Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 36/01
(BPatG: Beschluss v. 27.09.2001, Az.: 25 W (pat) 36/01)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung MULTICOM ProCashist am 29. Juni 1998 für die Waren und Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Telekommunikation; Geldgeschäfte; Finanzwesen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Juli 1998.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 25. August 1995 für "elektrische und elektronische Dateneingabe-, -verarbeitungs-, -übertragungs-, -speicher- und -ausgabegeräte; elektrotechnische Geräte der Kommunikationstechnik; Automaten; Registrierkassen; münz-, jeton- und/oder magnetkartenbetriebene Automaten zur Ausgabe von Waren, Daten und/oder Informationen aller Art" eingetragenen Marke 395 26 761 ProCash.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei grundsätzlich jeweils von dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehen Zeichen auszugehen. Würden die Zeichen vollständig wiedergegeben, sei eine Verwechslung in keiner Hinsicht zu befürchten. Auch wenn der Grundsatz des Elementenschutzes dem Markenrecht fremd sei, schließe dies zugleich die Erkenntnis ein, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens eine das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommen und dieses allein kollisionsbegründend sein könne. Für eine derartige Annahme und Verkürzung der angegriffenen Marke auf "Procash" sei hier jedoch kein konkreter Anlaß zu erkennen, da der weitere Bestandteil "MULTICOM" an erster Stelle stehe und für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine erkennbar beschreibende Angabe darstelle. Der Verkehr werde die jüngere Marke wohl als Gesamtbegriff ansehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Marken seien teilweise identisch. Der Bestandteil "ProCash" präge die angegriffene Marke, da auf diesem die akustische Betonung liege und bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen der weitere Bestandteil "MULTICOM" nicht identifizierbar zur Kenntnis genommen werde. Überdies lägen die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen im Ähnlichkeitsbereich, so daß Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Sie hat zur Begründung ihres Antrages Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden.
Auch wenn man zugunsten der Widersprechenden davon ausgeht, daß die sich nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage gegenüberstehenden Dienstleistungen und Waren, soweit diese ähnlich sind, zum Teil enge Berührungspunkte aufweisen können und insoweit sogar eher noch strenge Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken auch nach Auffassung des Senats dennoch nicht so ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre.
Eine Verwechslungsgefahr kann vorliegend von vornherein nur dann in Betracht gezogen werden, wenn für die Beurteilung der Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke dem gemeinsamen Wort "ProCash" eine den Gesamteindruck prägende und selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl § 9 Rdn 175 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung). Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie in dem angefochtenen Beschluß zutreffend ausgeführt ist, handelt es sich bei der in der jüngeren Marke zusätzlich vorhandenen Wort "MULTICOM" weder in bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen um eine glatt beschreibende Angabe noch sind sonstige rechtliche oder tatsächliche Gründe ersichtlich, welche die Annahme einer Kennzeichnungsschwäche dieses Phantasiewortes rechtfertigen. Daß "MUL-TICOM" ersichtlich aus den Wortbestandteilen "Multi" und "Com" zusammengefügt ist, rechtfertigt keine andere Bewertung, da sich bereits dem Bestandteil "Com" keine konkrete Sachaussage entnehmen läßt. Im Gegensatz dazu erweist sich in der jüngeren Marke "ProCash" in bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen eher als kennzeichnungsschwach, jedenfalls aber eher kennzeichnungsschwächer als "MULTICOM" und keinesfalls den Gesamteindruck der jüngeren Marke allein prägend. Damit ist kein Raum für die Annahme einer allein kollisionsbegründenden Stellung von "ProCash" in der jüngeren Marke, zumal nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits eine nicht völlig in den Hintergrund tretende Teilhabe weiterer Markenbestandteile an der Prägung des Gesamteindrucks eine derartige Annahme ausschließen würde (vgl hierzu im Einzelnen Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl § 9 Rdn 180, vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 und 22 - RAUSCH/ELFI RAUCH; MarkenR 2000, 321, 323 PAPPAGALLO). Denn "ProCash" stellt eine ohne weiteres Nachdenken ersichtliche Wortzusammenfügung aus "Pro" und "Cash" dar. Bei dem Wortelement "Pro" handelt es sich um ein sehr beliebtes und in den deutschen Sprachgebrauch aufgenommenes Kürzel im Sinne von "für, dafür, je, per, vor" oder "Profi, professionell", welches ebenso wie in mehreren anderen europäischen Sprachen nahezu in allen Gebieten - insbesondere auch in der Werbesprache - als Sachhinweis verwendet wird (vgl hierzu auch HABM NJWE-WettbR 2000, 49 - PRO CARE). Auch das englische Wort "Cash" stellt ein in den deutschen Sprachgebrauch eingegangenes, den inländischen Verkehrskreisen insbesondere im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr bekanntes, (werbe)übliches Synonym für "Barzahlung, Kasse" dar (vgl auch PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 32 W (pat) 75/99 - TeleCash; PAVIS PROMA, Bender, HABM R0096/98-1 EASI-CASH, jeweils eine Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnungen verneinend). Danach bildet in bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch die Wortzusammenfügung "ProCash" eine für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise erkennbar sachbezogene, nicht ungewöhnlich gebildete Angabe mit einem deutlichen thematischen Bezug, wie auch auf Seiten der Widerspruchsmarke in bezug auf die geschützten Waren ein beschreibender Sinngehalt deutlich im Vordergrund steht. Es ist deshalb auch von einer unter dem Durchschnitt liegenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Anhaltspunkte für eine nachträgliche, infolge Benutzung erworbene Steigerung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke bestehen gleichfalls nicht.
Insoweit ist es auch für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr unerheblich, ob der Verkehr die jüngere Marke ausschließlich mit dem Bestandteil "MULTICOM" benennt, da eine auf diesen Wortbestandteil verkürzte Wiedergabe der Marke nicht Voraussetzung für die Zuerkennung eines den Gesamteindruck allein prägenden Charakter ist und es auch nicht um die Herauslösung oder Weglassung von Markenbestandteilen bzw die Gewährung eines Elementenschutzes geht, sondern darum, ob der Verkehr in einem Markenbestandteil die eigentliche Kennzeichnung sehen wird (vgl hierzu auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 176; BPatG GRUR 1998, 821, 822 - Tumarol / DURADOL Mundipharma; BPatG MarkenR 2000, 103 - Netto 62). Soweit die Widersprechende hiervon abweichend auf tatsächliche Umstände, insbesondere die Betonung der jüngeren Marke abstellt, berücksichtigt sie nur unzureichend, daß zwar erfahrungsgemäß die Auffassung des Verkehrs eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt ist (vgl hierzu auch EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) und auch schlechtere Übermittlungsbedingungen oder eine etwas undeutlichere Aussprache in die Beurteilung einzubeziehen sind, daß aber grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints; EuGH MarkenR 2001, 324, 326 Ziff 31 - UNIVERSALTE-LEFONBUCH). Hinzu kommt, daß insbesondere auch Unterschiede im erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang zur Unterscheidung der Marken nach dem jeweiligen klanglichen Gesamteindruck wesentlich beitragen - zumal wenn es sich wie hier um den kennzeichnungskräftigeren Anfangsbestandteil der jüngeren Marke handelt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 176 mit weiteren Nachweisen).
Anhaltspunkte dafür, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und so verwechselt werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG), bestehen unter diesen Umständen gleichfalls nicht. Diese Art der Verwechslungsgefahr erfaßt nämlich nicht jegliche gedanklich mögliche Verbindung und begründet keinen eigenen, über die markenrechtliche Verwechslungsgefahr hinausgehenden Verletzungstatbestand (vgl BGH GRUR 1996, 200, 202 - Innovadiclophlont; BGH WRP 1998, 1177, 1178 - STEPHANSKRONE I unter Hinweis auf EuGH WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma). Umstände dafür, daß trotz der Kennzeichnungsschwäche des in den Marken übereinstimmenden Wortbestandteils "ProCash" der Verkehr hierin losgelöst von der Gesamtgestaltung der Marken einen selbständigen betrieblichen Herkunftshinweis auf die Widersprechende sehen wird und deshalb einer Herkunftstäuschung unterliegen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ebenso fehlen Anhaltspunkte dafür, daß das Wort "ProCash" ganz allgemein, etwa infolge einer Verwendung als Stammzeichen für eine Zeichenserie oder aus anderen Gründen, eine eigenständige auf die Widersprechende hinweisende Bedeutung erlangt hätte (vgl BGH GRUR 1996, 267, 269 - AQUA) und die Marken in beachtlichem Umfang mittelbar verwechselt werden könnten, auch wenn die Bedenken der Widersprechenden gegen die Koexistenz mit der jüngeren Marke aus ihrer Sicht durchaus verständlich erscheinen.
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Engels Pü
BPatG:
Beschluss v. 27.09.2001
Az: 25 W (pat) 36/01
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