Landgericht München I:
Urteil vom 13. Juli 2011
Aktenzeichen: 7 O 13109/11

(LG München I: Urteil v. 13.07.2011, Az.: 7 O 13109/11)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 24.6.2011, Az. wie oben, wird aufrecht erhalten.

2. Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechtigung der Verfügungsbeklagten, den englischsprachigen Roman "The Prime of Miss Jean Brodie" der 2006 verstorbenen Autorin M. mit einer Vokabelbeilage (vgl. ASt 1) zu vertreiben.

Die Parteien sind große deutsche Verlage, die Fachbücher, Schulbücher und Schulatlanten verlegen.

Die Verfügungsbeklagte hat auf ihrer Website www.xxx.de für den Leistungskurs Englisch in Niedersachsen das im Verlag P. Limited erschienene Buch "The Prime of Miss Jean Brodie" von M. zusammen mit einer Vokabelbeilage von 45 Seiten zum Gesamtpreis von 7,99 EUR unter einer Bestellnummer €-1 oder €-8 und einer ISBN-Nummer angeboten und beworben. Die ISBN-Nummer des P.-Verlags auf dem Taschenbuch hat die Verfügungsbeklagte mit einem Aufkleber mit ihrem Namen und der eigenen ISBN-Nummer versehen. Das P. Taschenbuch ist ohne Vokabelbeilage zu einem Preis von 9,40 € zu erwerben. Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 09.11.2011 abgemahnt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gefordert. Die Verfügungsbeklagte hat mit Schreiben vom 15.06.2011 die Abgabe einer Unterlassungserklärung verweigert. Am 15.06.2011 hat sie beim Landgericht München I eine Schutzschrift eingereicht und sich inhaltlich auf die Ausführungen in der Erwiderung auf die Abmahnung vom 15.06.2011 bezogen, in dem sie geltend gemacht hat, dass nachvollziehbare Angaben über die Erwerbskette des behaupteten Verwertungsrechts fehlten und die Angaben zum Inhalt des Verwertungsrechts vage seien. Auch sei für die Dringlichkeit nichts vorgetragen.

Am 20.06.2011 beantragte die Verfügungsklägerin, der Verfügungsbeklagten den Vertrieb der streitgegenständlichen Ausgabe im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verbieten. Sie verweist darauf, die Nutzungsrechte an dem englischsprachigen Werk "The Prime of Miss Jean Brodie" von der Copyright A. Ltd. aus London durch Vertrag vom 25.11.2010 (Anlage ASt 2) für einen Zeitraum von 8 Jahren ab dem 01.04.2011 im Wege einer ausschließlichen Lizenz für die Herausgabe in einer "educational edition with notes and annotations" erhalten zu haben. Ausweislich Zif. 1.b) des Vertrags werde das Werk für den deutschen Markt in einer kommentierten Ausgabe durch den R. Verlag verlegt. Zudem bestehe eine Lizenz zwischen der Copyright A. Ltd. und der P. Ltd., die aufgrund der Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts zum Vertrieb des Buchs in englischer Sprache in Deutschland berechtigt sei. Die Verfügungsklägerin werde die kommentierte Ausgabe des Romans als Schulbuchausgabe auf den Markt bringen, sie sei bereits über deren D.-Website bestellbar. Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin sei am 01.06.2011 darauf aufmerksam geworden, dass die Verfügungsklägerin den Roman in einer kombinierten Ausgabe für den Schulbereich anbiete. Eine Vertreterin der Copyright A. Ltd. habe die Verfügungsklägerin am 17,.06.2011 informiert, dass sie die Verfügungsbeklagte bereits aufgefordert habe, die kombinierte Ausgabe aus Roman und Vokabelbeilage unverzüglich vom Markt zu nehmen (ASt 10). Der Verfügungsklägerin stehe ein Anspruch gemäß §§ 91 Abs. 1 iVm 17 UrhG zu. Im Buchbereich sei es zulässig, das Verbreitungsrecht nach Art und Aufmachung des Werkstückes aufzuspalten, wenn es sich um eine Ausgabe handele, die sich nach der Verkehrsauffassung in ihrem Typus klar von der Originalausgabe unterscheide. Schulbücher würden allgemein als eine eigenständige Nutzungsart angesehen. Bei einer kommentierten Ausgabe, d.h. einer Schulbuchausgabe handele es sich um eine Bearbeitung des Originalwerks gemäß § 23 S. 1 UrhG, weshalb es zur Verbreitung der Zustimmung des Rechteinhabers bedürfe. Die Copyright A. Ltd. habe aber weder mit der Verfügungsbeklagten noch mit der P. Ltd. einen Vertrag zur Herausgabe eines Schulbuchs geschlossen. Zudem vertreibe die Verfügungsbeklagte nicht die P.-Ausgabe in der autorisierten Taschenbuchform, sondern in einer neuen Ausgabe, bei der auf der letzten Seite eine Vokabelbeilage einfügt sei. In diesem Fall sei die Erschöpfungswirkung des § 17 Abs. 2 UrhG eingeschränkt, da die Verfügungsbeklagte ein neues Werk geschaffen habe. Dafür spreche auch die Vergabe einer neuen ISBN-Nummer. Ein Verfügungsgrund sei gegeben, da die Verfügungsbeklagte bereits mit dem Vertrieb der kombinierten Ausgabe begonnen habe und die Gefahr eines erheblichen Schadens für die Verfügungsklägerin bestehe.

Die Kammer hat am 24.06.2011 unter dem Aktenzeichen 7 O 13109/11 die einstweilige Beschlussverfügung wie beantragt erlassen, in der der Verfügungsbeklagten untersagt worden ist,

den Roman "The Prime of Miss Jean Brodie" von M. mit einer Vokabelbeilage wie in der Anlage ASt 1 beigefügt, zu verbreiten.

Gegen die der Verfügungsbeklagten am 29.06.2011 zugestellte Verfügung legte diese mit Schriftsatz vom 30.06. Widerspruch ein.

Das sog. "Memorandum of Agreement" mit der Copyright A. Ltd. vom 25.11.2011, auf das sich die Verfügungsklägerin zum Nachweis ihres ausschließlichen Nutzungsrechts berufe, nenne weder Vertreter noch Geschäftssitz der "Limited", zudem sei die geleistete Unterschrift unleserlich, Qualität und Bestand der in Anspruch genommenen Vertretungsmacht seien nicht ersichtlich. Im britischen Handelsregister existiere nur eine "Copyright A. Services Ltd." (vgl. Anlage B 1). Die Befugnis der "Copyright A. Limited" zur Übertragung einer ausschließlichen Lizenz sei nicht dargetan. Hierfür kämen auch nicht die Agenten D.H. Associates als "representatives" in Betracht, denn diese verträten nur die Werke "Aiding and Abetting" und "The Finishing School" von M. (vgl. Anlage B 2). Mangels Darlegung der Rechtekette sei die Verfügungsklägerin daher nicht aktivlegitimiert. Zudem habe die Verfügungsklägerin aufgrund Zif. 1.b) des "Memorandum of Agreement" keine exklusive Lizenz an der "educational edition", denn die Existenz eines weiteren Nutzungsberechtigten, nämlich des R.-Verlags, der ebenfalls eine "educational edition" mit sog. "notes and annotations" vertreibe, schließe eine exklusive Lizenz aus. Die Verfügungsklägerin habe keine Rechte an einer Schulbuchausgabe erworben, sondern an einer - entsprechend zu übersetzenden - "Unterrichtsausgabe mit Notizen und Anmerkungen". Überdies könne der Inhaber des Verlagsrechts die Zustimmung zu einer Bearbeitung gemäß § 23 UrhG nicht verbieten, sondern nur der Urheber. Aus der von der Verfügungsklägerin vorgelegten eidesstattlichen Erklärung des Verwaltungsrats der Copyright V. AG, Dr. G. (vgl. ASt 13), ergebe sich die Aktivlegitimation nicht, da sie nur eine Meinungsäußerung enthalte. Insbesondere widerspreche die dortige Wortwahl "ließ übertragen" nicht dem Vortrag der Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 11.07.2011, wonach M. "bereits zu Lebzeiten" die Nutzungsrechte übertragen habe. Die Anlage ASt 13 sei zudem auch formal fehlerhaft, denn sie enthalte keine Strafbewehrungsklausel, sondern beschränke sich auf Art. 253 des Schweizerischen Strafgesetzbuches. Da aber das Schweizerische Strafrecht Aussagedelikte vor ausländischen Gerichten überhaupt nicht sanktioniere, sei die Erklärung nicht mehr als eine schriftliche Zeugenaussage und somit zur Glaubhaftmachung ungeeignet.

Das Verbreitungsrecht sei nach § 17 Abs. 2 UrhG erschöpft. Bei der Vokabelbeilage handele es sich um ein separates, jederzeit vom Werk trennbares Heft, an dem die Verfügungsklägerin keinerlei Rechte für sich in Anspruch nehmen könne. Mit Trennung der separat gebundenen Werke sehe man beiden nicht an, dass sie gemeinsam vertrieben worden seien. Dinglich abgrenzbar sei nur, was der Verkehr nach der äußeren Aufmachung leicht erkennen könne. Die Bildung eines Gesamtpakets zweier Gegenstände sei keine nach der Verkehrsauffassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart. Es liege auch keine Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG vor, denn hierfür sei ein Eingriff in die Substanz des Werkes nötig; das bloße Hinzufügen von Elementen zu einem im Übrigen unveränderten Werk genüge für eine Bearbeitung nicht. Bei einem Glossar handele es sich um eine ohne weiteres erkennbare Sekundärliteratur, die nicht die Beschaffenheit des Originalbuchs ändere. Eine lose Beilage mache aus einem Werk auch nicht eine "Schulbuchausgabe", denn Titelblatt und Einband blieben vollkommen unverändert. Überdies seien "Unterrichtsausgaben" und "Klassenlektüren" keine dinglich abgrenzbare Nutzungsart; der Begriff des Schulbuchs sei wesentlich enger. Bei der von der Verfügungsklägerin dargestellten Interpretation würden sich die Konturen der Nutzungsart "Schulbuch" völlig auflösen. Eine "Werkverbindung" sei ebenfalls nicht gegeben, denn auch diese setze eine substantielle Verfremdung voraus und nicht nur eine Vervielfältigung oder Verbreitung des im Übrigen unveränderten Werkes. Die Klägerin überschreite die Grenzen des Urheberrechts, wenn sie das Einfügen einer Vokabelbeilage als Änderung der Produkteigenschaft und in einer kommentierten Ausgabe eine andere Werksform sehe. Die von der Verfügungsklägerin zitierten Entscheidungen zur Produktveränderung seien auf das vorliegende P.-Taschenbuch nicht anwendbar, denn dieses bleibe unverändert, insbesondere seien die Inhalte des Vokabelheftes rein einseitige Bezugnahmen. Die in § 24 Abs.2 MarkenG aufgestellten Grundsätze ließen sich nicht auf das Urheberrecht übertragen. Auch liege keine Umverpackung vor, da Einband und Titelei des P.-Taschenbuchs, ebenso wie der Inhalt, unverändert blieben. Die neu vergebene ISBN-Nummer habe nur für den Vertrieb Bedeutung.

Ein Verfügungsgrund fehle, da die Verfügungsklägerin lediglich mit einem noch gar nicht lieferbaren Werk werbe. Sie lege auch nicht dar, seit wann sie von den beanstandeten Handlungen wisse. Die Anlage ASt 10 zeige, dass bereits seit geraumer Zeit eine Kommunikation zwischen dem Beauftragten der Verfügungsklägerin und der das Werk von M. vertretenden Literatur-Agentur stattgefunden habe. Eine Dringlichkeit wegen der bevorstehenden "Sommerferien" bestehe nicht und sei nicht glaubhaft gemacht. Zudem müsse die Verfügungsklägerin aufgrund der R.-Ausgabe mit Konkurrenz leben. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch den Vertrieb des P.-Taschenbuchs habe sie nicht glaubhaft gemacht.

Die Verfügungsbeklagte beantragt daher,

die einstweilige Verfügung vom 24.6.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.

Sie trägt zur Aktivlegitimation vor, sie leite ihre Rechte von der Copyright Administration Ltd., einer Schweizer Gesellschaft mit Sitz in Zug, ab. Diese Firma dürfe, wie im Schweizer Handelsregister üblich, auch in einer französischen oder englischen Übersetzung bezeichnet werden. Die Autorin M. habe bereits zu Lebzeiten die Rechte an dem streitgegenständlichen Roman auf die Copyright A. Ltd. übertragen. Dies gehe auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Verwaltungsrats der Copyright A. Ltd., Herrn Dr. G., hervor, der den Vertrag mit der Verfügungsklägerin gezeichnet habe. Ergänzend zur eidesstattlichen Erklärung hat die Verfügungsbeklagte am 13.07.2011 den Vertrag mit M. vom 01.04.1968 vorgelegt, in dem diese alle ihre Rechte an dem streitgegenständlichen Roman, für alle Länder ausgenommen Italien, auf die Copyright A. Anstalt in Vaduz, Liechtenstein übertragen habe (Anlage K 13) und den Vertrag vom 02.04.1968, in dem die Copyright A. Anstalt, Vaduz, die vorgenannten Rechte an die Copyright V. AG abgetreten habe. Damit sei die Copyright V. AG, die sich nach dem Schweizerischen Handelsbrauch auch Copyright A. Ltd. nennen dürfe, Inhaberin aller Nutzungsrechte am streitgegenständlichen Werk.

Eine Erschöpfung nach § 17 Abs. 2 UrhG sei nicht eingetreten, denn diese setze eine Weiterveräußerung ohne Produktveränderungen voraus. Eine solche sei aber nicht eingetreten, da die Vokabelbeilage kein separates Werk darstelle, sondern ein aus zwei Bestandteilen kombiniertes Werk verkauft werde. Die P.-Ausgabe sei daher verändert, zumal sie auch umverpackt worden sei. Eine kommentierte Ausgabe sei - unabhängig davon, ob sie als Schulbuch oder Unterrichtsausgabe zu qualifizieren sei, gegenüber der bloßen Roman-Ausgabe als eine andere Werkform anzusehen. Als Schulbücher seien außerdem auch Lernmittel wie Klassenlektüren anzusehen. Eine Werkverbindung (§ 9 UrhG) liege nicht vor, da weder die Copyright A. Ltd. als Rechteinhaberin noch der P.-Verlag der Verfügungsbeklagten das Recht eingeräumt habe, den Roman kombiniert mit einer Vokabelbeilage auf den Markt zu bringen. Nicht nur eine Übersetzung stelle eine Bearbeitung nach § 23 UrhG dar, sondern auch die Übersetzung einzelner Wörter in dem Kontext eines Romans. Ein Verfügungsgrund liege vor, da der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin am 01.06.2011 von der Klett Version der P.-Ausgabe mit der Vokabelbeilage Kenntnis erlangt habe. Auch Herr R., der Adressat der E-mail (ASt 10), die im Übrigen vom 15.06.2011 stamme, habe erst am 31.05.2011 Kenntnis von der Klett-Version erlangt. Zwischenzeitlich sei das Produkt der Verfügungsklägerin auf dem Markt erschienen. In einigen Bundesländern seien bereits Sommerferien, in anderen würden sie in drei Wochen beginnen, weshalb in den Schulen jetzt geplant werde, welche Anschaffungen zu tätigen seien. Da die Verfügungsklägerin neben dem R.-Verlag der einzige Verlag sei, der eine Berechtigung zur Herausgabe der kommentierten Ausgabe habe, bestehe die Gefahr, dass sie ihre Ausgabe nicht im geplanten Umfang vertreiben könne.

In der mündlichen Verhandlung hat die Verfügungsklägerin die angekündigte, zwischenzeitlich erschienene Romanausgabe ihres Verlages als Anlage ASt 17 für das Gericht und den Verfügungskläger übergeben. Sie hat darüber hinaus anwaltlich versichert, ihr seien die Verträge, die als Anlagen ASt 18 und ASt 19 eingereicht worden seien, am 12.07.2011 um 17.34 Uhr per E-mail als PDF-Anhang übersandt worden. Als Anlage ASt 25 hat sie ein Fax von Herrn Dr. G. übergeben, wonach die beiden vorgelegten Verträge ihm vorgelegen hätten und wonach die "Copyright A. Anstalt, Vaduz" am 29.10.1969 in Copa. umfirmiert habe. In den diversen Copyright-Vermerken sei jeweils auf das Datum Bezug genommen worden, zu dem das Urheberrecht bei der Autorin entstanden oder das Werk erstmals veröffentlicht worden sei.

Die Parteien haben gemäß § 137 Abs. 3 ZPO ergänzend auf die zur Vorbereitung gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2011 Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist aufrechtzuerhalten. Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, sodass ein Verfügungsanspruch gegeben ist. Auch ein Verfügungsgrund ist aufgrund Dringlichkeit zu bejahen.

I.

Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 iVm § 17 UrhG zu, demzufolge der Verfügungsbeklagten zu untersagen war, den Roman "The Prime of Miss Jean Brodie" von M. mit der streitgegenständlichen Vokabelbeilage zu verbreiten.

1. Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts an einer kommentierten Ausgabe des Romans "The Prime of Miss Jean Brodie" von M. und daher aktivlegitimiert.

a) Die Verfügungsklägerin hat eine durchgehende Rechtekette schlüssig dargelegt.

Mit Schriftsatz vom 13.07.2011 hat die Verfügungsklägerin den Vertrag zwischen der Autorin und Inhaberin der Urheberrechte des streitgegenständlichen Romans, M., und der Copyright A. Anstalt, Vaduz, Liechtenstein, in Kopie vorgelegt, in dem die Autorin sämtliche Rechte für alle Länder, mit Ausnahme von Italien, an die Anstalt in Vaduz übertragen hat (vgl. ASt 18). Weiterhin hat die Verfügungsklägerin, ebenfalls mit Schriftsatz vom 13.07.2011, in Kopie den Vertrag zwischen der Copyright A. Anstalt, Vaduz, Liechtenstein, vorgelegt, mit dem die vorgenannten Rechte u.a. für Deutschland und Großbritannien auf die Copyright V. AG Zug abgetreten wurden (vgl. Anlage ASt 19). In beiden Verträgen ist die Vergabe von beliebigen Lizenzen und Unterlizenzen vorgesehen (vgl. jeweils Art. 6). Wie sich aus dem Handelsregisterauszug des Kantons Zug (vgl. Anlage ASt 12) ergibt, darf sich die Copyright A. Verwaltungs AG in der englischen Übersetzung Copyright A. Ltd. nennen. Die Copyright A. Ltd. hat mit Vertrag vom 25.11.2010 (Anlage ASt 2) ausweislich Zif. 1.a) der Verfügungsklägerin für einen Zeitraum von acht Jahren ab dem 01.04.2011 die ausschließliche Lizenz des Romans "The Prime of Miss Jean Brodie" in englischer Sprache in einer "educational edition with notes and annotations" eingeräumt.

24b) Die Rechtekette ist für die Zwecke des vorläufigen Verfügungsverfahrens auch ausreichend glaubhaft gemacht.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin reicht die Vorlage unbeglaubigter Kopien von Schriftstücken, wie sie die Verfügungsklägerin hinsichtlich der Verträge ASt 18 und ASt 19 vorgelegt hat, für eine Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens aus (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 294 Rdnr. 2).

Die Vorlage unbeglaubigter Abschriften von Verträgen stellt ein zulässiges Glaubhaftmachungsmittel dar, das in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch regelmäßig genutzt und von den Gerichten anerkannt wird. Die Tatsache, dass die Urkunden nicht im Original vorgelegt wurden und die Identität der Unterzeichnenden nicht öffentlich beglaubigt ist, hat lediglich Auswirkungen auf den Glaubhaftmachungswert der Abschriften. Sie führt im vorliegenden Fall aber nicht dazu, dass nach freier Überzeugung der Kammer die Glaubhaftmachung der beiden Rechteübertragungen nicht gelungen wäre.

aa) Die zum Teil abweichenden Copyright-Vermerke verschiedener Ausgaben des streitgegenständlichen Romans legen nicht den Schluss nahe, dass die Abschriften gefälscht oder manipuliert worden wären.

Zwar ist z.B. in der R.-Ausgabe folgender Copyright-Vermerk enthalten: "(c) für den Text 1961 A. Limited, Abdruck mit Genehmigung Copa. Anstalt, New York". Damit wird die Zedentin "Copyright A. Limited" nicht richtig bezeichnet und es stellen sich auch die Fragen, warum deren Zedentin nochmals eigens erwähnt und warum die Jahreszahl 1961 genannt wird, obwohl M. sämtliche Rechte ausweislich des Vertrags erst im Jahr 1968 übertragen hat.

Aus allen Punkten ergibt sich aber keine Vermutungswirkung für eine abweichende Rechtesituation, die so stark wirken würde, dass die Glaubhaftmachung durch die Vorlage der einfachen Abschriften nachhaltig erschüttert wäre:

Der (c)-Vermerk weist auf eine Gesellschaft, deren Namen dem der Zedentin ähnlich ist, wobei nicht auszuschließen ist, dass der Name "Copyright A. Limited" zu "(c) ... A. Limited" verballhornt wurde. Jedenfalls hat auch die Verfügungsbeklagte keine andere Gesellschaft konkret benannt, auf die der Copyright-Vermerk hinweisen würde.

Die Nennung der Zedentin der Zedentin ist zwar überflüssig, aber unschädlich: Die Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung auf die eidesstattliche Erklärung des Dr. G. (vgl. ASt 25) Bezug genommen, in der die Umfirmierung der Copyright A. Anstalt, Vaduz, am 29.10.1968 in "Copa. Anstalt" dargelegt worden ist. Auch hier hat die Verfügungsbeklagte nicht vorgetragen, dass es eine mit dieser nicht identische weitere Gesellschaft dieses Namens in New York gäbe, auf die der (c)-Vermerk hinweisen könnte.

Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Copyright A. Ltd. bei den Copyright-Vermerken zum Teil uneinheitlich vorgegangen sei, es aber jedenfalls Praxis sei, den Copyright-Vermerk mit dem ursprünglichen Entstehungs- oder Erscheinungsdatum des Textes, also im vorliegenden Fall dem Jahr 1961, zu verbinden, auch wenn Nutzungsrechte am Urheberrecht erst später eingeräumt worden sind. Auch insoweit hat die Verfügungsbeklagte keine in der Branche abweichende Übung vorgetragen. Sie deckt sich auch mit den Ausführungen zum US-rechtlichen Hintergrund der Anbringung von (c)-Vermerken bei Schricker, Verlagsrecht, 3. Auflage 2001, § 14, Rdnr. 20.

Mangels Hinweis auf eine konkrete andere Nutzungsrechtsinhaberin im (c)-Vermerk wird somit schon keine Vermutung begründet, die durch die vorgelegten Vertragsabschriften überwunden werden müsste. Auch die durch die jedenfalls schlampige Verwendung von (c)-Angaben hervorgerufene Indizwirkung deutet nicht so stark in eine Richtung, dass die Glaubhaftmachung vorliegend nicht durch Vorlage einfacher Abschriften geführt werden könnte.

bb) Aufgrund des Vorliegens der entsprechenden Übertragungsverträge kommt es auf die von der Verfügungsklägerin vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen des Verwaltungsrats der Copyright V. AG, Dr. G., vom 11.07.2011 (ASt 13) und vom 13.07.2011 (ASt 25) somit in diesem Zusammenhang nicht mehr an; insbesondere bedarf es in diesem Zusammenhang auch keiner abschließenden Entscheidung über die Anwaltseigenschaft des Herr Dr. G. oder über die Gleichstellung der anwaltlichen Erklärung des Herrn Dr. G. mit einer eidesstattliche Versicherung, die nach den Vorschriften des Schweizer Strafrechts gestaltet ist und daher keine Strafbewehrung nach deutschem Recht enthält.

bb) Soweit die Verfügungsbeklagte die Echtheit der als ASt 18 und ASt 19 vorgelegten Verträge sowie die Zugehörigkeit der ersten Seite und des Annex A bzw. Annex 1 der Dokumente zum Rest des Vertrages bestreitet, kann auch dies den Glaubhaftmachungswert nicht entscheidend erschüttern. Es sind keine Umstände dargetan oder für die Kammer ersichtlich, die substantiierte Zweifel an der Echtheit der Urkunden aufkommen lassen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Vollbeweis erst in einem etwaigen Hauptsacheverfahren geführt werden muss und auch dort - da die öffentliche Beglaubigung von Urkunden die große Ausnahme darstellt - häufig nur aus Indizien auf die Echtheit der Unterschrift geschlossen werden kann.

cc) Auch soweit die Verfügungsbeklagte die Zahlung der in Anlage ASt 18 vorgesehen "Consideration" bestreitet, erfolgt dieses Bestreiten nur mit Nichtwissen. Es erscheint aus Sicht der Kammer mangels konkreter in eine andere Richtung weisender Umstände äußerst unwahrscheinlich, dass die Autorin M. der kontinuierlichen Rechteverwertung an ihrem Roman über Jahrzehnte zugestimmt hätte, ohne dass jemals eine Zahlung zu ihren Gunsten geflossen ist. Die Autorin hätte von einer unberechtigten Verwertung aufgrund des langen Zeitraums zwangsläufig früher oder später Kenntnis erhalten und wäre - hätte sie eine Übertragung der Rechte nicht vorgenommen - vermutlich dagegen eingeschritten oder hätte nach Kündigung Lizenzen an andere, zahlungsbereite und -fähige Personen vergeben. Buchausgaben, die nicht auf die Zedentin oder deren Zedentin zurückgehen, sind aber offenbar nicht erschienen.

dd) Schließlich vermag auch der Umstand, dass die Verfügungsklägerin die entsprechenden Dokumente zum Nachweis der Rechtekette nicht sofort bei Antragsstellung bzw. auf den Widerspruch gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung hin vorgelegt hat, keine andere Betrachtung zu rechtfertigen, selbst wenn die Verfügungsbeklagte die Möglichkeit der eingehenden Überprüfung der Vertragssituation, die diese aus eigener Anschauung nicht kenne, für verwehrt erachtet. Es ist nämlich zum einen - wie oben festgestellt - die Vorlage von Vertragskopien für die Glaubhaftmachung ausreichend, zum anderen ist aufgrund des Umstands, dass auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten gegen die einstweilige Verfügung eine mündliche Verhandlung durchzuführen war, die Vorlage der entsprechenden Unterlagen bis zum Ende des Termins ohne Verzögerung des Rechtsstreits noch möglich. Eine Vorlage bis zu diesem Zeitpunkt sanktioniert das Gesetz nicht. Sie stellt in der vorliegenden Konstellation auch keinen Grund dar, den Glaubhaftmachungswert der Abschriften entscheidend zu schwächen. Zwar könnte die späte Vorlage ein Indiz für eine Überrumpelungsabsicht darstellen und etwa bestehenden Zweifeln an der Echtheit der Urkunden weitere Nahrung geben. Wie oben ausgeführt bestehen derartige Zweifel aber nicht über das übliche Maß hinaus, das sich allein daraus begründet, dass die grundsätzlich denkbare Existenz von Urkundenfälschungen in einer längeren Rechtekette nie ganz ausgeschlossen werden kann. Indizien für ein tatsächliches Vorliegen solcher Fälschungen sind hier aber nicht ersichtlich. Die Verfügungsklägerin hat zudem die Umstände erläutert, die zu der späten Vorlage der Urkunden führte. Diese erscheinen plausibel, so dass auch aus diesem Umstand keine entscheidende Erschütterung des Glaubhaftmachungswerts der Urkunden folgt.

c) Die eingeräumte Lizenz ist auch als ausschließliche einzustufen und gewährt damit ein eigenes Klagerecht.

Zwar weist Ziff. 1.b) des Vertrages zwischen der Copyright A. Ltd. und der Verfügungsklägerin unstreitig darauf hin, dass zum einen das Werk für den deutschen Markt aufgrund einer früheren Rechteeinräumung in einer kommentierten R.-Ausgabe verlegt wird, und zum anderen darauf, dass eine Lizenz an P. Ltd. vergeben wurde, die aufgrund der Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts zum Vertrieb des [unkommentierten] Werks in englischer Sprache in Deutschland berechtigt ist. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung vom 25.11.2010 an die Verfügungsklägerin tatsächlich nur ein einfaches Nutzungsrecht vergeben worden wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 UrhG die Exklusivität der Lizenz dahingehend beschränkt werden kann, dass sich der Urheber bestimmte Nutzungen vorbehält. Vor allem bleibt das zuvor einem Dritten eingeräumte einfache Nutzungsrecht gegenüber dem nachträglich eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrecht grundsätzlich bestehen (sog. Sukzessionsschutz, vgl. hierzu Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 31 Rdnr. 58 und § 33 Rdnr. 7: "Hat sich ein Verlag die Verlagsrechte vom Urheber umfassend einräumen lassen und erteilt er zunächst einem Subverlag eine Taschenbuchlizenz, während er danach seine umfassenden Verlagsrechte einem anderen Verlag ausschließlich einräumt, bleibt die zuvor erteilte Taschenbuchlizenz weiter wirksam"). Aus diesem Bestehenbleiben der ursprünglichen einfachen Lizenz ergibt sich wiederum im Umkehrschluss, dass die Erteilung einer späteren ausschließlichen Lizenz wirksam ist und nicht aufgrund der bereits bestehenden einfachen Lizenz selbst zur einfachen Lizenz wird. Dieser Fall wurde sogar in § 33 UrhG a.F. explizit geregelt. Die etwas allgemeinere Fassung des § 33 UrhG durch das Urhebervertragsrecht vom 22.03.2002 sollte nur klarstellen, dass auch Inhaber ausschließlicher Rechte durch nachfolgende Rechteeinräumungen nicht beeinträchtigt werden, im übrigen aber keine Änderung des Rechts bewirken.

2. Das Verbreitungsrecht ist gemäß § 17 Abs. 2 UrhG nicht erschöpft.

41Der Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass der Rechtsinhaber durch eigene Benutzungshandlungen das ihm vom Gesetz eingeräumte, ausschließliche Verwertungsrecht ausgenutzt und damit verbraucht hat, so dass bestimmte weitere Verwertungshandlungen nicht mehr vom Schutzrecht erfasst werden. Soweit sich die Verfügungsklägerin gegen die Verbreitung der Taschenbuchausgabe des Penuin-Verlags des Romans "The Prime of Miss Jean Brodie" durch die Verfügungsbeklagte mit einer 45-seitige Vokabelbeilage wendet, liegt durch die Schaffung eines gebündelt vertriebenen Sets aus Taschenbuch mit beigefügter Vokabelbeilage eine neue Nutzungsart vor, die sich vom Vertrieb der ursprünglichen (unkommentierten) Taschenbuch-Ausgabe unterscheidet und daher nicht der Erschöpfung des Verbreitungsrechts unterliegt.

a) Ob es sich bei der Einfügung der Vokabelbeilage um eine Bearbeitung des Werkes gemäß § 23 UrhG handelt, die der Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes bedarf, kann dahingestellt bleiben, denn ausweislich der vorgelegten Verträge enthalten diese jedenfalls keine Übertragung des Bearbeitungsrechts durch die Autorin und alleinige Urheberrechtsinhaberin M..

43b) In der Verbreitung des streitgegenständlichen Romans als verschweißtes Set mit einer Vokabelbeilage liegt jedoch eine andere, dinglich abgrenzbare Nutzungsart, die sich von der bloßen Taschenbuchausgabe des Romans technisch und wirtschaftlich unterscheidet. Für diese Nutzungsart ist das Verbreitungsrecht noch nicht erschöpft.

Im Buchbereich ist es insbesondere zulässig, das Verbreitungsrecht nach Art und Aufmachung des Werkstücks aufzuspalten, wenn es sich um eine Ausgabe handelt, die sich nach der Verkehrsauffassung in ihrem Typus klar von der Originalausgabe unterscheidet (vgl. Schricker/Löwenheim, UrhR, § 17 Rdnr. 25). Dabei genügen im Verlagsbereich für die technische Abtrennbarkeit bereits Ausstattungsunterschiede (Hardcover/Taschenbucheinband) und für die wirtschaftliche Unterscheidbarkeit bereits unterschiedliche angesprochene Kundenkreise (Hardcovernutzung im hohen Preissegment/Taschenbuchausgabe im niederpreisigen Marktsegment/Buchclubausgabe zu Vorzugspreisen). Derartige Abgrenzungskriterien sind auch vorliegend zu bejahen und begründen die dingliche Abspaltbarkeit der Nutzungsart "kommentierte Fremdsprachenausgabe".

Bloße Vertriebskriterien wie die Umverpackung und die Vergabe einer neuen ISBN-Nummer haben insoweit zwar nur Indizwirkung und vermögen diesbezüglich alleine keinen Ausschlag zu geben. Das Einfügen der Vokabelbeilage ändert jedoch die Nutzungsart der Romanausgabe im Taschenbuchformat in eine mit gewissen Erläuterungen, Anmerkungen bzw. Kommentierungen versehene Version, die aufgrund der Art der Kommentierungen, wie z.B. in Englisch umschriebene Vokabeln, primär (als Lektüre) für den Fremdsprachenunterricht und damit für den Schulbereich oder das Selbststudium fremder Sprachen geeignet erscheint und insoweit einen eigenen Markt erschließt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der vorliegenden, mit einer Vokabelbeilage ergänzten kommentierten Ausgabe letztlich um ein Schulbuch nach der klassischen Definition (vgl. etwa § 1 der bayerischen Verordnung über die Zulassung von Lernmitteln) oder - der Bezeichnung der Verfügungsbeklagten folgend - eine Unterrichtsausgabe ("educational edition with notes and annotations") handelt. Jedenfalls liegt eine von der ursprünglichen, unveränderte Roman-Ausgabe abweichende Ausgabe mit zusätzlichen Anmerkungen bzw. Kommentierungen vor, die vorliegend auch und gerade auf den Fremdsprachenunterricht und damit den Schulgebrauch abgestimmt ist. Somit erscheint die streitgegenständliche Ausgabe als eine wirtschaftlich von der ursprünglichen Romanausgabe abgrenzbare, selbständige und dinglich abspaltbare Nutzungsart, die einen selbständigen Verwendungs- und Kundenbereich erschließt:

Die wirtschaftlich eigenständige Auswertbarkeit gründet gerade in dem Umstand, dass für die vorliegende Nutzungsart das Bestehen eines eigenen Marktes durchaus anzunehmen ist. Dies belegen nicht zuletzt die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten, in ähnlicher Weise kommentierten Romane "Angela" (vgl. ASt 20) und "A Raisin in the Sun" (vgl. ASt 21), die im Verlag der Verfügungsbeklagten erschienen sind. So erscheint es für das Erlernen einer Fremdsprache durchaus sinnvoll, Originalausgaben von Romanen mit Begriffserklärungen bzw. -erläuterungen z.B. aus Gründen der Wortschatzerweiterung ebenfalls in der Fremdsprache zu versehen, wodurch sich zusätzliche Lernerfolge erzielen lassen. Ob die Vokabeln jeweils als Fußnoten erklärt sind und sich in einer separaten Beilage befinden, ist dabei unerheblich. In beiden Varianten bleibt es gleichermaßen dem Leser überlassen, die erläuternden Kommentierungen mitzulesen oder nicht. Entscheidend kommt es auf den Zweck der Fußnoten bzw. der Beilage an, nämlich die Begriffserläuterung bzw. die Kommentierung für eine bestimmte Zielgruppe, die - sei es in Unterrichtseinrichtungen wie Schulen, Volkshochschulen, Spracheninstituten etc. oder im Selbststudium - Englisch als Fremdsprache erlernt. Der angesprochene Markt ist dabei ausreichend abgrenzbar von der Konsumentengruppe, die fremdsprachige Belletristik ohne erläuternde Anmerkungen erwirbt, sei es weil sie ausländische Muttersprachler sind, die sich in Deutschland mit Literatur in ihrer Heimatsprache versorgen wollen oder weil sie als Deutsche bereits über so hohe Sprachkenntnisse verfügen, dass sie in der Lage sind, Originalausgaben ohne Hilfestellungen flüssig zu lesen. Die Bildung eines eigenen Marktes wird noch dadurch begünstigt, dass die Kultusministerien offenbar Listen mit geeigneten Schullektüren für bestimmte Jahrgangsstufen herausgeben, so dass auch von daher ein wirtschaftlicher Anreiz besteht, kommentierte Ausgaben herauszugeben, die auf die in dieser Stufe jeweils vorauszusetzende Sprachkenntnis abgestimmt sind.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist die dingliche Abspaltbarkeit auch nicht deshalb zu verneinen, weil keine leicht erkennbare Abgrenzung der äußeren Aufmachung vorliegt. Es ist primär nicht auf das unterschiedliche äußere Erscheinungsbild, sondern auf die abweichende wirtschaftliche Auswertbarkeit durch den speziellen Verwendungszweck einer Ausgabe abzustellen, die in technischer Hinsicht entweder durch Anfügung von Fuß- oder Endnoten oder durch Einlegen eines Beiheftes mit Erläuterungen in ein speziell hierzu verbundenes Verkaufsset realisiert werden kann.

Nicht zu entscheiden war die generelle Frage, ob kommentierte (Roman-)Ausgaben stets - etwa auch dann, wenn nur den historischen oder literaturwissenschaftlichen Kontext erläuternde Kommentare beigefügt werden - eine eigenständige Nutzungsart darstellen, die der Annahme einer Erschöpfung nach § 17 Abs.2 UrhG entgegensteht. Zu bejahen ist die Frage jedenfalls dann, wenn es sich - wie vorliegend - um eine kommentierte Ausgabe, die in erster Linie als Schul- oder sonstige Sprachlehrlektüre verwendet wird, handelt. Hierfür ist das Bestehen eines eigenen Marktes und somit einer eigenen Nutzungsart aus den vorstehend dargelegten Gründen anzunehmen.

II.

Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist zu bejahen; die Dringlichkeit ist gegeben.

1. Die Verfügungsklägerin hat mittels der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, dass sie am 01.06.2011 und damit knapp drei Wochen vor Antragstellung am 20.06.2011 Kenntnis von dem beabsichtigten Vertrieb der Verfügungsbeklagten erhalten hat. Die Verfügungsbeklagte konnte dies nicht substantiiert in Abrede stellen. Der Verweis auf die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Anlage K 10, aus der hervorgeht, dass die Copyright A. Ltd. die Verfügungsbeklagte zum Unterlassen der Verbreitung der streitgegenständlichen Ausgabe aufgefordert hat, stammt vom 17.06.2011 und liegt damit zeitlich erheblich nach der von der Verfügungsbeklagten eingeräumten Kenntnis des Vertriebs der streitgegenständlichen Ausgabe. Somit erschließt sich nicht - unterstellt Adressat der E-mail sei tatsächlich die Verfügungsklägerin gewesen -, inwieweit dadurch eine frühere Kenntnis der Verfügungsklägerin belegt sein könnte.

2. Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit wird im Urheberrecht, anders als in § 12 Abs. 2 UWG, zwar nicht vermutet. Fortdauernde Verletzungen absolut geschützter Rechte - wie hier das Angebot der Verfügungsbeklagten - führen aber in der Regel zur Aushöhlung des allein dem Rechtsinhaber zugewiesenen wirtschaftlichen Auswertungspotentials und begründen daher regelmäßig den Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Dies ist - auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten - hier nicht etwa anders zu beurteilen, weil ein Erscheinen des Werks der Verfügungsklägerin vorliegend zunächst nur angekündigt war.

Zum einen kann die wirtschaftliche Ausbeutung fremder Rechte diese so stark beeinträchtigen, dass eine rasche Unterbindung derartiger Handlungen auch im Vorfeld der Platzierung eines eigenen, die Rechte nutzenden, Produktes des Rechtsgutsinhabers geboten erscheint. Zum anderen scheint das Werk der Verfügungsklägerin inzwischen erhältlich zu sein:

Die Argumentation der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin werbe mit einem noch gar nicht lieferbaren Werk, hat die Verfügungsklägerin durch Vorlage der nunmehr von ihr bereits auf den Markt gebrachten Romanausgabe mit Anmerkungen in der mündlichen Verhandlung (vgl. ASt 17) und ihrer Einlassung, es seien über 10.000 Exemplare auf dem Markt erhältlich, widerlegt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung als Anlagen B 4 und B 5 überreichten Benachrichtigungen vom 04.07.2011 und vom 15.06.2011, wonach die Ausgabe ASt 17 nicht erhältlich, und für 6/2011 bzw. 7/2011 angekündigt sei. Soweit die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung einen Auszug aus dem niedersächsischen Schulbuchverzeichnis 2011, Stand 01.01.2011 übergeben hat (die Verfügungsbeklagte hat die streitgegenständliche Romanausgabe für den Leistungskurs Englisch in Niedersachsen angeboten), in dem das streitgegenständliche Werk nicht enthalten sei, konnte ein Werk der Verfügungsklägerin am 01.01.2011 noch gar nicht enthalten sein, da diese ausweislich des Vertrags mit der Copyright A. Ltd. die Rechte erst mit Wirkung ab 01.04.2011 erworben hat. Zudem ist dieser Stand durch den Vortrag der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung, es seien seit 12.07.2011 über 10.000 Exemplaren des in der Verhandlung vorgelegten Druckwerks auf dem Markt erhältlich, überholt.

3. Die Einlassung der Verfügungsklägerin, dass regelmäßig zu Schuljahresbeginn die Lektüren beschafft würden und das Schuljahr in Niedersachsen Mitte August beginne, hat die Verfügungsbeklagte nicht substantiiert in Abrede gestellt, weshalb davon auszugehen ist, dass insbesondere durch den Vertrieb der Verfügungsbeklagten in der gegenwärtigen Phase der Verfügungsklägerin ein erheblicher, die Dringlichkeit begründender Schaden entstehen würde. Ein konkreter Schadensnachweis ist für die Annahme der Dringlichkeit nicht zu führen.

III.

Die Kostenfolge beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 924 Abs. 3, 707 Abs 1 ZPO ist unbegründet, da die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten war.






LG München I:
Urteil v. 13.07.2011
Az: 7 O 13109/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a1b62f8fc6cd/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_13-Juli-2011_Az_7-O-13109-11




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