Bundesgerichtshof:
Urteil vom 12. Februar 2009
Aktenzeichen: III ZR 179/08
(BGH: Urteil v. 12.02.2009, Az.: III ZR 179/08)
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung von Interessen der Verbraucher gehört. Er ist in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen (§ 4 Abs. 1 UKlaG in der Fassung des Art. 4 Abs. 14 Nr. 1 des Gesetzes zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz vom 17. Dezember 2006, BGBl. I 3171; bis zum 31. Dezember 2006 zuständige Behörde: Bundesverwaltungsamt) eingetragen. Die Beklagte betreibt unter anderem ein Fernmeldefestnetz für die Öffentlichkeit und erbringt Telekommunikationsdienstleistungen.
In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Telefonfestnetzanschlüsse verwendet die Beklagte folgende Klausel:
"Das Vertragsverhältnis ist für beide Vertragspartner zum Schluss eines jeden Werktages kündbar. Die Kündigung muss der zuständigen Niederlassung der X oder dem Kunden mindestens sechs Werktage vor dem Tag, an dem sie wirksam werden soll, zugehen. Der Samstag gilt nicht als Werktag."
Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (jetzt: Bundesnetzagentur) hatte der Beklagten mit Beschluss vom 27. August 2004, der die Genehmigung eines Festnetztarifs betraf, eine Kündigungsfrist von höchstens sechs Werktagen gestattet.
Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigungsklausel benachteilige die Kunden unangemessen, weil die darin der Beklagten zur Verfügung stehende Kündigungsfrist zu kurz bemessen sei, um rechtzeitig einen Zugang zum Telefonfestnetz durch einen anderen Anbieter zu erlangen.
Mit seiner - auch wegen weiterer Klauseln erhobenen - Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, Satz 1 der oben zitierten Klausel beim Abschluss von Dauerschuldverhältnissen mit Verbrauchern über die Bereitstellung eines Zugangs zum öffentlichen Kommunikationsnetz zu verwenden oder sich hierauf zu berufen. Ferner hat sie Ersatz von Kosten für die vorgerichtliche Geltendmachung ihrer Unterlassungsansprüche verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage unter anderem in Bezug auf die vorgenannte Klausel abgewiesen. Mit seiner insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungs- und Zahlungsanspruch hinsichtlich dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung weiter.
Gründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klageantrag sei dahin auszulegen, dass der Kläger der Sache nach nicht isoliert den ersten Satz, sondern die gesamte Klausel angreife.
Die Klausel halte der Inhaltskontrolle stand. Sie führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden der Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Geschäftsbedingung könne nicht an § 45k TKG gemessen werden. Diese Bestimmung regle nicht die Frist für eine ordentliche Kündigung des Telefondienstvertrags, sondern für eine wegen Zahlungsverzugs zu verhängende Sperre des Telefonanschlusses. Durch eine solche werde der Telefonkunde aber härter als durch eine Kündigung getroffen, weil er vertraglich gebunden und insbesondere zur Zahlung des vereinbarten monatlichen Entgeltes verpflichtet bleibe. Auch sei die Klausel nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlich geregelten Kündigungsfristen unvereinbar. Zwar verkürze die Allgemeine Geschäftsbedingung die in § 621 Nr. 3 BGB bestimmte Kündigungsfrist auf etwa die Hälfte. Der in dieser Vorschrift geregelte Zeitraum zwischen dem Zugang der Kündigungserklärung und ihrem Wirksamwerden sei jedoch keine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots, sondern beruhe auf einer reinen Zweckmäßigkeitsüberlegung des Gesetzgebers. Aber selbst wenn die in § 621 Nr. 3 BGB geregelte Kündigungsfrist, die sich an den Vergütungszeiträumen orientiere, zu den wesentlichen Grundgedanken des § 621 BGB zähle, habe die Berufung keinen Erfolg. Durch den Beschluss der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 27. August 2004 sei der Beklagten aus kartellrechtlichen Gründen im Interesse der Mitbewerber eine Kündigungsfrist für ihre Kunden von höchstens sechs Werktagen gestattet worden. Hätte die Klage Erfolg, würden für die Kündigungen der Beklagten und ihrer Kunden unterschiedliche Fristen gelten. Dies würde zu einer Abweichung von dem wesentlichen in § 621 BGB enthaltenen Grundgedanken führen, dass für beide Vertragsparteien gleiche Kündigungsfristen bestünden. Überdies könnten die Parteien des Telefondienstleistungsvertrags ohne inhaltliche Änderung der Verpflichtungen der Beklagten auch eine wöchentliche Abrechnung vereinbaren, was gemäß § 621 Nr. 2 BGB eine Kündigungsfrist von einer Woche bewirkt hätte. Weiter entspreche die in der umstrittenen Klausel enthaltene Kündigungsfrist dem vor der Postreform maßgeblichen § 396 der Telekommunikationsordnung. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Kunde durch eine innerhalb der kurzen vereinbarten Frist ausgesprochene Kündigung nicht zwangsläufig in seiner telefonischen Grundversorgung beeinträchtigt werde, da er gegen die Beklagte als Erbringerin von Universaldienstleistungen im Sinne von § 78 TKG einen aus § 84 TKG folgenden Anspruch auf Zugang zum Sprachtelefondienst habe.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Die zwischen den Parteien umstrittene Klausel unterliegt, soweit sie die Frist für die ordentliche Kündigung durch die Beklagte regelt, der Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB, obgleich die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation mit Beschluss vom 27. August 2004 diese Bedingung, für die die Beklagte ursprünglich eine Frist von drei Monaten vorgesehen hatte, nur "mit einer Kündigungsfrist von 6 Werktagen teilgenehmigt" hat. Zwar ist die Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen, soweit eine behördliche Genehmigung vorliegt, die eine abschließende Gestaltung der Rechtsbeziehungen der Vertragsbeteiligten bezweckt, und somit der privatautonome Spielraum des Verwenders beseitigt ist, wie es etwa bei der Entgeltregulierung nach §§ 27 ff TKG der Fall ist (Senatsurteil vom 24. Mai 2007 - III ZR 467/04 - NJW 2007, 3344, 3345, Rn. 11, 12, 15). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Aus der Begründung des Beschlusses ergibt sich, dass die Regulierungsbehörde die Verkürzung der Kündigungsfrist allein aus kartellrechtlichen Erwägungen vorgenommen hat. Die Beschlusskammer der Behörde war der Auffassung, die vorgesehene dreimonatige Kündigungsfrist binde die Kunden der Beklagten zu lange und beeinträchtige daher den Wettbewerb unter den Telefondienstanbietern. Hieraus ergibt sich, dass eine verbindliche Regelung nur für die Frist zur ordentlichen Kündigung durch die Kunden der Beklagten getroffen werden sollte. Deshalb kommt nur insoweit eine abschließende, den privatautonomen Spielraum des Verwenders ausschließende Gestaltung der Rechtsbeziehungen durch den Beschluss vom 27. August 2004 in Betracht. Die für die Kündigung durch die Beklagte geltende Frist ist hiervon hingegen nicht betroffen.
2. Bei der Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs des Klägers ist zu berücksichtigen, dass sich die Rechtslage während des Rechtsstreits durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106) geändert hat, so dass die umstrittene Klausel auch an den neuen Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes zu messen ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 160, 393, 395; BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - I ZR 90/01 - NJW-RR 2004, 841, 842).
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen, dass die beanstandete Klausel nicht mit wesentlichen Grundgedanken des § 45k TKG unvereinbar ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
a) Nach § 45k Abs. 1 und 2 Satz 1 TKG darf der Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste einen Festnetzanschluss im Fall des Zahlungsverzugs des Teilnehmers in Höhe von wenigstens 75 € nur dann sperren, wenn er dies mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht hat. Sie ist unter Umständen auf bestimmte Leistungen zu beschränken (§ 45k Abs. 5 Satz 1 TKG). Gemäß § 45k Abs. 5 Satz 3 TKG darf eine auch ankommende Telekommunikationsverbindungen erfassende Vollsperrung des Netzzugangs frühestens eine Woche nach Sperrung der abgehenden Verbindungen erfolgen. Diese Regelungen setzen Anhang I Teil A lit. e) der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie, ABl. EG vom 24. April 2002, Nr. L 108/51) näher um, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass bei Zahlungsverzug des Benutzers die vom Anbieter getroffenen Maßnahmen zur Unterbrechung des Dienstes oder Trennung vom Netz verhältnismäßig und nicht diskriminierend sind sowie rechtzeitig angekündigt werden (vgl. zur Umsetzung der Richtlinie durch das Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007: Begründung der Bundesregierung BT-Drucks. 16/2581 S. 1, 21).
b) Der Revision ist einzuräumen, dass dem Anschlussinhaber nicht die in § 45k Abs. 1, 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 3 TKG bestimmten Reaktionsmöglichkeiten und Fristen verbleiben, um seine Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen sicherzustellen, wenn die Beklagte, statt eine Anschlusssperre gemäß § 45k Abs. 1 TKG vorzunehmen, eine ordentliche Kündigung ausspricht.
Im Fall der Sperre ist diese zwei Wochen zuvor anzudrohen. Der Anschlussinhaber hat, wenn er die Einschränkung seiner Telekommunikationsmöglichkeiten vermeiden will, dann die Möglichkeit, innerhalb dieses Zeitraums den von der Beklagten geltend gemachten Anspruch zu begleichen, gegebenenfalls die Forderung gemäß § 45k Abs. 2 Satz 2 TKG zu beanstanden beziehungsweise den Durchschnittsbetrag nach § 45j TKG zu entrichten und/oder Rechtsschutz zu suchen. Überdies kann er seinerseits das Vertragsverhältnis mit der Beklagten ordentlich kündigen und über einen neuen Anbieter seinen Anschluss an das Fernmeldenetz sicherstellen. Auch hierfür hat er zwei Wochen Zeit.
Demgegenüber hat der Anschlussinhaber im Fall der - überdies, anders als die Sperre (Mindestrückstand 75 €), an keine Voraussetzungen gebundenen - ordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte nur die Option, einen neuen Telefondienstvertrag zu schließen. Hierfür stehen ihm nach der von dem Kläger beanstandeten Klausel der Beklagten lediglich sechs Werktage ohne Samstag, das heißt in der Regel acht Kalendertage, zur Verfügung.
c) Gleichwohl steht die angegriffene Kündigungsklausel nicht in einem Wertungswiderspruch zu § 45k TKG. Die Kündigung ist gegenüber der Sperre nach dieser Bestimmung ein aliud. Beide stehen unabhängig nebeneinander. Aus den Voraussetzungen für eine Sperre gemäß § 45k TKG lassen sich deshalb keine Einschränkungen für die Bestimmungen über die ordentliche Kündigung eines Telefondienstvertrags in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ableiten. Die Voraussetzungen einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung richten sich vielmehr nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (so auch Schadow in Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 2. Aufl., § 45k Rn. 4; Schlotter in Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, § 45k Rn. 13; wohl auch Kessel in Arndt/Fetzer/Scherer, Telekommunikationsgesetz, § 45k Rn. 28; einschränkend für die außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs: Hahn MMR 1999, 586, 591; Lammich in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, § 19 TKV Rn. 10).
aa) Die Sperre gemäß § 45k TKG stellt, wie sich bereits aus dem Wortlaut seines Absatzes 1 ergibt, die fachgesetzliche Sonderregelung des allgemeinen zivilrechtlichen Leistungsverweigerungsrechts nach §§ 273, 320, 321 BGB dar (Begründung der Bundesregierung zu der Vorgängerregelung § 19 TKV = § 17 TKV-Entwurf, BR-Drucks. 551/97, S. 38; Dahlke in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 45k TKG-E 2005 Rn. 3; Kessel aaO Rn. 2; Schlotter aaO Rn. 1; von Westphalen/Grote/Pohle, Der Telefondienstvertrag, S. 56). Sie beruht, ebenso wie die Leistungsverweigerungsrechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, auf dem Grundgedanken, dass jede Vertragspartei das Recht hat, die ihr obliegende Leistung zu verweigern, bis die ihr gebührende Gegenleistung erbracht ist (Dahlke aaO). Die Sperre gemäß § 45k TKG führt dementsprechend nicht zur Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern lediglich zu einer grundsätzlich auf vorübergehende Dauer angelegten und überdies nach Maßgabe des § 45k Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 108 Abs. 1 TKG (Zugang zu den Notrufnummern) eingeschränkten Suspendierung der Leistungsverpflichtung des Telefonanbieters. Das Leistungsverweigerungsrecht des Anbieters endet, sobald die Voraussetzungen der Sperre entfallen sind (§ 45k Abs. 5 Satz 2 TKG). Da sie den Fortbestand des Vertragsverhältnisses unberührt lässt, bleibt der Anschlussinhaber trotz der Sperre weiterhin zur Zahlung des nutzungsunabhängigen Grundentgelts verpflichtet (Dahlke aaO Rn. 16; vgl. auch Eckert in Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 540, Rn. 117; Imping in Spindler, Vertragsrecht der Telekommunikationsanbieter, S. 362, Rn. 73; vgl. zum Mobilfunkvertrag, für den § 45k TKG nicht gilt, auch Köhler, Der Mobilfunkvertrag, S. 206; von Westphalen/Grote/Pohle aaO S. 242; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 16, Satz 2 der Universaldienstrichtlinie).
Die Rechtsfolgen einer Kündigung unterscheiden sich hiervon wesentlich. Sie führt, sobald sie wirksam wird, zu einer Vollbeendigung des Vertragsverhältnisses und dem Fortfall der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen aus dem Telefondienstleistungsvertrag für die Zukunft (z.B.: Dahlke aaO Rn. 24). Der Anbieter ist nicht mehr verpflichtet, den Telefonanschluss bereitzuhalten. Umgekehrt entstehen gegen den bisherigen Anschlussinhaber keine Zahlungsansprüche mehr.
§ 45k TKG greift selbst den rechtssystematischen Unterschied zwischen der Anschlusssperre und der Kündigung des Telefondienstleistungsvertrags auf. In Absatz 1 der Bestimmung wird die Sperre legaldefiniert als das Recht des Anbieters, die von ihm zu erbringenden Leistungen an einen Teilnehmer ganz oder teilweise zu verweigern. Absatz 3 unterscheidet hiervon die (vollständige) Einstellung der Leistung, welche (erst) zulässig ist, sobald die Kündigung des Vertragsverhältnisses wirksam wird. Für die Kündigung enthält das Telekommunikationsgesetz im Gegensatz zur Anschlusssperre keine Vorgaben.
bb) Der von der Revision geltend gemachte Wertungswiderspruch der beanstandeten Klausel zu § 45k Abs. 2 TKG besteht nicht nur unter dem oben erörterten Blickwinkel der Rechtssystematik nicht. Dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorgesehene Frist für eine ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses kürzer ist als die in § 45k Abs. 2 TKG bestimmte Frist für eine Anschlusssperre ist auch vom Ergebnis her sachlich zu rechtfertigen. Wie das Berufungsgericht mit Recht herausgestellt hat, wirkt sich die Sperre jedenfalls teilweise einschneidender zulasten des Anschlussinhabers aus als die ordentliche Kündigung. Das Leistungsverweigerungsrecht des Anbieters führt bei Fortbestehen der Rechtsbeziehung zum zeitweisen Fortfall des vertraglich vereinbarten Synallagmas. Während der Telefondienstanbieter von der Erbringung der ihm obliegenden vertraglichen Leistung weitgehend befreit ist, solange er den Anschluss sperren darf, bleibt sein Vertragspartner auch für diesen Zeitraum zur Zahlung des Grundentgelts verpflichtet (siehe oben aa), obgleich er den Anschluss trotz dessen Bereithaltung faktisch nicht oder nur für ankommende Gespräche nutzen kann. Demgegenüber entfallen mit dem Wirksamwerden einer Kündigung die Leistungsverpflichtungen beider Vertragspartner. Mag die ordentliche Kündigung des Telefondienstleistungsvertrags auch, was die Revision im Ansatz mit Recht anführt, in anderer Hinsicht für den Kunden belastender sein als eine Anschlusssperre (siehe oben b), rechtfertigt die Beeinträchtigung des Vertragssynallagmas, wenn der Anbieter nach § 45k Abs. 2 TKG verfährt, dass hierfür längere Fristen gelten als für die ordentliche Kündigung. Dies gilt umso mehr, als eine kurzfristige Vollbeendigung des Telefondienstleistungsvertrags, wie unter Nummer 6 noch näher auszuführen sein wird, für den Kunden keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seines aus der Universaldienstrichtlinie abzuleitenden Rechts auf Grundversorgung mit Telefondienstleistungen (vgl. Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 der Richtlinie) bedeutet.
cc) Dies steht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht in Widerspruch zu Anhang I Teil A lit. e) der Universaldienstrichtlinie. Die Richtlinie regelt in dieser Bestimmung zwar nicht nur die (vorübergehende) Unterbrechung des Dienstes, sondern auch die "endgültige Trennung vom Netz", die einer Vollbeendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung entsprechen mag. Für diese enthält die Vorschrift jedoch lediglich die Voraussetzung, dass die Maßnahme "verhältnismäßig und nicht diskriminierend" sein muss und dass die Trennung vom Netz aufgrund nicht beglichener Rechnungen erst erfolgen sollte, nachdem dies dem Teilnehmer "rechtzeitig angekündigt wurde". Es soll gewährleistet werden, dass der Teilnehmer "rechtzeitig und angemessen auf eine bevorstehende Unterbrechung des Dienstes oder Trennung vom Netz hingewiesen wird". Konkrete Vorgaben über die hierbei zu beachtenden Fristen enthält die Richtlinie nicht. Auch ein Zeitraum von in der Regel acht Kalendertagen, wie sie die beanstandete Klausel für die ordentliche Kündigung vorsieht, ist noch verhältnismäßig und gewährleistet noch eine rechtzeitige Unterrichtung des Anschlussinhabers über die bevorstehende Trennung vom Netz (siehe hierzu näher unten Nummer 6).
Auch an anderer Stelle enthält die Richtlinie keine Bestimmungen über Mindestfristen, die die Anbieter von Universaldiensten bei der Kündigung gegenüber ihren Kunden zu beachten haben. Art. 20 Abs. 2 lit. e) der Richtlinie bestimmt lediglich, dass Verträge zwischen den Anbietern und den Verbrauchern Regelungen über die Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Dienste und des Vertragsverhältnisses zu enthalten haben. Einzelheiten über diese Bedingungen regelt die Richtlinie nicht.
Einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Art. 234 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 lit. b EGV) bedarf es nicht, da die Richtlinie hinsichtlich der Trennung vom Netz und ihrer Ankündigung durch den jeweiligen Telefondienstanbieter keine konkreten Vorgaben, sondern lediglich unbestimmte Rechtsbegriffe enthält und somit den nationalen Rechtsordnungen erhebliche Spielräume belässt, die hier offensichtlich nicht überschritten sind. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist deshalb derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (acte clair, vgl. BGHZ 174, 273, 287, Rn. 34 m.w.N.; Senatsurteil vom 6. November 2008 - III ZR 279/07 - juris, Rn. 31, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
4. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die von der Beklagten verwendete Klausel nicht im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zum Nachteil der Verbraucher von wesentlichen Grundgedanken des § 621 Nr. 3 BGB abweicht. Insbesondere ist dem Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision darin zuzustimmen, dass die Beklagte im Gegenteil bei Erfolg der Klage gezwungen würde, von dem § 621 BGB immanenten Grundsatz abzuweichen, dass für die Parteien eines Dienstvertrages grundsätzlich dieselben Fristen für eine ordentliche Kündigung gelten. Aufgrund des Beschlusses der früheren Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 27. August 2004 darf die Beklagte für die Kündigung durch ihre Kunden keine längere als die in der umstrittenen Klausel bestimmte Frist vorsehen. Dürfte sie selbst eine Kündigung nur innerhalb einer längeren Frist aussprechen, gälten für die Vertragsparteien unterschiedliche Zeiträume. Demgegenüber sieht § 621 BGB für beide Vertragsteile gleiche Kündigungsfristen vor.
Zwar ist der Revision einzuräumen, dass asymmetrische Kündigungsfristen dem BGB nicht fremd sind (vergleiche § 573c BGB) und es dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen lediglich versagt ist, unter unangemessener Benachteiligung seines Vertragspartners asymmetrische Kündigungsfristen zu verwenden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 - XII ZR 273/98 - NJW 2001, 3480, 3482; OLG Koblenz MMR 2004,106 f). Hieraus folgt indessen nicht, dass der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Telefondienstverträgen gezwungen ist, seinen Kunden eine längere Kündigungsfrist einzuräumen als sich selbst. So beruht insbesondere § 573c Abs. 1 BGB, der für die ordentliche Kündigung von Verträgen über Wohnraum nach Ablauf von fünf Jahren für die ordentliche Kündigung des Vermieters eine längere Frist bestimmt als für den Mieter, auf dessen überwiegendem Interesse, bei lang andauernden Mietverhältnissen im Hinblick auf seine soziale Verwurzelung in der bisherigen Umgebung ausreichend Zeit für die Suche nach einer neuen Wohnung zu haben (BT-Drucks. 14/4553, S. 67; Bamberger/Roth/Hannappel, BGB, 2. Aufl., § 573c Rn. 4). Diese spezifisch für Wohnraummietverhältnisse geltenden Erwägungen sind auf Telefondienstleistungsverträge nicht übertragbar.
5. Auch mit den wesentlichen Grundgedanken des § 84 Abs. 1 TKG ist die streitige Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten vereinbar. Nach dieser Vorschrift haben Endnutzer im Rahmen der Gesetze und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmen, die Universaldienstleistungen anbieten, einen Anspruch darauf, dass diese Leistungen erbracht werden. Hieraus folgt für diese Unternehmen ein Kontrahierungszwang (z.B.: Cornils in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 84 Rn. 2; Mager in Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, § 84 Rn. 10; Windthorst in Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 2. Aufl., § 84 Rn. 7).
Dies bedeutet aber entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass die Beklagte lediglich zu Änderungskündigungen berechtigt wäre und gleichzeitig mit der Kündigungserklärung den Abschluss eines neuen Vertrags anbieten müsste. Der Anspruch auf Abschluss eines Vertrages über die Erbringung von Telekommunikations-Universaldiensten ist gegen jedes Unternehmen gerichtet, das diese Leistungen anbietet (Cornils aaO Rn. 10; Mager aaO Rn. 7; Windthorst aaO Rn. 5 f) und nicht nur gegen die Beklagte. Hieraus folgt, dass eine Kündigung der Beklagten auch dann zu einer endgültigen Beendigung der vertraglichen Beziehungen zu dem betroffenen Kunden führen kann, wenn dieser seinen aus § 84 Abs. 1 TKG folgenden Anspruch auf Versorgung mit Telefondienstleistungen geltend machen will. Die Beklagte ist deshalb bei der ordentlichen Kündigung nicht auf Änderungskündigungen beschränkt, so dass die von ihr verwendete Klausel nicht gegen wesentliche Grundgedanken des § 84 Abs. 1 TKG verstößt.
6. Die vom Kläger beanstandete Klausel ist auch nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Sie benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (z.B. Senatsurteil BGHZ 175, 102 ,107 Rn. 19). Die für Kündigungen, die die Beklagte ausspricht, nach der streitigen Klausel geltende Frist von sechs Werktagen ohne Berücksichtigung des Samstags (= in der Regel acht Kalendertage) ist noch angemessen, um den Anspruch des Anschlussinhabers auf Teilhabe an der Grundversorgung mit Telefondienstleistungen (§ 78 Abs. 2 TKG, Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 der Universaldienstsrichtlinie) zu gewährleisten.
a) Dies gilt selbst, wenn es, wie die Revision anführt, der Lebenserfahrung widerspricht, dass dem Anschlussnehmer sechs Werktage ohne Samstag nach einer Kündigung der Beklagten ausreichen, um übergangslos zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Es mag zutreffen, dass dieser Zeitraum oftmals nicht genügt, um einen neuen Anbieter auszuwählen, einen Vertrag mit diesem zu schließen und den Anschluss rechtzeitig vor der Leistungseinstellung durch die Beklagte freigeschaltet zu erhalten. Dem von einer Kündigung der Beklagten betroffenen Anschlussinhaber ist es aber zuzumuten, sich umgehend um einen anderweitigen Zugang zum Telefonfestnetz zu bemühen, wenn die Beklagte eine ordentliche Kündigung ausspricht. Hat er einen neuen Anbieter ausgewählt, ist die Beklagte verpflichtet, die Umschaltung des Anschlusses auf den neuen Anbieter unverzüglich vorzunehmen. Hieraus folgt, dass der Endnutzer, wenn er sich zügig um einen neuen Anschluss kümmert, allenfalls wenige Tage vom Zugang zum Telefonfestnetz abgeschnitten ist. Dies bedeutet für einen Verbraucher zwar eine lästige, jedoch angesichts der vielfältigen Kompensationsmöglichkeiten, insbesondere durch die zwischenzeitliche Nutzung mobiler Telefongeräte, keine unangemessene Beeinträchtigung. Aus dem Telekommunikationsgesetz ergibt sich kein Anspruch auf lückenlosen, jederzeitigen Zugang zu den Universaldienstleistungen.
b) Dessen ungeachtet hat der Anschlussinhaber, wie das Berufungsgericht mit Recht herausgestellt hat, gegen die Beklagte aus § 84 Abs. 1 TKG einen Anspruch auf (Neu-)Abschluss eines Telefondienstleistungsvertrags. Die Geltendmachung dieses Kontrahierungsrechts benötigt noch weniger Zeit als der Abschluss eines Vertrages mit einem neuen Anbieter. Der Kunde wird regelmäßig in der Lage sein, seinen aus § 84 Abs. 1 TKG folgenden Anspruch auf Abschluss eines (neuen) Vertrags mit der Beklagten innerhalb der in der streitigen Klausel vorgesehenen Kündigungsfrist geltend zu machen. Er kann dann dem sich aus der Kündigung ergebenden Recht der Beklagten, ihre Leistungen einzustellen (§ 45k Abs. 3 TKG), den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB - dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est, vgl. z.B.: BGHZ 110, 30, 33; Senatsurteil vom 1. Februar 2007 - III ZR 289/06 - NJW-RR 2007, 823, 824 f, Rn. 15) entgegensetzen. Sollte es im Einzelfall nicht gelingen, den Kontrahierungsanspruch rechtzeitig vor der Trennung des Anschlusses vom Netz geltend zu machen, wäre die damit verbundene kurzzeitige Beeinträchtigung des Zugangs zur telefonischen Grundversorgung aus dem oben genannten Grund keine unangemessene Benachteiligung.
c) Auch dies steht im Einklang mit der Universaldienstrichtlinie. Aus ihr folgt kein Anspruch des Endnutzers, ungeachtet einer Kündigung durch den Anbieter einen ununterbrochenen Zugang zu den Leistungen im Sinne ihrer Art. 1 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1, Art. 4 zu haben. Auch insoweit ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 lit. b EGV entbehrlich, weil die gemeinschaftsrechtliche Rechtslage eindeutig ist.
7. Da der Unterlassungsanspruch des Klägers in Bezug auf die im vorliegenden Verfahren streitige Klausel unbegründet ist, kann er auch nicht Ersatz der insoweit angefallenen vorgerichtlichen Kosten verlangen.
Schlick Dörr Herrmann Harsdorf-Gebhardt Hucke Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 24.10.2007 - 26 O 95/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.06.2008 - 6 U 211/07 -
BGH:
Urteil v. 12.02.2009
Az: III ZR 179/08
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