Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. März 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 10/01
(BPatG: Beschluss v. 18.03.2003, Az.: 17 W (pat) 10/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Dezember 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.
Der Erteilung liegen folgende in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2003 überreichten Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 - 8, Beschreibung Seiten 1 - 13, 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 9.
G r ü n d e:
I.
Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Markieren eines Fensters einer fensterorientierten Benutzeroberfläche "
wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts nach Hauptantrag zurückgewiesen und ein Patent gemäß Hilfsantrag erteilt. In den Gründen ist ausgeführt, daß der Hauptanspruch nach Hauptantrag mangels Erfindungshöhe seines Gegenstands nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Der in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2003 überreichte geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Markieren eines von mehreren in einer fensterorientierten Benutzeroberfläche enthaltenen Fenstern unter Verwendung einer Zeigereinrichtung, wobei die fensterorientierte Benutzeroberfläche auf einem Bildschirm eines Monitors dargestellt wird, wobei zunächst ein Fenster markiert ist, welches auf dem Bildschirm in einer geänderten Weise dargestellt wird, während die anderen Fenster auf dem Bildschirm in Normaldarstellung angezeigt werden, wobei die Zeigereinrichtung eine Cursorsteuervorrichtung zum Erzeugen von Cursorsteuersignalen zum Verschieben eines dargestellten Cursors über den Bildschirm gemäß Benutzereingaben umfaßt und mit einem Computer verbunden ist, der an den Monitor angeschlossen ist und zum Steuern der fensterorientierten Benutzeroberfläche sowie des Cursors eine fensterorientierte Softwäre umfaßt, die ein Fenstersteuermodul zum Steuern des Markierens eines Fensters und ein Cursorsteuermodul zum Steuern der Corsorverschiebung über den Bildschirm gemäß den Cursorsteuersignalen enthält, wobei jedes Fenster innerhalb der fensterorientierten Benutzeroberfläche angeordnet wird, welche durch einen zweidimensionalen rechtwinkligen Bereich repräsentiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß
a) eine Fensterpositionsdatei erstellt wird, welche Positionsdaten enthält, die in der fensterorientierten Benutzeroberfläche enthaltene Fenster repräsentieren, wobei die in der Fensterpositionsdatei enthaltene Position jedes Fensters der Position des Fensters innerhalb des rechtwinkligen Bereichs der Benutzeroberfläche entspricht;
b) nach einer Betätigung eines zusätzlichen Steuerknopfes der Zeigereinrichtung durch einen Benutzer ein zusätzliches zweidimensionales Richtungssignal erzeugt wird;
c) das zweidimensionale Richtungssignal unter Verwendung des Fenstersteuermoduls empfangen wird;
d) ausgehend von der in der Fensterpositionsdatei gespeicherten Position des markierten Fensters ein anderes Fenster erfaßt und als markiert bestimmt wird, welches gemäß den Positionsdaten der Fensterpositionsdatei im wesentlichen in der Richtung des zweidimensionalen Richtungssignals liegt; unde) das andere Fenster als markiertes Fenster in entsprechend geänderter Weise dargestellt wird."
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, das dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 entsprechende Verfahren dahingehend zu verbessern, daß die Steuerung einer fensterorientierten Bedienoberfläche für den Benutzer bzgl. der Bestimmung eines Fensters als markiert vereinfacht ist (geltende Beschreibung Seite 4, Absatz 2).
Die Anmelderin ist der Ansicht, daß der Gegenstand des nunmehrigen Patentanspruchs 1 patentfähig sei, da er sich nicht aus dem Stand der Technik ergebe, insbesondere gebe es keinen Hinweis darauf, aus der Fensterpositionsdatei und dem Richtungssignal der Maus ein anderes Fenster zu bestimmen.
Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 003 überreichten Unterlagen, Patentansprüche 1 - 8, Beschreibung Seiten 1 - 13, 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 9, zu erteilen:
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Sie hat auch Erfolg, da der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).
Bei der vorliegenden Anmeldung geht es darum, eine einfachere Steuerung bei Fensterdarstellungen an einem Computer zu erreichen. Wenn die darstellbare Benutzeroberfläche größer als die Bildschirmfläche ist, werden üblicherweise Scrolleisten mit abgebildet, die es dem Anwender ermöglichen, den gewünschten Fensterausschnitt am Bildschirm darzustellen. Diese Verschiebemöglichkeit soll ersetzt werden. Voraussetzung für die angestrebte Lösung ist eine spezielle Maus mit Zusatztasten. Ein zweidimensionaler Fenstersteuerknopf (24) erzeugt die Richtungssignale, die die Bewegung des Fensters bestimmen.
Beansprucht wird ein Verfahren zum Markieren eines Fensters aus der Vielzahl der darstellbaren Fenster. Dazu werden durch die Maus Richtungssignale erzeugt, welche durch das Fenstersteuermodul ausgewertet und weiter verarbeitet werden und durch welche das ausgewählte Fenster als neues markiertes Fenster dargestellt wird.
In der mündlichen Verhandlung wurden folgende Druckschriften in Betracht gezogen:
- FAHNENSTICH, Klaus; HAESLIER, Rainer G.: Windows 3.1 (Farbausgabe) ISBN 3-89319-470-3. Addison-Wesley, 1992, S. 138-149, S. 513-516
- DE 296 21 338 U1.
Die Druckschrift 1 beschreibt Teilaspekte der Software Windows¨ von Microsoft, wie sie auch dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 zugrunde liegen.
Dies geht auch aus Beschreibung Seite 2, letzter Absatz hervor. Wie im angefochtenen Beschluß bereits ausgeführt, muß dabei auch eine Fensterpositionsdatei nach Merkmal a) vorgesehen sein.
Die DE 296 21 338 U1 betrifft die Maus, die bei dem beanspruchten Verfahren verwendet werden muß. Sie geht auf dieselbe Anmelderin wie die vorliegende Anmeldung zurück. Nach einer Betätigung eines zusätzlichen Steuerknopfes (24) der Zeigereinrichtung durch einen Benutzer wird ein zusätzliches zweidimensionales Richtungssignal erzeugt (Seite 5, Zeilen 21 bis 29). Das zweidimensionale Richtungssignal wird unter Verwendung des Fenstersteuermoduls empfangen (Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 6).
Aus der DE 296 21 338 U1 ist sonach bekannt, daß
- nach einer Betätigung eines zusätzlichen Steuerknopfes (24) der Zeigereinrichtung durch einen Benutzer ein zusätzliches zweidimensionales Richtungssignal erzeugt wird (Seite 5, Zeilen 21 bis 29) {Merkmal b};
- das zweidimensionale Richtungssignal unter Verwendung des Fenstersteuermoduls empfangen wird (Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 6) {Merkmal c};
Eine Zusammenschau dieser beiden Druckschriften führt nicht zum Verfahren nach dem Patentanspruch 1, denn der Fachmann bekommt keinen Hinweis, die Richtungssignale der Zeigereinrichtung (Maus) mit einer Fensterpositionsdatei zu verknüpfen und so zum wesentlichen Merkmal d) des Verfahrens zu gelangen, nämlich daß
"ausgehend von der in der Fensterpositionsdatei gespeicherten Position des markierten Fensters ein anderes Fenster erfaßt und als markiert bestimmt wird, welches gemäß den Positionsdaten der Fensterpositionsdatei im wesentlichen in der Richtung des zweidimensionalen Richtungssignals liegt".
Zu einer anderen Beurteilung des Anmeldungsgegenstands geben auch die anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften keinen Anlaß, wie eine Überprüfung durch den Senat ergab.
Insbesondere führt auch die Kenntnis der EP 0 467 720 A2 und der IBM-Druckschrift "Mouse Assisted Scrolling Function for Mulitmedia Displays in "IBM Tech. Dis. Bull, Vol. 37 No. 12, Dezember 1994, S. 495/496" nicht zum Verfahren nach dem Patentanspruch 1. Aus der europäischen Druckschrift ist eine Bedienoberfläche bekannt, die in mehrere Bereiche aufgeteilt ist. Diese Bereiche haben eine feste, unveränderliche Position auf dem Bildschirm. Die verwendete Maus besitzt einen Modus, in dem die Richtung der Mausbewegung ausgewertet und so ein Bildschirmbereich ausgewählt wird. Die IBM-Druckschrift betrifft eine Maus, die in einen Scroll-Modus gebracht werden kann, d.h. die Mausbewegung wird direkt in eine Scrollbewegung am Bildschirm umgesetzt.
Bei der Ermittlung des relevanten Standes der Technik für einen bestimmten Anmeldungsgegenstand wird ein Fachmann möglicherweise mehr als zwei Druckschriften in Betracht ziehen. Ein bestimmter Anmeldungsgegenstand kann jedoch erst dann durch diese Druckschriften nahegelegt sein, wenn zwischen den Gegenständen dieser Druckschriften in Hinsicht auf die zu lösende Aufgabe ein Zusammenhang besteht und die einzelnen Lösungsansätze nicht in unterschiedliche Richtungen weisen.
Betrachtet man die vier genannten Druckschriften, so ergibt sich folgendes Merkmalsgemisch:
eine Oberfläche mit einem aktiven und einer Vielzahl von inaktiven Fenstern, bei der über Scrolleisten eine Bewegung möglich ist (FAHNENSTICH, Klaus; HAESLIER, Rainer G.: Windows 3.1 (Farbausgabe) ISBN 3-89319-470-3. Addison-Wesley, 1992, S. 138-149, S. 513-516), eine Maus mit einer speziellen Richtungstaste zum Erzeugen eines Richtungssignals (296 21 338 U1), eine Oberfläche, die fest in verschiedene Bereiche unterteilt ist, wobei aus der Bewegungsrichtung der Maus in ein anderes Fenster gesprungen wird (EP 0 467 720 A2), eine Maus, die in einen Scrollmodus geschaltet werden kann, d.h. die Bewegung der Maus wird in ein Scrollsignal umgesetzt (Mouse Assisted Scrolling Function for Mulitmedia Displays. In: IBM Tech. Dis. Bull, Vol. 37 No. 12, Dezember 1994, S. 495/496).
Hiervon ausgehend ist keine Veranlassung zu erkennen, daß der Fachmann die Maussignale direkt mit der Fensterpositionsdatei verknüpft und das hieraus ermittelte nächste Fenster als aktiv markiert.
Der Patentanspruch 1 ist nach allem gewährbar.
Die auf den Patentanspruch 1 bzw. 11 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Gegenstände des Patentanspruchs 1 und sind somit ebenfalls gewährbar.
Grimm Dr. Schmitt Bertl Prasch Na
BPatG:
Beschluss v. 18.03.2003
Az: 17 W (pat) 10/01
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a35251699c50/BPatG_Beschluss_vom_18-Maerz-2003_Az_17-W-pat-10-01