Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 1. Februar 2013
Aktenzeichen: 6 W 255/12
(OLG Köln: Beschluss v. 01.02.2013, Az.: 6 W 255/12)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.11.2012 - 226 O 172/12 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beteiligten zu 2. wird gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 30 Nr. 3 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt 1 des Beschlusses der Kammer vom 15.10.2012 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweils dort aufgeführten Zeitpunkten zugewiesen waren.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens erster Instanz und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
Gründe
Die gemäß den §§ 101 Abs. 9 S. 4, 6, 7; 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 101 Abs. 1, 2, 9 UrhG liegen vor.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen der Systemadministratoren des mit der Überwachung der Filesharing-Systeme betrauten Unternehmens sowie eines Sachverständigengutachtens über die Zuverlässigkeit der dabei eingesetzten Software belegt, dass der Film "F" offensichtlich von den in Anlage ASt 1 aufgelisteten IP-Adressen zu den dort bezeichneten Zeitpunkten ohne ihre Zustimmung öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Darüber hinaus hat die Antragstellerin durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Verkaufsleiters sowie von Vertragsunterlagen belegt, dass sie für Deutschland ein ausschließliches Recht zur Verwertung dieses Films unter anderem im Kino-, Video und Onlinebereich in bestimmten Sprachfassungen besitzt.
Auf Grund dieses ausschließlichen Nutzungsrechts ist die Klägerin berechtigt, gemäß § 101 Abs. 2 UrhG Auskunft über Namen und Anschriften der damaligen Inhaber der angeführten IP-Adressen zu verlangen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann eine offensichtliche Verletzung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts nicht deshalb verneint werden, weil die in der Anlage ASt 1 aufgelisteten Dateien möglicher Weise nicht zu ihren Gunsten lizenzierte Sprachversionen enthalten.
Der Auskunftsanspruch gegen Dritte gemäß § 101 Abs. 2 UrhG ist ein Hilfsanspruch zur Vorbereitung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen gegen den Verletzer. Er ist daher an die Bedingung geknüpft, dass die Voraussetzungen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs aus § 97 UrhG erfüllt sind (vgl. BGH GRUR 2012, 1026 Rn. 20 - Alles kann besser werden). Der Antragstellerin steht ein ausschließliches Recht zur Verwertung des Films "F" zwar nur in der englischen Originalfassung (ohne und mit deutschsprachigen Untertiteln) sowie in deutscher Synchronisation zu. Dass die von ihr in der Anlage ASt 1 aufgeführten Dateien ausschließlich derartige Sprachfassungen beinhalten, hat die Antragstellerin nicht belegt. Vielmehr gesteht sie selbst zu, dass Dateinamen beliebig gewählt und umbenannt werden können und deshalb keinen Rückschluss auf den Dateiinhalt zulassen. Das Verbietungsrecht der Antragstellerin aus § 97 Abs. 1 UrhG erstreckt sich jedoch auch auf andere Sprachversionen.
Allerdings wird das der dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG grundsätzlich durch den Inhalt der eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt (vgl. Senat ZUM-RD 2000, 332, 335), findet seine Grenze also regelmäßig in der jeweils eingeräumten Nutzungsart und den hierzu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (vgl. BGH GRUR 1992, 310, 311 - Taschenbuch-Lizenz; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage, vor § 28 Rn. 82; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Auflage, § 97 Rn. 133). Das Verbietungsrecht kann indessen über das Benutzungsrecht hinausgehen, wenn dies erforderlich erscheint, um die Nutzungsbefugnis zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch wirksam zu schützen (vgl. BGH NJW 1953, 1258, 1259 - Lied der Wildbahn; GRUR 1999, 984, 985 - Laras Tochter; Wild in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage, § 97 Rn. 50).
Dementsprechend ist der zur Verwertung eines Werks in einer bestimmten Nutzungsart Berechtigte aus § 97 Abs. 1 UrhG befugt, auch gegen die unberechtigte Nutzung des Werks in einer konkurrierende Nutzungsart vorzugehen, wenn diese unmittelbar wirtschaftlichen Einfluss auf die an ihn lizenzierte Verwertung hat und deshalb seine materiellen Interessen betroffen sind (vgl. OLG München vom 15.01.2013 - 6 W 86/13 -; LG München MMR 2004, 192, 194; Reber in: Beck´scher Online-Kommentar Urheberrecht, Stand 15.09. 2012, § 97 Rn. 12; s. auch BGH GRUR 1992, 697, 698 - ALF). In diesem Fall liegt die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, auch wenn die von der Verletzung betroffene Nutzungsart nicht dem Verwerter eingeräumt wurde, auch aus Urhebersicht selbst ohne ausdrückliche vertragliche Absprache gemäß § 31 Abs. 5 S. 1 UrhG im Rahmen des Lizenzvertragszwecks (vgl. Fromm/Nordemann a.a.O. § 31 Rn. 23). Insoweit unterscheidet sich die Sachlage von dem der Entscheidung "Taschenbuch-Lizenz" des Bundesgerichtshofs (GRUR 1992, 310) zu Grunde liegenden Fall, in dem der Lizenzgeber - wenn auch unter Verstoß gegen seine vertragliche Verpflichtung zur Unterlassung weiterer Verwertungshandlungen - einem Dritten die Erlaubnis zu einer nicht zu Gunsten des Lizenznehmers lizenzierte Nutzungsart erteilt hatte.
Nach diesen Grundsätzen ist die Antragstellerin berechtigt, sich auch gegen nicht in der englischen Originalfassung oder in deutscher Synchronisation, sondern in anderen Sprachversionen zum Download angebotenen Ausführungen des Films "F" zur Wehr zu setzen. Die lizenzvertraglichen Absprachen erfassen neben dem der Antragstellerin als Lizenznehmerin eingeräumten Verwertungsrecht für bestimmte Sprachfassungen die Verpflichtung der Lizenzgeberin, in Deutschland keine anderen Sprachversionen auszuwerten. Auf diese Weise soll der Antragstellerin dort die umfassende und bestmögliche Auswertung des Films "F" in Deutschland ermöglicht werden. Im Einklang hierzu hat die Lizenzgeberin keine weiteren Lizenzen für die Verwertung des Films in anderen Sprachfassungen in Deutschland erteilt, sondern wird der Film dort ausschließlich durch die Antragstellerin kommerziell vermarktet. Dieses Nutzungsrecht wäre jedoch erheblich beeinträchtigt, wenn potentielle Erwerber des Films in den zu Gunsten der Antragstellerin lizenzierten und von dieser entgeltlich angebotenen Sprachversionen stattdessen das Werk "F" im Internet in anderen Sprachfassungen - insbesondere in Fremdsprachen, die in Deutschland weit verbreitet sind - kostenlos herunterladen und unbegrenzt anschauen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 101 Abs. 9 Satz 4, 5 UrhG, 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.
OLG Köln:
Beschluss v. 01.02.2013
Az: 6 W 255/12
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