Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 28. Februar 2002
Aktenzeichen: 1 K 3741/98
(VG Köln: Urteil v. 28.02.2002, Az.: 1 K 3741/98)
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom07. April 1998 verpflichtet, den Entgeltgenehmigungsantrag der Klägerin vom 26. Januar 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, die E. AG, ist Rechtsnachfolgerin der F. . Sie ist Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der ehemaligen E. und der hierzu gehörenden technischen Einrichtungen.
Seit Mai 1997 schloss die Klägerin Zusammenschaltungsvereinbarungen mit anderen Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen. Auf Grund dieser Zusammenschaltungsvereinbarungen wird es den bisherigen Endkunden der Klägerin ermöglicht, Ferngespräche über die Telekommunikationsnetze der Zusammenschaltungspartner zu führen. Die Klägerin ermöglicht ihren Kunden seit dem 1. Januar 1998, bei einem Wechsel des Netzbetreibers und Verbleiben am selben Standort die ihnen zugeteilte Rufnummer beizubehalten - Nummernportabilität -. Unter dem 26. Januar 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Genehmigung von Entgelten für diese Leistung nach Maßgabe einer beigefügten Leistungsbeschreibung und Preisliste. Sie stellte diesen Antrag vorbehaltlich der Klärung, ob derartige Entgelte der exante Regulierung unterlägen.
Durch Bescheid vom 07. April 1998 lehnte die Beklagte die beantragte Entgeltgenehmigung ab und führte zur Begründung aus, eine Ablehnung habe allein deswegen zu erfolgen, weil die Klägerin bei der Nummernportabiliät gegenüber dem Kunden keine Leistung erbringe. Sie gewährleiste lediglich, dass der Kunde seine Rufnummer, an der er gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) ein eigenständiges dauerhaftes Nutzungsrecht erwerbe, bei einem Netzbetreiberwechsel behalten könne. Eine Ermächtigungsgrundlage für eine Entgelterhebung ergebe sich insbesondere nicht aus § 43 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Diese Norm solle lediglich einen Ausschluss der Erstattung derjenigen Kosten bewirken, die Netzbetreibern im Rahmen der für die Sicherstellung der Nummernportabilität erforderlichen Netzkonditionierung und zusätzlichen Verbindungen entstünden. Im Übrigen hätte der Genehmigungsantrag auch gemäß §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 3, 24 Abs. 1 Satz 2 TKG i.V.m. § 2 Abs. 3 der Telekommunikations- Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV) wegen nicht vollständig vorgelegter Unterlagen abgelehnt werden müssen. Die spezifischen für die Rufnummern- mitnahme erforderlichen Zeitansätze der benannten Prozessschritte bei der Kündigung eines Anschlusses hätten im Einzelnen im Rahmen der zur Verfü- gung stehenden Entscheidungsfrist weder qualitativ noch quantitativ nachvollzogen werden können.
Am 07. Mai 1998 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, sie erbringe sehr wohl in Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 43 Abs. 5 Satz 1 TKG gegenüber ihrem Kunden als Vertragspartner über die Rufnummer mit der Nummernportabilität eine Leistung. Wechsele einer ihrer Kunden den Netzbetreiber, könne er im Netz des neuen Carriers ohne zusätzliche technischbetriebliche und administrative kostenverursachende Maßnahmen, die sie - die Klägerin - erbringe, nicht erreicht werden. Vom Endkunden erheben wolle sie dabei nur die sog. perlinesetupcosts bzw. die einmaligen mit der Portierung einer bestimmten Nummer verbundenen kundenspezifischen Einrichtungskosten. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten, für die Anspruchsgrundlage der mit dem Kunden geschlossene Vertrag über die Portierung sei, werde nicht durch § 43 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz TKG ausgeschlossen. Diese Vorschrift belege im Gegenteil gerade, dass diejenigen Kosten, die einmalig beim Kundenwechsel entstünden, diesem in Rechnung gestellt werden dürften. Der Umstand, dass sie gesetzlich zur Rufnummernportierung verpflichtet sei, bedeute nicht, dass sie dies unentgeltlich zu tun habe. Auch zur Gewährung des Netzzugangs oder zur Zusammenschaltung bestehe eine rechtliche Verpflichtung, ohne dass bestritten werde, dass sie für die genannten Leistungen Entgelte erheben könne. Im Übrigen habe die Beklagte den Genehmigungsantrag fehlerhaft gemäß § 2 Abs. 3 TEntgV wegen fehlender Kostennachweise abgelehnt. Die vorgelegten Kostenunterlagen seien vollständig gewesen. Der Umstand, dass die Beklagte die geltend gemachten Zeitansätze nicht habe nachvollziehen können, betreffe nicht die Frage der Vollständigkeit der vorgelegten Unterlagen, sondern betreffe vielmehr die inhaltliche Prüfung, für die der Untersuchungsgrundsatz gelte. Eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen habe ebenso wenig ergehen dürfen, da die Beweislast für die Nichtaufklärbarkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen bei der Beklagten liege. Sei der Beklagten daher eine Sach- aufklärung innerhalb der Frist des § 28 Abs. 2 TKG nicht möglich, müsse sie dem Genehmigungsantrag entsprechen und dürfe nicht vom Vorliegen des Versagungstatbestandes des § 27 Abs. 3 TKG ausgehen. Auch seien die Genehmigungsvoraussetzungen materiell erfüllt. Insbesondere enthielten die beantragten Entgelte keine Aufschläge im Sinne des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG, sondern orientierten sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung. Die Zeitansätze seien nicht übersetzt, der bei der Kalkulation der Stundensätze angesetzte Zeitbedarf zutreffend. Ebenso wenig liege ein offensichtlicher Verstoß gegen die Maßstäbe des § 24 Abs. 2 Nr. 2 und 3 TKG vor.
Die Klägerin beantragt,
1) die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07. April 1998 zu verpflichten, die von ihr am 26. Ja- nuar 1998 beantragten Entgelte zu genehmigen,
2) hilfsweise,
festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, die Leis- tung "Sicherstellung der Netzbetreiberportabilität" gegenüber dem Endkunden unentgeltlich zu erbrin- gen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerin erbringe mit der Rufnummernportierung gegenüber ihren Kunden keine entgeltfähige Leistung, sondern erfülle lediglich ihre öffentlichrechtliche Verpflichtung aus § 43 Abs. 5 Satz 1 TKG. Aus der Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung ergebe sich für den Endkunden kein zusätzlicher Vorteil. Dass der Klägerin hierdurch Kosten entstünden, sei nicht in Abrede zu stellen. Jedoch könnten diese nicht dem Endkunden in Rechnung gestellt werden. Eine andere Frage sei, ob die durch die Portierung anfallenden Kosten in die berücksichtungsfähigen Gemeinkosten eingestellt oder vom aufnehmenden Netzbetreiber erhoben werden könnten. § 43 Abs. 5 TKG stelle keine Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin geplante Entgelterhebung gegenüber dem Endkunden dar, da die Regelung nicht hinreichend bestimmt sei. So sei der Norm nicht zu entnehmen, welcher Netzbetreiber Inhaber eines Kostenerstattungsan- spruchs sein solle. Hinsichtlich der Hilfsbegründung des angefochtenen Bescheides ist sie der Ansicht, die Beweislast für die Ist-Kosten liege bei der Klägerin. Von einer fehlerhaften Beweislastentscheidung könne nicht die Rede sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Ge- richtsakten - auch im Verfahren 1 K 539/99 - und der von der Beklagten jeweils vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Gründe
Die Klage ist mit dem Hauptantrag teilweise begründet.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 07. April 1998 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Doch fehlt es für die Frage, ob die Klägerin ganz oder teilweise einen Anspruch auf Entgeltgenehmigung gemäß ihrem Antrag vom 26. Januar 1998 hat, an der nötigen Spruchreife, so dass die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Neubescheidung zu verpflichten ist.
Das Telekommunikationsgesetz normiert nicht ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen eine Entgeltgenehmigung zu erteilen ist. Es regelt in § 27 Abs. 3 TKG nur den Fall der Versagung der Genehmigung. Doch kann aus dieser Vorschrift sowie aus dem Umstand, dass wegen der Grundrechtsrelevanz (Art. 14 und 12 GG) des Genehmigungserfordernisses nichts für eine Ermessensentscheidung spricht, jedenfalls im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn keine Versagungsgründe vorliegen,
vgl. Urteil der Kammer vom 21. Februar 2002 - 1 K 5694/98 -.
Nach § 27 Abs. 3 TKG ist die Entgeltgenehmigung u.a. dann zu versagen, wenn die Entgelte mit dem TKG oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt die geplante Erhebung von Entgelten für die Rufnummernportierung gegenüber dem Endkunden nicht gegen die - insoweit als zwingender Versagungsgrund allein in Betracht kommenden - §§ 43 Abs. 5 TKG, 20 Abs. 2 Satz 3 TKV. Insbesondere geht die Annahme der Beklagten, die Klägerin erbringe mit der Rufnummernportabilität keine entgeltfähige Leistung gegenüber dem Endkunden, fehl.
Nach der Rechtsprechung der Kammer handelt es sich bei der Rufnummernportierung nämlich um Sprachtelefonie i. S. d. § 3 Nr. 15 TKG. Die Entgelte hierfür unterliegen der ex ante-Regulierung.
Diesbezüglich hat die Kammer im Urteil vom 10. Mai 2001 - 1 K 958/98 - ausgeführt:
Unter diesen Umständen kann es für die rechtliche Einordnung der in Rede stehenden Telekommunikationsdienstleistungen nur darauf ankommen, ob sie die Voraussetzungen der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 15 TKG erfüllen. Danach ist "Sprachtelefondienst" im Sinne des TKG "die gewerbliche Bereitstellung für die Öffentlichkeit des direkten Transports und der Vermittlung von Sprache in Echtzeit von und zu den Netzabschlusspunkten des öffentlichen, vermittelnden Netzes, wobei jeder Benutzer das an solch einem Netzabschlusspunkt angeschlossene Endgerät zur Kommunikation mit einem anderen Netzabschlusspunkt verwenden kann".
Die Leistungen Preselection und Rufnummernmitnahme lassen sich - was hier allein umstritten ist - als Bereitstellung des Transports und der Vermittlung von Sprache beurteilen. Sie sind nämlich Teil der - insgesamt in den Blick zu nehmenden - technischen Einrichtungen, welche zur Übermittlung der Sprache zwischen dem jeweiligen Kunden der Klägerin und dessen Anrufpartner unerlässlich sind. Das ergibt sich aus der technischen Erläuterung dieser Vorgänge, wie sie von den Beteiligten inhaltlich übereinstimmend gegeben wird. Danach werden beide Leistungen durch Umprogrammierungsmaßnahmen in der für den Anschluss des Kunden zuständigen Teilnehmervermittlungsstelle der Klägerin erbracht. ...... Bei der Rufnummernportierung wird im Rechner der für die den bisherigen Kunden der Klägerin maßgeblichen Teilnehmervermittlungsstelle ein Datensatz hinterlegt, der sicherstellt, dass die Verbindung von dieser Teilnehmervermittlungsstelle zunächst zu einem sog. Rufnummernportierungsserver geführt wird. In diesem Server werden die Informationen einprogrammiert, die darüber Auskunft geben, bei welchem Teilnehmernetzbetreiber der betreffende Kunde - nunmehr - seinen Anschluss hat und welche Teilnehmervermittlungsstelle des anderen Netzbetreibers für diesen Anschluss des Endkunden zuständig ist. ....(Es) geht ... also um Leit- wegänderungen, die sich ebenso wie sonstige vermittlungstechnische Vorgänge beim Aufbau und beim Halten der jeweiligen Verbindung zwanglos dem Sprachtelefondienst zurechnen lassen.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass es sich jeweils nur um eine einmalige Leistung handele, die sich in der bloßen Programmierung erschöpfe. Denn dagegen spricht, dass auch sonstige einmalige Leistungen, wie etwa die Verlegung von Leitungen oder die Errichtung von Gebäuden für Vermittlungsstellen, kostenmäßig (vgl. § 2 Abs. 2 TEntGV) dem Sprachtelefondienst zuzurechnen sind. Außerdem erschöpfen sich Preselection und Rufnummernportierung nicht in einmaligen Dateiänderungen. Vielmehr wirken sich diese bei jeder davon erfassten Verbindung aus. Dass es sich "nur" um Programmierungsmaßnahmen handelt, unterscheidet sie nicht wesentlich von sonstigen, für die Verbindungsführung maßgeblichen Arbeiten in EDV-gestützten Vermittlungsstellen......
Auch kann gegen die Einordnung als Sprachtelefondienst nicht eingewendet werden, dass es sich bei Preselection und Rufnummernportierung nur um Teilleistungen handele. Denn der Transport und die Vermittlung von Sprache setzen sich ohnehin aus einer Vielzahl von Einzelvorgängen und -leistungen zusammen, die bei der rechtlichen Qualifizierung nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Dies zeigt sich auch an der Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG, wonach die Entgeltgenehmigung nach § 25 Abs. 1 TKG auf der Grundlage der "auf die einzelne Dienstleistung" entfallenden Kosten zu erfolgen hat. Dies setzt voraus, dass die "einzelne" Dienstleistung überhaupt nach § 25 Abs. 1 TKG genehmigungspflichtig ist, was wiederum nur dann der Fall sein kann, wenn der Umstand der bloßen Teilleistung (innerhalb des Angebots von Sprachtelefondienst) nicht entgegensteht.
Schließlich lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, es fehle an der für den Begriff der Vermittlung erforderlichen Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Endpunkten.
vgl. Schütz in Beck`scher TKG-Kommentar, a.a.O., Rn. 18 a zu § 3 und Rn. 59 zu § 6 ; Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar , Rn. 27 zu § 3 TKG.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Merkmal, das aus der Zeit des Telefondienstmonopols des Bundes stammt (vgl. § 1 Abs. 4 FAG a.F.), auch noch nach Aufhebung dieses Monopols zur Auslegung des Vermittlungsbegriffs des TKG herangezogen werden kann. Denn selbst wenn man dies bejahte, wäre die Auswahlmöglichkeit gegeben. Es ist nämlich auch in dieser Hinsicht nicht allein auf die Teilleistungen Preselection und Rufnummernportierung abzustellen. Vielmehr ist auch im vorliegenden Zusammenhang der Gesamthergang der Sprachübermittlung zwischen dem Anrufer und seinem Gesprächspartner in den Blick zu nehmen, wie er nach der Leitwegänderung infolge von Preselection und Rufnummerübertragung abläuft. Der Kunde der Klägerin ist nicht etwa wie bei einer Festverbindung auf einen bestimmten Netzabschlusspunkt festgelegt, sondern er hat weiterhin die Wahl zwischen mehreren Endpunkten (nicht Zusammenschaltungspunkten). Über welche Wege innerhalb des Netzes der Klägerin und des damit zusammengeschalteten Netzes des anderen Betreibers die Sprachverbindung letztlich abläuft, ist für die Frage der Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Gesprächspartnern unerheblich.
Dass die in § 43 Abs. 5 und 6 TKG ausdrücklich geregelten Leistungen Preselection und Rufnummernportierung vom TKG- Gesetzgeber nicht nur als Telekommunikationsdienstleistungen, sondern darüber hinaus als Sprachtelefondienstleistungen angesehen werden, lässt sich schließlich auch aus § 100 Abs. 2 TKG ableiten. Denn das dort genannte Datum des 01. Januar 1998, zu dem die für die Verpflichtungen aus § 43 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 TKG erforderlichen technischen Einrichtungen betriebsbereit zur Verfügung stehen müssen, ist identisch mit dem in § 97 Abs. 2 TKG normierten Datum des Fortfalls des Sprachtelefondienstmonopols.
Hieran wird festgehalten, zumal die Beteiligten im vorliegenden Verfahren nichts vorgetragen haben, das Anlass zu einer abweichenden Betrachtungsweise böte.
Aus der Qualifikation der Rufnummernportierung als Sprachtelefonie folgt aber zwingend, dass es sich dabei um eine entgeltfähige Endkunden(teil- )leistung handelt.
Vgl. auch die Kommentierung von Demmel in Manssen, Telekom- munikations- und Multimediarecht, Kommentar, § 43 TKG, Rdn. 100 ff.; Paul/Mellewigt in Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Auflage, § 43 TKG, Rdn. 26, wo die Befugnis der Klägerin, für die Rufnummernportierung vom Endkunden ein Entgelt zu erheben, nicht in Frage gestellt wird.
Damit lag der von der Beklagten angenommene Versagungsgrund nicht vor.
Andere zwingende Versagungsgründe sind nicht ersichtlich.
Es kann dahinstehen, ob eine Ablehnung des Genehmigungsantrages auch aufgrund der Vorschrift des § 2 Abs. 3 TEntgV hätte erfolgen können. Nach dieser Vorschrift kann die Regulierungsbehörde im Ermessenswege einen Entgeltantrag ablehnen, wenn das Unternehmen Kostennachweise nicht vollständig vorlegt. Eine solche Ermessensentscheidung nach § 2 Abs. 3 TEntgV hat die Beklagte vorliegend ausweislich der insoweit allein maßgeblichen Begründung, die die Beschlusskammer im angegriffenen Bescheid für ihre Entscheidung gegeben hat,
vgl. zu dieser Frage: Urteil der Kammer vom 21. Februar 2002 - 1 K 5694/98 -,
indes gerade nicht getroffen. Angesichts der eindeutigen, im Indikativ gehaltenen Formulierung im angefochtenen Bescheid vom 07. April 1998, "die beantragte Genehmigung ist allein deswegen abzulehnen, weil der abgebende Teilnehmerenetzbetreiber....keine Leistung erbringt", kann nicht davon ausgegangen werden, es sei zusätzlich eine Ermessensentscheidung nach § 2 Abs. 3 TEntgV ergangen. Vielmehr sind die weiteren Ausführungen im Konditional, "die Genehmigung wäre im Übrigen gemäß §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 3, 24 Abs. 1 Satz 2 TKG i.V.m. § 2 Abs. 3 TEntgV auch dann abzulehnen, wenn..." lediglich als eine Art obiter dictum zu bewerten. Insoweit ist eine Ermessensbetätigung nach § 2 Abs. 3 TEntgV nicht erfolgt.
Anhaltspunkte dafür, dass wegen etwa fehlender Kostennachweise rechtmäßigerweise nur eine Ablehnung in toto gemäß § 2 Abs. 3 TEntgV möglich gewesen wäre (so genannte Ermessensreduzierung auf Null), hat die Kammer nicht.
Zwar ist die von der Beklagten getroffene Ablehnungsentscheidung aus den dargelegten Gründen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Doch fehlt es andererseits im Hinblick auf die bislang nicht durchgeführte Kostenprüfung an der nötigen Spruchreife, um dem Verpflichtungsbegehren der Klägerin ganz oder teilweise stattgeben zu können. Zwar ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, die Spruchreife selbst herzu- stellen. Doch gilt eine Ausnahme u.a. dann, wenn es um Entscheidungen geht, die hochkomplexe Abwägungen durch eine mit besonderen Fachkenntnissen ausgestattete Behörde erfordern,
vgl. Eyermann/Schmidt, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 113 Rn. 39; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 113 Rn. 198 und 199.
Dies ist vorliegend der Fall, da eine ordnungsgemäße, u.a. schwierige regulatorische Fragen aufwerfende Kostenprüfung nach § 3 TEntgV noch nicht durchgeführt wurde und dazu die Regulierungsbehörde als besondere, wissenschaftlich unterstützte Fachbehörde (vgl. § 70 TKG) aufgerufen ist.
Unter diesen Umständen ist die Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung nach Maßgabe der obigen Ausführungen sowie der im Folgenden darzustellenden Grundsätze zu verpflichten:
Bei der vorzunehmenden Neubescheidung der Klägerin wird zu berücksichtigen sein, dass nach den §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 1 und 27 Abs. 3 TKG die Genehmigung zu versagen ist, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 TKG oder offenkundig den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 TKG nicht entsprechen oder wenn sie mit diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen. Im Sinne der vorletzten Alternative steht ein Entgelt "mit diesem Gesetz" u.a. dann nicht in Einklang, wenn es sich abweichend von § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiert. Dabei ist die Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht nur eine bloße gesetzgeberische Zielvorstellung, der neben den Anforderungen des § 24 Abs. 2 TKG keine selbständige regulatorische Bedeutung zukäme. Ebenso wenig ergibt sich aus § 24 Abs. 1 TKG lediglich eine Bezugsgröße, die eine Prüfung der maßgeblichen Tatbestände des § 24 Abs. 2 TKG erleichtert bzw. ermöglicht,
so aber: Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekom- munikation, 1. Aufl. 2001, S. 310, 311.
Gegen eine derartige Sichtweise spricht bereits der eindeutige Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG, wonach Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren und den Anforderungen nach Absatz 2 zu entsprechen haben. Es handelt sich somit um kumulativ normierte Voraussetzungen. Das bedeutet, dass die Genehmigung schon dann zu versagen ist, wenn eine dieser Voraussetzungen fehlt. Ob darüber hinaus auch einer der in § 24 Abs. 2 TKG normierten sog. Missbrauchstatbestände erfüllt ist oder nicht, ist dann nicht entscheidungserheblich.
Darauf, dass die Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung vom Gesetzgeber als unerlässliche Genehmigungsvoraussetzung auch gewollt ist, deutet ferner die Begründung des mit dem Text des § 24 TKG übereinstimmenden § 23 des Gesetzent- wurfs hin. Denn dort
BT-Drs. 13/3609, S.42
heißt es, die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung seien Ausgangspunkt der Entgeltprüfung. Daraus lässt sich zwanglos ableiten, dass die Genehmigung - jedenfalls - dann zu versagen ist, wenn die Entgeltprüfung bereits im Ausgangspunkt negativ verläuft.
Bestätigt wird diese Auslegung durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG, worin für Fälle der Einzelentgeltgenehmigung der Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sogar ausschließlich, genannt wird.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 25 Abs. 1 TKG den Maßstab für die Entgeltbeurteilung nicht etwa auf die in § 24 Abs. 2 TKG genannten, am Kartellrecht ausgerichteten negativen (Missbrauchs-) Voraussetzungen beschränkt, sondern eine Genehmigung "nach Maßgabe der 24 und 27 bis 31", also einschließlich der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 TKG, vorsieht.
Gegen die hier vertretene Auffassung,
ebenso ohne weiteres: Schuster/Stürmer, a.a.O., § 24 Rn. 13 ff; Spoerr in Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 1. Aufl., § 24 Rn. 62,
spricht auch nicht die Vorschrift des § 30 Abs. 4 TKG über die ex post- Regulierung. Zwar ist darin nur eine Entgeltprüfung anhand des Maßstabes des § 24 Abs. 2 TKG vorgesehen. Doch beruht dies auf den Besonderheiten einer nachträglichen Regulierung, die sich - ebenso wie die Preismissbrauchskontrolle nach § 19 Abs. 4 GWB - wesentlich von der hier einschlägigen ex ante-Regulierung nach § 25 Abs. 1 TKG unterscheidet.
Zusätzlich ist bei der Auslegung zu beachten, dass das Telekommunikationsgesetz neben der Realisierung des Verfassungsauftrages aus Art. 87 f GG auch der Umsetzung der europäischen Entscheidungen zur Liberalisierung der Telekommunikati- onsmärkte dient,
so die Begründung des TKG-Gesetzentwurfs: BT-Drs. 13/3609, S. 34 .
Mithin ist u.a. bedeutsam, was das Gemeinschaftsrecht im Zeitpunkt des Erlasses des Telekommunikationsgesetzes den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Kostenmaßstab vorgab. Schon in Anhang 2, Ziffer 4 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28.06.1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs, ABl. EG Nr.L 192 S. 1, hieß es, dass Tarife "grundsätzlich an den Kosten orientiert" sein müssen. Dass dieser Maßstab gemeinschaftsrechtlich nach wie vor von zentraler Bedeutung ist, ergibt sich ferner aus Art. 17 Abs. 2 der u.a. den hier maßgeblichen Bereich des Sprachtelefondienstes betreffenden Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998, ABl. EG Nr.L 101 S. 24. Darin wird für Tarife für die Nutzung des festen öffentlichen Telefonnetzes ebenfalls festgeschrieben, dass sie "dem Grundsatz der Kostenorientierung nach Anhang II der Richtlinie 90/387/EWG" unterliegen. Ist aber ein Tarif, der nicht dem Grundsatz der Kostenorientierung entspricht, gemein- schaftsrechtlich ohne weiteres, d.h. ohne Erfüllung zusätzlicher Missbrauchskriterien, unzulässig, so besteht keinerlei Anlass, das diesen Maßstab umsetzende nationale Recht abweichend auszulegen. Andernfalls würde der sich klar und deutlich aus der Gesetzesbegründung ergebende Wille des TKG-Gesetzgebers zur Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Umsetzungsverpflichtungen verfehlt.
Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch der telekommunikationsrechtliche Verordnungsgeber die exante- Entgeltregulierung nicht auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 TKG reduziert. Vielmehr hat er in § 3 Abs. 1 TEntgV der RegTP den obligatorischen Prüfauftrag erteilt, "ob und inwieweit die beantragten Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des Absatzes 2 orientieren". Er hat damit den Maßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. TKG als eigenständige Genehmigungsvoraussetzung ausdrücklich be- stätigt.
Wie sich die Absätze 1 und 2 des § 24 TKG ansonsten zueinander verhalten, insbesondere welche nicht schon von Absatz 1 erfassten Fälle in Absatz 2 geregelt sind, braucht aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht beantwortet zu werden, da die Beklagte bislang eine Kostenprüfung hier nicht durchgeführt hat.
Zur Beantwortung der Frage, ob und inwieweit sich die von der Klägerin beantragten Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren, ist die diesen Maßstab konkretisierende,
so auch: Manssen, § 27 Anhang Rn. 22,
Vorschrift des § 3 Abs. 2 TEntgV heranzuziehen. Danach ergeben sich die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung "aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig sind".
Wie sich aus § 3 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TEntgV ergibt, muss die Beklagte von den vom beantragenden Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 TEntgV vorzulegenden Kostennachweisen ausgehen. Das bedeutet, dass sie zunächst zu prüfen hat, welche der geltend gemachten Kosten durch diese Unterlagen nachgewiesen und ob diese nachgewiesenen Kosten nach § 3 Abs. 2 TEntgV berücksichtigungsfähig sind,
ähnlich: Manssen, a.a.O., § 27 Anhang Rn. 7 und 20; Schütz/Müller, MMR 1999, 128 (131); Schuster/Stürmer, a.a.0., § 3 TEntgV Anh § 27, Rn. 1.
Zusätzlich soll die Regulierungsbehörde in diesem Prüfungsrahmen insbesondere eine Vergleichsmarktbetrachtung nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 TEntgV durchführen. Anschließend ist in einem weiteren Schritt gemäß § 3 Abs. 4 TEntgV zu prüfen, ob nachgewiesene weitere Aufwendungen, die den Rahmen des § 3 Abs. 2 TEntgV übersteigen und daher für die effiziente Leistungsbereitstellung nicht notwendig sind, gleichwohl berücksichtigt werden können, weil hierfür eine rechtliche Verpflichtung besteht oder das beantragende Unternehmen eine sonstige sachliche Rechtfertigung nachweist.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen. Insbesondere bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass darin nicht nur Verfahrensfragen normiert sind, sondern wesentliche materielle Kostenregelungen getroffen werden. Die Ermächtigung in § 27 Abs. 4 Satz 1 TKG, "die in Absatz 1 genannten Genehmigungsarten näher zu regeln", beschränkt sich nämlich nicht auf Verfahrensfragen. Vielmehr umfasst der Begriff der Genehmigungsarten auch die Frage, was mit der in § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG - im Unterschied zu Nr. 2 - genannten "Grundlage der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung" gemeint ist. Lässt sich aber - wie hier - der Inhalt der Verordnungsermächtigung durch Auslegung (Wortlaut und Systematik) ermitteln, genügt diese auch den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG,
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 04.05.1997, NJW 1998, 669 (670) und vom 01.08.1987, NVwZ 1988, 345 (346).
Wie schon der Text des § 3 Abs. 1 TEntgV zeigt, muss eine solche Prüfung tatsächlich durchgeführt werden. Das bedeutet, dass die Beklagte alle etwaigen Beanstandungen benennen und begründen muss und dass sie auch die Konsequenzen der Beanstandungen zu beziffern hat. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Begriff "prüfen", sondern ist auch deshalb erforderlich, weil sonst unklar bleibt, ob und für welche Kosten eine Zusatzprüfung nach § 3 Abs. 4 TEntgV erforderlich ist. Denn diese setzt voraus, dass Kosten nachgewiesen sind, welche die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach Absatz 2 übersteigen.
Bei der Prüfung der Frage, ob die von der Klägerin geltend gemachten Kosten nachgewiesen sind, ist zu berücksichtigen, dass nur die von der Klägerin geplanten tatsächlichen Kosten nachweispflichtig sind,
so auch: Manssen, a.a.O., § 27 Anhang Rn. 7 und 20; Spoerr, a.a.O., § 24 Rn. 36 und 37,
nicht jedoch die - erst in einem weiteren Prüfungsschritt als Vergleichsmaßstab maßgeblichen - effizienten, d.h. für die Leistungsbereitstellung notwendigen Kosten nach § 3 Abs. 2 TEntgV. Nicht das beantragende Unternehmen hat die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten von sich aus im Rahmen der Vorlageverpflichtung nach § 2 TEntgV nachzuweisen, sondern die Regulierungsbehörde hat zu prüfen, ob und inwieweit sich diese Kosten an dem Maßstab des § 3 Abs. 2 TEntgV orientieren.
Schließlich wird bei der Neubescheidung zu berücksichtigen sein, dass die Entgeltgenehmigung rückwirkend zu erteilen sein wird.
Die Frage der rückwirkenden Erteilung der Entgeltgenehmigung haben die Kammer und das OVG NRW,
vgl. VG Köln, Urteil vom 30.08.2001 -1 K 10404/98 -; OVG NRW, Beschluss vom 14.12.2001 - 13 B 1362/01 -,
in Bezug auf Wettbewerberentgelte bereits bejaht. Die Gründe sind den Beteiligten bekannt und müssen daher hier nicht wiederholt werden. Für Endkundenentgelte kann nichts anderes gelten.
Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist nach dem oben Gesagten unzulässig, da bereits im Rahmen der mit dem Hauptantrag verfolgten Gestaltungsklage die Rechtsfrage, deren Klärung die Klägerin mit dem Feststellungsantrag erstrebt, als Vorfrage beantwortet worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
VG Köln:
Urteil v. 28.02.2002
Az: 1 K 3741/98
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