Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. September 1997
Aktenzeichen: 6 U 107/97
(OLG Köln: Urteil v. 10.09.1997, Az.: 6 U 107/97)
1. Eine Zertifizierungsstelle für Sachverständige steht mit einem Verein, der sich die Aus- und Weiterbildung von Sachverständigen zum Ziel gesetzt hat und der seinerseits in öffentlichen Verlautbarungen die gewerbliche Betätigung konkurrierender Zertifizierungsstellen fördert, in einem Wettbewerbsverhältnis.
2. Wird in einem Info-Dienst in Bezug auf eine ,Trägergemeinschaft für Akkreditierungen von Sachverständigen" behauptet, diese akkreditiere im gesetzlich nicht geregelten Bereich als einzige (nur) seriöse Zertifizierungsstellen, werden damit - auch ohne namentliche Nennung - sämtliche Mitbewerber im Zertifizierungsbereich in unlauterer Weise herabgesetzt.
3. Wird eine ,Trägergemeinschaft für Akkreditierungen von Sachverständigen" als ,...einzige Institution in Deutschland mit dem offiziellen Auftrag, im gesetzlich nicht geregelten Bereich Personen-Zertifizierungsstellen zuzulassen" bezeichnet, ist eine solche Aussage relevant irreführend i.S. von § 3 UWG, wenn die Arbeit der Trägergemeinschaft nicht auf dem Auftrag einer hoheitlich tätigen Stelle beruht. Der ,Deutsche Akkreditierungsrat" ist eine solche Stelle nicht.
Tenor
1.) Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 20.2. 1997 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 12 O 223/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor der am 17.12.1996 im Beschlußwege erlassenen und durch das angefochtene Urteil bestätigten einstweiligen Verfügung im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt wird:Der Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 100.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen zu unterlassen, in der Informationsschrift "Info-Dienst" zu behaupten:1.) "im gesetzlich nicht geregelten Bereich sind seriöse Zertifizierungstellen leicht auszumachen: Sie haben eine Bevollmächtigung (Akkreditierung) der Trägergemeinschaft für Akkreditierung GmbH (TGA);"und/oder 2.) "die TGA ist die einzige Institution in Deutschland mit dem offiziellen Auftrag, im gesetzlich nicht geregelten Bereich Personen-Zertifizierungsstellen zuzulassen."wie nachstehend wiedergegeben:pp. 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Denn die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen
Verfügung sind auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des
Antragsgegners im Berufungsverfahren glaubhaft gemacht.
Die beiden Anträge sind zunächst zulässig.
Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Dabei
spricht viel dafür, sie sogar als - ohne weiteres antragsbefugte -
unmittelbare Verletzte anzusehen. Diese Frage kann indes
offenbleiben. Denn jedenfalls liegen die
Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG vor.
Dem steht entgegen der Auffassung des Antragsgegners die
Tatsache nicht entgegen, daß dieser selbst weder
Zertifizierungsstellen akkreditiert, noch selbst Zertifizierungen
von Sachverständigen vornimmt. Der Antragsgegner fördert nämlich -
wie noch darzustellen sein wird - durch die angegriffenen
Àußerungen die gewerbliche Tätigkeit der TGA. Das reicht für die
Antragsbefugnis nach § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG indes aus. Denn die TGA
steht ihrerseits in einem Wettbewerbsverhältnis zu der
Antragstellerin. Die Antragstellerin ist zwar keine
Akkreditierungsgesellschaft wie die TGA, steht aber als
Zertifizierungsstelle deswegen in einem Wettbewerbsverhältnis zu
dieser, weil die TGA - wenn auch auf anderer Stufe - ebenso wie die
Antragstellerin sich um die Zertifizierung von Kfz-Sachverständigen
bemüht. Die - wie ebenfalls noch darzustellen sein wird - unlautere
Förderung der Tätigkeit der mit der Antragstellerin konkurrierenden
TGA begründet vor diesem Hintergrund ein Wettbewerbsverhältnis
zwischen den Parteien, aus dem sich die Antragsbefugnis
herleitet.
Es besteht auch der Verfügungsgrund der Dringlichkeit.
Anhaltspunkte, wonnach die sich aus § 25 UWG ergebende Vermutung
der Dringlichkeit widerlegt sein könnte, sind weder vorgetragen,
noch sonst ersichtlich. Insbesondere besteht die Dringlichkeit für
die Anträge auch in ihrer nunmehr gestellten Fassung. Diese weicht
nämlich inhaltlich nicht von dem anfänglichen Begehren ab, sondern
bezieht lediglich die konkrete Verletzungsform genauer in den
Wortlaut der Anträge ein.
Es sind auch die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches
aus §§ 1 bzw.3, 13 Abs.2 Ziff.1 UWG glaubhaft gemacht.
Was zunächst die mit dem Antrag zu 1) beanstandete Aussage
angeht, so ist diese als herabsetzende vergleichende Werbung
unlauter im Sinne des § 1 UWG.
Vergleichende Werbung ist dann unlauter, wenn sie unter
individueller Bezugnahme auf einen oder mehrere Mitbewerber und
unter Herabsetzung von deren Leistung die eigene Leistung
hervorhebt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19.Aufl.,
UWG, § 1 RZ 338 ff, 355 ff m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind
durch die beanstandete Àußerung offenkundig erfüllt. Die TGA wird
darin nämlich als einzige Akkreditierungsgesellschaft bezeichnet,
die im gesetzlich nicht geregelten Bereich (nur) seriöse
Zertifizierungsstellen akkreditiert. Damit wird - ohne daß die
namentliche Nennung der Wettbewerber hierfür erforderlich wäre -
behauptet, daß diese minderwertige Leistungen erbringen, indem sie
(auch) unseriöse Zertifizierungsstellen akkreditierten. Es handelt
sich dabei um eine pauschale Herabsetzung sämtlicher Mitbewerber,
die diese schon deswegen nicht hinnehmen müssen, weil der Vorwurf
der Unseriösität eine reine Abwertung darstellt und keine
tatsächliche Substanz enthält, deren Rechtfertigung überprüfbar
wäre.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die von dem
Antragsgegner aufgeworfene Frage, ob die Antragstellerin die
Voraussetzungen einer Akkreditierungsstelle erfüllt, was im übrigen
das Landgericht Bonn in der Sache 11 O 184/96 inzwischen angenommen
hat. Ungeachtet dieser Frage steht nämlich auch der Antragstellerin
der Unterlassungsanspruch schon deswegen zu, weil er die
beschriebene unlautere Herabsetzung enthält und die Antragstellerin
zu den Wettbewerbern der TGA zählt.
Dem Anspruch steht schließlich auch nicht entgegen, daß die
Aussage eine Alleinstellungsbehauptung enthält und dies unter
gewissen engen Voraussetzungen im Rahmen der vergleichenden Werbung
zulässig sein kann (vgl. Baumbach/Lauterbach, a.a.O., RZ 352). Denn
der Antragsgegner preist nicht etwa nur die Leistung der TGA als
die beste auf dem Markt an - was unter hier nicht auszuführenden
Umständen zulässig sein kann - sondern setzt sämtliche Mitbewerber
der TGA beträchtlich herab, indem er zum Ausdruck bringt, die von
diesen akkreditierten Zertifizierungsstellen seien zumindest zu
einem Teil unseriös. Dies ist indes ungeachtet der Qualifikation
der TGA jedenfalls unlauter und deswegen zu untersagen.
Die weitere, mit dem Antrag zu 2) angegriffene Aussage verstößt
zumindest gegen § 3 UWG. Es ist nämlich irreführend zu behaupten,
die TGA sei "die einzige Institution in Deutschland mit dem
offiziellen Auftrag, im gesetzlich nicht geregelten Bereich
Personen-Zertifizierungsstellen zuzulassen". Denn diese
Behauptung trifft nicht zu. Ein nicht unerheblicher Teil der Leser
wird sie nämlich so verstehen, daß eine hoheitlich tätige Stelle
den beschriebenen Auftrag erteilt habe, was indes nicht der Fall
ist.
Der vorstehende Sinngehalt ergibt sich aus der Verwendung des
Wortes "offiziell". Dieses wird nämlich als "amtlich" verstanden,
weil die alternativ in Betracht kommende Bedeutung "feierlich,
förmlich" vom Sinnzusammenhang her ersichtlich ausscheidet. Auch
die Tatsache, daß in der Aussage ausdrücklich - und zutreffend -
von einem "gesetzlich nicht geregelten Bereich" die Rede ist,
hindert das vorstehend beschriebene Verständnis nicht. Der Artikel
wendet sich an Sachverständige, mithin an nicht juristisch
gebildete Leser. Diese werden indes aus der Tatsache, daß es sich
um einen gesetzlich nicht geregelten Bereich handelt, nicht den
Schluß ziehen, daß der Auftrag trotz der Bezeichnung als
"offiziell" nicht von einer hoheitlich tätigen Stelle stammt,
sondern - sofern sie sich über diese Frage überhaupt Gedanken
machen sollten - zumindest in nicht unerheblicher Zahl annehmen,
der Auftrag sei dann eben von einer anderen hoheitlich tätigen
Stelle erteilt worden.
Daran ändert es auch nichts, daß die Leser zum Teil mit der
Materie und der Problematik der fehlenden gesetzlichen Regelung der
Zulassung von Sachverständigen vertraut sein mögen. Denn zum einen
kann dies jedenfalls nicht von allen Lesern unterstellt werden und
zum anderen wird auch ein Leser, der weiß, daß gesetzliche
Regelungen nicht bestehen, der Àußerung - wie soeben dargelegt -
gleichwohl entnehmen, daß ein amtlicher Auftraggeber existiere.
Dies vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen, obwohl
seine Mitglieder keine KfZ-Sachverständigen sind und daher nicht zu
den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Für das vorliegende
Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung genügt insoweit
die Glaubhaftmachung. Es ist indes nach der Lebenserfahrung
glaubhaft gemacht, daß zumindest ein nicht unerheblicher Teil der
Leser die angegriffene Passage so versteht, weil ihm die
hinreichende Detailkenntnis fehlt, als daß er erkennen könnte, daß
eine "offizielle" Beauftragung unter den gegebenen Umständen
tatsächlich nicht bestehen kann.
Das so beschriebene Verständnis ist unzutreffend, weil ein
Auftrag einer hoheitlich tätigen Stelle nicht vorliegt. Eine solche
stellt insbesondere der "Deutsche Akkreditierungsrat", von dem die
TGA ihre Befugnis ableitet, nicht dar. Denn ihm fehlt die
gesetzliche Grundlage. Auch wenn sich der "Deutsche
Akkreditierungsrat" auf Betreiben der von dem Antragsgegner im
Einzelnen beschriebenen öffentlichrechtlichen Gremien konstituiert
hat, vermag er nicht hoheitlich bzw. amtlich einen Auftrag zu
vergeben, weil - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt
hat - eine hoheitliche Tätigkeit einer gesetzlichen Grundlage
bedarf, die indes nicht vorliegt.
Die aus den vorstehenden Gründen in der Aussage liegende
Irreführung ist auch von wettbewerblicher Relevanz und ebenso wie
der mit dem Antrag zu 1) beanstandete Verstoß gegen § 1 UWG im
Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG geeignet, den Wettbewerb auf dem
betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Denn die Leser
werden sich - was keiner näheren Begründung bedarf - mit Blick auf
diese Aussagen um eine Zertifizierung durch eine von der TGA
akkreditierte Zertifizierungsstelle bemühen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Die
Antragstellerin hat nicht etwa deswegen einen Teil der Kosten zu
tragen, weil sie durch die Neufassung ihrer Anträge in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat diese teilweise zurückgenommen
hätte. Denn das trifft nicht zu. Die Antragstellerin hat - wie der
Antragsbegründung zu entnehmen ist - trotz des weitergehenden
Wortlautes ihrer ursprünglichen Antragsfassungen der Sache nach von
Anfang an nur die Untersagung weiterer Veröffentlichungen erstrebt.
Sie hat ihre Anträge auch nicht etwa durch die Ankündigung von
deren Neufassung in der Berufungserwiderung erweitert. Die
Antragstellerin hat sich damit vielmehr ersichtlich nur bemüht, der
Auflage in der Ladungsverfügung nachzukommen, und der Sache nach
weiterhin nur das Verbot derjenigen beiden Àußerungen erstrebt, die
auch schon Gegenstand des landgerichtlichen Verfahrens waren.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 DM
OLG Köln:
Urteil v. 10.09.1997
Az: 6 U 107/97
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