Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Mai 2001
Aktenzeichen: 24 W (pat) 38/01

(BPatG: Beschluss v. 08.05.2001, Az.: 24 W (pat) 38/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 1999 aufgehoben.

Gründe

I In das Register als Marke eingetragen werden soll die Bezeichnung Orthogenfür die Waren und Dienstleistungen

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse und Präparate, insbesondere für die Gesundheitspflege; Cytokine und Cytokinhaltige Zubereitungen, insbesondere für Behandlungen von Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Nervensystems; Naturheilstoffe, insbesondere zur Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Nervensystems; Medikamente und Kits zur Behandlung und Diagnose von Krankheiten, insbesondere des Bewegungsapparates und des Nervensystems, insbesondere Osteoporosegentests, Rheumagentests; DNA-gestützte Diagnostika für rheumatoide Erkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates und Nervensystems; Affinitätsreinigungs-Kits, Kits zur Durchführung von Gentherapien, Immunocytologie-Kits, PCR-Kits; Mikroorganismen, Plasmide, Kulturen von Mikroorganismen; DNA-Sequenzen, Clonierungsvektoren, monoclonale und polyclonale Antikörper; Zellkultursysteme zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken; Invitrogezüchtete Zellen, insbesondere Knorpelzellen, zur Behandlung von Defekten; chemische Erzeugnisse zur Verwendung im Labor und bei der Invitro-Analyse; gereinigte Enzyme, teilweise gereinigte Enzyme und biochemische Reagenzien; gereinigte rekombinate und natürliche Proteine, Zellwachstumszusätze; Orthopädische Artikel, insbesondere Orthesen, die gegebenenfalls mit therapeutischen Substanzen beladen beziehungsweise befüllt werden können; Geräte zur Auswertung invitro und invivo diagnostischer Tests für medizinische Zwecke; Chirurgische Geräte, Prothesen und Endoprothesen; Spritzen; Laborbehälter; Wissenschaftliche und industrielle Forschung, insbesondere Entwicklung von PCR-Tests, immunologischen Tests von Knochenstoffwechselparametern und von Zellkultursystemen zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken; Auftragsforschung hinsichtlich Stoffwechselerkrankungen des Bewegungsapparates; Entwicklung von DNA-gestützten Diagnostika für rheumatoide Erkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates, insbesondere Arthrose, Multiple Sklerose und Erkrankungen des Knochenstoffwechsels sowie des Nervensystems; Clonierung und Expression von Genen, Untersuchung der Wirkung von Substanzen, auch Naturstoffen, auf erkrankungsrelevante Parameter bei Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Nervensystems; Entwicklung von Gentherapien gegen Rheuma, Autoimmunerkrankungen, Arthrose, Nervenerkrankungen, Knochenerkrankungen und Nervensystemerkrankungen, Entwicklung von Cytokinen und Cytokinhaltigen Zubereitungen für die Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Nervensystems; Züchtung von Zellen in vitro, insbesondere zur Behandlung von Defekten und zur Zubereitung autologer Cytokinhaltiger Präparate; ärztliche Versorgung und Gesundheitspflege, insbesondere im Bereich der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates, des Nervensystems und des Immunsystems."

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, die Anmeldemarke setze sich ersichtlich aus den Bestandteilen "ortho" und "gen" zusammen. Das Präfix "ortho" komme aus dem Griechischen und bedeute übersetzt soviel wie "richtig, wahr, wirklich". Der weitere Markenteil "gen" habe die Bedeutung eines in den Chromosomen lokalisierten Trägers einer Erbanlage, eines Erbfaktors, der die Ausbildung eines bestimmten Merkmales beeinflusse. "Orthogen" enthalte hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen somit den beschreibenden Sachhinweis, daß diese in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung und Herstellung eines richtigen Gens bzw der Behandlung und Therapie mittels eines richtigen Gens stünden. Deshalb fehle der angemeldeten Marke jedenfalls die Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt.

Sie verfolgt mit näheren Ausführungen ihr Eintragungsbegehren weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Das Markenwort "Orthogen" stellt für die oben genannten Waren und Dienstleistungen keine freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dar. Von dieser Vorschrift werden nur solche Wörter erfaßt, die einen unmittelbaren Waren- oder Dienstleistungsbezug aufweisen, also die im Gesetz im einzelnen aufgeführten Angaben, sonstige Merkmale der Waren oder Dienstleistungen oder unmittelbar mit ihnen in Beziehung stehende Umstände bezeichnen (vgl BGH GRUR 1999, 1093, 1094 "FOR YOU"; vgl auch BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"). Dem angemeldeten Wort fehlt es insoweit an einem ausreichenden Waren- und Dienstleistungsbezug. Es bezeichnet weder eine Eigenschaft oder ein sonstiges Merkmal der beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch einen für den Wirtschaftsverkehr wichtigen und für die umworbenen Kundenkreise irgendwie bedeutsamen Umstand mit Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen.

Das Markenwort "Orthogen" - offensichtlich eine sprachliche Neubildung - setzt sich, wie von der Markenstelle zutreffend festgestellt, aus den beiden dem Altgriechischen entstammenden Wortbildungselementen "ortho" und "gen" zusammen. Klar ist die Bedeutung des Adjektivs "ortho", nämlich "gerade, aufrecht, richtig, recht". Anders verhält es sich mit dem Element "gen". Es kann nicht nur - wie von der Markenstelle angenommen - ein eigenständiges Hauptwort "Gen" im Sinne von "Erbgutträger" darstellen. Vielmehr handelt es sich hierbei vor allem um eine geläufige Endung von Fremdwörtern, wobei diese Schlußsilbe als Hinweis auf die Entstehung oder Zugehörigkeit zu verstehen ist (vgl Duden, Das große Wörterbuch, der deutschen Sprache, 1999, S 1453). So sind im deutschen Sprachbereich zahlreiche entsprechend gebildete Begriffe bekannt, zB "autogen, endogen, erogen, exogen, halogen, hämatogen, heterogen, homogen, pyrogen" usw (vgl Muthmann, Rückläufiges deutsches Wörterbuch, 1988, S 565 f). Weder in der von der Markenstelle herangezogenen Substantivbedeutung noch als Wortendung kann der angemeldeten Angabe "Orthogen" indessen ein eindeutiger beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden. So gibt es in der präzisen wissenschaftlichen Fachsprache weder ein "falsches" noch ein "richtiges" Gen, vielmehr müßte die "Richtigkeit" eines Gens im Sinne einer zutreffenden Zweckbestimmung für jeden Einsatzbereich speziell definiert werden. "Orthogen" reiht sich aber auch nicht in den Kreis verständlicher Fachbegriffe mit der Endung "-gen" ein, weil ein "richtiger" Ursprung, eine "richtige" Entstehung oder Zugehörigkeit keine eindeutige und insoweit zur unmittelbaren Beschreibung konkreter Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen geeignete Aussage darstellt.

Hiervon ausgehend kann nicht die Feststellung getroffen werden, das Markenwort verfüge über eine beschreibende Begrifflichkeit, die in ausreichender Weise unmittelbar, also eindeutig und klar ist, um dem Gebot der Freihaltung zu unterliegen. Dies gilt umso mehr, als die von der Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen grundsätzlich von so ausgesprochen fachspezifischer Natur sind, daß als maßgebliche Verkehrskreise nur Fachleute bzw Spezialisten aus dem wissenschaftlichen Bereich in Betracht kommen (vgl BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE"). Für derartige Fachkreise, die an einer klaren, unzweideutigen Begriffsbildung und Bezeichnungsweise interessiert sein müssen, liegt es jedenfalls fern anzunehmen, sie würden eine mehrdeutige, unpräzise Bezeichnung wählen, um eine Sachangabe mitzuteilen (vgl BGH GRUR 1995, 269, 270 "U-KEY").

Entgegen der Ansicht der Markenstelle kann der angemeldeten Marke auch nicht die Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Unterscheidungskraft einer Wortmarke in erster Linie zu verneinen, wenn dem Wort ein für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (vgl BGH GRUR 2001, 162, 163 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"). Diese Voraussetzung ist - wie bereits oben ausgeführt - bei der angemeldeten Marke nicht erfüllt, weil der Begriff "Orthogen" sich als zu vage und unbestimmt darstellt, um zur Beschreibung zu dienen. Bei der angemeldeten Wortneubildung handelt es sich aber auch nicht um eine bloße Anpreisung oder Werbeaussage, die vom Verkehr selbst dann nur als solche und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden, wenn sie die einschlägigen Waren oder Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreiben (vgl BGH GRUR 2000, 323, 324 "Partner with the Best; BPatG BlPMZ 2001, 155, 156 "HAPPINESS"). Dem keineswegs eindeutigen, sondern interpretationsbedürftigen Ausdruck "Orthogen" kann insoweit nicht die Eignung abgesprochen werden, im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine Herkunftsfunktion zu erfüllen, wobei zu berücksichtigen ist, daß für die Überwindung des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG jede noch so geringe Unterscheidungskraft als ausreichend erachtet wird (vg BGH, aaO, "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION").

Der Beschwerde ist somit stattzugeben.

Dr. Ströbele Werner Dr. Schmitt Mr/Bb






BPatG:
Beschluss v. 08.05.2001
Az: 24 W (pat) 38/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a3b45efc07e1/BPatG_Beschluss_vom_8-Mai-2001_Az_24-W-pat-38-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share