Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Mai 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 311/04

(BPatG: Beschluss v. 23.05.2006, Az.: 21 W (pat) 311/04)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 11. April 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Projektionseinrichtung und Projektionsverfahren" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 23. Oktober 2003 erfolgt.

Gegen das Patent ist am 23. Januar 2004 Einspruch erhoben und der voll umfängliche Widerruf des Patents wegen des behaupteten Widerrufsgrunds fehlender Patentfähigkeit beantragt worden.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag bzw. Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Projektionseinrichtung zur Wiedergabe von optischen Informations- und Entertainment- Daten in Personentransportmitteln, dadurch gekennzeichnet, dass M2 zur Bilderzeugung ein Laser-Projektor vorhanden ist, der eine integrierte Ablenkeinrichtung aufweist, mittels der ein oder mehrere Laserstrahlen rasterförmig auf Projektionsflächen im Innenbereich des Personentransportmittels gerichtet werden, M3 wobei die Projektionsflächen wenigstens einer Kopfstütze, Rückenlehne, Türverkleidung oder den Dachhimmel umfasst, deren Oberfläche so ausgestaltet ist, dass sie das eingesetzte Laserlicht ausreichend reflektiert, M4 und dass der Laser-Projektor ein Mittel zur simultanen Projektion visueller Information auf verschiedenen Projektionsflächen umfasst, auf welchen unterschiedliche Informationen dargestellt werden können, M5 wobei eine Steuerung vorgesehen ist, welche eine Lichtabstrahlung durch den Laser-Projektor nur während des Überstreichens der verschiedenen Projektionsflächen zulässt.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Projektionseinrichtung zur Wiedergabe von optischen Informations- und Entertainment- Daten in Personentransportmitteln, dadurch gekennzeichnet, dass M2 zur Bilderzeugung ein Laser-Projektor vorhanden ist, der eine integrierte Ablenkeinrichtung aufweist, mittels der ein oder mehrere Laserstrahlen rasterförmig auf Projektionsflächen im Innenbereich des Personentransportmittels gerichtet werden, M3 wobei die Projektionsflächen durch die in den Personentransportmitteln vorhandenen Inneneinrichtungen gebildet werden, M4 und dass der Laser-Projektor ein Mittel zur simultanen Projektion visueller Information auf verschiedenen Projektionsflächen umfasst, auf welchen unterschiedliche Informationen dargestellt werden können, M5 wobei eine Steuerung vorgesehen ist, welche eine Lichtabstrahlung durch den Laser- Projektor nur während des Überstreichens der verschiedenen Projektionsflächen zulässt, M6 und dass der Laserprojektor derart beweglich angeordnet ist, dass verschiedene Projektionsflächen miteinander kombiniert werden können.

Bezüglich der weiteren Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende u. a. auf folgende Druckschriften verwiesen:

D1 DE 197 51 649 A1 D4 AV-INVEST: Power your media competence, Neuheitenbericht: Laser-Projektor von Schneider Laser Technologies AG, Ausgabe 5/01, S. 10-14 Die ordnungsgemäß geladenen Einsprechende ist - wie schriftsätzlich angekündigt - nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Seitens der Einsprechenden liegt der mit Schriftsatz vom 23. Januar 2004 eingereichte Antrag vor, das Patent im Umfang aller Ansprüche zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 5, hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag, die übrigen Unterlagen gemäß Patentschrift, aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin hält den Gegenstand der Patentansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag für neu und erfinderisch. Sie führt im Wesentlichen aus, dass aus der Druckschrift D1 keine Anzeigevorrichtung für Infotainment- oder Entertainment-Daten bekannt sei, sondern lediglich für die Informations-Daten der üblichen Anzeigeinstrumente in Kraftfahrzeugen. Die Druckschrift D1 offenbare auch keine der gemäß dem Hauptantrag beanspruchten Inneneinrichtungen als Projektionsflächen, sondern lediglich Mattscheiben im Bereich der Armaturentafel. Aus der Druckschrift D4 sei zwar die Verwendung mehrerer Leinwände bekannt, bei denen die Information aber lediglich auf eine einzelne Leinwand und nicht simultan auf mehrere Leinwände projiziert werde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den geltendgemachten Einspruchsgrund mangelnder Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt, so dass die Patentinhaberin und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können.

Der Einspruch hat Erfolg, denn die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass das Patent zu widerrufen war (§§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 61 Abs. 1 PatG).

Der Streitpatentgegenstand betrifft eine Projektionseinrichtung in Personentransportmitteln, z. B. in einem Pkw. Der Stand der Technik weist gemäß der Patentschrift, Absatz [0006], den Nachteil auf, dass zur Bildwiedergabe eine speziell hierfür vorgesehene Projektionsfläche (beispielsweise Leinwand) erforderlich ist. Der Erfindung liegt gemäß der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, diesen Nachteil zu überwinden (siehe Absatz [0008]).

Fachmann ist ein Dipl.-Physiker, der mit der Herstellung von entsprechenden Anzeigevorrichtungen in Personentransportmitteln vertraut ist.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag:

Aus der Druckschrift D1 ist eine Projektionseinrichtung in Personentransportmitteln (siehe Anspruch 1) gemäß der Merkmalsgruppe M1 bekannt. Sachpatente sind durch die räumlichkörperlichen Merkmale ihrer Gegenstände gekennzeichnet und werden von Funktionsangaben nicht eingeschränkt, wenn diese keine unmittelbare Auswirkung auf die räumlichkörperliche Ausgestaltung eines Konstruktionselementes haben (siehe BGH GRUR 1979, 149 - Schießbolzen, Leitsatz und BGH GRUR 1991, 436 - Befestigungsvorrichtung II, Leitsatz 3). Der Verwendungshinweis "zur Wiedergabe von optischen Informations- und Entertainment-Daten" ist daher in der Merkmalsgruppe M1 des Vorrichtungsanspruchs unbeachtlich, da die von einer Steuerung des beanspruchten Laser-Projektors verarbeiteten und projizierten Daten keine Auswirkung auf die räumlichkörperliche Ausgestaltung der Projektionseinrichtung haben. Aus der Druckschrift D1 (siehe Fig. 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung, Spalte 3, Zeile 44 bis Spalte 4, Zeile 63) ist ebenfalls zur Bilderzeugung ein Laser-Projektor vorhanden ist (siehe Laser 2), der eine integrierte Ablenkeinrichtung 4, 10 aufweist, mittels der mehrere Laserstrahlen 12, 14, 16 rasterförmig auf Projektionsflächen 20 im Innenbereich des Personentransportmittels (siehe Spalte 4, Zeilen 2 bis 6 und Anspruch 9) gerichtet werden (Merkmalsgruppe M2), wobei der Laser-Projektor ein Mittel 4, 10 zur simultanen Projektion visueller Information auf verschiedenen Projektionsflächen umfasst, auf welchen unterschiedliche Informationen (siehe Anspruch 11, 12) dargestellt werden können (Merkmalsgruppe M4), wobei eine Steuerung vorgesehen ist (siehe Spalte 2, Zeilen 30 bis 34), welche eine Lichtabstrahlung durch den Laser- Projektor nur während des Überstreichens der verschiedenen Projektionsflächen zulässt (siehe auch Spalte 5, Zeilen 51 bis 56) (Merkmalsgruppe M5).

Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 umfassen die Projektionsflächen im Innenbereich des Fahrzeugs gemäß der Druckschrift D1 keine Kopfstütze, Rückenlehne, Türverkleidungen oder den Dachhimmel gemäß Merkmalsgruppe M3, sondern sind im Armaturenbereich angeordnete Mattscheiben 20, 30 (siehe Fig. 1 und 2).

Dem Fachmann ist jedoch allgemein bekannt, dass Laser-Projektoren aufgrund ihrer annähernd uneingeschränkten Schärfentiefe auch für Projektionen auf beliebig gekrümmten Oberflächen geeignet sind (siehe z. B. Druckschrift D4, Seite 13, Spalte 1, Absatz 2 bis Spalte 2, Absatz 1). Für den Fachmann ist es daher nahe liegend, bei dem aus der Druckschrift D1 bekannten Einsatz von Laser-Projektoren in Pkw's auch die gekrümmte Oberflächen des Fahrzeugs wie Kopfstützen, Rückenlehnen, Türverkleidungen oder den Dachhimmel zu nutzen und dabei selbstverständlich diese Oberflächen so auszugestalten, dass sie das eingesetzte Laserlicht auseichend reflektieren (Merkmalsgruppe M3). Der Fachmann gelangt somit ohne erfinderisch tätig zu werden zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag:

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beansprucht in Merkmalsgruppe M3 als Projektionsflächen allgemein die in Personentransportmitteln vorhandenen Inneneinrichtungen und nicht die konkret aufgelisteten Inneneinrichtungen gemäß dem Hauptantrag. Da die Inneneinrichtungen die konkret genannten Flächen der Inneneinrichtung umfassen, gelten die Ausführungen zur Merkmalsgruppe M3 gemäß Hauptantrag selbstverständlich auch entsprechend für die Merkmalsgruppe M3 gemäß Hilfsantrag.

Darüber hinaus weist der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag noch die Merkmalsgruppe M6 auf, wonach "der Laserprojektor derart beweglich angeordnet ist, dass verschiedene Projektionsflächen miteinander kombiniert werden können". Gemäß der Druckschrift D1 ist der Laser-Projektor hinter der Instrumententafel angeordnet (siehe Spalte 4, Zeilen 31 bis 49) und somit keine drehbare, verschwenkbare oder verstellbare und damit bewegliche Montage des Laserprojektors aus dieser Druckschrift bekannt. In der Druckschrift D4 ist jedoch eine bewegliche Anordnung eines Laserprojektors offenbart (siehe Figurenbeschreibung auf Seite 11). Damit können verschiedene Positionen zur Projektion auf verschiedene Projektionsflächen (Leinwände, Styropor-Kugel) angefahren werden (siehe Seite 12, Spalte 1, letzter Absatz bis Spalte 2). Gemäß der Streitpatentschrift soll durch den beweglichen Laser-Projektor z. B. eine Projektion im Bereich des Fahrers und Beifahrers und anschließend eine Projektion für die Passagiere im Fondbereich möglich sein (siehe Absatz [0018]). In diesem Sinne ist aus der Druckschrift D4 gemäß der Merkmalsgruppe M6 ebenfalls bekannt, den Laser-Projektor derart beweglich anzuordnen, um "verschiedene Projektionsflächen miteinander zu kombinieren". Für den Fachmann ist es daher nahe liegend, den aus der Druckschrift D4 bekannten, für beliebige Projektionsflächen geeigneten und zur Nutzung von diesen unterschiedlichen Projektionsflächen beweglichen Laser-Projektor auch in entsprechender universeller Weise bei einem Pkw gemäß der Druckschrift D1 einzusetzen. Der Fachmann gelangt somit auch ohne erfinderisch tätig zu werden zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag.

Mit den nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 gemäß dem Haupt- und Hilfsantrag fallen aufgrund der Antragsbindung auch die weiteren nebengeordneten oder untergeordneten Patentansprüche (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät). Insoweit bedurfte es keiner gesonderten Erörterung der weiteren Patentansprüche.

Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch diese Ansprüche nicht patentfähig sind.






BPatG:
Beschluss v. 23.05.2006
Az: 21 W (pat) 311/04


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