Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Februar 2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 86/06
(BGH: Beschluss v. 21.02.2007, Az.: AnwZ (B) 86/06)
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2006 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu ersetzen. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe
I.
Aufgrund Verzichts auf seine Zulassung widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Dieser Widerruf wurde, da der Antragsteller keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hatte, nicht sofort, sondern erst am 19. September 2005 bestandskräftig. Während des Laufes der Rechtsmittelfrist widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers am 13. September 2005 erneut, und zwar wegen Fortfalls der Haftpflichtversicherung. Diesem Widerruf lag die unzutreffende Mitteilung der Haftpflichtversicherung des Antragstellers zugrunde, dieser habe seine Prämie nicht gezahlt. Sie wurde später berichtigt.
Gegen den neuerlichen Widerruf der Zulassung hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und im Wesentlichen die Feststellung beantragt, dass der Widerruf rechtswidrig war. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die - nicht zugelassene - sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er weiterhin die beantragte Feststellung erreichen möchte. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II.
Das eingelegte Rechtsmittel ist nicht statthaft.
1. Seine Statthaftigkeit lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht aus § 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO ableiten.
a) Der Antragsteller wendet sich zwar in der Sache gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 13. September 2005, der rechtswidrig war, weil die ihm zugrunde liegende Mitteilung der Haftpflichtversicherung des Antragstellers, sein Versicherungsschutz sei entfallen, nicht zutraf. Dieser Widerrufsbescheid hatte sich aber vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache erledigt, weil der zuvor ausgesprochene Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Verzichts des Antragstellers am 19. September 2005 bestandskräftig geworden war. Deshalb hat der Antragsteller nicht Aufhebung des Widerrufsbescheids vom 13. September 2005, sondern, verfahrensrechtlich konsequent, Feststellung seiner Rechtswidrigkeit beantragt. Ein solcher Fortsetzungsfeststellungsantrag und seiner Zurückweisung (als unbegründet oder unzulässig) stehen einem Antrag auf Aufhebung des Widerrufs der Zulassung und seiner Zurückweisung jedoch nicht gleich.
b) Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung als Rechtsinstitut nicht vorgesehen (Senat, Beschl. v. 1. März 1993, AnwZ (B) 29/92, BRAK-Mitt. 1993, 105 f.; v. 29. Mai 2000, AnwZ (B) 33/99, BRAK-Mitt. 2000, 257, 258; Beschl. v. 18. April 2005, AnwZ (B) 28/04). Der Senat lässt solche Anträge in Anlehnung an § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO dennoch in verfassungskonformer Erweiterung des Rechtsschutzsystems der Bundesrechtsanwaltsordnung ausnahmsweise zu, wenn dem Antragsteller anders effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen die Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit nachträglich festgestellt werden soll, nicht gewährt werden kann und die beantragte Feststellung eine Rechtsfrage klären hilft, die sich der Rechtsanwaltskammer und dem Rechtsanwalt bei künftigen Gelegenheiten ebenso stellen wird (BGHZ 137, 200, 201 f.; Beschl. v. 1. März 1993, AnwZ (B) 29/92, aaO; Beschl. v. 11. Juli 1994, AnwZ (B) 4/94, NJW 1995, 2105; Beschl. v. 6. November 2000, AnwZ (B) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573; Beschl. v. 13. Januar 2003, AnwZ (B) 59/01, NJW 2003, 965, 966). Bei (im vorliegenden Fall allerdings zweifelhaftem) Vorliegen dieser Voraussetzungen wird, das ist dem Antragsteller zuzugeben, die Prüfung der mit dem erledigten Widerrufsbescheid aufgeworfenen Sachfragen ganz oder teilweise fortgesetzt.
c) Das führt aber nicht dazu, dass gegen eine Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs hierüber ohne Zulassung die sofortige Beschwerde an den Bundesgerichtshof gegeben ist (Senat, Beschl. v. 3. März 1997, AnwZ (B) 57/96, BRAK-Mitt. 1997, 128). Die sofortige Beschwerde ist in den in § 42 Abs. 1 BRAO genannten Fällen ohne Zulassung statthaft, weil sie Entscheidungen betreffen, die unmittelbar an die berufliche Existenz des Betroffenen rühren (Senat, BGHZ 34, 244, 250 f.; Beschl. v. 22. Mai 1985, AnwZ (B) 42/84, NJW 1985, 1842, 1843). Diese innere Rechtfertigung mag auch bei anderen, dort nicht genannten qualitativ gleichwertigen Entscheidungen gegeben sein und eine entsprechende Anwendung von § 42 Abs. 1 BRAO erlauben (Senat, Beschl. v. 22. Mai 1985, aaO). Sie fehlt aber bei der Entscheidung über einen Fortsetzungsfeststellungsantrag. Er kommt nämlich nur in Betracht, wenn sich die nach § 42 Abs. 1 BRAO anfechtbare Maßnahme in der Hauptsache erledigt hat (Senat, Beschl. v. 22. Mai 1985, aaO). Es geht dann nicht mehr unmittelbar um die berufliche Existenz des Antragstellers und auch nicht mehr um Einzelheiten seines Falles, sondern allenfalls um die Klärung von eventuell für andere Rechtsfälle bedeutsamen allgemeinen Rechtsfragen. Gegen die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs über solche Fragen soll aber nach der konzeptionellen Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 223 Abs. 3 BRAO die sofortige Beschwerde nicht ohne weiteres zulässig sein, sondern nur, wenn der Anwaltsgerichtshof sie zugelassen hat.
2. Aus § 223 Abs. 3 BRAO folgt die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht, weil sie der Anwaltsgerichtshof nicht zugelassen hat.
3. Auch die erteilte unzutreffende Rechtsmittelbelehrung hilft dem Antragsteller nicht. Sie kann ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft machen und die erforderliche Zulassung des Rechtsmittels nicht ersetzen. Sie dient nicht der Ergänzung oder Interpretation der Entscheidung, sondern allein der Information der unterlegenen Partei(en) über die Möglichkeit von Rechtsmitteln.
III.
Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers ist zurückweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung unzulässig ist und deshalb keinen Erfolg verspricht.
IV.
Bei der Kostenentscheidung hat der Senat im Hinblick auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung §§ 200 Satz 1 BRAO, 16 Abs. 1 KostO angewendet.
V.
Der Senat kann, auch über das unzulässige Rechtsmittel (BGHZ 44, 25), ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Hirsch Otten Ernemann Schmidt-Räntsch Wosgien Kappelhoff Martini Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 31.03.2006 - 1 ZU 102/05 -
BGH:
Beschluss v. 21.02.2007
Az: AnwZ (B) 86/06
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