Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 30/06
(BPatG: Beschluss v. 28.06.2006, Az.: 26 W (pat) 30/06)
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Dezember 2005 aufgehoben.
2. Der Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch den angefochtenen Beschluss die Anmeldung der Wortmarke Innerer Schweinehundfür die Dienstleistungen der Klasse 39:
Verteilung von Energie und Versorgung von Dritten durch Lieferungen von Energie, nämlich Strom, Gas, alternative Energien, insbesondere Solarenergie, Energie aus Wasserkraft, Energie aus Windkraft, Energie aus Biomassegemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 14. September 2005 ausgeführt, dass die angemeldete Wortfolge für die in Anspruch genommenen Dienstleistungen jeglicher Unterscheidungskraft entbehre. Die angemeldete Marke bestehe aus den beiden Wörtern der deutschen Sprache "innerer Schweinehund", die je für sich gesehen schutzunfähig seien und auch keine schutzfähige Gesamtmarke darstellten. Die Marke erfülle daher nicht die Funktion, dem Verkehr die Unterscheidung von Waren/Dienstleistungen eines bestimmten Geschäftsbetriebs von gleichen oder gleichartigen Waren/Dienstleistungen der Konkurrenzbetriebe zu ermöglichen.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses sowie die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr begehrt. Sie ist der Auffassung, die angemeldete Marke verfüge über die erforderliche Unterscheidungskraft, weil ein beschreibender Begriffsinhalt in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen nicht feststellbar sei.
Die Erstattung der Beschwerdegebühr sei geboten, weil der angefochtene Bescheid davon ausgehe, dass sich die Anmelderin zum Beanstandungsbescheid nicht geäußert habe. Tatsächliche habe sie mit Schriftsatz vom 4. November 2005 eine Stellungnahme eingereicht.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Dienstleistungen steht weder das absolute Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG können Marken nicht eingetragen werden, denen für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solcher anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2005, 258, 259 - Roximycin). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr., BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORA-TION; GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHÖN; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns). Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an deren Unterscheidungskraft gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen (BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein (BGH GRUR 2000, 321, 322 - Radio von hier; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rn. 116).
Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Dienstleistungen "Verteilung von Energie und Versorgung von Dritten durch Lieferungen von Energie" nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Die kurze und prägnante Wortfolge "Innerer Schweinehund" umschreibt zwar als allgemein bekannter Begriff einen inneren Zustand einer Person, nämlich die Willensschwäche, die sie daran hindert, unangenehme Tätigkeiten auszuführen, die sie entweder als ethisch geboten ansieht oder die für sie sinnvoll erscheinen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Innerer_Schweinehund). Im Zusammenhang mit den Verben "zähmen", "besiegen" oder auch "überwinden" findet der Begriff umgangssprachlich auch häufige Verwendung, insbesondere bei der Einforderung von angemessener Willenskraft zum Umsetzen oder Durchhalten bereits gefasster Vorsätze bzw. dem Bedauern über ihr eventuelles Fehlen. Vorliegend handelt es sich aber schon nicht um einen werbemäßigen Appell zum Aufbieten von Willenkraft, wie er etwa in der Werbung für Fitness- oder Gewichtsreduzierungsprogramme üblich ist. Vielmehr ist allein die isolierte Wortfolge "Innerer Schweinehund" angemeldet, der ein solcher Appell nicht ohne weitere gedankliche Assoziationen entnommen werden kann. Selbst wenn der angesprochene Verkehr die Wortfolge gedanklich um das Verb "überwinden" erweitert, fehlt ein unmittelbarer und unmissverständlicher beschreibender Sinngehalt in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen (vgl. BPatG, Beschluss vom 26. September 2001 - 24 W (pat) 249/03 - DIE SONNE DES WINTERS; Beschluss vom 25. September 2002 - 29 W (pat) 75/00 - VIEL SPASS; Beschluss vom 22. Juli 2003 - 24 W (pat) 32/02 - ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN, alle veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM). Allenfalls wird schlagwortartig in einem übertragenen Sinn angedeutet, dass es der "Innere Schweinehund" sei, der verhindere, dass der angesprochene Verkehr sich trotz besseren Wissens um die Günstigkeit oder Umweltfreundlichkeit der von der Anmelderin angebotenen Dienste sich der Mühe der Kündigung bestehender Versorgungsverträge mit Konkurrenten der Anmelderin unterzieht, um sodann zu der Anmelderin wechseln zu können und die Dienstleistungen der Klasse 39 bei ihr in Anspruch zu nehmen. Eine derartige gedankliche Verknüpfung erfordert jedoch in Bezug auf die hier angemeldete Wortfolge im Zusammenhang mit den in Anspruch genommenen Dienstleistungen mehrere gedankliche Zwischenschritte. Dies steht der Annahme der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen.
Mangels klaren und unmissverständlichen Aussagegehalts der Wortfolge besteht zumindest in der beanspruchten Markenform für die beanspruchten Dienstleistungen auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Insbesondere stellt die Wortfolge keine beschreibende Redewendung dar, wonach es gerechtfertigt wäre, die angemeldete Wortfolge im Allgemeininteresse von der Eintragung auszuschließen.
2. Der Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr ist nicht begründet. Zwar kann in Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, § 71 Abs. 3 MarkenG, namentlich bei Verfahrensfehlern in der Vorinstanz (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 32). Solche Fehler sind vorliegend aber nicht feststellbar. Nach Durchsicht der Verwaltungsakte steht zwar fest, dass der von der Anmelderin in Bezug genommene Schriftsatz vom 5. November 2005 nicht in die Akte gelangt ist. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich dieser Umstand auf einen Fehler des Deutschen Patent- und Markenamts zurückführen ließe, denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, wann und unter welchen genauen Umständen der betreffende Schriftsatz dem Amt angeblich übersandt worden ist. Der Vortrag der Anmelderin, in drei Parallelverfahren seien ebenfalls Stellungnahmen eingereicht worden, die jeweils zu den Akten gelangt seien, genügt demgegenüber nicht, um einen Verfahrensfehler des Amtes dazulegen.
BPatG:
Beschluss v. 28.06.2006
Az: 26 W (pat) 30/06
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