Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Dezember 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 13/02

(BPatG: Beschluss v. 18.12.2003, Az.: 8 W (pat) 13/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentinhaberin hat am 23. März 1994 unter Inanspruchnahme einer Priorität in Japan (JP 5-067871 vom 26.03.1993) eine Erfindung mit der Bezeichnung "Planetengetriebe" beim Patentamt angemeldet. Mit Beschluss vom 22. Februar 1996 wurde hierauf ein Patent erteilt (44 10 042) und dessen Erteilung am 29. August 1996 veröffentlicht. Nach Prüfung des Einspruchs der Firma D... B... AG (frühere Einsprechende I)

in O...

vom 27. November 1996 und der Firma B...-C... Getriebetechnik GmbH (Einsprechende II)

in S...

vom 28. November 1996 hat die Patentabteilung 12 des Patentamts mit Beschluss vom 21. November 2001 das Patent widerrufen, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem genannten Stand der Technik 1. DIN 3960, Ausgabe März 1987 Seite 14, 2. VDI Berichte Nr 626, 1987, Seiten 147 bis 168, 3. JP 63-180766 A1, 4. G. Niemann und H. Winter "Maschinenelemente", Bd II, 2. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo, 1983, S 94 bis 102 und 112 bis 115, 5. Bedienungsanleitung "Höfler Messgerätebau", Deckblatt und Letztblatt, sowie S 2 - 28 bis 2 - 30 und 4 - 12 bis 4 - 13, 6. Bedienungsanleitung "BHS - Höfler", S 82 und 92 bis 94, 7. DIN 3990 Teil 1, Deckblatt und S 51 bis 55.

nicht mehr neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen den Beschluss der Patentabteilung hat die Patentinhaberin fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die frühere Einsprechende I hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben. Ihr patentanwaltlicher Vertreter, Dipl.-Ing. R... hat mit Schriftsatz vom 3. März 2003 erklärt, infolge Veräußerung des be- troffenen Geschäftszweigs an die nunmehrige A. F... GmbH sei die- ses Unternehmen als Einsprechende I an die Stelle der D... B... AG getreten.

Nach dem am 26. März 2002 eingereichten Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patents ein Planetengetriebe mit einem Sonnenzahnrad (l), mit Planetenzahnrädern (2), die mit dem Sonnenzahnrad (l) kämmen, und mit einem Innenzahnrad (5), das mit den Planetenzahnrädern (2) kämmt, wobei jedes Zahnrad ein Zahnprofil hat, das einer Evolventenkurve entspricht, dadurch gekennzeichnet, dass nur die Zahnflächen der Planetenzahnräder (2) korrigiert sind, wobei die Zahnflächen auf einer Seite der Planetenzahnräder (2), die mit dem Sonnenzahnrad (l) kämmen, und die Zahnflächen auf der anderen Seite der Planetenzahnräder (2), die mit dem Innenzahnrad (5) kämmen, jeweils um unterschiedliche Korrekturbeträge auf der Basis der Verformungsbeträge der Zähne der Planetenzahnräder (2) korrigiert sind, die durch den Eingriff des Sonnenzahnrads (l) und des Innenzahnrads (5) verursacht werden, so dass die Drehbewegung stoßfrei übertragen werden kann, wenn die Zahnflächen der Planetenzahnräder (2), die mit dem Sonnenzahnrad (l) kämmen, und die Zahnflächen der Planetenzahnräder (2), die mit dem Innenzahnrad (5) kämmen, durch ihren Eingriff elastisch verformt werden.

Wegen des Wortlauts der erteilten Patentansprüche 2 bis 3 wird auf die Akten Bezug genommen.

Dem Patentgegenstand liegt gemäß Spalte 3, Zeilen 38 bis 42 der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, ein Planetengetriebe nach der JP 63-180766 A1 so auszubilden, dass der Eingriffstoß der Zahnräder zur Erzielung eines niedrigen Geräuschpegels reduziert wird.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin trägt vor, dass es bekannt sei, Zahnflanken so zu korrigieren, damit der Eingriffstoß reduziert werde. Für eine weitere Reduzierung des Geräuschpegels würde der Fachmann, ein Diplomingenieur (FH) mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Zahnradgetriebe- und der Verzahnungstechnik, die Ursache jedoch beim Eingriff der Sonnenrades mit den Planetenrädern suchen oder eine Kapselung des Getriebes vornehmen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 44 10 042 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass an die Stelle des erteilten Patentanspruchs 1 der Patentanspruch 1 in der am 26. 03. 02 eingegangenen Fassung tritt.

Die Einsprechenden und Beschwerdegegnerinnen vertreten die Ansicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahegelegt sei, da der Fachmann aus dem Stand der Technik ausreichend Anregungen erhalte, um zum Patentgegenstand zu gelangen.

Sie beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

II Gegen den im Beschwerdeverfahren erklärten Wechsel der Einsprechenden I bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zwar ist ein Übergang der prozessualen Position als Einsprechender auf eine andere Rechtspersönlichkeit nur ausnahmsweise und unter bestimmten, engen Bedingungen zulässig. Die von der Rechtsprechung hierfür formulierten tatsächlichen Voraussetzungen (vgl. BGH GRUR 1968, Seite 613 ff. BPatGE 30, Seite 24 ff.; BPatGE 32, Seite 39 ff.; BPatGE 35, Seite 241 ff.; BPatG vom 11. März 1998, Az. 7 W (pat) 61/96; BPatG vom 7. Februar 2000, Az. 10 W (pat) 77/99; weiter Nachweise siehe Busse, PatG, 5. Aufl. § 59 Rdnr. 135) sind jedoch vorliegend gegeben. Denn die A. F... ... GmbH hat in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage von Urkunden, namentlich Auszügen aus dem "Sale and Purchase Agreement" vom 15. März 2000, Handelsregisterauszügen und einer eidesstattlichen Versicherung ihres patentanwaltlichen Vertreters, zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass die vormalige Einsprechende I, die D... B... AG, (die als Holdinggesellschaft seinerzeit die Schutzrechtsangelegenheiten für alle ihr im Konzern verbundenen Töchter wahrgenommen hat,) zum einen den Einspruch ausschließlich im Interesse der A. F... AG, an der sie 75,46% der Anteile hielt, eingelegt hat, und dass sie zum anderen infolge Veräußerung sämtlicher von ihr gehaltener Aktien an diesem Unternehmen ihren Einfluss auf diese frühere Tochter vollständig verloren hat. Schließlich ergibt sich aus dem Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Bocholt Nr. 2346, dass die nunmehrige Einsprechende I, die am 28. Februar 2001 ins Handelsregister eingetragene A. F... GmbH, durch formwechselnde Umwandlung aus der A. F... F... AG hervorgegangen ist - mithin aus demjenigen Unternehmen, in dessen Interesse ursprünglich Einspruch gegen die Erteilung des Patents 44 10 042 eingelegt worden war. Bei dieser Sachlage - Einspruch durch ein beherrschendes Unternehmen im Interesse des beherrschten Unternehmens, vollständige Aufgabe des Einflusses durch Verkauf sämtlicher gehaltener Aktien im Laufe des Einspruchsverfahrens - kann ein Übergang der verfahrensrechtlichen Stellung der D... B... AG auf die A. F... GmbH nicht versagt werden. Dabei ist auch zu sehen, dass die D... B... AG nach der Veräußerung des von ihrer früheren Tochter allein wahrgenommenen Geschäftsbereichs der Getriebe- und Kupplungstechnik am Widerruf des streitgegenständlichen Schutzrechts kein erkennbares Interesse mehr hat - und dementsprechend von den Befugnissen, die ihr die prozessuale Position als Einsprechende verleiht, im Beschwerdeverfahren auch keinen Gebrauch gemacht hat. Wollte man der A. F...GmbH nach Abspaltung aus dem B...-Konzern die Stellung als Einsprechende verwehren, hieße dies faktisch, dem von der (als unberechtigt erachteten) Patenterteilung materiell betroffenen Unternehmen, in dessen Interesse der Einspruch zunächst eingelegt worden war, die gesetzlich vorgesehenen Angriffsmöglichkeiten zu beschneiden. Für eine derartig restriktive Handhabung sieht der Senat keinen Anlass, zumal auch berechtigte Belange der übrigen Beteiligten nicht tangiert werden.

III 1. Der am 26. März 2002 eingegangene Patentanspruch 1 ist zulässig. Er unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 dadurch, dass zum Beginn des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 das Merkmal - nur die Zahnflächen der Planetenräder korrigiert sind - eingefügt worden ist. Dieses Merkmal ist einschränkender Natur und auch in Spalte 5, Zeilen 25 bis 27 der Offenlegungsschrift sowie in Spalte 4, Zeilen 57 und 58 der Patentschrift offenbart. Dort wird ausgeführt, dass es ausreichend ist, nur das Zahnprofil der Planetenzahnräder zu korrigieren.

Die Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 und 3.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit aufgrund seiner Zweckbestimmung außer Zweifel steht, hat gegenüber dem im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn keine der Druckschriften beschreibt dessen Merkmale in seiner Gesamtheit.

Zur Geräuschreduzierung wird in der JP 63-180766 A1 nur eine Seite eines Zahnrades korrigiert. In den DIN - Normen, dem VDI - Bericht und dem Lehrbuch Niemann und H. Winter "Maschinenelemente " sind das Korrigieren von Zahnflächen und die dazugehörenden Berechnungsmethoden allgemein beschrieben. Die beiden Bedienungsanleitungen befassen sich mit der Messung von Stirnradverzahnungen allgemein.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit dem Planetengetriebe nach dem Patentanspruch 1 werden nur die Zahnflächen der Planetenräder korrigiert, wobei die Zahnflächen auf einer Seite der Planetenzahnräder, die mit dem Sonnenzahnrad kämmen, und die Zahnflächen auf der anderen Seite der Planetenzahnräder, die mit dem Innenzahnrad kämmen, jeweils um unterschiedliche Korrekturbeiträge auf der Basis der Verformungsbeträge der Zähne der Planetenzahnräder korrigiert sind, die durch den Eingriff des Sonnenzahnrads und des Innenzahnrads verursacht werden. Dadurch soll die Drehbewegung stoßfrei übertragen werden, wenn die Zahnflächen der Planetenzahnräder, die mit dem Sonnenzahnrad kämmen, und die Zahnflächen der Planetenzahnräder, die mit dem Innenzahnrad kämmen, durch ihren Eingriff elastisch verformt werden.

Der Fachmann muss also erkennen, dass der Eingriffstoß der Zahnräder die Ursache für den erhöhten Geräuschpegel ist. Für diese Erkenntnis erhält er aber aus dem Stand der Technik ausreichend Anregungen.

Im Band II, Maschinenelemente von G. Niemann und H. Winter ist auf Seite 94, Kap. 21.5.2 beschrieben, dass sich unter einer Belastung sämtliche kraftübertragenden Elemente wie die Zähne, Radkörper usw. verformen. Dadurch würden Abweichungen von der theoretischen Zahnform entstehen. Diese Abweichungen wirken sich nachteilig auf die Tragfähigkeit und das Geräuschverhalten aus. Durch gezielte Abweichungen von der Evolvente und von der theoretischen Flankenlinie (Kap. 21.5.6) kann man nun die Auswirkungen von Herstellabweichungen und der infolge des Eingriffstoßes auftretenden Verformungen teilweise kompensieren. Dadurch kann die Tragfähigkeit und das Geräuschverhalten der Zahnräder verbessert werden. Somit enthält er aus diesem Lehrbuch den Hinweis, dass man über eine Korrektur der Zahnflanken eines Planetengetriebes ein verbessertes Geräuschverhalten erzielen kann.

Wenn nun nach der Korrektur einer Zahnflanke (siehe zB JP 63-180766 A1) diese Maßnahme nicht ausreichend ist, um ein zufriedenstellendes Geräuschverhalten des Getriebes zu erzielen, wird sich der Fachmann darüber Gedanken machen, wie er weiter vorzugehen hat, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei wird er sämtliche Maßnahmen außer Betracht lassen, die nicht wirtschaftlich sind (zB zusätzliche Geräuschkapselung - da zusätzliches Teil). Er wird sich also nach einer Maßnahme umsehen, die es ihm erlaubt, auf einfache Art und Weise das Geräuschverhalten des Getriebes zu beeinflussen.

Dabei wird er aus wirtschaftlichen Gründen die Zahnflanken der Planetenzahnräder korrigieren, da die Verformungen des größeren Sonnenzahnrades und des Innenzahnrades vernachlässigbar sind und auch die Bearbeitung gerade der Zahnflanken des Innenzahnrades wesentlich aufwendiger ist. Wenn aber das Planetenzahnrad bereits auf einer Zahnflanke korrigiert wird, stellt die weitere Korrektur auf der anderen Zahnflanke eine wirtschaftliche Methode dar, um das Geräuschverhalten zusätzlich zu vermindern. Denn die bereits in der Fertigungsmaschine aufgespannten Planetenzahnräder lassen sich ohne weitere zeitaufwendige und damit unwirtschaftliche Maßnahmen nicht nur auf einer Zahnflanke, sondern auch auf der anderen Zahnflanke korrigieren.

Bei einem Planetengetriebe, das in eine Richtung dreht, müssen die Verformungen, die beim Eingriff des Sonnenzahnrades und dem Planetenzahnrad bzw zwischen Planetenzahnrad und Innenzahnrad entstehen, unterschiedlich sein, da die Zahngeometrie von Sonnenzahnrad und Innenzahnrad aufgrund der Durchmesserverhältnisse verschieden ist. Somit muss zwangsläufig die Zahnflanke eines Planetenzahnrades, die mit dem Sonnenzahnrad in Eingriff kommt, eine andere Korrektur erhalten, als die Zahnflanke eines Planetenzahnrades, die mit dem Innenzahnrad in Eingriff kommt.

Somit ist auch der am 26. März 2002 eingegangene, beschränkte Patentanspruch 1 nicht bestandsfähig.

Nachdem der Patentanspruch 1 nicht bestandsfähig ist, sind die auf ihn rückbezogenen Patentanspruche 2 bis 3 ebenfalls nicht bestandsfähig, da sie auf Ausgestaltungen des Planetengetriebes nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Kowalski Dr. Huber Kuhn Hübner Cl






BPatG:
Beschluss v. 18.12.2003
Az: 8 W (pat) 13/02


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