Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. März 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 20/01

(BPatG: Beschluss v. 22.03.2001, Az.: 25 W (pat) 20/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. August 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung MedVillageist am 12. Oktober 1998 für die Dienstleistungen

"Organisation einer virtuellen Community für den Bereich Medizin, nämlich Zurverfügungstellung eines Intranets im Internet; Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung mit Online-Diensten, nämlich Übermitteln von Nachrichten und Informationen aller Art; technische, organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung im Gesundheitswesen"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung sei freihaltebedürftig und ihr fehle jegliche Unterscheidungskraft. "MedVillage" bezeichne ohne weiteres verständlich eine Örtlichkeit, in der medizinische Leistungen oder Informationen angeboten würden. Es liege keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit vor, da die Bezeichnung in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen zu beurteilen sei. Insoweit dränge es sich förmlich auf, das Kürzel "med" allein im Sinne von "medizinisch" zu verstehen, so daß eine. schutzbegründende Mehrdeutigkeit ausscheide. Der englische Begriff "Village" für "Dorf" liege auf der Linie diverser anderer nachweisbarer Etablissementangaben (wie etwa World, Boulevard, Store, Shop, Markt oder Forum), welche insbesondere im Internet benutzt würden, um auf spezielle Websites hinzuweisen. Demzufolge bestehe das Markenwort aus zwei in ihrem Sinngehalt jeweils eindeutigen Bestandteilen, die auch in ihrer Kombination nur einen rein beschreibenden Hinweis auf ein medizinisches Informationsangebot im Internet verkörperten. Ausgehend von einem bestehenden Freihaltebedürfnis seien an die Unterscheidungskraft erhöhte Anforderungen zu stellen, die nicht erfüllt sind. Die angemeldete Bezeichnung stelle einen werbeüblich verkürzten glatt beschreibenden Sachhinweis auf ein elektronisches Informationsangebot zum Thema Medizin dar.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine ungebräuchliche, für die beanspruchten Dienstleistungen nicht sprachüblich gebildete und daher nicht eindeutig verständliche Bezeichnung. Es fehle deshalb weder die notwendige Unterscheidungskraft noch bestehe ein Freihaltebedürfnis. Die Entscheidung der Markenstelle überrasche, weil für den Anmelder inzwischen eine wortgleiche Marke für vergleichbare Waren und Dienstleistungen eingetragen worden sei. Im übrigen gebe es eine Vielzahl von Marken mit den Bestandteilen "Med" oder "Village". Die Begründung der Entscheidung sei nicht nachvollziehbar, zumal der Anmelder keineswegs die beanstandeten Internet-Dienstleistungen begehre, sondern die Dienstleistungen "Personalvermittlung im Gesundheitswesen; Experten-Vermittlung für technische, organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung; Organisation von Einkaufsgemeinschaften; Informationsbeschaffung für das Gesundheitswesen". Der angemeldeten Wortmarke lasse sich kein glatt beschreibender Begriffgehalt zuordnen. Vielmehr handele es sich bei der Bezeichnung um eine neue, nicht geläufige Wortzusammenstellung, deren beschreibender Gebrauch weder erkennbar noch nachweisbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze des Anmelders Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke die von der Markenstelle angenommenen Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG nicht entgegen.

Die Markenstelle hat die Bedeutung der Zeichenbestandteile "Med" und "Village" zwar richtig interpretiert. Für einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs liegt im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen, die unter anderem Informationen bzw Informationsaustausch aus den Bereichen Medizin und Gesundheitswesen über das Internet betreffen (der Anmelder geht in seiner Beschwerdebegründung offensichtlich von einem unzutreffenden Warenverzeichnis aus), auch ohne weiteres eine Deutung der Gesamtbezeichnung im Sinne von "medizinisches Dorf" oder "Medizinerdorf" nahe.

Gleichwohl kann auch für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Internet erbracht werden, ein Schutzhindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht festgestellt werden. Die angemeldete Bezeichnung besteht in ihrer erkennbaren Gesamtaussage nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben. Nach Auffassung des Senats eignet sie sich nicht zu einer ernsthaften Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann schon der englische Begriff "Village" im Zusammenhang mit Internet-Dienstleistungen nicht den dort für Informationsforen oder Online-Kaufhäuser verwendeten Begriffen "World", "Boulevard", "Store", "Shop", "Markt" oder "Forum" in ihrer beschreibenden Wirkung gleichgesetzt werden. Diese genannten Begriffe konnte die Markenstelle im Zusammenhang mit "Online-Angeboten" nachweisen, was für den Begriff "Village" weder der Markenstelle noch dem Senat möglich war. Die Begriffe "Store", "Shop" und "Markt" werden im Sprachgebrauch eindeutig im Sinne eines Geschäfts oder eines Ladens verwendet, in dem Güter aller Art käuflich erworben werden können. Dies gilt inzwischen auch für Einkaufsmöglichkeiten über das Internet. In ähnlicher Weise werden unter anderem auch die Begriffe "World" oder "Boulevard" verwendet. Der Begriff "Forum" wird im Internet häufig für Informationsangebote verwendet, unter anderem auch für solche, welche die Möglichkeit eines Informationsaustausches zwischen verschiedenen Teilnehmern bieten, bei denen also eine virtuelle Plattform - "sprich ein virtuelles Forum" - zu unterschiedlichsten Themen zur Verfügung gestellt wird. In einem solchen Sinne wird der Begriff "Village" - soweit für den Senat nach Durchführung einer gründlichen Internetrecherche ersichtlich - nicht benutzt. Ein solcher Sprachgebrauch kann also nicht belegt werden. Auch vom Sinngehalt ist der Begriff "Village", der dem deutschen Wort Dorf entspricht und bei dem die Bedeutung "bäuerliche Siedlung" stark im Vordergrund steht, mit den von der Markenstelle zur Begründung der Entscheidung aufgeführten Beispielen nicht vergleichbar. Schon im Hinblick auf diesen im Vordergrund stehenden Sinngehalt bietet sich der Begriff "Village" nicht zur Beschreibung eines Informationsforums im Bereich des Internets an. Vorliegend kommt hinzu, daß der Anfangsbestandteil "Med" der angemeldeten Marke nicht ein vollständiges Wort, sondern eine Abkürzung darstellt, wodurch für die Gesamtbezeichnung zumindest ein gewisser Verfremdungseffekt entsteht, der von einer sprachüblichen, rein beschreibenden Angabe zusätzlich wegführt.

Diese Überlegungen gelten erst recht für die Dienstleistungen "technische, organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung im Gesundheitswesen", bei denen eine Beratung über das Internet - jedenfalls nach der Formulierung des Dienstleistungsverzeichnisses - nicht im Vordergrund steht. Insoweit ist der von der Markenstelle angenommene beschreibende Zusammenhang erst recht nicht ersichtlich.

Es mag sein, daß im Zusammenhang mit den hier maßgeblichen Dienstleistungen ein Teil des Verkehrs, der in der angemeldeten Bezeichnung den Sinngehalt "medizinisches Dorf" oder "Medizinerdorf" vermutet, auch eine Vorstellung dahingehend entwickelt, dies könnte in dem Sinne zu verstehen sein, daß hier ein Informationsforum aus dem Bereich der Medizin angeboten wird. Solche Vorstellungen können bei vielen sogenannten sprechenden Marken entwickelt werden, was für sich genommen nicht gegen die Schutzfähigkeit entsprechender Bezeichnungen spricht. Um solche Vorstellungen zu entwickeln, muß die Bezeichnung nämlich nicht nur analysiert werden, sondern es bedarf zusätzlich noch einer gewissen Phantasie. Dies kann nicht zum Maßstab der markenrechtlichen Schutzfähigkeitsbeurteilung gemacht werden. Der Verkehr nimmt ein als Marke verwendetes Zeichen vielmehr regelmäßig in seiner Gesamtheit mit all seinen Bestandteilen auf, ohne es zu zergliedern oder zu analysieren (so BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl zB GRUR 1995, 408 - PROTECH; vgl auch zu Mehrwortmarken BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 1996, 771 - THE HOME DEPOT). Selbst ein beschreibender Sinngehalt steht einer Eintragung nicht zwingend entgegen, wenn die gewählte Sprachform ungewöhnlich ist und geeignet ist, kennzeichnend zu wirken.

Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise für die Beurteilung der Unterscheidungskraft (siehe dazu BGH "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION" aaO). Ausgehend davon kann der angemeldeten Marke auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Sie ist nach Auffassung des Senats vielmehr hinreichend originell gebildet, um als betrieblicher Herkunftsnachweis zu dienen. Sie erschöpft sich nicht in der Aneinanderreihung schutzunfähiger Bestandteile, sondern vermittelt gerade durch die eher ungewöhnliche Kombination einer Abkürzung und eines englischen Wortes und aufgrund der Interpretationsbedürftigkeit der Gesamtaussage einen hinreichend phantasievollen Gesamteindruck.

Auf die Beschwerde des Anmelders hin waren demzufolge die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.

Kliems Brandt Knoll Pü






BPatG:
Beschluss v. 22.03.2001
Az: 25 W (pat) 20/01


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