Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. April 2011
Aktenzeichen: 7 W (pat) 18/09

(BPatG: Beschluss v. 15.04.2011, Az.: 7 W (pat) 18/09)

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 34 des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. Februar 2004 wird das Patent 40 01 062 widerrufen.

Gründe

I.

Das am 16. Januar 1990 als Zusatzpatent zur nachveröffentlichten Patentanmeldung 38 36 555.3 (Anmeldetag 27. Oktober 1988) angemeldete Patent 40 01 062 wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse B 60 R mit Beschluss vom 5. Mai 1999 erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 14. Oktober 1999. Die Bezeichnung des Patents lautet Verfahren zur Darstellung von Anzeigen auf einem Bildschirm.

Das Patent umfasst drei Patentansprüche, von denen Anspruch 2 auf Anspruch 1 rückbezogen ist und beide Ansprüche jeweils ein Verfahren für Kraftfahrzeuge zur Darstellung von Anzeigen betreffen. Anspruch 3 betrifft eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 und 2.

Gegen das Patent haben die Einsprechenden mit der Begründung Einspruch erhoben, das Patent sei wegen fehlender Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) bzw. wegen mangelnder Offenbarung (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) zu widerrufen. Darüber hinaus hat die Einsprechende zu 2) auch geltend gemacht, dass Widerrufsgründe auch wegen unzulässiger Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) bestünden.

Im Einspruchsverfahren waren folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

D1 DE3836555A1 D2 DE-Z: PANIK, F. u. a. : Fahrerinformationssystem als leistungsfähiges Terminal eines fahrerunterstützenden Rechnersystems; VDI-Berichte, Nr. 515, 1984, S. 93 -107 D3: DE-Z: N.N.: Schalt-Genie; Industrieelektrik und -elektronik, 34. Jg., 1989, Nr. 7, S. 12 u. 13 D4 DE-Z: N.N.: Objekte im Eulenblick; Industrieelektrik und -elektronik, 1989, Nr. 7, S. 14 D5 DE3046079C2 D6 DE3636521A1 D7 DE3821004A1 D8 DE3731784A1 D9 US 4,495,651 A D10 DE3721726A1 D11 JP 62-037231 D12 DE3702539A1 D13 DE3104668A1 D14 DE3231833A1 D15 DE3317595A1 D16 DE 35 14 438 C1.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2004 hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patentund Markenamts das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten, weil der Patentgegenstand ursprünglich offenbart, ausführbar und hinsichtlich des im Verfahrens befindlichen Standes der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Einsprechenden, mit denen sie im Wesentlichen ihre bereits im Einspruchsverfahren vorgetragenen Gründe wiederholen.

Nachdem die Patentdauer am 16. Januar 2010 abgelaufen war, hat die Einsprechende zu 1) auf entsprechenden Hinweis des Senats beantragt, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen. Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 12. August 2010 mitgeteilt, keine allgemeine Freistellungserklärung abzugeben.

In der mündlichen Verhandlung, an der die Einsprechende zu 2) entsprechend vorheriger Ankündigung nicht teilgenommen hat, beantragt die Einsprechende zu 1), den Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. Februar 2004 aufzuheben und das Patent 40 01 062 zu widerrufen.

Die Einsprechende zu 2) hat schriftsätzlich einen mit dem Antrag der Einsprechenden zu 1) gleichlautenden Antrag gestellt.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, 1.

Hilfsantragdas Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 2 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2011 überreichten Hilfsantrag 1 und im Übrigen mit der Beschreibung und der Zeichnung laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

2.

Hilfsantragdas Patent mit dem einzigen Patentanspruch 1 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2011 überreichten Hilfsantrag 2 und im Übrigen mit der Beschreibung und der Zeichnung laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie tritt den Gründen der Einsprechenden im Einzelnen entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung als zutreffend (Hauptantrag), hilfsweise verteidigt sie ihr Patent mit in der Verhandlung überreichten geänderten Ansprüchen nach Hilfsantrag 1 bzw. Hilfsantrag 2.

Im Übrigen haben die in der mündlichen Verhandlung vertretenen Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

Der erteilte und nach Hauptantrag verteidigte Anspruch 1 lautet:

"1. Verfahren für Kraftfahrzeuge zur Darstellung von Anzeigen auf einem Bildschirm, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

a) mittels eines Drehschalters einer Multifunktions-Bedieneinrichtung sind die Anzeigen einstellund/oder veränderbarb) der Bildschirm zeigt in einem Ruhezustand keine durch den Drehschalter veränderliche Anzeige undc) bei Benutzen des Drehschalters wird die mit dem Drehschalter veränderbare Anzeige auf dem Bildschirm eingestellt."

Der nach Hilfsantrag 1 geänderte Anspruch 1 unterscheidet sich von Vorstehendem lediglich durch die Änderung des angegebenen Verwendungszwecks in "zur Verwendung in Kraftfahrzeuge".

Der einzige Anspruch nach Hilfsantrag 2 lautet (Änderungen zum erteilten Anspruch 1 unterstrichen):

1. Verfahren für Kraftfahrzeuge zur Darstellung von Anzeigen auf einem Bildschirm, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

-mittels eines Drehschalters einer Multifunktions-Bedieneinrichtung sind die Anzeigen einstellund/oder veränderbar,

-der Bildschirm zeigt in einem Ruhezustand keine durch den Drehschalter veränderliche Anzeige; er ist ausgeschaltet,

-bei Erkennung der Benutzerabsicht der Multifunktions-Bedieneinrichtung wird der Ruhezustand aufgehoben und auf dem Bildschirm erscheint eine stets gleichbleibende, veränderbare Anzeige, insbesondere eine Menü-Gesamtübersicht, oder es erscheint die letzte auf dem Bildschirm dargestellte Anzeige, und -bei Benutzen des Drehschalters wird die mit dem Drehschalter veränderbare Anzeige auf dem Bildschirm eingestellt."

Wegen der erteilten und gemäß Hauptantrag unverändert verteidigten Ansprüche 2 und 3 wird auf das erteilte Patent, wegen des abhängigen Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag 1 sowie wegen weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. A. Die Beschwerden der Einsprechenden sind zulässig. Insbesondere hat sich infolge des Ablaufs der Patentdauer des Streitpatents nach § 16 PatG weder das Einspruchsnoch das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt.

a. Nach allgemeiner Meinung ist ein Gerichtsverfahren erledigt, wenn ein nach Verfahrenseinleitung eingetretenes außerprozessuales Ereignis vorliegt, das sich auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens (also der Klage oder des verfahrenseinleitenden Antrags) in der Weise auswirkt, dass sie das ursprünglich zulässige und begründete Rechtsschutzziel nachträglich rechtlich oder tatsächlich gegenstandslos macht, weil dieses entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgt werden kann (vgl. BGHZ 155, 392 [398]; BGH NJW 2007, 3721 [3722]; BVerwG NVwZ 1989, 48; NVwZ 1993, 979; BVerwGE 46, 81 [83]; 73, 312 [314]; s. a. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn. 3 m. w. N.; Sodann/Ziekow/Neumann, VwGO, 3. Aufl., § 161 Rn. 130 ff.).

b.

Eine solche Erledigung ist vorliegend allerdings nicht schon infolge des Erlöschens des Streitpatents nach § 16 Abs. 1 Satz 1 PatG eingetreten, weil mit dem sich nur für die Zukunft auswirkenden Ablauf der Schutzhöchstdauer nach § 16 PatG das auf die rückwirkende (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 1 PatG) Beseitigung der Patenterteilung gerichtete Ziel des Einspruchs nicht vollständig verwirklicht wird (vgl. BPatG 7. Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2010, Az. 7 W (pat) 333/06 -Vorrichtung zum Heißluftnieten, veröffentlicht unter http://www.juris.de; a. A. BPatGE 29, 65).

c.

Da das Erlöschen des Streitpatents unabhängig von einem Rechtsschutzbedürfnis des Einsprechenden keine Auswirkungen hat, solange nicht das Allgemeininteresse an der rückwirkenden Beseitigung der Wirkungen der Patenterteilung auch für die Vergangenheit konkret festgestellt wurde (vgl. BPatG [7. Senat], a.a.O. -Vorrichtung zum Heißluftnieten; a. A. BPatG [20. Senat] GRUR 2009, 612 -Auslösevorrichtung und BPatG [21. Senat] GRUR 2010, 363 -Radauswuchtmaschine, wonach bereits ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis des Einsprechende entweder zur nachträglichen Unzulässigkeit des Einspruchs [so 20. Senat] bzw. zur Erledigung der Hauptsache [so 21. Senat] führen soll), kommt eine Erledigung in der Hauptsache vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Patentinhaberin über das Erlöschen des Streitpatents nach § 16 PatG hinaus schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung nicht nur die Einsprechenden, sondern auch alle von dem Streitpatent zwischen seiner Anmeldung und seinem Erlöschen von ihm möglicherweise Betroffenen wirksam freigestellt hat, da erst hierdurch dieselben (wirtschaftlichen) Folgen wie beim Widerruf des Streitpatents eintreten können und das auf Beseitigung der Folgen der Patenterteilung gerichtete Ziel des Einspruchs auf eine andere Art und Weise als durch eine gerichtliche Entscheidung über den Einspruch erreicht wird (wegen der Einzelheiten vgl. BPatG [7. Senat], a. a. O. -Vorrichtung zum Heißluftnieten).

d.

Da die Patentinhaberin vorliegend nach Hinweis des Senats mit Schriftsatz vom 12. August 2010 ausdrücklich erklärt hat, eine solche umfassende Freistellung nicht abgeben zu wollen, hat sich das Einspruchsund damit auch das Beschwerdeverfahren nicht in der Hauptsache erledigt, so dass über die Einsprüche trotz Ablaufs der Schutzdauer des Streitpatents weiterhin in der Sache zu entscheiden ist.

e.

Etwas Anderes ergäbe sich vorliegend auch nicht auf der Grundlage der abweichenden Ansichten des 20. und des 21. Senats (vgl. BPatG [20. Senat]

a.a.O. -Auslösevorrichtung und BPatG [21. Senat], a. a. O. -Radauswuchtmaschine), denn nachdem die Einsprechende zu 2) vorliegend mit Schriftsatz vom 12. August 2010 ein Rechtsschutzbedürfnis geltend gemacht hat, wäre auch auf der Grundlage dieser Entscheidungen weder der Einspruch nachträglich unzulässig geworden, wie der 20. Senat annimmt, noch die Hauptsache erledigt, wovon der 21. Senat nur bei fehlendem Rechtsschutzbedürfnis ausgeht.

B. Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache auch Erfolg, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung beruht weder das nach Hauptantrag und Hilfsantrag 2 verteidigte Verfahren für Kraftfahrzeuge, noch das nach Hilfsantrag 1 verteidigte Verfahren zur Verwendung in Kraftfahrzeugen auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns. Dieser ist im vorliegenden Fall als ein auf dem Gebiet Mensch-Maschine-Kommunikation tätiger Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik zu definieren.

a) Die -im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestrittene -Zulässigkeit der Einsprüche ist auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen (vgl. BGH BlPMZ 1972, 173, Leitsatz b) -"Sortiergerät"). Im vorliegenden Fall bestehen gegen die Zulässigkeit der Einsprüche keine Bedenken, denn beide Einsprechende haben innerhalb der Einspruchsfrist u. a. den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und dazu die Tatsachen im Einzelnen angegeben, aus denen sich ergeben soll, dass das Patent zu widerrufen ist (vgl. BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz, 251, li. Sp, Abs. 1 -"Epoxidation"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 91 bis 97, 108).

b) Das Streitpatent mit der Bezeichnung "Verfahren zur Darstellung von Anzeigen auf einem Bildschirm" betrifft gemäß geltender Beschreibung ein Verfahren für Kraftfahrzeuge sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

Das Patent geht von einer Multifunktionsbedieneinrichtung für Kraftfahrzeuge bzw. von einem entsprechenden Bedien-Verfahren gemäß ursprünglicher Hauptanmeldung (nachveröffentlichte DE 38 36 555 A1) aus, bei der ein und derselbe bidirektionale Drehschalter zur Menüund individuellen Funktions-Auswahl dient. Der Drehschalter besitzt für seine Drehbewegungen Raststellungen, die im Menü den einzelnen Funktionen zugeordnet sind sowie eine Enter-Funktion, die durch eine Axialbewegung auslösbar ist (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 6 bis 13).

Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, im Rahmen einer o. g. Multifunktions-Bedieneinrichtung ein Verfahren -und nach Hauptantrag auch eine Vorrichtung -zu schaffen, bei dem im Wesentlichen nur dann eine mit dem Drehschalter veränderliche Anzeige erscheint, wenn dies erforderlich ist (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 18 bis 22).

Gelöst wird diese Aufgabe durch das Verfahren des jeweiligen Anspruchs 1 nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 und 2. Vorrichtungsseitig wird die Aufgabe nach Hauptantrag durch die Merkmale des erteilten Anspruchs 3 gelöst. Hierbei ist es wesentlich, dass der Bildschirm im Ruhezustand eine Grundanzeige besitzt, die nicht durch den Drehschalter veränderbar ist. Der Vorteil dabei besteht dabei in einer deutlichen Beruhigung des optischen Erscheinungsbilds des Bildschirms und damit einer Verringerung der Beeinträchtigung des Fahrzeugbenutzers, was in positiver Weise die Ablenkungsgefahr erheblich verringert und damit die Fahrsicherheit entsprechend erhöht (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 25 bis 34). In einem bevorzugten Ausführungsbeispiel ist der Bildschirm im Ruhezustand ausgeschaltet (vgl. erteilter Anspruch 2).

c) Die Frage der Zulässigkeit der nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 und 2 verteidigten jeweiligen Patentansprüche 1 wie auch die Frage der Ausführbarkeit der jeweiligen technischen Lehren kann dahinstehen, denn das von der Patentinhaberin verteidigte Verfahren nach dem jeweiligen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 erweist sich in sämtlichen vorgelegten Fassungen als nicht schutzfähig, da es jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruht (vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 -"elastische Bandage").

Hauptantrag Aus Druckschrift D7 ist ein Verfahren zur Darstellung von Anzeigen auf dem Display eines Geräts bekannt (vgl. D7, Fig. 3b mit zugehöriger Beschreibung), wobei das Gerät ein durch einen Drehgeber mit mindestens einer Druckund/oder Zugfunktion (Enter-Funktion) menüsteuerbares Display (Anzeige), mithin eine Multifunktionsbedieneinrichtung im Sinne des vorliegenden Streitpatents, aufweist (vgl. Fig. 3b, eingestellte Funktion mit entsprechenden Unterfunktionen). Hierbei stellt der Drehgeber des Streitpatents "praktisch einen Inkrementalgeber dar" und ist somit offensichtlich ein Drehgeber (vgl. Streitpatent Sp. 1, Abs. 2 i. V. m. Sp. 1, Zeilen 56 und 57 der ursprünglichen Hauptanmeldung DE 38 36 555 A1).

Das Verfahren, weist dabei die auf die Einstellbarkeit gerichteten alternativen Merkmale des nach Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 auf, wonach -mittels des Drehgebers (-schalters) der Multifunktions-Bedieneinrichtung die Anzeige bzw. das Display einstellbar ist (vgl. D7, Fig. 3b, Anzeigefeld der jeweilseingestellten Funktion, mit zugehöriger Beschreibung, Sp. 2, Zeile 57 ff., "Nach der Einstellung der Funktion veranlasst ein neues Schaltsignal die Quitierung der Funktionsauswahl. Das kann z. B. das Aufleuchten eines Anzeigefelds zur Folge haben." / Merkmal a),

-das Display vor Anliegen des ersten Schaltsignals -d. h. in einem Ruhezustand -keine durch den Drehschalter (Drehgeber) veränderliche Anzeige anzeigt, wobei der Fachmann aus dem in Druckschrift D7 offenbarten "Aufleuchten der Anzeige" das entsprechende Einschalten des Displays durch das erste Schaltsignal und damit das im Streitpatent explizit genannte, im Ruhezustand ausgeschalteten Display mitliest (vgl. D7, Fig. 3B, "Aufleuchten der Anzeige" i. V. m. Sp. 2, Zeilen 52 ff., "Am Startpunkt ruft das erste Schaltsignal den Drehgeber auf." / Merkmal b, teilweise) und -bei Benutzen des Drehgebers (-schalters) die mit dem Drehgeber (-schalter) veränderbare Anzeige auf dem Display eingestellt wird (vgl. D7, vorstehende Ausführungen zur Fig. 3b / Merkmal c, teilweise).

Der Verfahrensanspruch 1 nach Hauptantrag unterscheidet sich von Druckschrift D7 somit lediglich im angegebenen Vorrichtungsmerkmal, dass anstelle eines Displays (Anzeige), welches alternativ in Form von Leuchtdioden, als von unten wahlweise von Leuchtmitteln kenntlich gemachte, beschriftete Flächen oder als Anzeigeelemente in Schriftform ausgestaltet ist (vgl. D7, Ansprüche 2 bis 5), nunmehr ein Bildschirm zur Darstellung von Anzeigen verwendet wird. Dieser Unterschied begründet jedoch nicht die erfinderische Tätigkeit des Fachmanns, denn es liegt im Rahmen fachmännischen Handelns, das aus Druckschrift D7 bekannte Display in Form eines Bildschirms im Sinne des Streitpatents auszugestalten. Dies ist für den Fachmann insbesondere schon deswegen naheliegend, weil die Streitpatentlehre eine konkrete Ausgestaltung des Bildschirms sowie seine verfahrensseitige Wirkung offen lässt (Merkmale b und c, Rest).

Zwar betrifft die technische Lehre der Druckschrift D7 ein Verfahren zur Einhandbedienung eines einfach bedienbaren Geräts der Unterhaltungselektronik ohne konkreten Bezug zu Kraftfahrzeugen (vgl. D7, Aufgabenstellung, Sp. 1, Zn. 37 bis 41), jedoch wird der zuständige Fachmann Verfahren aus der Unterhaltungselektronik nicht isoliert von vergleichbaren Verfahren im Kraftfahrzeugbereich, beispielsweise ein Verfahren zur Bedienung eines entsprechend ausgestalteten Autoradios, betrachten. Er ist daher bei einer vergleichbaren Aufgabenstellung im Kraftfahrzeugbereich immer veranlasst, den entsprechenden Stand der Technik aus der Unterhaltungselektronik beim Auffinden der jeweiligen Lösung für Kraftfahrzeuge zu berücksichtigen.

Somit beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Der Patentanspruch 1 ist daher nicht patentfähig.

Mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag fällt auch der abhängige Anspruch 2 sowie der nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 3, da auf diese kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet ist (vgl. BGH GRUR 2007, 862, 864 -Informationsübermittlungsverfahren II).

Hilfsantrag 1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist bei identischen Merkmalen auf ein "Verfahren zur Verwendung in Kraftfahrzeugen" gerichtet. Nach vorstehenden Ausführungen zu den entsprechenden Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist die Verwendung des entsprechenden Verfahrens in Kraftfahrzeugen mit gleicher Begründung für den Fachmann ebenfalls nahegelegt.

Damit beruht auch der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Der entsprechende Anspruch ist somit nicht patentfähig.

Mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 fällt auch der abhängige Anspruch 2, da auf diesen kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet ist (vgl. BGH a. a. O. -Informationsübermittlungsverfahren II).

Hilfsantrag 2 Auch die im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 zusätzlich aufgenommenen Merkmale begründen keine erfinderische Tätigkeit. Denn auch beim Verfahren nach Druckschrift D7 ist -wie vorstehend zum Hauptantrag ausgeführt -das Display im Ruhezustand ausgeschaltet. Druckschrift D7 offenbart weiter die erste Alternative des aufgenommenen Merkmals, wonach bei Erkennung der Benutzerabsicht der Multifunktions-Bedieneinrichtung der Ruhezustand aufgehoben wird (vgl. D7, Fig. 3B, Aufruf des Drehgebers durch Druck oder Zug) und auf dem Bildschirm eine stets gleichbleibende, veränderbare Anzeige erscheint (vgl. Fig. 3B, Hinweis auf stets gleichbleibenden Startpunkt beim Aufleuchten der Anzeige, hier der Lautstärke, welche anschließend durch gezieltes Drehen des Drehgebers auf eine andere Funktion eingestellt werden kann). Hinsichtlich der restlichen, unveränderten Merkmale wird auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen, so dass auch das im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 verteidigte Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruht. Der Anspruch ist daher ebenfalls nicht schutzfähig.

e) Bei dieser Sachlage war das Streitpatent zu widerrufen.

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Beschluss v. 15.04.2011
Az: 7 W (pat) 18/09


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