Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Dezember 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 130/03

(BPatG: Beschluss v. 03.12.2003, Az.: 28 W (pat) 130/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamt - Markenstelle für Klasse 29 - vom 27. Januar 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch auch für die Waren "frische Früchte, Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke, Gemüsesäfte, Nektare, Limonaden, sämtliche ausgenommen solche, die im wesentlichen auf Malz basieren" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 050 163 die Löschung der angegriffenen Marke 398 47 521 angeordnet.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 398 47 521 die Marke VITA - Fit for Lifefür die Waren:

Angemachte Salate, verpackte verzehrfertige Salate und Gemüse, Fertigsalate, gratinierte Gemüse, Salatsoßen, Gemüsesoßen;

frische Früchte, Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke, Gemüsesäfte, Nektare, Limonaden, sämtliche ausgenommen solche, die im wesentlichen auf Malz basieren.

Die Eintragung dieser am 20. August 1998 beantragten Marke ist am 7. Januar 1999 erfolgt.

Die Inhaberin der rangälteren, seit dem 27. Juni 1983 eingetragenen Marke 1 050 163 VITAFIT hat hiergegen Widerspruch erhoben. Diese Marke ist eingetragen für die Waren Fruchtsäfte, Fruchtnektare und Fruchtsaftgetränke.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat eine Verwechslungsgefahr verneint, denn die Marken hielten auch bei identischen Waren einen ausreichenden Abstand zueinander ein, was sich auch aus dem Gedankenstrich in der angegriffenen Marke ergebe, denn er führe zu einer deutlich wahrnehmbaren Sprechpause. Die Frage der Benutzung könne deshalb dahingestellt bleiben.

Zusammen mit dem Beschluss vom 27. Januar 2003 hat sie der Widersprechenden einen Schriftsatz der Markeninhaberin vom 5. August 1999 übersandt, in dem diese die Benutzung der Widerspruchsmarke bestreitet und Ausführungen zur Verwechslungsgefahr macht.

Die Widersprechende hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie legt eine eidesstattliche Versicherung und Benutzungsunterlagen für den Zeitraum 1994 bis 2003 vor, wonach die Marke für "verschiedene Fruchtsäfte und Fruchtsaftgetränke" mit einem Jahres-Umsatz von über ... Verkaufseinheiten (1994) bis zu ... Verkaufseinheiten (2002) benutzt worden sei. Wegen die- ses hohen Umsatzes könne die Marke auch einen erweiterten Schutzumfang beanspruchen. Es bestehe eine klangliche Verwechslungsgefahr, denn der Bestandteil "for life" sei nur beschreibend und werde daher außer Acht gelassen. Die restliche Marke VITA - Fit sei aber identisch mit der Widerspruchsmarke.

Die Markeninhaberin hält die Ausführungen im patentamtlichen Beschluss für zutreffend. VITAFIT sei kennzeichnungsschwach, was sich aus der Vielzahl von Drittmarken mit den Bestandteilen Vita und fit ergebe. Die ältere Marke habe ein völlig anderes Klangbild, denn der Slogan "Fit for life" werde nicht auseinander gerissen. Die Benutzungseinrede wird in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen auf die Waren "Fruchtsaftgetränke und Fruchtnektare" konzentriert, denn für diese sei eine Benutzung noch nicht einmal behauptet.

Wegen weitere Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) und hat zum Teil Erfolg.

1. Die Markenstelle hat den Schriftsatz der Markeninhaberin vom 5. August 1999, in dem diese die Benutzung bestreitet, der Widersprechenden erst drei Jahre später zusammen mit dem ablehnenden Beschluss zur Kenntnis gebracht. Sachliche Gründe hierfür sind nicht ersichtlich, zumal die Markenstelle in der Zwischenzeit die Widersprechende mit Schreiben vom 29. Oktober 1999 über eine Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke informierte. Weshalb diesem Schreiben nicht der betreffende Schriftsatz beigefügt wurde, ist unerfindlich. In ihrem Beschluss hat die Markenstelle auch die in diesem Schriftsatz vorgetragenen Ausführungen der Markeninhaberin übernommen, wonach der Gedankenstrich zu einer "Sprechpause" führe. Die Widersprechende erfuhr erst nach Erlass des Beschlusses, dass die Benutzung ihrer Marke bestritten war und aus welchen Gründen die Markeninhaberin die Marken für nicht verwechselbar hielt. Eine derartige Vorgehensweise beeinträchtigt die Rechte der Beteiligten auf Durchführung eines fairen Verfahrens. Der Rechtsstaatsgedanke gebietet es, dass der Einzelne vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommt, um Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können. Dies kann er wirksam aber nur dann tun, wenn ihm alle bei der Entscheidung vorliegenden Schriftsätze des Gegners auch zur Kenntnis gebracht werden (st Rspr zB BverfG, NJW 2002, 1334; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. § 59 Rdz 26, 27). Hierauf hat er auch einen durch die Verfassung geschützten Anspruch (§ 59 Abs 2 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG). In Einzelfällen mag es gerechtfertigt sein, einen Schriftsatz erst zusammen mit dem Beschluss zu übermitteln; zB dann, wenn die Sach- und Rechtslage von allen Beteiligten bereits ausführlich erörtert ist und der betreffende Schriftsatz sich nur auf Wiederholungen beschränkt. Das Einbehalten eines Schriftsatzes über einen Zeitraum von mehreren Jahren ist durch nichts gerechtfertigt und kann die Rechte der aus einer Marke Widersprechenden insbesondere dann beeinträchtigen, wenn in diesem Schriftsatz die Benutzung bestritten ist. Wenn es nämlich, wie hier, im Beschwerdeverfahren doch auf die Benutzung ankommt, so kann der lange Zeitablauf die Beibringung der Glaubhaftmachung erheblich erschweren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der aus einer Marke Widersprechende, die sich außerhalb der Benutzungsschonfrist befindet, jederzeit mit der Glaubhaftmachung seiner Benutzung rechnen muss, denn es kann nicht Sache des Patentamts sein, einen Markeninhaber - ohne erkennbaren sachlichen Grund - über einen längeren Zeitraum über die spätere Notwendigkeit einer Glaubhaftmachung im Unklaren zu lassen. Allein die unverzügliche Übersendung jedes Schriftsatzes an den Gegner gewährleistet die Durchführung eines den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens.

Von einer Zurückverweisung wurde abgesehen, denn diese würde das Verfahren verzögern und liegt nicht im Interesse der durch den Verfahrensfehler betroffenen Widersprechenden.

2. Zwischen den Marken besteht in dem im Beschlusstenor genannten Umfang Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Widersprechende hat zumindest für die Waren "Fruchtsäfte" eine nach Dauer, Umfang und Form ausreichende Benutzung der Marke glaubhaft gemacht. Diese Waren sind mit den angegriffenen Getränken entweder identisch oder aber in einem derart hohen Maß ähnlich (zB zu Fruchtsaftgetränken, Limonaden), dass es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, ob die Glaubhaftmachung auch für die Waren "Fruchtnektare, Fruchtsaftgetränke" erfolgt ist. Zu den "frischen Früchten" besteht eine erhebliche Ähnlichkeit, denn diese sind in der Regel notwendiger Bestandteil von Fruchtsäften. Ebenso nahe stehen die "Gemüsesäfte", denn sie entsprechen den Fruchtsäften in ihrer Zusammensetzung und werden damit auch häufig gemischt.

Die ältere Marke besteht zwar aus den zwei an sich schutzunfähigen Bestandteilen VITA und FIT, in der Gesamtheit kann sie auf Grund dieser Kombination aber einen durchschnittlichen Schutzumfang beanspruchen. Dieser Schutzumfang ist weder geschmälert noch erweitert. Zwar mag es in diesem Warengebiet eine Reihe von Marken geben, die mit einem dieser Bestandteile zusammengesetzt sind, dies allein genügt für die Bejahung einer Schwächung der Gesamtmarke nicht. Zudem ist über die Benutzung dieser Marken nichts bekannt (vgl BGH, MarkenR 2001, 307 - CompuNet/ComNet). Ebenso wenig ist eine Stärkung der Marke durch eine große Benutzung und entsprechende Bekanntheit eingetreten, denn eine solche müsste zum Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke im Jahr 1998 vorgelegen haben. Dass der damalige Umsatz von über 39 Millionen Verkaufseinheiten auch eine entsprechende Verkehrs-Bekanntheit der Marke bewirkt hat, wurde von der Widersprechenden noch nicht einmal behauptet. Zudem hat die Markeninhaberin eine erhöhte Kennzeichnungskraft bestritten.

Nach Abwägung dieser Faktoren Warenähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke stehen sich die Marken bei identischen und erheblich ähnlichen Waren zu nahe. "VITA - Fit for life" und "VITA" unterscheiden sich beim Gesamtvergleich zwar deutlich durch das zusätzliche "for life" in der angegriffenen Marke, diese rein tatsächliche (und eher rechnerische) Gegenüberstellung von Marken ist aber nicht ausreichend. Entscheidend ist allein, ob der Verbraucher, der die eine Marke kennt, aus der Erinnerung heraus diese mit der anderen Marke verwechseln kann. Das kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht geschehen. Die Gefahr einer solchen Fehlzuordnung ist erhöht, wenn beide Marken Gemeinsamkeiten aufweisen, die sich beim Antreffen der Marke oder in der Erinnerung daran derart in den Vordergrund drängen, dass die eine Marke für die andere gehalten wird. Je mehr Bestandteile eine Marke hat, umso eher wird sie von nur einem Teil dieser Bestandteile geprägt, denn der Verkehr ist langen Markennamen eher abgeneigt. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob der Slogan "Fit for life" überwiegend als Einheit gesehen wird, oder aber ob das "Fit" nicht doch auch dem "VITA" zugerechnet werden kann. Dann nämlich wird die jüngere Marke - die ebenso wie die Widerspruchsmarke aus Bestandteilen zusammengesetzt ist, die für sich allein nicht schutzfähig sind - im wesentlichen durch die Kombination von "VITA" und "FIT" bestimmt. Auch wenn beide Bestandteile in diesem Warenbereich zur Kennzeichnung oder Beschreibung gerne verwendet werden, so ist es doch die Kombination, die den Schutz der älteren Marke ausmacht. Eben diese Kombination wird von der jüngeren Marke übernommen. Der Slogan "Fit for life" ist auch nicht so gebräuchlich, dass eine Abtrennung von "Fit" ganz ungewöhnlich wäre. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass dem Verkehr bei beiden Marken die Kombination der Begriffe "Vita" und "Fit" in Erinnerung bleibt und diese Kombination beim klanglichen und auch begrifflichen Vergleich der Marken bei identischen und erheblich ähnlichen Waren zu Verwechslungen in einem noch maßgeblichen Umfang führen kann.

Alle anderen Waren sind nach ihrer betrieblichen Herkunft und ihrem Verwendungszweck weiter voneinander entfernt, so dass hier die jüngere Marke den Schutzbereich der älteren Marke nicht mehr tangiert.

Die Beschwerde hat damit zum Teil Erfolg Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Von einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 66 Abs 5 Satz 2 MarkenG wurde abgesehen. Zwar rechtfertigt ein Verfahrensfehler regelmäßig eine derartige Entscheidung, die Widersprechende hat sich jedoch nicht darauf berufen.

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BPatG:
Beschluss v. 03.12.2003
Az: 28 W (pat) 130/03


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