Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Mai 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 280/03
(BPatG: Beschluss v. 26.05.2004, Az.: 28 W (pat) 280/03)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Marke 398 34 331 Biocult 7 ist seit 1998 unter anderem für die Waren Klasse 29: Joghurt, probiotische Milchprodukte
(Einschränkung im Beschwerdeverfahren: nur in nichtfester Form)
in das Markenregister eingetragen. Die Inhaberin der rangälteren, seit 1994 eingetragenen Marke 2 065 677 Bio-Culthat dagegen - im Beschwerdeverfahren auf og Waren beschränkt - Widerspruch erhoben. Diese Marke ist unter anderem eingetragen für Klasse 5: Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke.
Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten; die Widersprechende hat eine eidesstattliche Versicherung sowie Benutzungsunterlagen vorgelegt, wonach ihre Marke für ein "Nahrungsergänzungsmittel" (Tabletten zur Versorgung mit Vitaminen des Vitamin B-Komplexes und Bakterienkulturen der Milch) benutzt wird.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Widerspruchsmarke werde für ein "Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform" benutzt, wegen der unterschiedlichen Konsistenz und Herkunft der beiden Waren sei allenfalls von einer entfernten Warenähnlichkeit auszugehen, womit trotz einer deutlichen Markenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr ausscheide.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Widersprechenden mit ihrer Beschwerde. Sie behauptet eine zumindest durchschnittliche Warenähnlichkeit, denn Nahrungsergänzungsmittel dienten dem Ausgleich von Ernährungsdefiziten, zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln bestehe deshalb ein funktioneller Zusammenhang. Ihre Marke werde seit langem umfangreich benutzt (Jahresumsatz bis ca 650 T€), ihr stehe damit ein erhöhter Schutzumfang zu, der durch die nur geringfügige Abweichung in der jüngeren Marke tangiert sei.
Die Markeninhaberin hat im Beschwerdeverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht mehr in Abrede gestellt, weist aber auf die eher unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft von Bio-Cult hin, denn damit könnten nur "biologische Kulturen" gemeint sein. Im übrigen hält sie die Ausführungen der Markenstelle für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, denn zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine Gewichtung der Faktoren Waren/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke in dem Sinn, dass der höhere Grad einer der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st. Rspr zB BGH MarkenR 2004, 253 - dcfix/CD-FIX). Werden die Produkte wie hier mit nur geringfügig unterschiedlichen Marken gekennzeichnet, und hat der einzige Unterschied, nämlich die Zahl 7 sogar insoweit noch beschreibende Anklänge, als damit "7 Biokulturen" gemeint sein könnten, so bedarf es entweder eines ersichtlichen Warenabstandes und/oder eines reduzierten Schutzumfanges der älteren Marke um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Davon ist hier auszugehen.
Anders als die Markenstelle meint (und auch ohne dass dies von der Widersprechenden gerügt wird, denn es handelt sich insoweit um eine Rechtsfrage, die einem Zugeständnis im Sinne des § 288 ZPO nicht offen steht), ist seitens der Widerspruchsmarke nicht nur von der Benutzung für ein "Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform" auszugehen - denn die Beschränkung nur auf diese Darreichungsform würde die Widersprechende in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ungebührlich einschränken - als benutzt zu gelten hat vielmehr ein "Vitamin- und Bakterien - Nahrungsergänzungsmittel" (sog "erweiterte Minimallösung"). Zutreffend hat die Markenstelle die zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln bestehenden Unterschiede bei der Herstellung und Verarbeitung, bei der regelmäßigen Darreichungsform sowie beim Marktauftritt dargestellt. Andrerseits bestehen aber doch gewichtige Gemeinsamkeiten insoweit, als die von der Widersprechenden angebotenen Produkte eben dieselben gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe enthalten können, wie die mit "probiotisch" bezeichneten Milchprodukte der Markeninhaberin. Es ist also durchaus denkbar, dass der Verbraucher zB wegen einer Milchallergie den jeweiligen Mangel an Vitaminen und Bakterien mit dem Produkt der Widersprechenden ausgleicht. Dennoch besteht zwischen beiden Warenbereichen der gewichtige Unterschied, dass Lebensmittel in erster Linie der Ernährung dienen, satt machen und auch gut schmecken sollen, wohingegen Nahrungsergänzungsmittel in konzentrierter Form einen Ernährungsmangel ausgleichen und beheben sollen. Sie werden also ähnlich einem Arzneimittel eingenommen, der Geschmack ist in der Regel unbedeutend. Infolgedessen nimmt der Lebensmittelhandel, soweit er auch Nahrungsergänzungsmittel anbietet, eine deutliche Trennung beider Warenbereiche vor. Ein zusätzlicher Abstand wurde hier durch die Einschränkung der angegriffenen Waren auf solche in "nichtfester Form" vorgenommen, denn zwischen nicht festen Milchprodukten wie Joghurt, Topfen, Dickmilch, Kefir usw besteht ein sichtbarer Unterschied zu Nahrungsergänzungsmitteln, die in der Regel als Tabletten, Dragees, Pulver, Granulat, Tinkturen udgl angeboten werden und auf bequeme und schnelle Weise eine vollwertige Ernährung ermöglichen sollen. Auch werden Nahrungsergänzungsmittel gerne in der Art von Arzneimitteln beworben, was selbst bei der vermehrten Herausstellung von gesundheitsfördernden Bestandteilen der Milchprodukte doch zu einer anderen Bewertung aus der Verbrauchersicht führt. Auch im Erscheinungsbild werden also Unterschiede der beiden Produktbereiche deutlich. Trotz der möglichen übereinstimmenden (gesundheitsfördernden) Inhaltsstoffe wird man letztlich von einer nur mittleren Warenähnlichkeit auszugehen haben, der zwar wegen der Nähe der Marken zu einer Verwechslungsgefahr führen würde, hier jedoch durch den nur unterdurchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke ausgeglichen wird.
Die Marke "Bio-Cult" weist unzweideutig auf "biologische Kulturen" hin, also auf Mikroorganismen (zB Bakterien), die unter biologischen Bedingungen hergestellt worden sind, bzw auf Kulturen, die als biologisches Heilmittel eingesetzt werden (vgl hierzu auch PAVIS; BPatG 30 W (pat) 86/99 - ProBio Cult # Bio-Cult). Anhaltspunkte dafür, dass diese ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche durch langjährige erhebliche Umsätze und entsprechende Bekanntheit der Marke ausgeglichen sei, liegen nicht vor, insbesondere sind die von der Widersprechenden genannten Umsatzzahlen angesichts des überaus umsatzstarken Gesamtmarktes im Bereich der Nahrungsergänzungsmitteln für eine derartige Annahme nicht geeignet. Der beschreibende Aussagegehalt der älteren Marke führt hier vielmehr trotz der Warenähnlichkeit zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen, denn zum einen ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarke reduziert und im wesentlichen auf die eintragungsfähige Eigenprägung begrenzt, zum anderen können aus kennzeichnungsschwachen oder sogar schutzunfähigen Markenteilen keine Rechte hergeleitet werden.
Damit war die Beschwerde ohne Erfolg.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.
Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Pü
BPatG:
Beschluss v. 26.05.2004
Az: 28 W (pat) 280/03
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