Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. März 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 6/05
(BPatG: Beschluss v. 17.03.2009, Az.: 8 W (pat) 6/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Patentanmeldung 198 19 349.1-16 mit der Bezeichnung "Beschickung von Kalandern oder dergleichen" ist am 2. Mai 1998 angemeldet worden. Nach mehreren negativ gehaltenen Bescheiden und einem Anhörungstermin, zu dem die Anmelderin nicht erschienen war, hat die Prüfungsstelle für Klasse B 29 C die Patentanmeldung mit Beschluss vom 7. September 2004 zurückgewiesen, weil der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik nach der DE 39 43 389 A1 nicht patentfähig sei und der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert worden sei.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin am 10. November 2004 Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung, eingegangen am 2. Februar 2005, die Auffassung vertreten, der Inhalt der DE 39 43 389 A1 gehe nicht über den in der Beschreibungseinleitung der vorliegenden Patentanmeldung erläuterten Stand der Technik hinaus. Darüber hinaus weise der neu eingereichte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag keine Erweiterung gegenüber den ursprünglichen Unterlagen auf.
Zu der anberaumten mündlichen Verhandlung ist die Beschwerdeführerin nicht erschienen.
Von der Beschwerdeführerin liegt der Antrag vor, den angefochtenen Zurückweisungsbeschluss vom 7. September 2004 aufzuheben und das Patent gemäß Hauptbzw. Hilfsantrag mit den Patentansprüchen 1 und 2, jeweils eingegangen am 2. Februar 2005, sowie mit den Patentansprüche 3 bis 9, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Herstellung und/oder Beschichtung von Folien mittels Kalander oder dergleichen, wobei Kunststoff in den Walzenspalt aufgegeben wird und dort einen Materialwulst bildet, aus dem sich die Folie bzw. Beschichtung bildet, dadurch gekennzeichnet, dass der extrudierte Kunststoffstrang durch Heißabschlag granuliert wird und das entstandene Granulat anschließend in den Walzenspalt aufgegeben wird."
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Folien aus Kunststoff und/oder Beschichtung von Folien mit Kunststoff mittels Kalandern oder dergleichen, wobei der Kunststoff in einem Extruder zu einer Schmelze aufbereitet wird und strangförmig aus dem Extruder gepresst wird, wobei der Kunststoffstrang durch Heißabschlag granuliert wird und wobei die durch die Granulierung entstehenden Partikel anschließend in den Spalt der Kalanderwalzen aufgegeben werden und wobei sich vor dem Walzenspalt ein Materialwulst bildet, aus dem sich die Folie oder Beschichtung bildet."
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 9 gemäß Hauptund Hilfsantrag wird auf die Akten Bezug genommen.
Es ist gemäß Spalte 1, Zeile 33 bis 37 der Offenlegungsschrift Aufgabe der vorliegenden Patentanmeldung, das Erreichen der gewünschten Qualität zu vereinfachen bzw. eine weitergehende Qualität zu erzielen. Dabei löst sich nach den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung die Erfindung von der Vorstellung, dass in den Walzenspalt eine homogene Schmelze aufgegeben werden muss.
Im Prüfungsverfahren ist weiterhin noch die Druckschrift DE 32 39 467 A1 in Betracht gezogen worden.
II.
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet, denn der Anmeldungsgegenstand gemäß Hauptund Hilfsantrag stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG§ 1bis §5 dar.
1.
Gegen die Zulässigkeit der geltenden Anspruchsfassungen gemäß Hauptund Hilfsantrag bestehen keine Bedenken. Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sind in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 2 offenbart. Auch die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sind in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 2 offenbart. Die Merkmale des geltenden Anspruchs 2 gemäß Hauptund Hilfsantrag ergeben sich aus den verbleibenden Merkmalen des ursprünglich eingereichten Anspruchs 2.
Die Ansprüche 3 bis 9 gemäß Hauptund Hilfsantrag entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 9.
2.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das unstrittig gewerblich anwendbare Verfahren zur Herstellung und/oder Beschichtung von Folien mittels Kalander oder dergleichen nach Anspruch 1 (Hauptantrag) neu ist. Denn es beruht aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand der Patentanmeldung gemäß Anspruch 1 (Hauptantrag) betrifft ein Verfahren zur Herstellung und/oder Beschichtung von Folien mittels Kalander oder dergleichen, wobei eine plastifizierte Kunststoffmasse in den Walzenspalt aufgegeben wird und dort einen Materialwulst bildet, der ständig geknetet wird und aus dem sich die Folie bzw. Beschichtung bildet. Gemäß Beschreibungseinleitung ist es bekannt, für die Zuführung von plastifiziertem Kunststoff einen oder mehrere nebeneinander angeordnete Extruder einzusetzen. Bei mehreren Extruder arbeiten diese auf eine Breitschlitzdüse, während bei einem einzigen Extruder der Schmelzestrang hinund hergehend im Walzenspalt verteilt wird. Nach dem geltenden Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wird der extrudierte Kunststoffstrang durch Heißabschlag granuliert, was bedeutet, dass das Granulat durch das Verfahren "Heißabschlag" erzeugt wird und anschließend in den Walzenspalt aufgegeben wird. Das Verfahren Heißabschlag ist in der Patentanmeldung direkt nicht erläutert. Der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Kunststofftechnik, der mit der Herstellung von Folien befasst ist, kennt dieses Verfahren jedoch aus seiner Ausbildung oder aus üblichen Fachbüchern wie beispielsweise dem Lexikon der Fertigungstechnik und Arbeitsmaschinen, Band 8, 1967, Seite 382 als ein zur Granulatherstellung übliches Verfahren, bei dem ausgepresste -also extrudierte -Massestränge direkt an der Düsenvorderkante eines Extruders abgetrennt werden, wodurch das Granulat erzeugt wird, welches gegebenenfalls anschließend, insbesondere zum Transport, abgekühlt wird.
Durch das Merkmal, wonach das Granulat, anschließend an das Heißabschlagverfahren in den Walzenspalt aufgegeben wird, erschließt sich dem Fachmann, dass es unmittelbar und somit ohne Zwischenlagerung und ohne wesentliche Kühlung in den Walzenspalt aufgegeben wird, wodurch das Granulat noch einen erheblichen Wärmeinhalt aufweist (Spalte 1, Zeilen 45 bis 50 der DE 198 19 349 A1).
Für diese im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführten Maßnahmen erhält der Fachmann aus dem Stand der Technik ausreichend Anregungen.
Die DE 39 43 389 A1 (D1) zeigt ein Verfahren zur Herstellung und/oder Beschichtung von Folien mittels Kalander. Hierbei wird Kunststoff in den Walzenspalt aufgegeben, wo er in plastischem Zustand vorliegt und einen Materialwulst bildet aus dem sich die Folie bzw. Beschichtung bildet. Gemäß Patentanspruch 1 der D1 wird das Vormaterial in Granulatform oder dergleichen in den Schmelzspalt aufgegeben, wodurch sich dem Fachmann zwangsläufig erschließt, dass zur Herstellung des Granulats ein Extrusionsstrang aus dem gewünschten Kunststoffmaterial vor der Aufgabe in den Schmelzspalt granuliert werden muss. Auf welche Weise diese Granulierung erfolgt, ist in der D1 nicht näher beschrieben, weshalb sich der Fachmann zwangsläufig Gedanken machen wird, wie er zu dem Vormaterial in Granulatform kommt. Neben Fremdbezug, also der Beschaffung von fertigem Granulat, wird er auch die Eigenfertigung und somit das "Granulieren eines Extrusionsstranges" in Betracht ziehen. Für das Granulieren von Extrusionssträngen kennt der Fachmann eine Reihe von Möglichkeiten, unter anderem auch das eigens zum Granulieren vorgesehene "Heißabschlagverfahren". Es bedarf daher für einen Fachmann keinerlei erfinderischen Zutuns, um ausgehend von dem aus der D1 bekannten Verfahren zur Herstellung und/oder Beschichtung von Folien mittels Kalander, bei dem extrudierter Kunststoff in Granulatform in den Walzenspalt aufgegeben wird, wo er in plastischem Zustand vorliegt und einen Materialwulst bildet, das zum Granulieren übliche und aus Fachbüchern bekannte Verfahren "Heißabschlag" zuverwenden. Hierbei ist es für den Fachmann auch völlig naheliegend, dieses beim Verfahren "Heißabschlag" entstehende Granulat gleich anschließend, also ohne anschließende Kühlung in den Walzenspalt aufzugeben, weil in dem Walzenspalt plastifizierter Kunststoff benötigt wird und eine Plastifizierung von Kunststoff bereits während des Verfahrens "Heißabschlag" stattfindet. Eine derartige Vorgehensweise drängt sich dem Fachmann, der ständig bestrebt ist, unnötige Kosten zu vermeiden, geradezu auf, weil er auf diese Weise ein erneutes Aufheizen des Kunststoffes und somit damit verbundene, zusätzliche Kosten vermeiden kann.
Somit erschließen sich dem Fachmann aus dem Inhalt der DE 39 43 389 A1 in Verbindung mit seinem Fachwissen alle Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
3. Auch das unstrittig gewerblich anwendbare Verfahren zur Herstellung von Folien aus Kunststoff und/oder Beschichtung von Folien mit Kunststoff mittels Kalandern oder dergleichen nach Patentanspruch 1 (Hilfsantrag) beruht aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist zwar einen unterschiedlichen Wortlaut auf als der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Er enthält jedoch sinngemäß dieselben Merkmale, die dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zugrunde liegen, zumal das Merkmal, wonach der Kunststoff in einem Extruder zu einer Schmelze aufbereitet wird und strangförmig aus dem Extruder gepresst wird (Hilfsantrag), nichts anderes bedeutet, als dass ein Kunststoffstrang extrudiert (Hauptantrag) wird. Ebenso sind die durch die Granulierung entstehenden Partikel (Hilfsantrag) nichts anderes als das entstandene Granulat (Hauptantrag).
Wie bereits bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt ist, beruht das Verfahren zur Herstellung von Folien aus Kunststoff und/oder Beschichtung von Folien mit Kunststoff mittels Kalandern oder dergleichen mit dem im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführten Merkmalen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Da der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sinngemäß dieselben Merkmale aufweist, die in dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag aufgeführt sind, ist das mangelnde Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit diesbezüglich übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag wird verwiesen.
Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sich seine Merkmale dem Fachmann aus dem Inhalt der DE 39 43 389 A1 in Verbindung mit seinem Fachwissen erschließen. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat daher auch keinen Bestand. Gemeinsam mit den Ansprüchen 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag haben auch die auf diese rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 keinen Bestand.
Die Beschwerde war daher insgesamt zurückzuweisen.
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BPatG:
Beschluss v. 17.03.2009
Az: 8 W (pat) 6/05
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