlicher Vorschriften gegenüber kommunalrechtlichen. Die These vom Vorrang des privaten Gesellschaftsrechts treffe auf kommunale Eigen- und Beteiligungsgesellschaften in privatrechtlicher Organisationsform insbesondere deswegen nicht zu, weil sie den Blick ausschließlich auf das private Gesellschaftsrecht, insbesondere auf das Aktienrecht, unzulässig verenge und sich damit zugleich die Sicht auf übergeordnete gesetzliche Bindungen dieser Gesellschaften verstelle. Sie übersehe deswegen, dass die Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden seien und sich deswegen nicht mittels einer "Flucht ins Privatrecht" dieser insbesondere verfassungsrechtlichen Bindungen entziehen könnten und dürften. Die Hauptorgane der kommunalen Verwaltung - Gemeinderat und Verwaltungsspitze - stünden kraft unmittelbarer Legitimation in Verantwortung vor dem Volk. Unter der Weisung und Kontrolle dieser Organe vollziehe sich die Kommunalverwaltung, was einer umfassenden Verselbstständigung auch von Teilen der Verwaltung entgegenstehe. Daraus folge, dass die Übertragung von Verwaltungsfunktionen nur dann statthaft sei, wenn und soweit diese unter der Verantwortung der kommunalen Verwaltungsspitze weiterhin ausgeübt werden könnten und der Kommune Rechte gesichert blieben, die eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgabe gewährleisteten. Wegen des übrigen Vorbringens der Antragstellerin wird auf deren Schriftsätze vom 13.11.2008, 25.11.2008 (im Klageverfahren) und 01.12.2008 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 14.11.2008 gegen die Beanstandungsverfügung des Antragsgegners vom 22.10.2008 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, es fehle ein Anordnungsgrund, da frühestens Mitte 2009 mit einem Baubeginn gerechnet werden könne. Ein gerichtlicher Beschluss im Sinne der Antragstellerin stelle eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Die Beanstandung sei zu Recht erfolgt, denn die Antragstellerin verlange vom Magistrat Maßnahmen, die aktienrechtlich nicht zulässig seien. Nach den Vorgaben des Aktiengesetzes sei der Vorstand der AG weder an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane noch an Weisungen von Großaktionären gebunden. Dieser Grundsatz bleibe auch bei der Beteiligung von Gebietskörperschaften ohne Einschränkung bestehen. Auch insoweit seien Weisungen anderer Gesellschaftsorgane oder der Gebietskörperschaft selbst an den Vorstand rechtlich unzulässig. Öffentlich-rechtliche Regelungen könnten keine Abweichungen von den aktienrechtlichen Vorschriften bewirken. Beteilige sich eine Kommune zur Bewältigung kommunaler Aufgaben an einer Aktiengesellschaft, so habe sie den verbindlichen Regelungskanon des Aktiengesetzes zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch, dass dann, wenn entsprechend der Forderung der Antragstellerin verfahren werde, die Stadt A. möglicherweise Schadensersatzansprüchen der Miteigentümer der Beigeladenen ausgesetzt wäre. Ziffer 4 des Beschlusses der Antragstellerin vom 25.09.2008 sei nicht durch den Antragsgegner beanstandet worden. Dies ergebe sich aus der Begründung der Beanstandung, in der ausdrücklich auf die Ziffern 1 - 3 des Beschlusses vom 25.09.2008 abgestellt werde.

Wegen des übrigen Vorbringens des Antragsgegners wird auf dessen Schriftsätze vom 19.12.2008 und 28.01.2009 verwiesen.Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Sie schließen sich den Ausführungen des Antragsgegners an.

II.

Soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Beanstandungsverfügung des Antragsgegners in Bezug auf Ziffer 4 des Beschlusses vom 25.09.2008 begehrt, ist der Antrag unzulässig, da die Beanstandungsverfügung insoweit keine Beschwer zu Lasten der Antragstellerin (mehr) enthält.Es spricht bereits einiges dafür, dass die Beanstandung vom 22.10.2008 niemals Ziffer 4 des Beschlusses vom 25.09.2008 betraf. In der Begründung seiner Beanstandung nimmt der Antragsgegner nämlich nirgends auf diese Ziffer des Beschlusses Bezug, sondern spricht ausdrücklich von den Ziffern 1 - 3. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass die Beanstandungsverfügung insoweit nicht ganz eindeutig gewesen wäre, wäre spätestens durch die entsprechende Einlassung des Antragsgegners im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens klargestellt worden, dass sich seine Beanstandung nicht auf Ziffer 4 des Beschlusses erstreckt, so dass der Antrag jedenfalls inzwischen mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden ist.Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (§ 63 Abs. 2 Satz 3 und 4 HGO; vgl. dazu, dass § 63 Abs. 2 Satz 3 HGO nichts anderes bewirkt, als die Formulierung, dass eine Anfechtungsklage gegen die Beanstandung keine aufschiebende Wirkung hat, VG Kassel NVwZ-RR 2001, 466) und auch im Übrigen zulässig.Obgleich inzwischen gegenüber der Beigeladenen zu 1. der von ihr begehrte Bauvorbescheid gemäß § 72 der BauO ergangen ist, fehlt dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, soweit Ziffer 1 des Beschlusses vom 25.09.2008 u. a. auch auf die Rücknahme des Antrags auf Erteilung des Vorbescheids abstellt. Das Gericht lässt offen, ob ein Bauantrag und mithin dann auch ein Antrag auf Erlass eines Bauvorbescheids (vgl. dazu, dass wesentliche Vorschriften betreffend den Bauantrag auch für den Bauvorbescheid gelten, § 72 Satz 3 LBauO) zeitlich unbeschränkt zurückgenommen werden kann. Jedenfalls ist eine Rücknahme bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung und damit auch eines Vorbescheids zulässig (vgl. in diesem Sinne BVerwG NVwZ 1989, 860; Hornmann, Hessische Bauordnung, 2004, § 60 Rn. 34). Da der Vorbescheid vom 20.01.2009 mangels Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist noch nicht unanfechtbar geworden ist, ist mithin auch eine Rücknahme des Antrags auf Erlass des Vorbescheids noch möglich.

14Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Bezug auf die ausgesprochene Beanstandung ist aber unbegründet, soweit sich die Beanstandung, vermittelt über den Beschluss der Antragstellerin vom 20.10.2008, auf Ziffer 1 des Beschlusses vom 25.09.2008 bezieht.Die Beanstandung erweist sich bei der im vorliegenden Eilverfahren allein anzustellenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig. Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 HGO muss der Oberbürgermeister einen Beschluss, der das Recht verletzt nach einem vorausgehenden erfolglosen Widerspruch (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 HGO) unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche nach der Beschlussfassung gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung beanstanden. Die vorgeschriebene Frist ist eingehalten. Ziffer 1 des Beschlusses vom 25.09.2008 erweist sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch als rechtswidrig, so dass die Beanstandung zu Recht erfolgte.Ziffer 1 des Beschlusses zielt letztlich darauf ab, dass die Hauptversammlung der Beigeladenen zu 1. auf deren Vorstand dahingehend einwirkt, dass dieser die Planungsarbeiten zum Bau des L-kraftwerkes stoppt und den Antrag auf Erteilung des Vorbescheids zurücknimmt. Da die Stadt A., vermittelt über die Firma E. und die Beigeladene zu 2. an der Beigeladenen zu 1. beteiligt ist, reicht es für die Bejahung der Rechtmäßigkeit der Beanstandung aus, wenn innerhalb dieser "Entscheidungskette" eine der zu treffenden Entscheidungen rechtswidrig ist. Ein entsprechender Rechtsfehler liegt jedenfalls mit aller Wahrscheinlichkeit insoweit vor, als der Vorstand der Beigeladenen zu 1. verpflichtet werden soll, zum Zwecke der Erreichung des in Ziffer 1 des Beschlusses genannten Ziels eine Hauptversammlung einzuberufen.Zuständig zur Einberufung der Hauptversammlung ist gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 AktG der Vorstand. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG ist die Hauptversammlung einzuberufen, wenn Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals erreichen, die Einberufung schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen; das Verlangen ist an den Vorstand zu richten. Diesen formalen Erfordernissen genügt das Verlangen der Beigeladenen zu 2. Ein solches Verlangen ist aber missbräuchlich (vgl. § 242 BGB), wenn von vornherein feststeht, dass die Aktionäre, die die Einberufung der Hauptversammlung verlangen, überhaupt nicht befugt sind, den von ihnen beabsichtigten Beschluss in der Hauptversammlung zu treffen (vgl. in diesem Sinne Hüffer, Aktiengesetz, 8. A., 2008, § 122 Rn. 6; Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. A., 2005, § 122 Rn. 15). Der letztlich beabsichtigte Beschluss der Hauptversammlung der Beigeladenen zu 1. zielt darauf, die Hauptversammlung mit Geschäftsführungsaufgaben zu befassen. Die Geschäftsführung ist aber grundsätzlich dem Vorstand der Aktiengesellschaft vorbehalten (vgl. §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG). Unter Geschäftsführung ist jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die Aktiengesellschaft zu verstehen. Bei der Leitung (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) geht es um die Führungsfunktion des Vorstands, mithin um einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung (Hüffer, a. a. O., § 76 Rn. 8; Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 76 Rn. 18). Die Planungsarbeiten zum Bau des L-kraftwerkes und der Antrag bzw. dessen Rücknahme auf Erteilung eines Vorbescheids gehören zu diesem Aufgabenbereich, was von der Antragstellerin letztlich auch nicht bestritten wird. Da der Vorstand der Beigeladenen zu 2. nicht verlangt hat, dass die Hauptversammlung über diese Fragen entscheiden soll, ist der Hauptversammlung eine entsprechende Entscheidungskompetenz gemäß § 119 Abs. 2 AktG von vornherein nicht gegeben.Die insoweit eindeutigen Vorschriften des Aktiengesetzes können auch nicht durch "Grundsätze" des Kommunalrechts in dem Sinne modifiziert werden, dass im Falle einer Beteiligung einer Gemeinde an einer Aktiengesellschaft die Regelungen des Aktiengesetzes keine Anwendung mehr finden. Von einer etwaigen Regelungslücke des Aktiengesetzes kann nicht gesprochen werden, denn das Aktiengesetz geht selbst davon aus, dass auch Gemeinden Aktionäre einer Aktiengesellschaft sein können und nimmt dabei auf besondere Interessen der Gebietskörperschaften Rücksicht (vgl. §§ 394, 395 AktG). Hinsichtlich der dem Vorstand zukommenden Leitungs- und Geschäftsführungsaufgabe enthält das Aktiengesetz aber an keiner Stelle besondere Regelungen für Aktiengesellschaften, an denen Gemeinden beteiligt sind. Dementsprechend geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass die öffentliche Hand als Aktionärin voll den Vorschriften des Aktienrechts unterliegt (BGHZ 69, 334, 340). Auch die Hessische Gemeindeordnung geht augenscheinlich davon aus, dass gesellschaftsrechtliche Bestimmungen die Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden beschränken können. So bestimmt § 125 Abs. 1 Satz 4 HGO, dass alle Vertreter des Gemeindevorstands (in Gesellschafen) an die Weisungen des Gemeindevorstands gebunden sind, "soweit nicht Vorschriften des Gesellschaftsrechts dem entgegenstehen". Angesichts der - wie oben beschrieben -herausgehobenen Bedeutung des Vorstands einer Aktiengesellschaft (vgl. demgegenüber die nach § 37 Abs. 1 GmbHG wesentlich weitergehenden Befugnisse der Gesellschafter einer GmbH) sieht die Hessische Gemeindeordnung auch vor, dass eine Gemeinde eine Aktiengesellschaft nur dann errichten oder sich daran beteiligen soll, wenn der öffentliche Zweck des Unternehmens nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform erfüllt werden kann (§ 122 Abs. 3 HGO). Darüber, ob diese Voraussetzungen in Bezug auf die Beigeladenen gegeben gewesen sind, ist nach Errichtung dieser Aktiengesellschaften im Rahmen des vorliegenden Verfahrens durch das Verwaltungsgericht nicht mehr zu befinden. Überdies schreibt § 51 Nr. 11 HGO für die Errichtung und die Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeindevertretung vor, so dass sich die Stadtverordnetenversammlung nach Gründung der Beigeladenen bzw. der Beteiligung der Stadt A. an diesen nunmehr die hierdurch eingetretenen verminderten Einwirkungsmöglichkeiten der Stadt auch entgegenhalten lassen muss. Soweit die Antragstellerin sich zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf Gern beruft, ist festzustellen, dass dieser in der Tat die Beteiligung einer Gemeinde an einer Aktiengesellschaft wegen der dadurch eintretenden verminderten Einwirkungsmöglichkeiten als problematisch ansieht. Allerdings erkennt auch Gern die rechtlichen Vorgaben des Aktiengesetzes an und verweist zur Lösung dieser Rechtsfolgen auf vertragliche Vereinbarungen etwa durch Aufnahme entsprechender Regelungen in die Satzung der Aktiengesellschaft (vgl. ders., Deutsches Kommunalrecht, 3. A., 2003, Rn. 764). Ob dies hinsichtlich der Beigeladenen seitens der Stadt A. in vorwerfbarer Weise versäumt worden ist, muss hier nicht erörtert werden, denn jedenfalls fehlt es an entsprechenden Bestimmungen in den Satzungen der Beigeladenen.Ob im Falle der Umsetzung des nach Ziffer 1 des Beschlusses beabsichtigten Verfahrens die Stadt A. Schadensersatzforderungen in Höhe von ca. 100 Millionen Euro ausgesetzt sein würde (so das seitens des Antragsgegners vorgelegte Gutachten des N. vom 00.00.0000) und inwieweit dies ebenfalls für die Rechtmäßigkeit der Beanstandungsverfügung sprechen würde, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, da die Beanstandung - wie oben ausgeführt - ohnehin mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf Ziffer 1 des Beschlusses der Antragstellerin dem Recht entspricht.

Soweit sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf die Ziffern 2 und 3 des Beschlusses vom 25.09.2008 bezieht, spricht nach Auffassung der Kammer einiges dafür, dass die Beanstandung des Antragsgegners zu Unrecht erfolgte.

Ziffer 2 des Beschlusses vom 25.09.2008 ist ausdrücklich auf die Änderung der Satzung der Beigeladenen zu 1. gerichtet, während in Ziffer 3 des Beschlusses nicht mitgeteilt wird, in welcher Form die Gewinnvorgaben der Beigeladenen zu 1. korrigiert werden sollen. Gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG ist in der Satzung der Aktiengesellschaft der Gegenstand des Unternehmens anzugeben. Die Satzung kann mithin auch bestimmen, dass das Unternehmensziel auf Gewinnerzielung oder auf gemeinnützige oder ideelle Zwecke ausgerichtet ist (so auch Münchener Kommentar zum AktG § 82 Rn. 36). Da Ziffer 3 des Beschlusses vom 25.09.2008 darauf abzielt, nach einer Übergangszeit von 5 Jahren nicht mehr die Gewinnmaximierung in den Vordergrund der Unternehmenstätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu stellen, kann dieses Ziel nach Auffassung des Gerichts ebenfalls durch eine entsprechende Satzungsbestimmung umgesetzt werden, wofür die Zuständigkeit der Hauptversammlung gegeben ist (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG). Dies gilt auch für die nach Ziffer 2 des Beschlusses beabsichtigten Änderungen der Satzung. Da - wie bereits oben ausgeführt - grundsätzlich dem Vorstand der Aktiengesellschaft die Leitung und die Geschäftsführung zusteht, was auch nicht grundsätzlich durch die Satzung verändert werden kann (vgl. § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG, wonach die Satzung von den Vorschriften des Gesetzes nur abweichen kann, wenn es ausdrücklich zugelassen ist), darf der Gegenstand der Aktiengesellschaft durch die Satzung aber nicht so eng gefasst werden, dass dem Vorstand kein Entscheidungsermessen mehr verbleibt (Münchener Kommentar zum AktG § 23 Rn. 78). Diesen Vorgaben genügen nach Auffassung des Gerichts aber die Ziffer 2 und 3 des Beschlusses vom 25.09.2008.Die nach § 122 Abs. 1 AktG einzuberufende Hauptversammlung ist auch nicht im Hinblick auf die Beigeladene zu 2., bei der keine Satzungsänderung beabsichtigt ist, missbräuchlich. Für die Aktiengesellschaft und mithin auch für die Beigeladene zu 2. handelt nach außen der Vorstand (vgl. § 78 Abs. 1 AktG). Dementsprechend kann auch nur er gegenüber dem Vorstand der Beigeladenen zu 1. den Anspruch nach § 122 Abs. 1 AktG geltend machen, so dass von einem Missbrauch des Einberufungsbegehrens im Hinblick auf die Beigeladene zu 2. nicht gesprochen werden kann.Im aktienrechtlichen Schrifttum wird allerdings auch die Ansicht vertreten, es sei problematisch, Satzungsbestimmungen derart zu konkretisieren, dass der Unternehmensgegenstand durch den Vorstand nur noch in bestimmter Weise verfolgt werden kann (Hüffer, a. a. O., § 82 Rn. 10). Folgte man dieser Ansicht, so könnten Ziffer 2 und 3 des Beschlusses vom 25.09.2008 möglicherweise auch als rechtswidrig gewertet werden. Entsprechend dem vorläufigen Charakter des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO braucht diese Rechtsfrage hier nicht abschließend beurteilt zu werden. Bei Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. an der Zurückweisung des entsprechenden Begehrens (vgl. zu einer entsprechenden gerichtlichen Interessenabwägung im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO nur Kopp/Schenke, VwGO, 15. A., 2007, § 80 Rn. 152 ff) überwiegt vorliegend das Interesse der Antragstellerin daran, dass die aufschiebende Wirkung angeordnet wird. Ausschlaggebend hierfür ist die Berücksichtigung des (bei Beachtung des § 122 Abs. 1 AktG) weiteren Ablaufs des Verfahrens. Sollten die Vorstände der Beigeladenen der Auffassung sein, die Begehren auf Einberufung von Hauptversammlungen entsprächen nicht dem Recht und mithin von der Einberufung absehen, so könnten die jeweiligen Aktionäre hiergegen nach § 122 Abs. 3 Satz 1 AktG in der Weise vorgehen, dass das Gericht (Amtsgericht nach § 145 Abs. 1 FGG) die Aktionäre ermächtigt, die Hauptversammlung einzuberufen. Die letztlich aktienrechtlich zu beurteilende Frage der Rechtmäßigkeit würde dann von der Gerichtsbarkeit entschieden, die sich primär mit Fragen des Aktiengesetzes zu befassen hat.

Soweit der Antragsgegner vorträgt, für das Antragsbegehren fehle der Anordnungsgrund und es handele sich um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, sind dies Entscheidungskriterien, die nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 VwGO, nicht aber nach § 80 Abs. 5 VwGO von Bedeutung sind.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Den Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine Anträge gestellt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich hierbei an dem sog. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Kopp/Schenke, a. a. O., Anhang § 164), nach dessen Ziffer 22.7 bei Kommunalverfassungsstreitverfahren von einem Streitwert in Höhe von 10.000,- Euro auszugehen ist. Da die Beteiligten hier über 4 Fragen gestritten haben, ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 40.000,- Euro, der halbiert wird, da es sich vorliegend um ein Eilverfahren handelt.






VG Wiesbaden:
Beschluss v. 29.01.2009
Az: 3 L 1224/08.WI


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